Während Bundespräsident a.D. Christian Wulff im Kloster weilt, geht die Debatte über den Ehrensold weiter. Hat er ihn verdient? Steht ihm der „Ehrensold“ tatsächlich zu? Und wie sieht es mit den Zusatzleistungen -Büro, Sekretariat, Auto und Chauffeur – aus? Trat er denn nun aus persönlichen oder politischen Gründen zurück?
Die Debatte über den Ehrensold für Wulff hat sich zu einer Debatte über die Versorgung der Spitzenpolitiker generell ausgeweitet. Die Haushälter der Koalition wollen die Ausstattung früherer Kanzler und Bundestagspräsidenten auf den Prüfstand stellen. Der CDU-Politiker Norbert Barthle sprach im Berliner «Tagesspiegel» (Montag) mit Blick auf eine eventuelle Ausstattung Wulffs mit Büro, Mitarbeitern und Dienstwagen auf Staatskosten von der Notwendigkeit eines Konsenses mangels gesetzlicher Regelungen. «Wir werden uns dabei mit Sicherheit aber auch die Ausstattung anderer ehemaliger Würdenträger angucken.» Er verwies auf den früheren SPD-Kanzler Gerhard Schröder, der beim russischen Gasversorger Gazprom einen lukrativen Job habe. Auch der FDP-Haushälter Jürgen Koppelin kündigte an, sich den Umgang mit früheren Präsidenten, Kanzlern, und Bundestagspräsidenten «im großen Paket» vornehmen zu wollen. Auf den Prüfstand gehöre auch die Frage, ob eine Rente von 60 Prozent für Präsidenten-Witwen zeitgemäß sei.
FR-Leitartikler Christian Bommarius hält die Bundespräsidenten generell für rundum überversorgt und führt das auf einen historischen Skandal zurück.
Dr. Hans Jennes aus Friedrichsdorf:
„Wer Zweifel hatte, dass unser Staat seiner Fürsorgepflicht gegenüber Christian Wulff nicht nachkäme, wurde eines Besseren belehrt. Hatte doch dieser Staat in den letzten Jahren notleidenden Banken mit Abermilliarden Euro unter die Arme gegriffen – heute als Griechenlandhilfe getarnt – und damit sein soziales Engagement unter Beweis gestellt. Da wird man doch keinen ehemaligen Bundespräsidenten in Armut versinken lassen. Im Gegensatz zu den Hartz IV-Schmarotzern und den unverschämten Lohnforderungen der Gewerkschaften hat Wulff sich stets bemüht, sein Vermögen und das seiner Gönner zu mehren. Wogegen die Hartz IV-Bezieher und Lohnabhängigen dem Kapital ständig auf der Tasche liegen.
Viel spannender, bei aller berechtigten Empörung über die Kungelei zwischen Politik und Geldadel – dabei ist Wulff sicher nur die Spitze des Eisberges –, ist jedoch die Frage: Was bewog „Bild“, ihren langjährigen Liebling Wulff über die Klinge springen zu lassen? War es seine Äußerung, dass der Islam zu Deutschland gehört, sein Besuch im KZ Auschwitz? Das wäre ein noch viel größerer politischer Skandal. Da würde ein Bundespräsident Gauck, der die rassistischen Auslassungen eines Sarrazin für mutig hält, schon besser ins „Bild“ passen.
Günther Rohr aus Rodgau:
„Der Bundesratspräsident Horst Seehofer hat, amigogestählt, die richtige Formulierung gefunden: „Sie waren ein guter Vertreter des modernen Deutschlands.“ Jetzt wissen wir, wie wir uns zu verhalten haben.“
Karl-H. Bokeloh aus Burladingen:
„Dem Tenor des Artikels ist voll zuzustimmen, allerdings möchte ich hinzufügen: Horst Köhler – so lese ich – hat sich sozusagen einen Ruck gegeben und auf seinen Ehrensold verzichtet. Hut ab vor dem Mann! Er brauche den Ehrensold nicht. Die andern ehemaligen Bundespräsidenten brauchen ihn also.
Alle drei sind Doppelverdiener. Nehmen wir Herrn Scheel. Seit 1953 MdB, zeitweise zusätzlich im Europaparlament, Minister, FDP-Vorsitzender, überall Pensionsansprüche, ergibt ein nettes Sümmchen. Nun von Weizsäcker: Arbeit in der Privatwirtschaft, MdB und OB, überall Pensionsansprüche, braucht auch nicht zu verhungern. Herzog: Professor, vermutlich noch emeritiert, d.h. mit den vollen Bezügen seiner aktiven Zeit. Diese Herren brauchen also den Ehrensold (für den sich doch bestimmt das Finanzamt nicht interessiert?). Ich nehme als Untergrenze ihres Einkommens 300000 Euro jährlich an.
Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: Büro mit Sekretärin, Dienstauto mit Chauffeur, lebenslang. Das Büro plus Ausstattung sei nötig – lese ich bei Bommarius – weil ein ehemaliger Bundespräsident in erheblichem Maße Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen habe, und ich gerate ins Grübeln: Was mag gemeint sein? Ein Ex-Bundespräsident bei einem Staatsakt in Vertretung für einen verhinderten gegenwärtigen Bundespräsidenten? Nie gehört. Herr Scheel, mindestens 92, immer noch ein bisschen im Dienst? Verleiht das Amt des Bundespräsidenten eine Art Charakter indelebilis?
Die Vorstellung, sie könnten noch zu irgendetwas verpflichtet sein, ist einfach lächerlich. Wenn sie ihre Memoiren schreiben, gelegentlich an Gesprächsrunden teilnehmen, ans Rednerpult treten (übrigens: gut bezahlt!), so ist das bewundernswert, geschieht aber aus freien Stücken. Was sie äußern, sind Ansichten von Privatleuten, und es besteht kein Grund dafür, dass sie mit einer Regierungslimousine vorfahren. Und diese Herren haben uns salbungsvolle Reden über Moral, Gemeinsinn, Solidarität gehalten, bei schon damals leeren Staatskassen. Jetzt nehmen sie, was sie kriegen können. Feine Vorbilder, wahrhaftig. Und da wundern wir uns, wenn ein Wulff nachkommt? Schade, dass Herr Köhler gegangen ist.“
Nur in einer Monarchie erhält ein amtierender (oder abgedankter) Monarch, erhalten seine engen Angehörigen, sog. „Apanagen“ fürs Nichtstun. Ein abschreckendes Beispiel ist insoweit das Vereinigte Königreich von Groß-Britannien, wo zum Beispiel ein adliger Nichtsnutz wie Prince Charles jährlich mehrere Millionen Pfund auf Kosten der Steuerzahler erhält.
In einer Republik dagegen werden Ämter, wie das des Staatsoberhauptes, nur auf Zeit vergeben. Der Inhaber des Amtes ist und bleibt ein Bürger; auch das Staatsoberhaupt einer Republik, der Präsident, ist nur „Erster unter Gleichen“, der nach dem Ende seiner Amtszeit wieder den Platz eines einfachen Bürgers bekleidet. Es gibt keinen Grund, weshalb er als solcher nicht wieder für seinen eigenen Unterhalt aufkommen sollte – jedenfalls vor Erreichen des Rentenalters. Der aus seinem Amt ausgeschiedene Präsident nimmt für die Republik auch keine Aufgaben mehr wahr. Es gibt keinen Grund, ihm irgendwelche privilegierenden Vergünstigungen wie etwa ein Büro o.ä. zur Verfügung zu stellen.
Ein leuchtendes Beispiel republikanischer Gesinnung stellt der römische Konsul Lucius Quinctius Cincinnatus (519 – 430 v.u.Z.) dar, der nach der Überlieferung – si non e vero, e bene trovato – nachdem er in den Jahren 458 v.u.Z. und 439 v.u.Z. vom Senat mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet worden war, nach zügiger Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben seine Macht an den Senat zurückgab und auf seine Felder zurückkehrte, die er mit einem Ochsenpflug bestellte. Auch verlangte er für seine Dienste keine Bezahlung.
Cincinnatus‘ Gesinnung sollte auch unseren (ehemaligen) Präsidenten Vorbild sein.
@Carsten Neumann
Ein interessanter Ansatz.
Dafür wäre nur und mindestens erforderlich, daß der Betreffende in den vorigen Stand zurückversetzt wird, also keine Nachteile und keine Vorteile aus dem Amt resultieren.
Das hieße dann, daß der Ex-Präsident in sein voriges Amt, seine vorige Anstellung oder den vorigen Bauernhof zurückkehren kann, die per Steuerzahlungen von einem Vertreter aufrechterhalten wurden und bei Bedarf wieder zur Verfügung stehen.
Schwieriger, gerechter, aber vermutlich auch teurer als die derzeitige Lösung. Aber sie wäre demokratischer, weil jeder als Kandidat in Frage käme. Solche Freistellungen sind ja bekannt, aus der Betriebsratsarbeit, dem Mutterschutz oder den Erziehungzeiten.
Klingt nach einer guten Idee!
Es ehrt in gewissem Sinne Horst Köhler – dass er auf seinen Ehrensold verzichten will. So wird es zumindest kolportiert, aber noch nicht von der seriösen deutschen Presse mit quasi rechtlicher Verbindlichkeit bestätigt. Wenn es stimmt, wäre es aber wohl auch im Interesse der Ansehung des Amtes richtig, dass Horst Köhler weiterhin den Ehrensold zwar entgegennimmt (er war ja nun einmal in diesem Amt), diesen „Sold“ dann aber sofort für Wohltätigkeitszwecke weiterleitet.
Das Problem der Überversorgung mit Pensionsansprüchen (im Falle von Horst Köhler: 10 Jahre deutscher Sparkassenpräsident, dann Chef der EBRD in London, dann Chef des IWF Washington … und schließlich deutscher Bundespräsident, vielleicht noch frühere Ruhegeldansprüche?), schreibt sich ein in das generelle Problem: völlig aus den Fugen geratener Bezüge von Topp-Managern.
Solange die Hauptversammlungen von börsennotierten Unternehmen nicht rigoros das Niveau riesiger Bezüge hinterfragen, sondern sich mit der Bemerkung abspeisen lassen, man bekäme sonst nicht das geeignete Führungspersonal, ist ein Wandel in der Entlohnungs-“Ethik“ nicht zu erwarten. Wer die Jahrtausende lange Debatte um das „iustum pretium“, also den gerechten Lohn vor Augen hat, kann sich natürlich agnostisch gebärden nach dem Motto: Die Dinge sind nun einmal so, wie sie sind. Wer als stramm Neoliberaler behauptet, soziale Gerechtigkeit sei eine Schimäre, der ordnet sich in die Phalanx der unbedingten Margaret Thatcher–Anhänger ein.
Horst Köhler war Nachkriegsaufsteiger, aus Bessarabien nach Württemberg eingewandert bzw. nach-vertrieben. Unsäglich ist noch sein Aufruf an die deutschen Frauen, doch bitte wieder mehr zu gebären. An diesen Ausspruch erinnert er sich womöglich nicht ganz so gerne. Möge er jetzt doch besser schweigen und nicht die Medien undifferenziert beschimpfen.
Wir haben inzwischen in der Tat einen investigativen Journalismus der Affekt/Effekthascherei. Aber mit oberlehrerhafter Attitüde à la Horst Köhler kommt die Nation auch nicht voran.