Nachdem die Kandidatur von Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten hier im FR-Blog die Gemüter erregt und zu Konfrontationen geführt hat, möchte ich die Rede des frisch gewählten Bundespräsidenten in Textform wiedergeben. Es ist viel darüber diskutiert worden, was Gauck vorher gesagt hat. Aber was sagt er als Bundespräsident?
„Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
was für ein schöner Sonntag.
Es war der 18. März heute vor genau 22 Jahren, und wir hatten gewählt. Wir, das waren Millionen Ostdeutsche, die nach 56-jähriger Herrschaft von Diktatoren endlich Bürger sein durften. Zum ersten Mal in meinem Leben im Alter von 50 Jahren durfte ich in freier, gleicher und geheimer Wahl bestimmen, wer künftig regieren solle. Die Menschen, die damals zur Wahl strömten, lebten noch im Nachhall der friedlichen Revolution, als wir das Volk waren und dann die Mauern fielen.
Ich selber hatte als Sprecher des Neuen Forums in Rostock daran mitwirken dürfen. Wir waren schon frei von Unterdrückung. Jetzt schickten wir uns an, Freiheit zu etwas und für etwas zu erlernen. Nie werde ich diese Wahl vergessen. Niemals. Weder die über 90 Prozent der Wahlbeteiligung – das wurde heute schon erwähnt -, noch meine eigene innere Bewegung. Ich wusste, diese meine Heimatstadt und dieses graue, gedemütigte Land – wir würden jetzt Europa sein. In jenem Moment war da neben der Freude ein sicheres Wissen in mir: Ich werde niemals, niemals eine Wahl versäumen.(Langer Applaus.) Ich hatte einfach zu lange auf das Glück der Mitwirkung warten müssen, als dass ich die Ohnmacht der Untertanen je vergessen könnte.
„Ich wünschte mir, ein Bürger zu sein – nichts weiter, aber auch nichts weniger als das“, so hat ein deutscher Demokratielehrer – es war Dolf Sternberger – seine politische Haltung einmal definiert. Ich habe am 18. März 1990 genau denselben Wunsch gespürt, und ich habe damals gefühlsmäßig bejaht, was ich mir erst später theoretisch erarbeitet habe: das aus dem Glück der Befreiung die Pflicht, aber auch das Glück der Verantwortung erwachsen muss. Und dass wir Freiheit in der Tiefe erst verstehen, wenn wir eben dies bejaht und ins Leben umgesetzt haben.
Heute nun haben Sie, die Wahlfrauen und -männer, einen Präsidenten gewählt, der sich selbst nicht denken kann ohne diese Freiheit und der sich sein Land nicht vorstellen mag und kann ohne die Praxis der Verantwortung. Ich nehme diesen Auftrag an mit der unendlichen Dankbarkeit einer Person, die nach den langen Irrwegen durch die politischen Wüsten des 20. Jahrhunderts endlich und unerwartet Heimat wiedergefunden hat und der in den letzten 20 Jahren das Glück der Mitgestaltung einer demokratischen Gesellschaft erfahren durfte. Deshalb: Was für ein schöner Sonntag, dieser 18. März – auch für mich.
Ermutigend und beglückend ist es für mich auch zu sehen, wie viele im Land sich in der letzten Zeit eingebracht haben und auch mich ermutigt haben, diese Kandidatur anzunehmen. Es sind Menschen ganz unterschiedlicher Generationen und Professionen, Menschen, die schon lange, und Menschen, die erst seit kurzem in diesem Land leben. Das gibt mir Hoffnung auf eine Annäherung zwischen den Regierenden und der Bevölkerung, an der ich nach meinen Möglichkeiten unbedingt mitwirken werde.
Ganz sicher werde ich nicht alle Erwartungen, die an meine Person und meine Präsidentschaft gerichtet wurden, erfüllen können. Aber eins kann ich versprechen: dass ich mit all meinen Kräften und mit meinem Herzen Ja sage zu der Verantwortung, die Sie mir heute übertragen haben. Denn was ich als Bürger anderen Menschen als Pflicht und als Verheißung beschreibe, muss selbstverständlich auch Gültigkeit haben für mich als Bundespräsident. Das heißt auch, dass ich mich neu auf Themen, Probleme und Personen einlassen werde, auf eine Auseinandersetzung auch mit Fragen, die uns heute in Europa und in der Welt bewegen.
Ich danke Ihnen, den Mitgliedern der Bundesversammlung, für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Sie, die Sie hier gewählt haben, sind ja nicht nur Deputierte, sondern sie sind auch – das ist mir voll bewusst – Vertreter einer lebendigen Bürgergesellschaft. Ob wir also als Wahlbevölkerung am Fundament der Demokratie mitbauen oder ob wir als Gewählte Weg und Ziel bestimmen – es ist unser Land, in dem wir Verantwortung übernehmen, wie es auch unser Land ist, wenn wir die Verantwortung scheuen. Bedenken sollten wir dabei: Derjenige, der gestaltet, wie derjenige, der abseits steht – beide haben sie Kinder. Ihnen werden wir dieses Land übergeben. Es ist der Mühe wert, es unseren Kindern so anzuvertrauen, dass auch sie zu diesem Land unser Land sagen können.“
Zitiert auf Basis dieses Reuters-Videos
Mehr über Dolf Sternberger. Sternberger prägte den Begriff des Verfassungspatriotismus‚.
Nun hat er sich ja erklärt und in der Sendung „Was nun..?“ klipp und klar gesagt, daß die Vorwürfe jeder Grundlage entbehren.
Die angebliche Relativierung erweist sich als Sprechblase bestimmter Interessen und deren weitere Verbreitung mutet nurmehr als Versuch an, ein Hinsehen auf andere Verbrechen zu vermeiden.
Das angeblich falsche Sozialverständnis erweist sich als Hinweis auf die Verpflichtung der Gesellschaft, die Leistungsfähigkeit der Zurückgelassenen anzuerkennen, zu erhalten und aufzugreifen .
Die angebliche Integrationsablehnung erweist sich als die Selbstverständlichkeit, die Normen und Gesetze des Landes, in dem man lebt, zu akzeptieren.
So platzt die Sprechblase der „Gegengaukler“ (…): Sie haben die Wahrheit zum Knecht gemacht.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1595718/Was-nun%252C-Herr-Gauck%253F-?bc=sen;sst:1209114;sst1:1209114
(…): Passage gelöscht, Anm. Bronski
Die Aussage: Was für ein schöner Sonntag kann ich nur bestätigen.
Wie Bundespräsident und SPD Freiheit verstehen.
Dass der neu gewählte Deutsche Bundespräsident unter dem Beifall zahlreicher Gleichgesinnter den Bürgern Freiheit als höchsten Wert der Bundesrepublik empfiehlt und einschärft, liegt offensichtlich an seiner Befangenheit in den Auffassungen aus der Frühzeit des Bürgertums. Der damals beliebte Freiheitsbegriff stammt aus den feudalen Wurzeln bürgerlichen Denkens. Deshalb ist es auch so unverständlich, dass Parteien, die ein Publikum gewinnen wollen, das an einen durch soziale Gerechtigkeit zähmbaren Kapitalismus glaubt, wie die SPD und die Grünen, diesen Freiheitsbegriff teilen. Weil der an Gerechtigkeit gar nicht orientiert ist.
Das anfangs revolutionäre Bürgertum verstand Freiheit damals nämlich nicht als Überwindung von Herrschaft, sondern als Teilnahme an ihr – wie unser neuer Bundespräsident und die neue Große Koalition aus Regierungs- und Oppositionsparteien heute – letztere mit Ausnahme der Linken. Denen möchte man die Hoffnung auf Solidarität also noch zutrauen. Die anderen wollen mit den heroischen Frühbürgern nur die Teilnahme aller an der Herrschaft. Sie wollen die alte feudale Verfestigung herrschaftlicher Positionen, das feste Oben und das unverrückbare Unten innerhalb einer gottgegebenen Hierarchie beseitigen – um selber mitzuherrschen. Bürgerliche Autonomie, ihre Ordnung, ihr Gesetz sind Formen der Ausübung ihres Herrschaftstraums. Weil es sich also immer um Herrschaft handelt, wenn von (bürgerlicher) Freiheit die Rede ist, gehört dazu auch immer ihre prinzipielle Gleichgültigkeit gegen das Schicksal des Einzelnen und die daraus zwangsläufig entstehende Ungerechtigkeit. Nur so kann man guten Gewissens Hartz 4 und eine Reservearmee von 3 Millionen Arbeitslosen und 8 Millionen Geringverdienern installieren. Selbstverständlich ist das auch konsequent. Herrschaft und soziale Gerechtigkeit, Herrschaft und solidarische Freiheit gehen grundsätzlich nicht zusammen. Dabei hilft auch nicht die abstrakt zu jener Freiheit hinzugepredigte „Verantwortung‟, weil diese ohne den konkreten Bezug auf die aus der Solidarität entspringenden Rechte des Betroffenen nur eine andere Gestalt von rücksichtsloser Freiheit, also gnadenloser Herrschaft, bedeutet.
Ich bin der Meinung, dass die parteiübergreifende Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten keine gute Wahl ist. Das Land hätte es dringend nötig gehabt, nach dem Verdrängen, Verharmlosen und Relativieren der Nazi-Tyrannei mit Beate Klarsfeld eine überzeugte Antifaschistin zur Bundespräsidentin zu wählen. Die Tatsache, dass Beate Klarsfeld drei Stimmen mehr erhielt, als die Linke in der Bundesversammlung zur Verfügung hatte, und dass über hundert Enthaltungen registriert wurden, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass auch in einigen etablierten Parteien die Skepsis gegenüber Joachim Gauck durchaus vorhanden ist.
Beate Klarsfeld hätte für eine Bundesrepublik gestanden, die von Demokratie, Zivilcourage und Toleranz geprägt ist. Außerdem hätte Beate Klarsfeld für eine solidarische Gesellschaft gestanden. Zumindest bis zum heutigen Tage kann ich nicht erkennen, dass Joachim Gauck seinen sehr engen Freiheitsbegriff erweitert hat. Er hat einen Freiheitsbegriff, der an das Märchen vom Tellerwäscher bis zum Millionär erinnert und mit den bitteren Realitäten im Kapitalismus nichts zu tun hat. Der Bundespräsident sollte einen nicht unerheblichen Beitrag zur Überwindung der Spaltung der Gesellschaft leisten und die Verhältnisse hierzulande nicht schönreden. Ich will gar nicht die Verdienste Gaucks als Oppositioneller in der DDR wegdiskutieren. Aber angesichts von Rechtsterrorismus und zunehmender Verarmung erheblicher Bevölkerungsteile brauchten wir wohl einen Bundespräsidenten oder -präsidentin, der/die andere Akzente setzt als Gauck, der über lauter Freude darüber, hierzulande zu leben, zumindest bis jetzt die Schattenseiten dieser Gesellschaft nicht ausreichend zur Kenntnis nimmt.
Die Wahl Joachim Gaucks war getragen von der Verantwortungslosigkeit jener, die ihn nominiert und die für ihn votiert haben. An ihrer Spitze Sigmar Gabriel, Frank Walter Steinmeier, Claudia Roth und Jürgen Trittin. Mit einem Bundespräsidenten Gauck wird man leben müssen, gleichgültig, welchen Grad von politischer Eindimensionalität er künftig an den Tag legt. Viel bedenklicher sind die erwähnten Zauberlehrlinge, die den Ungeist eines nicht reflektierten Freiheitbegriffs aus der Flasche des überwunden geglaubten Antikommunismus gelassen haben. Denn sie haben gezeigt, wessen Interessen sie vertreten. Die globale Finanz- und Wirtschaftspiraterie hat sich offensichtlich tief in der politischen Klasse Deutschlands eingenistet und definiert bereits die Paradigmen (in zeitgemäßem Dummdeutsch).
Joachim Gauck ist den Kampf nicht wert. Aber mit seiner Wahl wurde überdeutlich, dass demokratische Teilhabe, soziale Gerechtigkeit und Solidarität nur gegen die derzeitigen Führungskader von SPD, Grünen, CDU und FDP durchgesetzt werden können.
Mich erinnern die maßlosen Angriffe auf die Parteien, die Gauck gewählt haben, auf die Sozialfaschismus-Beschimfungen der SPD durch die Kommunisten in der Endphase der Weimarer Republik. Davon haben, zum Unglück Deutschlands und Europas, Hitler und die NSDAP profitiert.
Wer kam auf die unselige Idee, Gauck als früheren DDR-Bürgerrechtler zu bezeichnen? Gauck war ein völlig unbekannter Pfarrer, der überhaupt nichts mit der Bürgerrechtsbewegung zu tun hatte. Wie Merkel wurde er nach der Wende durch private Verbindungen zwischen den Pfarrersfamilien Merkel, Gauck und der Familie de Maiziere nach oben in die Politik gespült. Der „DDR-Bürgerrechtler“ Gauck ist eine Darstellung falscher Tatsachen. Gauck ist lediglich ein Selbstdarsteller und Blender, er wird ebenfalls nur eine Marionette von Merkels Gnaden sein, wie seine Aussagen zu Europa in seiner kurzen Antrittsrede zeigen. Er ist nicht der richtige BP für Deutschland
@ Abraham, #6
„Weil es sich also immer um Herrschaft handelt, wenn von (bürgerlicher) Freiheit die Rede ist, gehört dazu auch immer ihre prinzipielle Gleichgültigkeit gegen das Schicksal des Einzelnen…“ (#3)
„Die Wahl Joachim Gaucks war getragen von der Verantwortungslosigkeit jener, die ihn nominiert und die für ihn votiert haben.“ (#5)
Ihre historische Anspielung auf die Sozialfaschismus-These, lieber Abraham, erscheint durchaus verlockend, angesichts solcher Behauptungen, die in abstrakten Definitionen schwelgen und daraus messerscharf auf „Gleichgültigkeit gegen das Schicksal des Einzelnen“ bei Herrn Gauck und „Verantwortungslosigkeit“ aller, die ihn wählten, meinen schließen zu können.
Nun sind aber historische Vergleiche nur erkenntnisfördernd, wenn zumindest in den entscheidenden Faktoren Ähnlichkeiten erkennbar sind. Als das Entscheidende an der Sozialfaschismus-These erscheint mir, dass zwei Parteien, die von ihrer Basis her als einzige in der Lage hätten sein können, das Erstarken des Faschismus zu verhindern, es aus ideologischer Verbendung vorzogen, sich gegenseitig zu bekämpfen, und damit einen beträchtlichen Teil an Mitverantwortung für die weitere Entwicklung tragen. In dieser Hinsicht aber kann ich, so überzogen die genannten Äußerungen auch sind, (noch) keine Analogien erkennen – Gott sei Dank. Wenn Sie dies anders sehen, würde ich Sie bitten, dies näher zu erläutern.
Mir fällt in diesem Zusammenhang eher der ideologische Hickhack in der Endzeit der Studentenbewegung ein, die ich selbst (erst in Paris, dann in Berlin) erlebte. In dem Maße, in dem die totale Isolierung vom „revolutionären Subjekt“ und damit Widersprüche zwischen Theorie und Praxis offenbar wurden, wurde auch der Diskurs immer sektiererischer. Im Nachhinein erscheint mir dies als Versuch, seine eigene Bedeutungslosigkeit dadurch zu überspielen, dass man sich in Form einer ideologisch „reinen“ Lehre der eigenen Bedeutsamkeit versicherte.
Insofern erscheint mir auch die Gauck-Diskussion weitgehend als Stellvertreterdiskussion. Sonst hätte sie ja schon vor 2 Jahren geführt werden müssen. Ausgelöst wurde sie m.E. aber erst durch das Wulff-Trauma und das darauf folgende Skandalon, dass Parteien unterschiedlicher ideologischer Provenienz doch tatsächlich über ihren ideologischen Schatten sprangen und wenigstens bei einer, wenn auch nur repräsentativen, Entscheidung Kompromissfähigkeit bewiesen. Und vermutlich wäre das bei anderen Kandidaten ähnlich verlaufen.
Ginge es tatsächlich nur um Gauck, könnten seine Kritiker in aller Ruhe die Belege dafür abwarten, dass es sich tatsächlich um den „falschen Präsidenten“ handelt, umso mehr, als die meisten seinem Amt sowieso keine Bedeutung zumessen. Die zuletzt immer mehr abgehobene Diskussion (vgl. den abstrakten Begriff von „Herrschaft“ in #3) scheint mir aber nicht dafür zu sprechen. Und ich wage zu bezweifeln, dass Kompromissunfähigkeit, zu „Prinzipientreue“ überhöht, die sich von allen isoliert und sie der „Verantwortungslosigkeit“ bezichtigt, „soziale Gerechtigkeit“ sonderlich fördert.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Engelmann
In den Leserbriefen der Rundschau wird immer wieder behauptet, Joachim Gauck sei mit seinem Lebensthema Freiheit und seinem Antikommunismus eindimensional und deshalb kein guter Bundespräsident, während Beate Klarsfeld, deren Verdienste ich hoch einschätze, sich eindeutig zum Gedenken an den Nationalsozialismus und gegen rechtes Gedankengut verhalte. Eindimensional ist jedoch gerade diese Darstellung des neuen Bundespräsidenten. Wer sich ernsthaft mit dem Lebenslauf Gaucks auseinandersetzt, würde hingegen feststellen, dass er sich seit Beendigung seiner Tätigkeit als Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde mit ganzer Kraft dem Vorsitz des gemeinnützigen Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ gewidmet hat. Schwerpunkt dieser Vereinigung ist die Erinnerung an die NS-Zeit und der Kampf gegen Rechtsradikalismus. Joachim Gauck ist glaubwürdiger Kämpfer gegen politischen Extremismus von links und rechts. Das blenden viele Kritiker in ihrer verzerrten Wahrnehmung leider aus.
In den Medien wird Bundespräsident J. Gauck als jemand charakterisiert, bei dem angeblich der Freiheitsgedanke im Vordergrund stehen soll. Über sein Gerechtigkeitsverständnis wurde bislang noch nicht viel berichtet. Freiheit und Gerechtigkeit sollten im politischen und auch ethischen Kontext stets gleichwertig und im gegenseitigen Verhältnis zueinander betrachtet werden. Denn wer beispielsweise am gesellschaftlichen Wohlstand nicht angemessen beteiligt wird, sieht sich gleichzeitig mit einer eingeschränkten Freiheit konfrontiert. Von unserem neuen Bundespräsidenten wünsche und erhoffe ich mir deshalb, dass er gedankliche Impulse setzt, die uns in der Weise zum Reflektieren anregen, dass wir Freiheit und Gerechtigkeit als eine gemeinsame Thematik begreifen und nicht als etwas, was sich gegenseitig ausschließt. So würde ich es ferner begrüßen, wenn er als christlich geprägter und ausgebildeter Mensch bei seinen Anregungen auch auf die vielen Gleichnisse und Erzählungen aus dem Neuen Testaments zurückgreifen würde, weil diese vielen denkenden Menschen genügend ethisch relevanten Stoff für weltlich orientiertes Reflektieren anbieten. So könnte er beispielsweise das Gleichnis vom Arbeiter im Weinberg, in dem der Gutsherr all seinen Tagelöhnern unabhängig von ihrer erbrachten Leistung den gleichen Lohn zahlt, als Anregung beherzigen, die Umverteilung von Wohlstand als Prozess einer distributiven Gerechtigkeit für die Gewährung von Freiheit betrachten.
Tja, da haben nun die roten Skodafahrer und die grünen Radler mit freudiger Hilfe der Protagonisten der „Freie Fahrt den freien Bürgern“-Maxime, nach dem Merkels Mängel-Audi sich aus der Fahrbereitschaft entsorgt hat, uns einen veritablen Porsche vor die Tür gestellt. Somit haben sie einen weltweit respektierten Vordenker, Uno-Umweltexperten, Ex-CDU-Minister und auch vom linksbürgerlichen Klientel sehr geschätzten Klaus Töpfer verhindert,nur weil er auch der Angie genehm gewesen wäre. Da kann mensch nur hoffen, dass diese Taktier-Genies der 1. Wahl nach der unvorhersehbaren 2.Wahl nicht demnächst einmal überfahren werden. Sh… happens.
ich bin auch der meinung, dass gauck den ganzen k(r)ampf nicht wert ist. sein bürgerlicher freiheitsbegriff,
darin stimme ich dem komentar zu, ist veraltet, damit ideologisch, und kommt nur dem zugute, der eh schon hat.
„wer hat, dem wird gegeben“,
so steht es ja schon in der bibel. wer nicht hat, ist selbst schuld. auch die sache mit dem vertrauen, so hat schon
christian hebel es gut gesagt, beruht auf einem missverständnis. respekt sollte die beziehungen bürger/staat prägen,
aber auch gesundes misstrauen, checks and balances, gewaltenteilung, kontrolle von macht. wir brauchen keinen kaiser,
keinen guten übervater, der uns die leviten liest. wir brauchen respekt und (soziale) menschenrechte.
was haben sich grüne und spd nur dabei gedacht? oder noch schlimmer: ist das auch ihre ideologie?
Ist eine pointiert geführte Diskussion über die Person von Joachim Gauck und die Beweggründe, die zu seiner Nominierung und Wahl führten, deswegen bereits mit dem Vorwurf des Sozialfaschismus gegenüber der SPD der Weimarer Republik vergleichbar, weil dabei unweigerlich die Rede auf SPD und Grüne kommen muss, die jemanden favorisiert haben, den sie wegen ihrer Parteiprogramme und Wahlaussagen nie hätten unterstützen dürfen?
Herrn Gaucks bereits inflationär benutzte Vokabeln „Freiheit“ und „Verantwortung“ passen nicht in eine Welt, die wegen der nahezu uneingeschränkten Freiheit von Finanz- und Wirtschaftsunternehmen Gefahr läuft, zu Lasten der Nichtprivilegierten zu kollabieren. Mit dem Ergebnis, dass demokratische Strukturen, Gerechtigkeit und Solidarität aufweichen und schließlich völlig entwertet werden.
Deswegen: Wer mit den erwähnten Begriffen oberflächlich operiert, muss es sich gefallen lassen, wenn die Kritiker Herrn Gauck und seinen Unterstützern die eigene Melodie vorspielen.
Der zweite Aspekt ist die Person des neuen Bundespräsidenten. Es ist ihm nicht anzulasten, dass er kein Widerstandskämpfer war. Aber es fällt auf, dass Systemkritiker wie beispielsweise Robert Havemann oder Rudolf Bahro offensichtlich bei ihm nichts ausgelöst haben. Vielleicht, weil sie trotz ihrer Gegnerschaft zur Partei- und Staatsführung Kommunisten geblieben sind?
Aber auch kircheninterne Diskussionen über die diversen Streitigkeiten zwischen Staatsmacht und evangelischer Kirche haben ihn anscheinend nie tangiert. Ich denke an die Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ zu Anfang der 1980er Jahre und an die Vorgänge um die Umweltbibliothek in der Ost-Berliner Zionskirche im letzten Drittel dieses Jahrzehnts (dort wurden die Folgen des Uranerzabbaus in Sachsen dokumentiert und in den Westen lanciert; unter dem Stichwort „Pechblende“ erschienen mehrere Dossiers des Evangelischen Pressedienstes).
Auch die Friedensfrage, die durch die Stellungnahme des Reformierten Bundes zu den Atomwaffen innerkirchlich zugespitzt wurde (angekündigt war die Ausrufung des „Status Confessionis“, also des Bekenntnisnotstands), scheint bei Joachim Gauck nichts bewegt zu haben.
Wenn denn die Qualifikationen für das höchste Staatsamt einerseits in der Leitung einer Behörde und andererseits in der Wiederbelegung von Schlagworten aus dem kalten Krieg bestehen, ist die Frage erlaubt, von welchen inhaltlichen und strategischen Überlegungen die Parteiführungen getragen waren. Ist Joachim Gauck als Vorzeigefigur bestimmter Interessengruppen zu verstehen, die neue Inhalte (z.B. eine neu definierte „soziale“ Marktwirtschaft) in die Politik einführen wollen?
In Gaucks so politisch korrekter (gähn…) Rede war viel von „Aufstieg“ und „Erfolg haben“ die Rede.
Das check ich nicht: warum muss jeder Mensch „aufsteigen wollen“ und „Erfolg haben wollen“??? Alle Leute können dies nicht, denn: wenn Wulff jemanden abzockt und damit „Erfolg hat“, kann der Abgezockte ja nicht selber „Erfolg haben“ (spätestens ein armer Chinese als iPad-Arbeiter wird dann wirklich ganz unten abgezockt).
Die meisten Menschen gehören ja nicht zur (…) Oberschicht — und wollen da übrigens auch nicht im Geringsten hin. Denn sie haben zwar keine „Amtswürde“, ABER NOCH eine „Würde als Mensch“…
(…): Passage gelöscht, Anm. Bronski
PS: Sehr symptomatisch, dass heute zwar eine „Amtswürde“ beschädigt werden kann, aber die Würde einzelner Menschen nicht mehr unantastbar ist… (siehe iPad-Arbeiter).