Ermittlungen in Ludwigshafen

Beim Brand eines Mehrfamilienhauses im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen kamen neun Menschen türkischer Herkunft ums Leben. Die Ermittler suchen derzeit nach Anhaltspunkten dafür, dass es dich bei diesem Brand um einen Anschlag gehandelt hat. Bisher sind sie nicht fündig geworden, auch wenn es Indizien in Gestalt von SS-Runen gab. Doch klare Anzeichen für eine Brandstiftung für etwa Spuren von Brandbeschleunigern wurden nicht gefunden.

Die Katastrophe schien sich zeitweilig zu einer neuen Belastungsprobe für das deutsch-türkische Verhältnis aufzuschaukeln, nicht zuletzt dank tatkräftiger Mithilfe türkischer Medien, die mit großer Selbstverständlichkeit einen fremdenfeindlichen Hintergrund erkannten. Solingen lässt grüßen. Aber auch die Wahlkampfstrategie der hessischen CDU scheint da hineinzuspielen, folgt man dem türkischstämmigen Psychologen Haci-Halil Uslucan (hier im FR-Interview). Doch der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in Ludwigshafen scheint die Situation entspannt zu haben.

FR-Leser Michael Andes aus Lorsch meint zu diesem Thema:

„Na prima. Ich als Berufsfeuerwehrmann kann den Kameraden nachfühlen, die dort ihren Dienst versehen haben. Angespuckt zu werden von denen, denen man hilft. Wirklich prima.
Sogar der türkische Premier will hier nach dem Rechten sehen, denn die deutschen Behörden arbeiten ja nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Man sollte ihm mal die „Hilfsfristen“ (acht Minuten bis Eintreffen eines ersten Fahrzeuges der Feuerwehr nach der Feuerwehrverordnung Rheinland-Pfalz) näherbringen, die hier garantiert eingehalten wurden. Wie dies im anatolischen Hinterland aussieht, möchte ich hier einmal dahingestellt sein lassen.
Bei aller Trauer um so viele Menschen, die ihr Leben lassen mussten, so ist hier eine Entschuldigung derjenigen angebracht, die ihre Retter bespucken und beschimpfen. Mir als Feuerwehrmann wird die Motivation genommen, mehr als nur einen Job in meinem Beruf zu sehen.“

Folkard Bremer aus Waltrop sieht die Ermittlungen skeptisch:

„Auch in Solingen ermittelten LKA, BKA und eine ‚Sonderkommission‘. Alles wie gehabt, jetzt in Ludwigshafen. Wer aber koordiniert die Arbeit all dieser Kriminaler? In Solingen wurden wertvolle Spuren bei den Ermittlungsarbeiten zerstört. Droht uns das jetzt wieder? Nicht die Vielzahl der Ermittler bringen verwertbare Ergebnisse, sondern deren Qualität. Die aber ist bei zu vielen Händen, die alle voneinander unabhängig sind, nicht unbedingt gegeben.“

Hans Valentin aus Kelkheim (Taunus):

„Der Mann (Schäuble), dem die Türkei erklärte, sie sei ‚Rechtsstaat‘, als ein Deutscher unrechtmäßig lange in der Türkei festgehalten wurde, stimmt dem Verlangen zu, türkische Ermittler in Deutschland tätig werden zu lassen zu. Das ist ja wohl ein Witz! So tragisch der Tod dieser Menschen ist, so kann man nicht automatisch auf eine fremdenfeindliche Aktivität schließen. Was soll also diese ‚a…kriecherische‘ Aktion? Herr Schäuble, schämen Sie sich!“

Jürgen Mueller aus Pasadena (CA/USA) hat den Blick von außerhalb:

„Wenn neun Türken in Deutschland verbrennen, hat der türkische Ministerpräsident ein Recht darauf, den Ort dieses Unglücks zu besuchen. Dass Deutschland dies peinlich ist, hat es in allererster Linie sich selbst zu verdanken.
Wäre es nicht immer wieder, vor und nach Solingen, in Tat und Wort zu widerlichen Überschreitungen gegen Ausländer gekommen, hätte man diesen Besuch als eine Trauerangelegenheit ohne darüber hinausgehendes politisches Unbehagen betrachten können. Solange aber Ausländer über Marktplätze gehetzt werden, Nazis wieder in die Parlamente Deutschlands gewählt werden oder deutsche Fernsehsprecher ungeniert das Wort „getürkt“ in den Mund nehmen, sollte dieser Verdacht nicht verwundern. Man stelle sich vor, ein amerikanischer Nachrichtensprecher benutzte das Wort „genegert“. Welche Entrüstung käme darüber gerade aus Deutschland, und wie viele Minuten säße dieser Sprecher in den USA wohl noch vor der Kamera?
Aber so ist das in einem Deutschland, wo heute jeder ganz offen ’seine‘ Ausländer hassen darf – Inder, Türken, Amerikaner usw. Eine Kultur der Intoleranz und falscher, ja auch rassistischer Überlegenheitsgefühle tut sich da auf. Das setzt sich im Denken des Auslands gegenüber Deutschland fest. Aber nur Deutschland kann dies ändern, wenn es denn will – wonach es nach dem hessischen Wahlkampf aber nicht aussieht.“

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54 Kommentare zu “Ermittlungen in Ludwigshafen

  1. Bei allem was den Bürgern mit Migrationshintergrund hierzulande an Chancen-Ungleichheit und Feindseligkeiten angetan wird, ist es völlig unverständlich, wie soviele immernoch den Mut aufbringen hier leben zu wollen, ja sogar dafür kämpfen eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Wo mögen wohl die Gründe liegen, das Deutschland trotz all dem immernoch attraktiv für Ausländer ist? Das wäre doch mal interessant zu erfahren. Wie wärs, wenn die FR dazu alsbald eine Interviewaktion starten würde? Womöglich hätten die Ergebnisse sogar einen integrativen Effekt.

  2. @1

    Womöglich könnten aber bestimmte Ergebnisse auch einen Effekt haben, der Ressentiments gegenüber Ausländern eher verstärkt, es wäre also wichtig, die Aussagen auch entsprechend zu selektieren. Würde z.B. ein türkischstämmiger Migrant (mit doppelter Staatsbürgerschaft) sagen, daß er sowohl in D als auch in der Türkei arbeitslos ist bzw. wäre, dann aber seine Entscheidung doch von der Tatsache abhängig macht, daß er in Deutschland bei Arbeitslosigkeit mit einem Gesamtwert von 650 Euro unterstützt wird (dt. staatl. Sozialhilfe), in der Türkei hingegen, wenn überhaupt, von 7 Euro im Monat leben müsste (Höhe der Sozialhilfe in der Türkei: 9 US $ = 7 Euro/Monat), so bergen solche Äußerungen natürlich schon eine Gefahr. Aber vielleicht irre ich mich auch, und kein türkischer Migrant z.B. würde so etwas sagen, dann wäre ja alles in Ordnung.

  3. So tragisch das Unglück von Ludwigshafen auch gewesen ist, wobei 9 Menschen ihr Leben verloren,sollte man doch auf dem Boden der Realität bleiben und sich nicht durch die „Hetze“ türkischer Medien,in irgendeiner Weise „beeinflussen“ lassen!Wohnungsbrände jeglicher Art finden in Deutschland tag-täglich statt, wobei leider auch immer wieder Menschenleben zu beklagen sind! Und, die deutschen Behörden (Polizei) verfügen über genügend Mittel und auch Sachverstand, um darüber urteilen zu können, wie, wann,oder auch durch wen,dieser oder jener Wohnungs- wie auch Wohnhausbrand entstanden ist! Hierbei braucht die deutsche Polizei gewiss nicht die Unterstützung bzw. Beobachtung ihrer türkischen Kollegen! Im Fall „Marco“ welcher sich über Monate hinzog, hat sich die türkische Regierung auch jegliche Einmischung deutscher Ermittlungsbehörden verbeten!!!

  4. na ja, Herr von Seggern,ich stimme Ihnen ja zu, dass Panikmache nichts bringt: erst einmal muss das Ergebnis der Untersuchungen abgewartet werden.
    Das mag für die Angehörigen der Opfer erst einmal unbefriedigend sein, es ist jedoch übliche Praxis (und das nicht nur in Deutschland).

    Der Vergleich mit dem Fall Marco hinkt vollkommen: hier ging es um Einmischung in ein Gerichtsverfahren, während es im Fall „Ludwigshafen“ um Unterstützung bie der Ermittlung geht, und diese kann sinnvoll sein.

    .. und die Bemerkung, dass ja jeden Tag … „bablabla“ … ist doch bullshit! Oder wollen Sie ernsthaft, dass Untersuchungen in solchen Fällen unterbleiben oder nur bei deutschen Opfern durchgeführt werden, oder ausgewürfelt werden?

  5. @ 4 Herr Gebhardt,

    gewiss lesen auch Sie täglich, die eine wie auch andere Zeitung und hinter jedem Artikel welcher sich mit irgendeinen Unglück (auch einer Brandkatastrophe befasst),
    steht immer wieder, das die Polizei die Ermittlungen aufgenommen hat!Hierbei spielt es doch überhaupt keine Rolle was für einer Nationalität der, oder die Betroffenen des jeweiligen Unglücks waren! Hier geht es um Menschen, wie Du und Ich!!!

  6. So tragisch das Ereignis ist, es zeigt doch in erschreckender Deutlichkeit, wie die Türken unser Land zu einem Pulverfaß machen. Die gebetsmühlenartigen Forderungen nach Toleranz gelten immer nur den Einheimischen, nie den Zuwanderern. Das spiegelt sich in der Haltung des türkischen Ministerpräsidenten, der so unverfroren ist, hier anzureisen um unsere Regierung unter Druck zu setzen, und allen Ernstes auch noch in unpassendster Weise den schrecklichen Tod seiner Landsleute dazu ausschlachtet, weitreichende Forderungen nach Ausbau der türkischen Parallelgesellschaft durch Einrichtung türkischer Schulen in Deutschland zu stellen! Das ist nicht nur geschmacklos, es zeigt auch, wie wenig Bereitschaft eigentlich da ist, uns als Gastland zu betrachten und zu respektieren! Wir werden wie eine ergiebige Milchkuh angesehen, von der man immer noch mehr abfordern kann, solange sie sich nicht wehrt. Dabei stellt sich doch irgendwann die Frage, warum diese vielen Türken eigentlich nicht mehr in der Türkei leben wollen, sondern bei uns, wenn Herr Erdogan sie dort doch so gut versorgt, wie er es von uns lautstark einfordert…

  7. Ausländerfeinde, es reicht. Es reicht, Herr Seggern / Wedell, schreiben sie weiter in ihren rechten Postillen, aber lassen sie bitte hier das Posten.

  8. Bitte, bitte, bleiben Sie doch sachlich! Hier ist etwas schreckliches passiert und ich finde es nicht verwunderlich, dass manche Menschen fürchten, hier könnte sich Rostock oder Mölln wiederholt haben.
    @Kristin, @ MonikaV. u.a. Die türkischstämmigen Menschen sind hier längst keine „Gäste“ mehr. Sie sind hier geboren! Dies ist ihre Heimat, ihr zu Hause. Und sie gehören, Herr Wedell, in UNSER Sozialsystem, denn sie haben hier eingezahlt mit ihrer Arbeitskraft, sie haben in unseren Fabriken geschuftet. Und sie geben ihre Kaufkraft HIER aus. Und diese Menschen dürfen auch darüber besorgt sein, ob so ein Brand ein ANSCHLAG oder ein Unglück war. Ich möchte darüber auch gern Klarheit haben. Und ich fasse mich jetzt in Geduld und hoffe auf die Wahrhaftigkeit der Befunde. Herr Erdogan hat die deutsch/türkische Presse zur Mäßigung in ihren Vorurteilen aufgerufen. Das ist auch recht so!

  9. @ I. Werner
    Ich verstehe Ihren erhobenen Zeigefinger gegen meinen Beitrag nicht wirklich… aber vielleicht habe ich meinen Punkt nicht klar genug rübergebracht: Ich wollte in erster Linie darauf hinweisen, dass immer nur beklagt wird, was alles nicht gut läuft und was alles nicht gemacht wird (ganz die deutsche Art…das Glas ist immer halb leer, nie halb voll…) Auch das spaltet statt zu einigen, schafft eine Atmosphäre des permanenten Misstrauens und der Spannung, was sich dann in Krisensituationen wie der in Ludwigsburg entlädt. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Medien auch mal verbreiten, was Menschen aus anderen Kulturen lebenswert an und in Deutschland finden. Ich glaube fest daran, dass mit der Betonung von Gemeinsamkeiten und Postivem mehr Offenheit und Bereitschaft für gegenseitigen Respekt geschaffen wird, statt ständig auf echten wie vermeintlichen Benachteiligungen herum zu hacken.

  10. Hallo,
    leider wird zu wenig berücksichtigt, dass es sich bei den Opfern um Angehörige einer in der Türkei diskriminierten Minderheit, der Aleviten, handelt.
    Interessierten rate ich dringend sich den entsprechenden Beitrag von Wikipedia anzusehen. Bezeichnend ist die ablehnende Haltung eines Betroffenen zur Berichterstattung in den türkischen Medien.
    Hingekritzelte SS-Runen besagen nichts.

  11. @ kristin, volle Zustimmung!

    @ I. Werner, ein hier geborener oder auch 30 Jahre hier Lebender gehört hier hin, und dann auch in die Sozialsysteme, das bestreitet doch niemand. Aber jemand, der vor 5 Jahren von woanders her kam, und nie „in einer Fabrik geschuftet“ oder sonst welche nennenswerte Beiträge in der Gemeinschaft geleistet hat, gehört der auch in unser Sozialsystem? Immer wieder kommen von linker Seite die Extrembeispiele der hier Geborenen oder langjährig hier Lebenden, es gibt aber auch genug andere. Ich sehe hier einen zentralen Punkt, denn Ausländerfeindlichkeit bei der deutschstämmigen Bevölkerung wird man nur wirksam bekämpfen können, wenn man auch dem letzten klarmachen, ja BEWEISEN kann, das die Gesellschaft GERECHT ist. Ein Deutschstämmiger nimmt die weit unterdurchschnittlichen Beiträge von Immigranten (finanzieller oder anderer Art) wahr, obwohl man sich von offizieller Seite Mühe gibt, sie zu verschweigen. Ich bin aber optimistisch, daß die Deutschstämmigen dahingehend erzogen werden können (wenn sie es nicht weitgehend schon sind), einen sozial schwachen Immigranten, der langjährig bewiesen hat, daß er nach seinen besten Kräften seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten will, ebenso als SELBSTVERSTÄNDLICHEN Teil der Gesellschaft anzusehen wie den deutschstämmigen, dessen Kräfte auch nur zu unterdurchschnittlichen Beiträgen reichen. Wenn man aber in der Diskussion diese Ausländer ständig mit jenen vermengt, die in Deutschland AUF KOSTEN ANDERER ihre Vorteile suchen, weil man wie sie alle über einen Kamm schert, dann werden sich die Ressentiments gegenüber Ausländern verschärfen, soviel ist sicher. Ihre Behauptung, alle oder auch nur die meisten Migranten hätten „in deutschen Fabriken geschuftet“ ist nicht nur unbewiesen, sondern ganz offensichtlicher Unsinn, mit dieser aus der Luft gegriffenen Behauptung wird man Ressentiments gegenüber Immigranten nicht beiseiteräumen können, weil einfach viele Einheimische diesen offensichtlichen Unsinn zu glauben nicht in der Lage sind.

    @10, Sie haben recht, hingekritzelte SS-Runen an dem Brandhaus besagen nicht viel… und zwar, weil man inzwischen an jeder Straßenecke welche sehen kann, nicht nur in Ludwigshafen, sondern in jeder deutschen Stadt, im ganzen Land. Die Auseinandersetzung mit dem III. Reich ist hierzulande dergestalt (z.B. „gesetzliche Verbote von Symbolen“ etc.), daß sich das Thema ideal für Jugendliche zur Übernahme anbietet, die revoltieren wollen, die ihren Antagonismus gegen die Gesellschaft zeigen wollen, die auf der Suche nach „Zeichen der Rebellion“ sind, die sie sich aneignen können. Ich denke, diese Sachverhalte wird man in der Türkei nicht verstehen, haben wir doch im eignen Land genug Leute, die sie nicht verstehen (und sie stattdessen als ein „Unaufgeklärtsein“ interpretieren, was langsam auch reichlich lächerlich aussieht).

  12. @7. Inga Wolf

    Sie schreiben: „Ausländerfeinde, es reicht. Es reicht, Herr Seggern / Wedell, schreiben sie weiter in ihren rechten Postillen, aber lassen sie bitte hier das Posten.“

    Liebe Inga, ich muss Ihnen uneingeschränkt zustimmen. Darf ich das mit den rechten Postillen etwas präzisieren? Zum Beispiel schreibt Herr von Seggern ja auch (zustimmende!!!) Leserbriefe in der „Deutschen Stimme“, die sich wie folgt charakterisiert:

    „Seit Mitte der neunziger Jahre hat sich die seit 1976 erscheinende Monatszeitung Deutsche Stimme (DS) zu einem führenden Organ der nationalen Publizistik in Deutschland entwickelt. …. Kein Thema fällt dabei der Zensur oder irgendwelchen Tabus zum Opfer – ob die unverschämten finanziellen Forderungen der zionistischen Lobby, die massive Landnahme von Fremden in unserem Vaterland, die immer skrupelloser von der amerikanischen Ostküste vertretenen Weltherrschaftsgelüste, der Staatsterrorismus Israels oder die geistige und kulturelle Verwahrlosung unseres Volkes. Auch der Korrektur des von den Herrschenden einseitig vermittelten und oftmals manipulierten Geschichtsbildes fühlt sich die Redaktion der Deutschen Stimme verpflichtet.“

    Herr von Seggern und ihr Gesinnungsgenosse Herr Wedell: Distanzieren Sie sich von diesem ekelhaften Blatt oder hören Sie auf, hier ihre ausländerfeindlichen Positionen zu verbreiten.

  13. #6 Kristin

    Muttersprachlicher Unterricht für türkischstämige Kinder bedeutet nicht die Bildung oder Festigung der „Parallelgesellschaft“ und hat gar nichts mit einem mangelnden Respekt vor Deutschland zu tun. Ministerpräsident Erdogan hat ja nicht gefordert, dass diese Kinder nicht mehr Deutsch lernen. Im Augenblick ist es aber so, dass viele weder Deutsch noch Türkisch richtig beherrschen.

    Wieso ist es weit akzeptiert, dass das Leben in zwei Kulturen gut ist, wenn es sich um die deutsche und französische oder um die deutsche und US-amerikanische handelt (was der Run an entsprechende Schulen in Deutschland beweist), nicht aber um deutsche und türkische?

    Ob und wie ein zweisprachiger Unterricht sinnvoll ist, sollten Bildungspolitiker diskutieren.

    „Kristin“ geht es ohnehin nicht um sachliche Diskussion, wie seine Einleitung, dass „die Türken unser Land zu einem Pulverfaß machen“, ausreichend belegt.

  14. @ abraham
    Ich glaube das liegt einfach daran, dass Englisch eine Weltsprache ist und die meisten Eltern große Vorteile darin sehen, wenn ihre Sprösslinge diese Sprache so früh wie möglich beherrschen. Ähnlich sieht es mit Französisch und Spanisch aus. Bei all dem Schulstress, den die Kinder hierzulande sowieso schon haben, kommt dann verständlicherweise wenig Begeisterung auf, noch eine zusätzliche Sprachezu lernen.

  15. Gestern hat der türkische Ministerpräsident Erdogan quasi das türkische Protektorat Deutschland ausgerufen.
    Man kann gespannt sein, ob sich die deutsche Politik dazu äußern wird und wie lange
    es dauert, bis es der letzte Deutsche auch noch merkt.

  16. @ Katja

    Nu machen sie mal halblang, ja? Ein Protektorat, jedenfalls in der hier geläufigsten Form von „Protektorat Böhmen und Mähren“ ist ein scheinsouveränes Gebilde unter militärischer Besatzung und politischer Oberhoheit eines anderen Staates. Eine absurde Unterstellung!

    Ob sich „die deutsche Politik“ (wer is’n dütt?) dazu äußern wird, darauf braucht man nicht gespannt zu sein. Grobe Missdeutungen des Vorschlags und einhellige Ablehnung sind die Reaktion.
    Ungeachtet dessen lässt sich der nationalistische Tenor mancher von Erdogans Äußerungen durchaus kritisieren, wie z.B. die Rede von der Assimilation als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

    Für Interessenten an Versachlichung folgender Link:

    http://www.zeit.de/online/2008/07/intergration-kommentar

  17. @12

    Ich brauche mich nicht von einer Publikation zu distanzieren, die mir unbekannt ist. Wenn diese Publikation Positionen einnimmt, die eine Steuerung der Migrationsstr

  18. @ #11, Max Wedell

    Wenn sie sich darum sorgen, wie man „Ressentiments gegenüber Immigranten … beiseiteräumen“ könnte, fangen die doch einfach in ihrem Kopf an!

    Allein, dass als Gegenbegriff zu „Migranten“ der vier Mal in dem Beitrag vorkommende Begriff „deutschstämmig“, erscheint, der der Mottenkiste eines rassisch-völkisch-nationalistischen Arsenals entnommen ist, disqualifiziert sie für eine ernstzunehmende Stellungnahme zum Thema.

    Besorgen sie sich doch für ihre geistige Therapie vielleicht mal einen Ahnenpass, dann werden sie vermutlich staunen, was für ein welsches, hugenottisch-jüdisch-polnisch-ukreinisch-niede–rländisches Gesindel sich in ihrer reinrassigen Vorfahrenschaft so tummelt.

  19. Wo schaukelt denn diese Diskussion hin?

    Kein Hinweis auf Brandstiftung, nichts.
    Und doch ist man schon wieder mittendrin in der Migrantendiskussion.

    Flugs werden die armen Gestorbenen politisiert, samt ihren ganzen Umfeld.

    Schweigen,trauern und bessere Fluchttreppen bauen.
    Reicht schon.

  20. Der Fremdenhass liege den Deutschen im Blut, schreibt die türkische Zeitung Cumhuriyet. Sie berichtet offensichtlich von einem anderen Land. Oder warum verlassen seit Jahrzehnten Jahr für Jahr Menschen ihr geliebtes türkisches Heimatland, um in das „böse“ Deutschland zu ziehen?
    Für Ende 2006 meldete die FR 1.739.000 Türken hierzulande – 24% aller Ausländer. Im Jahr 2004 wurden 44.465 eingebürgert (FR v. 31.1.2006). Und das, weil die Deutschen so ausländerfeindlich sind? Die türkischen Zeitungen betreiben ganz offensichtlich bösartige Hetze. Warum auch immer! Damit erweisen sie auch ihren Landsleuten keinen Dienst.
    Nun gibt es viele Länder, in die man einwandern könnte. Wenn Türken seit Jahrzehnten dabei zuerst an unser Land denken, müssen sie gute Gründe haben. Der Fremdenhass kann es nicht sein! Eigentlich könnten Türken sich freuen, dass sie hier wohnen. Aber das ist nicht immer leicht zu bemerken.

  21. „Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus.“ Dieses Sprichwort soll nur vergegenwärtigen, warum die türkischen Medien mit hetzerischen und vorurteilsbehafteten Überschriften die türkischen Gemüter erhitzen. Die deutsche Berichterstattung und Einmischung seitens deutscher Politiker im „Fall Marco“ war genauso vorurteilsbehaftet und unangebracht wie in den türkischen Medien derzeit. Daher ist es wichtig, dass die Brandkatastrophe trotz der bösen Erinnerungen an Solingen und Mölln behutsam aufgeklärt wird. Gerade in einer Zeit, in der Landespolitiker mit diffamierenden Kampagnen gegen Ausländer und Migranten auf Stimmenfang gehen und Gesetze verabschiedet werden, die eine Familienzusammenführung, vor allem aus muslimischen Ländern, erheblich erschweren, geschieht diese Tragödie in Ludwigshafen. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Teile der türkischstämmigen Bevölkerung gereizt reagieren und hetzerischen Überschriften Glauben schenken.

  22. Die Brandkatastrophe hat ein breites Spektrum von Spekulationen eröffnet. Schnell war man mit dem Vergleichsjahr 1993 zur Hand. Doch 1993 war auch das Jahr von Sivas. Am 2.7.93 fand in dieser türkischen Stadt eine Festlichkeit auf Initiative der Gesellschaft „Pir Sultan Abdal“ statt, die der alevitischen Glaubensgemeinschaft nahesteht. Auch der weltweit bekannte Schriftsteller Aziz Nesin nahm daran teil. Das Hotel, in dem die Dichter, Autoren, Musiker und Intellektuelle logierten, wurde durch fanatische Muslime gestürmt und in Brand gesteckt. 33 Künstler und Festgäste verbrannten bei lebendigem Leibe. Nesin entkam dem Tod nur durch Zufall. Die Verantwortlichen für dieses Verbrechen wurden nie bestraft. Politiker, ob Erdogane, Becks oder Merkels, haben sich am Tatort des Massenmords nie sehen lassen.

  23. Die Indianer würden über Herrn Erdogan sagen, er spricht mit gespaltener Zunge. Wer tags zuvor fordert, dass man in Deutschland türkische Schulen und Universitäten einreichten soll und dann seine Landsleute auffordert, Deutsch zu lernen, ist für mich ein Wolf im Schafsfell. Ich persönliche traue den Türken und dem Islam nicht. Das Christentum darf sich in der Türkei nicht offen bewegen, unaufgeklärte Morde an Christen, aber große Worte von sich geben. Der Völkermord an den Armeniern, die Unterdrückung der Kurden …

  24. @11, Max Wedell,

    „Aber jemand, der vor 5 Jahren von woanders her kam, und nie „in einer Fabrik geschuftet“ oder sonst welche nennenswerte Beiträge in der Gemeinschaft geleistet hat, gehört der auch in unser Sozialsystem?“ Mit ihrer vermeintlich sachlichen Diskussion (siehe ihren Beitrag #17) verkennen sie die Möglichkeit wie ein Mensch überhaupt noch nach Europa oder gar Deutschland einreisen darf. Ehegattennachzug (wollen sie den wirklich verbieten?), Einwanderung, nur wenn ein Jahreseinkommen (ich glaube) über 70.000 Euro oder ein andere Auskommen vorhanden ist, Asyl (theoretisch, praktisch seit 1992 abgeschafft). Also, alle die hier sind scheinen ihre VOraussetzungen zum hierbleiben zu erfüllen, nur sie möchten eingie gerne wieder abschieben. Und seien sie versichert, (grobgeschätz) 95% aller hier lebenden mit Migrationshintergrund leben länger als 5 Jahre hier.

  25. Das ist hier ja fast zu einem Schlagabtausch zwischen Rechts und Links ausgeufert. Viele Emotionen, viel Verletztheit, jede Menge Schuldzuweisungen und Rechthaberei. Einige Teilwahrheiten, die aber noch lange keine ganze ergeben. Am Ende weiss dann wohl auch keiner mehr so genau worum es ursprünglich eigentlich ging…
    Im Gegensatz dazu finde ich Birand Bingül „Deutschtürken; kämpft für eure Integration!“ (http://www.zeit.de/2007/05/Titel-Binguel-deutsch-05)
    sehr konstruktiv und möchte deshalb daraus eine Stelle zitieren:

    (…)“Deutschland ist nicht perfekt. Aber wir Deutschtürken wären alle miteinander nicht hier, wenn in der Türkei alles perfekt wäre – oder auch nur besser. Was mich deshalb noch wütender macht als all die Ungerechtigkeiten, ist die Reaktion allzu vieler Deutschtürken darauf: Weite Teile der ersten Generation ziehen sich zurück und resignieren. Nicht nur in den türkischen Teestuben hört man immer noch die alten pauschalen Schuldzuweisungen: »Bunlarn hepsi Nazi«, das sind doch eh alles Nazis. Türken und Deutsche haben eine zwanghafte Vorliebe für Schuldfragen. Zwei Völker von Gefühlshistorikern, das macht es nicht leicht.“(…)

  26. Ministerpräsident Erdogan: Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Daher fordere ich für die kurdische Minderheitsbevölkerung in der Türkei eigene Gymnasien und Universitäten mit kurdischem Sprachunterricht. Ich werde außerdem dafür sorgen, daß bei Verheiratung junger Frauen in unserem Land mit in Deutschland lebenden Türken vor dem Familiennachzug nach Deutschland geprüft wird, ob hier eine Zwangverheiratung stattfindet und ob ausreichende Deutsch-Kenntnisse vorhanden sind, um zu gewährleisten, daß aus der Verbindung hervorgehende Kinder von Anfang an auch deutsch lernen. Außerdem werde ich den Bau christlicher Kirchen in der Türkei den in Deutschland bestehenden rechtlichen Bestimmungen anpassen.

  27. Um nicht mißverstanden zu werden: Was tue ich als Deutscher, der nach Australien, Kanada, Uruguay oder in die USA auswandert? Genau – ich passe mich den dort herrschenden Sitten und Gebräuchen an und lerne als erstes die Sprache, als Voraussetzung für berufliches und gesellschaftliches Fortkommen. Dabei muß ich nicht meine deutschen Wurzeln aufgeben. Nur kann ich diese nicht in Überhöhung über die Gegebenheiten des Gastlandes stellen, weil ich damit auf Unverständnis und Ablehnung stoßen würde. Lt. Duden bedeutet Assimilation „Anpassung, Angleichung“, und das heißt nicht Fusion bzw. Selbstaufgabe.

  28. @26. Wolfgang Fladung

    Ich unterstütze Ihre Forderungen uneingeschränkt und nehme den Ludwigshafener Besuch des türkischen Ministerpräsidenten zum Anlass, darüber hinaus zu fordern:

    1. Sofortige Beendigung der seit Jahrzehnten existierenden Diskriminierung der kurdischen Minderheit in der Türkei;

    2. Freilassung aller Kurden, die unschuldig in türkischen Gefängnissen sitzen und unter fadenscheinigen Gründen zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden;

    3. Sofortigen Stopp der systematischen Vertreibung der Kurden aus ihrem Heimatgebiet;

    4. Fortsetzung der EG-Beitrittsverhandlungen erst nach Vollzug dieser Forderungen.

    Darüber hinaus fordere ich die Chefredaktion der FRANKFURTER RUNDSCHAU auf, eine Artikelserie (optimalerweise von Edgar Auth) über die derzeitige Situation, Unterdrückung und Verfolgung der kurdischen Minderheit in der Türkei zu veröffentlichen. Ersatzweise: Not und Elend der Kurden als Schwerpunktthema.

  29. @ 27. Wolfgang Fladung

    Werter Herr Fladung, nu mal Butter bei die Fisch: Was müssten/würden Sie denn mit Überzeugung aufgeben oder annhemen, wenn Sie nach den USA, Australien, Kanada oder Uruguay auswanderten:

    Den deutschen Wald, den deutschen Schäferhund, dass Sie vor dem Benutzen der Gabel das Messer ablegen und die Gabel in die rechte hand nähmen, dass Sie die Nationalhymne jeden Mogen singen würden, Geiheimagenten an Strohhüten und nicht an dunkelgrünen Ledermänteln erkennnen würden, dass Eichhörnchen Beuteltiere und nicht deutsche Nußknaker sind? In Uruguay, dass Sie den Polarstern nicht mehr sähen, es noch Nazis, mindestens deren Nachfahren gibt, die sich öffentlich treffen können, dass das Hakenkreuz(tragen) dort nicht öffentlich verboten ist. – Nach dem Sudan oder nach Tibet würden Sie wahrscheinlich „aus ganz anderen“ Gründen nicht gehen, oder?

    Man kann den Begriff auch gründlicher bestimmen, als der deutsche Duden es tut, der sich vornehmlich um Rechtschreibung kümmert:

    „Die Definition von Assimilation, die den heutigen Stand der Forschung zusammenfasst, stammt von J. Milton Yinger: „Assimilation ist ein Prozess der Entgrenzung [boundary reduction], der sich ereignen kann, wenn Mitglieder von zwei oder mehr Gesellschaften oder kleineren kulturellen Gruppen aufeinander treffen. Wenn man sie als abgeschlossenen Prozess betrachtet, ist sie [die Assimilation] die Vermischung von zuvor unterscheidbaren sozio-kulturellen Gruppen zu einer Einzigen. Wenn wir Assimilation jedoch als Variable ansehen, was meiner Ansicht nach unser Verständnis vertieft, stellen wir fest, dass Assimilation von den bescheidensten Anfängen von Interaktion und kulturellem Austausch bis hin zur gründlichen Verschmelzung der Gruppen reichen kann.“ („Toward a Theory of Assimilation and Dissimilation“, in: Ethnic and Racial Studies, Bd. 4, Nr. 3, Juli 1981, S. 249)“

    Lesen Sie genau : „Entgrenzung, Verschmelzung“ … Wie weit würden Sie sich verschmelzen?

    Ps.: Ich bin nicht mit Herrn Erdogan einverstanden, weil er auftritt, als wäre er der Papst, der seinen Gläubigen sagt: Abtreibung oder Ehebruch seien Sünde. Da hat man auch keine Freiheit mehr. – Umgedreht geht`s aber auch nicht.

  30. @ Fiasco

    Ich halte es für einen Fehler jetzt den Eindruck zu erwecken als seien die gerechten Forderungen, die Sie gegenüber der Türkei aufstellten, Verhandlungsmasse, die erst im Falle eines Wohnhausbrandes und der üblichen Verdächtigungen durch türkische nationalistische Presse oder deren Ministerpräsidenten eingebracht werden bräuchten oder könnten.

    Solange bundesdeutsche Politik nicht öffentlich begreift und proklamiert, dass wir ein Einwanderungsland sind – aus ökonomischen und kulturellen und menschenrechtlichen (!!!) Gründen -, dass Deutschland diese Verantwortung tragen kann und muß, soll hier kein Offizieller auch objektiv noch so berechtigte Forderungen, die er doch nicht durchsetzen will aufstellen (Dass Sie deren Durchsetzung wollten ist unbenommen).

  31. @68er

    Jetzt bin ich aber nicht von Vorgestern:

    Eine Verschmelzung ergibt eine Legierung.
    Deren Qualität hängt von der Kunst der Schmiede ab, die Stärken der Komponenten zu erkennen und zu verbinden.

  32. Lieber BvG,

    1) Das Erste war ein Tippfehler, das V liegt schräg unter dem G.

    Zweitens bin ich nicht der Meinung, dass man generell sagen kann „jeder ist seines Glückes Schmied“, aber

    drittens will ich nicht und ich wünsche es keinem, dass er von irgend einem anderen Schmied mit irgend etwas verschmolzen, legiert wird. Gerade mit Kruppstahlschmieden haben wir in Deutschland nicht die besten Erfahrungen.

  33. @68er
    1.“Klasse“! Wir versteh’n uns!

    2. Habe schon etwas vorausgedacht:
    Jeder ist meines Glückes Schmied

    Deshalb sollte jeder sehr sorgfältig vorgehen.

  34. Lieber 68er,

    ich hatte den Halbsatz „und nehme den Ludwigshafener Besuch des türkischen Ministerpräsidenten zum Anlass“ auch nur deswegen aufgenommen, damit Bronski meinen von ihm sicherlich wieder als „unterirdisch“ eingestuften Beitrag nicht als off-topic streicht.

    Meine Forderungen bezüglich der kurdischen Minderheit sind in der Tat Binsen-Forderungen, die völlig losgelöst von aktuellen Ereignissen eigentlich schon längst gestellt und debattiert werden müssten. Aber was soll man von einer Regierung im Kampf gegen Diskriminierung und Unrecht (ich meine die deutsche Regierung!) schon erwarten, die als Bundesverfassungsrichter einen Kandidaten nominiert, der sich nicht uneingeschränkt gegen Folter ausspricht? (gemäß dem Motto: Selbstverständlich SIND WIR GEGEN FOLTER – man darf sich eben nur nicht erwischen lassen!)

  35. Sehr geehrter 68er,

    es ist für mich ein Gebot der Höflichkeit, auf einen Blog-Beitrag, meinen eigenen betreffend zu antworten. Allerdings sind wir Lichtjahre entfernt von einer Verständigung, und ich bin überzeugt, wir werden das bei einer längeren Debatte auch bleiben. Daher verzichte ich auf eine Erwiderung, und wünsche Ihnen noch viel Vergnügen beim Bloggen, und beim Nicht-Eingehen auf Argumente.

    PS: Kennen Sie Kurden, die gerne nach Tibet oder in den Sudan gehen würden, oder auch Menschen aus Izmir, Istanbul, Ankara oder Antalya?

  36. Werter Herr Fladung,

    ich habe Flüchtlingen aus Anatolien , Eriträa, West-Pakistan und sogenannten Russland-Deutschen drei Jahre lang die deutsche Sprache gelehrt und vor allen Dingen Selbstbewußsein wiedergeben können. Ich weiß, wie „gerne“, die alle hierher in unser gelobtes Land gekommen sind. Ich weiß wie fremd es hier bei uns ist. Ich weiss wie man KULTURCHOCK buchstabiert.

    Als ich 1972-74 Jugendbetreuer und Deutschlehrer in den USA war, habe ich mich zwischen Maisstauden und Malls tatsächlich an den deutschen Wald nur erinnern können, wie die Schuloberen dort aber mit Eltern umgingen, die die Prügelstrafe in der Schule abschaffen wollten, erinnerte mich dann doch beruhigend wieder sehr an mein Vaterland.

  37. @ Wolfgang Fladung

    68er antwortet Ihnen sachbezogen, wenn auch ein wenig provokant und mit einer völlig korrekten Erläuterung von „Assimilation“ als soziologischem und nicht bloß lexikalischem Begriff, der in verschiedenen Bereichen, z.B. auch der Biologie und der Sprachwissenschaft, Verwendung findet. Die Ablehnung, darauf einzugehen, erscheint mir also als Kapitulation vor den besseren Argumenten.

    Was tut ein Deutscher, der nicht als einzelner Angehöriger einer gebildeten Schicht nach USA oder Brasilien auswandert, sondern als einer unter vielen, die sich davon eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse versprechen, da sie hier keine Perspektive für sich sehen?

    Die Antwort darauf habe ich anhand eines historischen Exkurses hier schon einmal gegeben.

    Ein Studienfreund von mir hat ein Buch geschrieben mit dem Untertitel: „Türken in Deutschland – Deutsche in Amerika“ oder so ähnlich. Was die wenigsten wissen und was ich den Leuten entgegenhalte, die die mangelnde Integrationsbereitschaft der Ausländer kritisieren: Die deutschen Auswanderer dachten damals in der Regel gar nicht an Auswandern, sondern fuhren nach Amerika, um vorübergehend dort zu arbeiten und dann zurückzukehren, und dort lebten sie dann, weitgehend abgegrenzt von der anglo-amerikanischen und den anderen ethnischen Gruppen und ihre Herkunftskultur und -sprache beibehaltend und pflegend zusammen, in eigenen Städten und Stadtvierteln, wo von der Kirche über die Kneipen und Schulen bis zu den Einkaufsläden alles deutsches Gepräge hatte.

    In New York hat das „Little Germany“ dann 1904 ein plötzliches und tragisches Ende gefunden. Bei einem Schiffsunglück kamen auf einen Schlag über tausend Menschen ums Leben, darunter fast alle Kinder des Stadtteils.
    Der Pfarrer schloss nach dem Trauergottesdienst seine Kirche und die verbliebenen Menschen zogen in andere Stadtteile. Ihnen schlug die plötzliche Stille auf den sonst vom fröhlichen Kinderlärm erfüllten Straßen und Plätzen aufs Gemüt.
    Der erste Weltkrieg tat sein übriges, um die Kultur der ehedem stärksten Einwanderergruppe in Amerika bis auf folkloristische Reste zum Absterben zu bringen. Es war verdächtig und wurde geächtet, als Angehöriger der Nationalität des Kriegsfeindes zu gelten und erkennbar zu sein. Die Deutschen assimilierten sich.

    Es gab natürlich auch kulturelle Differenzen zwischen den Nationalitäten. Den Home-is-Castle-Angelsachsen zerrten die Kneipenkultur und die lautstarken Festumzüge der Teutonen empfindlich am puritanischen Nerv. Deswegen besiegelten sie ihren Sieg nach dem Krieg mit einem allgemeinen Akloholverbot. Aber was sie nicht ahnen konnten: Jetzt schlug die Stunde der Sizilianer.

    Ein geschichtliches Kapitel, das zum Nachdenken anregt.

    Dass in der Türkei die Pest eines extremen Nationalismus neben der islamistischen Cholera grassiert, finde auch ich kritikwürdig.

  38. Hier noch ein Link zu meinem Beitrag:

    @ Fiasco

    Ich grüße dich, stimme dir im Prinzip zu und würde gerne einsteigen, allein, es wird mir im Moment zuviel.

  39. Hier noch ein Nachklapp:

    Wer wissen möchte, was deutsche Einwanderer dort tun, wo sich schon eine fremde Sprache etabliert hat: sie nehmen, statt diese zu erlernen, lieber Axt und Spaten in die Hände, roden Urwälder und legen Sümpfe trocken und bauen sich eine anständige deutsche Heimat auf, wo auch nach hundertfünfzig Jahren noch die Mühle am rauschenden Bach klappert und die anheimelnden Hotels „Westfalenhaus“ heißen, oder noch schöner, „Dreizehnlinden“, nach einem leider vergessenen ellenlangen Lieblingsgedicht der Deutschen aus dem ausgehenden 19. Jhd. von Friedrich Wilhelm Weber, welches mit den Versen beginnt:

    „Wonnig ist’s, in Frühlingstagen
    Nach dem Wanderstab zu greifen
    Und, den Blumenstrauß am Hute,
    Gottes Garten zu durchschweifen.“

    http://www.santa-catarina.net/orte/blumenau.htm

    Wer je sich in die nördlicheren Gefilde unserer Republik verirrt, dem sei ein Besuch im „Deutschen Auswandererhaus“ in Bremerhaven empfohlen, wo man sich auf einmalig sinnliche und sinnfällige Weise über deutsche Auswanderer informieren und sogar die Spuren seiner ausgewanderten Verwandten verfolgen kann.

    http://www.dah-bremerhaven.de/

  40. @ Heinrich

    …das ist aber alles schon ein Weilchen her und wohl nicht mehr sehr relevant. Die Menschheit hat sich doch seither weiterentwickelt, oder irre ich mich da?

  41. @ Heinrich

    Selbst die deutschen Juden, die es in den 30er Jahren geschafft haben, nach Palästina auszuwandern, bildeten dort eine „Parallelgesellschaft“. Noch 1970 habe ich in Tel Aviv ein deutsch-böhmisch-jüdisches Umfeld erlebt, in dem sich meine Verwandten, die auch nach 30 Jahren in Palästina/Israel nur wenige Brocken Hebräisch sprechen konnten, ausschließlich bewegt haben.

    Die Abkapslung von nationalen oder ethischen Gruppen wird allerdings dann ein Problem, wenn sie den Kindern Zugang zur Bildung und gesellschaftlichen Teilhabe abschneidet.

  42. @ MonikaV.

    Ja, ich finde, dass sie sich da irren. „Die Menschheit“ ist ein abstrakter Begriff, Entwicklung findet nur bei einzelnen Menschen und Menschengruppen statt. Und da gibt es einige konstante Verhaltensweisen, und dazu gehört, dass Menschen ihre erworbene individuelle und kollektive Identität nicht gerne aufgeben. Haben Sie „Blumenau“ angeklickt? Das ist nicht lange her, sondern jetzt.
    Was Abraham berichtet, finde ich richtig hübsch, „deutsch-böhmisch-jüdisches Umfeld“ klingt ja fast wie mein fiktives „hugenottisch-jüdisch-polnisch…“, wobei die Auswanderer, wie an Blumenau-Pomerode ersichtlich, teilweise ihre kulturellen Gepflogenheiten länger beibehalten als die Herkunftsgesellschaft. Eine pikante Geschichte in diesem Zusammenhang: Als nach 1900 in Wien und Berlin fremdartig aussehende, in lange schwarze Gewänder gekleidete Juden aus Osteuropa auftauchten und fremdenfeindliche antisemitische Reaktionen auslösten, waren das eigentlich urdeutsche Erscheinungen. Ihr Kaftan war nichts anderes als der mittelalterliche deutsche Kaufmannsrock, den ihre Vorfahren um 1500 trugen, als sie von Westeuropa in das damals tolerantere Polen auswanderten.

    Auf die USA zurückzukommen: die beschriebenen Einwanderer hatten das Glück, dass um 1900 der Höhepunkt der Industrialisierung einsetzte, wo jede Hand und jeder Kopf gebraucht wurde. Die Einwanderer aus den verschiedensten Regionen nahmen ihre Chancen wahr und assimilierten sich zu Amerikanern.

  43. @ Heinrich

    Na ja…vielleicht ist es ja gerade diese Tendenz, die einzelne Menschen oder Gruppen daran hindert sich weiterzuentwickeln. Nicht alles was im menschlichen Steinzeithirn angelegt ist, führt heute noch zum Erfolg.

  44. @ MonikaV.

    Ja, das sehe ich auch so. Aber es ist eben wichtig, dass man den beschriebenen archetypischen Verhaltensmustern Rechnung trägt. Psychologisch betrachtet: Die Grundbefindlichkeit des Menschen ist die Angst. Die versucht er dadurch zu minimieren, dass er möglichst am Vertrauten festhält. Verwehrt man ihm das mit Repression, verstärkt das seine Angst und sie schlägt in Aggression um.

    Neben der Angst gibt es aber auch noch die „intrinsische“, also aus dem Inneren kommende, Motivation zur erweiterten Erfassung der Umwelt. Mit anderen Worten: Man muss den Menschen Anreize und vertrauensbildende Maßnahmen bieten, wenn sie von ihren ausgetretenen Pfaden zu neuen Ufern streben sollen.

  45. Wenn der türkische Ministerpräsident von Integration spricht, dann meint er eigentlich eine Erstarkung des türkischen Bewusstseins zwecks Bildung einer Art Kolonie. Wenn er andererseits davon spricht, dass „Assimilation ein Verbrechen“ sei, dann sollen sich seine Leute hier eben nicht wie alle anderen (nichtislamischen) Zuwanderer integrieren. Wir sehen das Ende der linksliberalen Traumtänzerei vom friedlichen Zusammenleben der Kulturen.
    Erdogan ist ein verschlagener Machtpolitiker, der heute besänftigen und morgen aufwiegeln kann. Die gegenwärtige Konstellation spielt ihm alle Machttrümpfe in die Hand. Die größte Tragik ist nun, dass viele gutwillige Deutschtürken mehr und mehr von den Scharfmachern überrollt werden. Die natürliche und wunderbare Auflösung dieses Megaproblems durch eine entschiedene Hinwendung der Gutwilligen zur deutschen Gemeinschaft (die selbst schon eher eine internationale Gemeinschaft ist) wird nun tragischerweise durch die Religion verhindert. Der Islam gibt „seine“ Leute nicht frei, genauso wenig wie Erdogan und die türkischen Nationalisten.

  46. Wann erkennt man endlich, dass diese Kulturen nicht zusammengehen? Ein Aufruf von Erdogan, und man sieht, was die Uhr geschlagen hat. Jetzt noch eine türkische Universität, die für unser Geld türkische Eliten ausbildet, Akzeptanz der Scharia, Koranschulen, noch mehr Moscheen, nur zu! Wer hat da den nassen Strohhut auf? Die Deutschen sollen und sollen! Wie wär’s mal umgekehrt? Toleranz des Islam gegenüber anderen Religionen? Freiheit für Christen in den islamischen Ländern? Und keine Hasspredigten in Moscheen?
    Überall auf der Welt ist es so, dass man sich den Gepflogenheiten des Landes, in dem man lebt, anpassen muss. Nur bei uns sieht man zu, wie ein Staat im Staate gebildet wird. Wer nicht nach deutschen Gesetzen leben will und kann, der muss sich einen anderen Platz auf der Welt suchen.

  47. Wenn es bei einem wichtigen Thema nicht um die Sache, sondern fast ausschließlich um Begrifflichkeiten gemäß der eigenen politischen Gesinnung geht, dann ist etwas oberfaul. Es mutet mehr als merkwürdig an, wenn die Auftritte Erdogans von Rechts bis Links seltsam einmütig (ablehnend) begleitet werden. Klar, vor der Hamburg-Wahl traut sich keine Partei, sondern belässt es nach dem Koch-Desaster bei mehr oder weniger beliebigen Allgemeinplätzen.
    Dabei ist doch alles gar nicht so schwer, wenn sich Politik endlich zur Vernunft bekennen würde und nicht immer noch die national überbetonten Kreise im rechten Auge hätte. Diese Kreise werden nie kapieren, dass die eigene Nation, hüben wie drüben, eben nicht mehr das über alles strahlende Licht der Welt ist. Sie wollen auch nicht kapieren, dass die normative Kraft des Faktischen längst eingetreten ist. Erdogan redet groben Unfug, wenn er von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit spricht. Aber Huber und andere „Traditio-Nalisten“ schließen sich diesem Unsinn an mit ihren rückwärtsgewandten nationalen Interpretationskünsten.
    Aus der Neurobiologie ist bekannt, dass nur Systeme auf Dauer überleben können, die OFFEN für Einflüsse sind. Das will Politik allerdings nicht, zumindest nicht konsequent. Die überwältigende Zahl der Menschen will es jedoch, weil sich Menschen hinsichtlich ihrer Grundbedürfnisse gar nicht so gravierend unterscheiden. Jeder, egal welcher Nationalität, Kultur und Religion, möchte ein friedliches und auskömmliches Leben führen.

  48. @ Renate Schuhmacher

    Wenn Sie irgendwo leben möchten, wo es keinen Staat im Staate gibt, dann ziehen sie doch nach Deutschland!

    Hier gelten aber die Gepflogenheiten und sozialen Gesetze des friedlichen Miteinander, und wenn sie danach nicht leben wollen und können, dann suchen sie sich doch einen anderen Platz auf der Welt!

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