Sozialromantische Träumerei

Nokia beherrscht die Schlagzeilen. Die geplante Schließung des Werks in Bochum wirft bereits ihre Schatten voraus: Offenbar wurde einigen hundert Zeitarbeitern der Firmen Randstad und Adecco, die bei Nokia in Bochum arbeiten, bereits gekündigt. Grund für die Werkschließung: der „starke Druck, die Kosten zu senken“. Nokia-Personalchef Juha Äkräs sagte: „In Rumänien arbeiten die Menschen für ein Zehntel der deutschen Entgelte.“ Derweil will das Land Nordrhein-Westfalen möglicherweise einen Teil der 90 Millionen, die Nokia an Subventionen kassiert hat, wieder zurückfordern. Die Subventionen seien an die Zusage gebunden gewesen, dass in dem Bochumer Werk 2800 Menschen beschäftigt würden, erläuterte NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben. Es seien aber nur 2300 Arbeitnehmer fest angestellt. Man könne Fördermittel von bis zu 40,8 Millionen zurückfordern.

Das würde Nokia zweifellos weh tun. Aber auch der Imageschaden ist schon jetzt gewaltig. Das Nokia-Werk arbeitet rentabel, es macht Gewinn – und wird trotzdem geschlossen. In Berlin wird schon gepoltert. Arbeitsminister Scholz: „Das ist nicht anständig.“
Finanzminister Steinbrück spricht von „Karawanenkapitalismus“. Und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck will keine Nokia-Handys mehr benutzen: „Ich will beim Telefonieren nicht ständig an dieses unglaubliche Ärgernis erinnert werden.“ Man müsse den Verantwortlichen bei Nokia klarmachen, was sie täten. Der Lohnkostenanteil bei der Handyproduktion liege unter fünf Prozent. „Wer da die Lohnhöhe als entscheidenden Grund für eine Standortverlagerung nennt, nachdem er 90 Millionen Euro Subventionen kassiert hat, verschweigt, dass es ihm nur um höhere Rendite geht.“

Nun, das hat Nokia mitnichten verschwiegen. Im Gegenteil. Genau diese höhere Rendite, die woanders zu erwarten ist, ist der Grund für die Schließung. Und womöglich auch das Kalkül, dass an einem neuen Standort in Osteuropa wieder öffentliche Fördergelder abzugreifen sind: NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers prägte den Begriff „Subventions-Heuschrecke“ für Nokia.

FR-Leser Walter Siepmann aus Warstein meint dazu:

„Die Verbitterung der betroffenen Mitarbeiter ist nachvollziehbar! Aber: Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten! Und das hat Nokia ja wohl getan. Jetzt den Eindruck zu erwecken, damals hätten Firmen in Bochum Schlange gestanden, um auf der Basis von Subventionsmillionen Fabriken bauen zu dürfen, ist nichts als sozialromantische Träumerei. Es hat eben so viel Geld zu vertraglich festgelegten Bedingungen gekostet, um überhaupt eine Firma nach Bochum zu bewegen. Der Glaube ist in Deutschland offenbar unausrottbar, man könne Unternehmen zwingen, Arbeitsplätze zu erhalten, auch wenn das unwirtschaftlich ist.“

Christian Stöhr aus Frankfurt:

„Wenn GM die Aktivitäten von Opel in Billiglohnländer verlagern will, dann ist da keine Rede von „sozialer Verantwortung“ den Beschäftigten gegenüber. Wenn Nokia die Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagern will, dann steht die „soziale Verantwortung“ den Beschäftigten gegenüber hintan. Wenn die Eigentümer der Fraport AG entscheiden, dass die Vorstände eine Gehaltserhöhung von 200.000 Euro bekommen und im Gegenzug dazu das Weihnachtsgeld der Beschäftigten gekürzt wird, dann hat das mit „sozialer Verantwortung“ nichts zu tun.
Wir müssen uns ganz einfach von der Vorstellung „Unternehmen haben eine soziale Verantwortung“ verabschieden. Eigentum verpflichtet angeblich – aber oft nicht bei juristischen Personen. Sie tragen Verantwortung gegenüber den Eigentümern, nicht gegenüber den Beschäftigten. Verabschieden wir uns von diesen sozialromantischen Vorstellungen. Unternehmen reden nur über „soziale Verantwortung“, wenn es grade mal passt. Beim Geld hört die Freundschaft auf. Das ist das bittere Los der abhängig Beschäftigten.“

Manfred Wolfhard aus Dürnau macht es wie Kurt Beck:

„Nachdem es Nokia gefällt, die Arbeitsplätze in Deutschland zwecks Profitmaximierung zu streichen, gefiel es mir, mein Nokiagerät zu entsorgen und den Handyvertrag zu kündigen. Mobile Telefondienste sind für mich entbehrlich und wären dies auch für die meisten Kleinkonsumenten.
Die einzige Sprache, die die Jobvernichter verstehen, ist die Sprache des Geldes. Wo es irgend möglich ist, meiden wir Geschäfte mit Unternehmen, die ohne Not Arbeitsplätze wegrationalisieren, Löhne drücken, Preise in die Höhe treiben oder von ihren Mitarbeitern Arbeitszeitverlängerungen erpressen, die sie nicht bezahlen. Man muss nicht an die Bank mit dem Schrägstrich überweisen und nicht beim rigorosesten Discounter einkaufen. Oft gibt es Alternativen, die man ohne Aufwand nutzen kann.
Immer mehr Konsumenten kaufen gezielt nach ethischen oder ökologischen Gesichtspunkten. Zu wünschen wäre, dass das Schule macht.“

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36 Kommentare zu “Sozialromantische Träumerei

  1. Jo, das ist ja wohl ganz leicht:
    Wir kaufen unsere Handy jetzt alle in Rumänien, für ein Zehntel des hiesigen Preises.

  2. es ist wirklich kindisch jetzt handys zurückzugeben. rumänien liegt ja schliesslich auch noch in europa. diese ganzen reaktionen zeigen nuzr, dass es mit eurpopa noch sehr weit weg ist alles.
    und die bundesrerpublikansichen firmen machen es doch genauso, was soll dieser nationalistische schwachsinn?
    den politiker aller! parteien fehlen die visionen, sonst würden sie nicht 90 mio für 2800 arbeitsplätze ausgeben.

    ach ja und „bank mit schrägstrich“…das ist seeeehr gut!

  3. Ja was sind denn das für Heulsusen? Wirtschaftsminister Klos ist „befremdet“ über das Vorgehen von Nokia. Die NRW-Wirtschaftsministerin meint, solche Vorkommnisse schadeten “unserem Wirtschaftssystem“ (Man beachte in diesem Zusammenhang das Possessivpronomen „unser“). Steuber vertritt die Auffassung, Nokia handele „unanständig“. Arbeitsminister Scholz sagt, das Gebaren sei „nicht anständig“. Der SPD-Vorsitzende Beck wirft sein Handy weg, weil es aus dem Hause des finnischen Handy-Herstellers stammt.

    So werden eigene Fehler kaschiert. So werden neoliberale Sichtweisen ummantelt. Politiker, die dieses Klima der Ausbeutung mit konkreten Gesetzen erzeugt haben, die erlauben, Unternehmen Millionensubventionen in den Hintern zu blasen, um dann nach einiger Zeit die Zelte abzubrechen, jammern jetzt und appellieren scheinheilig an moralische und ethische Minimalstandards, die diese Profiteure zu erfüllen hätten. Das ist peinlich und vor allem verwerflich, weil sie vom Wähler den Auftrag erhalten haben, Schaden vom Volk abzuwenden.

    [Zumindest geben die Minister, wenn sie ihr Amt antreten, folgendes von sich: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“]

    Was diese Eidesformel noch an Wert hat, zeigt die Arbeit im Bundestag, in dem mittlerweile mehr Wirtschaftslobbyisten aus- und eingehen als Abgeordnete im Parlament sitzen.

  4. Nationalistich ist das gar nicht. Man muß es nur genauso machen wie die Wanderzirkusse.

    „Nokia-Personalchef Juha Äkräs sagte: „In Rumänien arbeiten die Menschen für ein Zehntel der deutschen Entgelte.“ “
    Wenn das für ihn und seine Kumpane dann auch gilt, kein Problem.
    Und dann die entsprechende Preisgestaltung bittesehr.
    Also entweder den Rumänen gerechte Löhne, oder allen anderen niedrigere Preise.

  5. Wen wundert es, in Zeiten der Globalisierung, das immer mehr Unternehmen schauen,wo sie kostengünstig produzieren können,da der Standort „Deutschland“, für die meisten dieser Konzerne zu teuer ist! So auch diesmal beim Werk Nokia in Bochum ,mit all seinen negativen Auswirkungen ,für die Beschäftigten! Hier kann und muß man sich fragen,war die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, seitens des finnischen Konzern darüber informiert worden,das sie daß Werk in Bochum schließen,um die Produktion an einem anderen, rumänischen Standort zu verlegen „wo kostengünstiger“ ist? Jeder Konzern,so auch Nokia, welcher seitens von Nordrhein-Westfalens und des Bundes subventioniert wurde,wird so einen „gravierenden“ Schritt, welcher tausende Arbeitplätze kostet,sich genaustens überlegen und nicht ohne Rückendeckung,(egal von wem)durchführen!? Nun seis drum! Heutzutage zählt nur noch der Gewinn eines Unternehmens und nicht die Menschen, welche darin arbeiten!? Diese werden nur noch wie die „Figuren“ auf einem Schachbrett „hin und her“ geschoben und nach belieben ausgetauscht!Traurig aber wahr,in unserem heutigen „zivilisierten“ 21.Jahrhundert!

  6. Exportweltmeister Deutschland exportiert keine Arbeitsplätze, sondern Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2006 erwirtschafteten wir einen Außenhandelsüberschuss von 159 Mrd. Euro, von Januar bis November 2007 waren es nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts bereits 186 Mrd. Euro. Der Rekordüberschuss von 2006 wird somit im Jahr 2007 nochmals deutlich übertroffen. Ferner haben wir 2006, um speziell den Handel mit Rumänien zu beleuchten, Waren im Wert von 7,2 Mrd. Euro nach dort exportiert, aber nur welche im Wert von 4,4 Mrd. Euro von dort importiert. Unsere Handelsbilanz mit Rumänien liegt mit 2,8 Mrd. Euro im Plus, also exportieren wir auch nach Rumänien keine Arbeitsplätze.

    Dass Nokia ins EU-Mitgliedsland Rumänien abwandert, ist beileibe kein Widerspruch. Was wir mit dem Nokia-Werk an Rumänien verlieren, wird nämlich andernorts aufgewogen. Darüber hinaus müssen auch die Rumänen von etwas leben. Wenn dort Arbeitsplätze (= Einkommen und Kaufkraft) entstehen, können sie beim Exportweltmeister Deutschland logischerweise mehr kaufen. Wir sind folglich einer der größten Nutznießer der Globalisierung. Jeder Euro auf der Einnahmeseite unserer positiven Außenhandelsbilanz bedeutet faktisch einen Arbeitsplatzimport nach Deutschland oder dient hier der Erhaltung von Arbeitsplätzen. Ob die erwirtschafteten Profite wirklich bei den Arbeitnehmern ankommen, steht auf einem ganz anderen Blatt, liegt aber nicht in der Verantwortung von Nokia.

  7. @3 bakunix
    dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen, ausser, dass es verwunderlich ist, wenn Politiker das Wort „anständig“ in den Mund nehmen und dann auch noch davon ausgehen, dass Manager dieses Wort überhaupt kennen.

    übrigens: @2 ka:
    Böse Zungen behaupten, das Bild dieser Bank stünde für ein Motto: „wir bilden den Rahmen für Ihre schrägen Geschäfte“ – wie geschrieben: üble Verleumdung 😉

  8. Was mich dazu interessieren würde : Was war damals für eine Stimmung in Finnland, als dort bekannt wurde, dass die Nokia-Produktion nach Deutschland verlegt wird ?

    maderholz

  9. Wenn man Globalismus ernst meint, sorgt man für überall gleiche Produktions- bedingungen und Löhne mit und von denen man leben kann.

    Solange lediglich Preis- und Lohngefälle und Subventionen abgesahnt werden, tun die Beteiligten „Top“-manager und Politiker nichts anderes, als mit dem Schlitten einen Berg runter zu fahren und zu juchheien, sie lenkten die Chose.
    Bergab geht’s aber trotzdem.

  10. Wann kommt es in den Köpfen von allen an, dass wir in einem System leben, in dem die Maximierung des Profites das Ziel ist? Wer glaubt, dass die Beschäftigten von hohen Gewinnen etwas abbekommen, vielleicht sogar einen sicheren Arbeitsplatz, ist naiv.
    Ich frage die Lohnabhängigen, die in keiner Gewerkschaft organisiert sind und ihre Ersparnisse in Aktien anlegen, was erwartet ihr?

  11. @Pahl
    Ich erwarte die Maximierung meines Profits, inkl. eines sicheren Arbeitsplatzes, für dessen Sicherung die leitenden Angestellten und Führungskräfte aus dem von mir produzierten Mehrwert leistungsgerecht bezahlt werden.

    Ganz einfach,oder?

  12. Eine Frage an die „Lieben Mit-Diskutanten“:

    Ist eigentlich jedem bekannt, dass die Frankfurter Schund- äh Rundschau zu sehr großen Teilen der SED äh SPD gehört.

    Also ein lupenreine Partei-Zeitung ist.

    Sagt bloss Ihr lest (und bezahlt für) so ein piefiges Parteiblättchen freiwillig?.

  13. @14. August Bebel aka Kleines Licht

    Ihr Beitrag steht stellvertretend für den „genialen“ (besser absolut beschränkten)Informationsstand der Kommentatoren des betreffenden Threads bei PI, wo seitenweise darüber diskutiert wird, dass die FR der SPD gehört, genüßlich und zu Selbstbefriedigungszwecken (aaah, oooooh …) Zeitungsauschnitte der Welt aus dem Jahre 2005 kopiert und kommentiert werden und noch kein Schwanz (sic!) gemerkt hat, dass der dort diskutierte „anstehende“ Verkauf der FR längst vollzogen ist und die die FR jetzt einem Verlagshaus angehört, dass eher Mitte rechts anzusiedeln ist.

    Dumm gelaufen!

    Ansonsten spricht folgende Lese-„Frucht“ eines Kommentators aus dem PI-Thread für sich selbst und braucht bezüglich Herkunft des Gedankenguts nicht weiter analysiert und kommentiert zu werden:

    „Alles, was den linken Wirrköpfen nicht passt, wird einfach gelöscht! Wenn überhaupt Ergebnisse solcher Umfragen veröffentlicht werden, sind sie von den roten Socken derart manipuliert, dass sie nicht die Stimme des Volkes widerspiegeln. Wem jetzt noch kein Licht aufgegangen ist, dem ich nicht zu helfen! Wir leben längst wieder in der DDR! Nicht wir haben die geschluckt, die haben uns geschluckt!“

  14. @Fiasco
    Kleiner Irrtum Ihrerseits :
    Die DDVG (Tarn-Organisation für das Milliarden-Vermögen der SPD – a la Schalck-Golodkowski)
    hält weiterhin einen Anteil von 40%.

    Aber wer glaubt auch schon einem spiessigen Rot-Terroristen wie Fiasco – Nomen est omen.

    Mit sozialistischem Gruß

  15. Es ist nicht wahrscheinlich, daß hier jemand von Nokia mitliest, aber trotzdem erstmal herzlichen Dank für die konsequente unternehmerische Wahrnehmung sozialer Verantwortung durch Nokia. Die Menschen in Rumänien leben in Verhältnissen, die verglichen mit unseren, eigentlich nur mit „bittere Armut“ beschrieben werden können. Dies wird sich durch die Werksverlagerung ändern.

    Ich bin natürlich nicht naiv und glaube deshalb auch nicht, daß diese Werksverlagerung, die den Armen und Schwachen zugute kommt, ausschließlich durch eine (Selbst-)Verpflichtung zur sozialen Verantwortung der NOKIA-Führung zustandekam, sondern hier hat sich außerdem auch eine große Stärke des Kapitalismus gezeigt: Marktprinzipien wirken so, daß die Armen und Schwachen davon profitieren. Man kann wirklich im Interesse der rumänischen Menschen nur hoffen, daß sich hier antisoziale deutsche Politiker nicht wieder reinhängen und weitere Bestechungsgelder zahlen, damit die Partizipation am Wohlstand gefälligst weiterhin bei den reichen Deutschen bleibt und die armen Rumänen sehen können, wo sie bleiben.

    An der gesamten Diskussion erschreckt mich das Ausmaß des nationalistischen Denkens, daß in ihm zum Ausdruck kommt. Insbesondere Personen, die anderswo jede Gelegenheit wahrnehmen, gegen vermeintlichen oder wirklichen Nationalismus zu hetzen, argumentieren jetzt hier in der Nokia-Angelegnehit entlang der Linie „Deutschland, Deutschland, über alles“. Das kann man im für sie besten Fall eigentlich nur mit Gedankenlosigkeit entschuldigen (man plappert eben nach, was Andere so in die öffentliche Atmosphäre blasen, und das ist beim Thema NOKIA nunmal größtenteils unerträgliche Deutschtümelei).

  16. @ Max Wedell

    Ein interessanter Beitrag – aber indem Sie den Anfang der umstrittenen Deutschlandlied-Strophe zitieren, wollen Sie die Diskuttanten, die Sie da bezichtigen, hoffentlich nicht in die Nähe zum Faschismus rücken.

    Bitte stellen Sie das klar.

  17. Max Wedell,

    sind Sie tatsächlich davon überzeugt, dass bei Nokia irgend jemand wirklich soziale Gedanken bei der Entscheidung zum Umzug gehabt hatte? So blauäugig können Sie doch gar nicht sein.
    Hier geht es einzig und allein um billigeres Produzieren. Dabei wird aber lediglich der Stundenlohn als Massstab genommen, nicht die Infrastruktur, aber auch nicht das Ausbildungsniveau. Sicher: auch in Rumänien gibt es (wie überall) fleissige und arbeitsame Menschen, aber wir haben in Deutschland mit viel Aufwand eine Struktur geschaffen, die weltweit anerkannt ist
    .. nur sie ist halt auch etwas teurer.
    Übrigens haben Sie das Thema „Subventionen aus dem Steuersäckel Deutschlands“ unterschlagen!
    Es gibt doch genügend Beispiele, in denen Firmen zu Beginn der Globalisierungswelle ins „billigere“ Ausland gezogen sind um dann (nachdem Strukturen zerschlagen waren, Menschen erst einmal in Existenznöte gestürtzt wurden) reuemütig nach Deutschland zurück kamen.
    Aber es sollte hier keine Neiddiskussion aufkommen: hier geht es darum, dass es im „ach so reichen“ Deutschland wieder einmal einige (viele) Menschen geben wird, die einen guten Job machten und trotzdem jetzt in arge finanzielle Schwierigkeiten kommen. Natürlich verhungert niemand bei uns (jedenfalls nicht sofort), aber vermittelbar ist das nicht.
    Und bitte hören Sie mit dem sozialen Gesülze auf: jedem ist das Hemd näher als der Rock und ich habe bisher noch niemanden getroffen, der/die sich selbst aufgegeben hat, um „die armen Menschen aus der dritten Welt“ versorgt zu sehen.
    Ich halte Sie – mit Verlaub – für einen Scheinheiligen.

  18. @13. Kommentar von: AugustBebel
    Geschrieben am 23. Januar 2008 um 20:42 Uhr
    @15. Kommentar von: AugustBebel
    Geschrieben am 23. Januar 2008 um 23:10 Uhr
    Regeln:

    3 Die Redaktion akzeptiert keine Kommentare, die zu Straftaten auffordern, frauen-, fremden- oder anderweitig menschenfeindlich sind.
    4 Bleiben Sie sachlich, freundlich – und beim Thema.
    5 Die Redaktion behält sich vor, Kommentare zu löschen, einzelne Kommentatoren auszuschließen

  19. @ 17.Bronski

    Info:

    Die erste Strophe des Deutschlandliedes ist nicht „verboten“.

    Es ist lediglich festgelgt, dass diese Strophe nicht als Teil der offiziellen Nationalhymne gilt und bei öffentlichen Anläsen deswegen auch nicht gesungen werden kann. Zitieren und damit argumentieren kann damit jeder, selbst wenn es in so „interessanter“ (Für wen eigentlich?) Weise geschieht, wie Herr Wedell dies tut.

  20. @ 16. Max Wedell

    ich stimme zu, man soll nicht nationalistisch argumentieren, allerdings ist Ihre Argumentation auch nicht „internationalistisch“ (Sie wissen, wo dieser Begriff herkommt?) sondern schlicht dem sogenannten „Globalisierungsbegriff“ des Neoliberalismus entsprungen. Das Kapital expandiert, die „nationalen“ Volkswirtschaften sind da schon längst keine entscheidenden Größen mehr. Allerdings: Kapitalismus bleibt Kapitalismus, ob national oder international „aufgestellt“.

    Nicht jeder der volkswirtschaftlich noch in den alten Kapitalgrenzen denkt, ist Faschist.
    Nicht jeder der den Kapitalismus überwinden will ist „ein spiessiger Rot-Terrorist“ (Eine Beleidugung aus #15, die #17 offensichtlich nicht so interessant findet und eben auch keine „Klarstellung verlangt)

    Fazit: Ihr Prokapitalistischer an wirtschaftlichen Interessen der Eigner interessierter Kommentar, Herr Wedell, ist für mich nicht klarstellungs-, allenfalls kritikbedürftig.

  21. Herr Bronski,

    92 Jahre stand hinter der Wiedergabe vom „Deutschland, Deutschland, über alles“ des Hoffmann von Fallerslebens oft „nur“ ein Chauvinismus. Meinen Verdacht zu verdeutlichen, daß in der der allgemeinen Bewertung der Nokia-Sache manchmal wohl ähnlicher Chauvinismus vorliegt, war Sinn meines Zitats.

    Inwiefern dieser Chauvinismus dann als „faschistisch“ bezeichnet werden kann, ist die Frage. Ich meine, dieser Chauvinismus ist nicht als faschistisch zu bezeichnen, da Chauvinismus zwar auch im Faschismus (bzw. dem deutschen Ableger, dem Nationalsozialismus) instrumentalisiert wurde und eine große Rolle spielte, der NS aber noch genügend andere ideologische Bestandteile besaß, die bei den heutigen Chauvinisten, die von Nokia eine deutsche Vorzugsbehandlung auf Kosten anderer Nationen verlangen, wohl nicht vorliegen (soweit man das jedenfalls erkennen kann). Chauvinisten sind nicht deshalb auch gleich vollautomatisch Faschisten, weil die Faschisten auch Chauvinisten waren.

    Diese „Klarstellung“ sollten auch jene mal lesen und überdenken, von denen ich hier nicht sagen will, was ich über sie denke (4. Bleiben Sie freundlich), die sich aber in andern Threads ständig bemüssigt gefühlt haben, mich (oder auch z.B. Roland Koch) in die Nähe des Faschismus zu rücken nach derselben Methode, nämlich:

    „Eine „Blume“ ist wohl auch irgendwie ein „Fahrzeug“… denn es gibt ja sowohl rote Autos als auch rote Blumen. Q.E.D“

  22. P.S. Danke auch noch an geist, dessen Klarstellung ich erst jetzt lese… Wollte mich auch schon wundern, wie man ein Gedicht von Hoffmann von Fallersleben oder Teile davon „verbieten“ kann, aber andererseits ist in D ja inzwischen vieles möglich…

  23. „Max Wedell,

    sind Sie tatsächlich davon überzeugt, dass bei Nokia irgend jemand wirklich soziale Gedanken bei der Entscheidung zum Umzug gehabt hatte? So blauäugig können Sie doch gar nicht sein.“

    Lesen sie nochmal meinen Satz beginnend mit: „Ich bin natürlich nicht naiv, glaube deshalb auch nicht,“. Würden Sie noch nochmaliger Lektüre immer noch meinen, ihre obige Frage stellen zu müssen?

    „Hier geht es einzig und allein um billigeres Produzieren. Dabei wird aber lediglich der Stundenlohn als Massstab genommen, nicht die Infrastruktur, aber auch nicht das Ausbildungsniveau. Sicher: auch in Rumänien gibt es (wie überall) fleissige und arbeitsame Menschen, aber wir haben in Deutschland mit viel Aufwand eine Struktur geschaffen, die weltweit anerkannt ist
    .. nur sie ist halt auch etwas teurer.“

    Habe ich das jetzt richtig verstanden, und die Rumänen sollen erstmal zusehen, wie sie an eine bessre Infrastruktur und ihre bessre Ausbildung kommen, aber solange sie die nicht haben, soll das Werk hierbleiben? Ich persönlich sehe das genau umgekehrt: Dieses Werk und auch viele andere wirtschaftliche Engagements durch andere Firmen dort sind der Ausgangspunkt, bilden die Möglichkeiten für bessere Infrastrukturen und bessere Ausbildungen. Aber diese Chance scheint kaum jemand hierzulande den Rumänen zu gönnen… Der Ertrinkende soll sich gefälligst an den eignen Haaren aus dem Sumpf ziehen, anschließend wäre man dann bereit, ihm zu helfen… irgendwie absurd.

    „Übrigens haben Sie das Thema „Subventionen aus dem Steuersäckel Deutschlands“ unterschlagen!“

    Das Thema habe ich nicht unterschlagen, ich habe es nur anders genannt, ich sprach von „Bestechungsgeldern“. Völlig klar sollte dem Letzten werden, wieso Subventionen hier eigentlich Bestechungsgelder sind, wenn man nicht mehr deutschnational denkt wie die meisten hier, sondern europa- oder gar weltinnenpolitisch denkt. Das reiche Deutschland ist dann eine Provinz derselben Welt genauso wie das arme Rumänien… wenn aber dann die Reichen ihren Reichtum DIREKT (durch Geldzuwendungen) dazu verwenden, den Armen Nachteile zu verschaffen und sich selber Vorteile, dann wirds wenn nicht kriminell so doch moralisch extrem bedenklich…

    „Und bitte hören Sie mit dem sozialen Gesülze auf: jedem ist das Hemd näher als der Rock und ich habe bisher noch niemanden getroffen, der/die sich selbst aufgegeben hat, um „die armen Menschen aus der dritten Welt“ versorgt zu sehen.“

    Schade, aus ihrem Mund ist das „Soziale Gesülze“ nur halb so lustig wie wenn es z.B. Inga Wolf schriebe. Eine Meinung von Inga Wolf zu diesem Thema steht aber leider noch aus.

    Nur noch eine kleine Anmerkung zu ihrem „Loblied des Egoismus“… jeder Betroffene hat natürlich das Recht, den Sachverhalt, der ihn betrifft, von seiner Warte aus zu beurteilen… schlimm wirds nur, wenn dieser Betroffene sich selbst in den Mittelpunkt der Welt stellt und allen andern Betroffenen das Recht abspricht, diese Dinge so zu sehen wie es IHRER Sicht entspricht. Die befürwortende Sicht auf die Verlagerung bei den Rumänen habe ich hier zwar noch nicht hämisch oder sonstwie negativ kommentiert gesehen, aber darüber, wie man die ebenfalls nicht von Komponenten des Egoismus freie Sicht der Firmeneigentümer und ihr Recht, diese Sicht zu haben hierzulande kommentiert, brauche ich ja nichts zu sagen…

    Übrigens, „mangelnde soziale Verantwortung“ können am leichtesten die anmahnen, die durch die Umstände am wenigsten jemals in die Lage kommen werden, sie selber zeigen zu müssen…

  24. Seltsam sind unterschiedlichen Assoziationen, die durch die Worte

    Gastarbeiter
    und
    Gastarbeitgeber

    hervorgerufen werden.

  25. @ 17

    Danke, lieber Bronski, für die Freischaltung! Und danke Bakunix und Fiasco für euren Beistand!

    Folgendes hier für kulturgeschichtlich Interessierte zum politischen Charakter des Deutschlandliedes und zu Hoffmann von Fallersleben.
    Der war ein Dichter von eher bescheidenen Gaben, seine gelungensten Dichtungen sind „Alle Vögel sind schon da“, „Kuckuck ruft’s aus dem Wald“ und, jahreszeitlich gerade passend: „Winter, ade, dein Scheiden macht, dass mir das Herze lacht!“

    Obwohl, wie andere seiner Zeitgenossen auch, Kleist z.B. und Ernst Moritz Arndt, Franzosenfresser – eine ideologische Nachgeburt der anti-napoleonischen Befreiungskriege: Er ist kein Nationalist in unserem Verständnis. Und schon gar kein Chauvinist.

    Nachdem die mächtigsten Fürsten Europas in einer monatelangen rauschenden Ballnacht namens „Wiener Kongress“ („Der Kongress tanzt“) 1814/15 ihren Sieg über Napoleon gefeiert und die „Heilige Allianz“ des Königs von Preußen mit dem Zaren und dem österreichischen Kaiser den Absolutismus religiös verbrämt hatte und alle oppositionellen Bestrebungen rigoros bekämpfte, was auch der Beamtenkarriere Hoffmanns ein Ende setzte, wuchs unter der enttäuschten Intelligenz Deutschlands das zarte Pflänzchen einer Nationalbewegung heran.

    Zwar hatte man in Wien den Kuchen statt, wie vordem, in über dreihundert, in nur noch 35 Staaten plus vier freie Städte (unser Bremen und euer Frankfurt, neben Hamburg und Lübeck) aufgeteilt, aber darunter waren immer noch so skurrile Gebilde, wie das Herrschaftsgebiet der Reichsfürsten Reuß von Greiz-Schleiz, deren männliche Glieder, das muss hier einmal hervorgehoben werden, laut Familiengesetz alle „Heinrich“ hießen.

    Die ältere Linie mit Reuß-Untergreiz (aufgeteilt auf Untergreiz I und Untergreiz II) spaltete sich in Reuß-Obergreiz, Reuß-Burgk, Reuß-Rothenthal und Reuß-Dölau.

    Die jüngere Linie mit Reuß-Gera spaltete sich in Reuß-Schleiz, Reuß-Saalburg, Reuß-Lobenstein, Reuß-Hirschberg, Reuß-Ebersdorf und die nicht-souveränen Nebenlinien Reuss-Selbitz und Reuss-Köstritz.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bund

    Übrigens ist das ganze sehr schön im Thüringischen gelegen, und den weltläufigen Hessen, die Sri Lanka besser kennen, wird das Bizarre der Situation vielleicht deutlich, wenn sie sich vorstellen, man reise im Zeitalter, wo die Eisenbahn mit Macht dabei ist, die Kutschen derer von Thurn und Taxis zu verdrängen, von Frankfurt nach Norden und lande alsbald an der Zollgrenze des Staates Butzbach mit umliegenden Ortschaften und als nächstes an der von Wetzlar mit umliegenden Ortschaften.

    Eine Provokation für alle aufgeklärten Zeitgenossen, die vordem in dem Neuen, das die französische antifeudale Nationalbewegung hervorbrachte, die Zeichen der Zeit erkannten. Eine Provokation zumal dadurch, dass die deutschen Kleinstaaten mit dem Untergang des alten Kaiserreiches 1806 das letzte, wenn auch schwache, einigende Band verloren hatten, was in so manchem der Romantiker, die nach Heinrich Heine rittertümlich „in dem Herzen getragen die Treu und auf dem Hintern ein Wappen“, so auch in August Heinrich Hoffmann, restaurative Tendenzen erweckte.

    Ob nun restaurativ das alte Reich zurück ersehnend, ob eine Republik anstrebend, wie Heine, oder ob auf ein zweites Reich unter preußischer Krone orientiert, wofür die Fertigstellung des Kölner Doms das nationale Symbol wurde und was 1871 Wirklichkeit wurde:

    „Deutschland über alles“ hieß damals für alle national gesonnenen beileibe nicht, Deutschland sei erhaben über andere, auswärtige Nationen, sondern bedeutete: Eine einzige und einige Deutsche Nation statt eines Flickenteppichs von zig, wenn nicht hunderten, souveränen absolutistischen Fürstentümern.
    Folgerichtig ersetzt Hoffmann die Parole der Französischen Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ durch „Freiheit, Einigkeit und Recht“, wobei, wie dargelegt, „Einigkeit“ gegen die Kleinstaaterei gerichtet ist und „Recht“ gegen absolutistische Willkürherrschaft.

    „Von der Maas bis an die Memel,
    Von der Etsch bis an den Belt“

    mag uns Kleindeutschen heute imperialistisch bzw. revisionistisch vorkommen. Damals markieren diese Flüsse bzw. Meerengen ziemlich genau die Sprachgrenzen der von Herder und Goethe so benannten „deutschen Kulturnation“, jedenfalls nach dem damaligen Forschungsstand, mit dem der Germanist Hoffmann offenbar vertraut war, sprachlische Mischzonen in den Grenzgebieten natürlich eingeschlossen.

    Über das, was Hoffmann in der zweiten Strophe offenbar als Gipfel der kulturellen Errungenschaften der deutschen Volksseele erklärt, lässt sich allerdings trefflich streiten:

    „Deutsche Frauen, deutsche Treue,
    Deutscher Wein und deutscher Sang
    Sollen in der Welt behalten
    Ihren alten, schönen Klang,
    Uns zu edler Tat begeistern
    Unser ganzes Leben lang“

    Als Exponent des Feminismus, zu welchem mich Susanne hier einst ernannt, will ich mich hier gleichwohl nicht allzu negativ bei der Vergleichsperspektive aufhalten. Solange „Deutschland“, abwechselnd seine Frauen und seinen Rheinwein schmeckend, wenigstens noch seine Treue bewahrt, ist noch nicht alles verloren, und wenn die Fischerchöre sich zu der edlen Tat begeistern, bar jeden Chauvinismus‘ zur friedlichen Völkerverständigung beizutragen, indem sie ihren alten schönen Klang in die Welt tragen, soll mir das im Sinne eines den Zweck heiligenden Mittels auch recht sein.

  26. Danke lieber Heinrich,
    zwar sind mir Ihre Abhandlungen meist etwas zu langatmig (als Ingenieur ist man halt etwas kürzere Darstellungen gewohnt), aber ich habe die Ihre mit besonderem Interesse gelesen.

    „Deutschland über alles“ ist sicherlich im Ursprung harmlos (naiv?) gemeint, eben auf die betreffende Person gemünzt (freie Meinungsäusserung), aber diese drei Worte können halt auch gründlich missverstanden (weil missbraucht?) werden.
    .. und wäre das – fernab von allem „Zensurgehabe“ – nicht Grund genug, darauf zu verzichten?

    Grüsse nach Bremen
    Hajo

  27. @ Hajo

    Langatmig? Ha, da müssten Sie mich mal reden hören!

    Spaß beiseite: Ich denke eigentlich, dass meine Beiträge, gemessen am inhaltlichen Ertrag, knapp sind. In den Getrieben von Gesellschaft und Politik greifen halt mehr Zahnrädchen ineinander als bei einer überschaubaren Maschine, und man kann darüber keine Zeichnungen nach DIN xy(nicht zu verwechseln mit Ypsilanti!) anfertigen.

    Um es noch einmal zu präzisieren: „Deutschland über alles“ war im Ursprung weder harmlos noch naiv gemeint, sondern stand für ein politisches Programm, das damals jedenfalls keine Meinungsfreiheit genoss. Dieses Programm war, das war der Kontext hier, keinesfalls chauvinistisch.
    Das wurde das Lied aber unbedingt spätestens, als die Nazis die erste Strophe zusammen mit „Die Fahne hoch…!“ zur Nationalhymne machten.

    Texte, sage ich jetzt mal langatmig, haben keine absolute Bedeutung, sondern stellen eine Kommunikation zwischen Autor und Rezipienten dar.
    Ich habe hier nur die Bedeutung erläutert, die das Lied vom Autor in dessen Kontext erfahren hat. Diese Bedeutung ist von der späteren Rezeptionsgeschichte völlig überlagert worden, das Lied hat, wenn sie so wollen, seine Harmlosigkeit verloren, und es ist dringend geboten, nicht nur darauf zu verzichten, sondern es zu ächten.

  28. @heinrich @Hajo
    „das Lied hat,wenn sie so wollen, seine Harmlosigkeit verloren, und es ist dringend geboten, nicht nur darauf zu verzichten, sondern es zu ächten.“
    Nein, ich glaube man muss es zurückholen aus dem verdrehten Mißbrauch derer, die alles in den Dreck gezogen haben und noch ziehen.
    Alles was der Dichter in dem Lied schwärmerisch überhöht hat, haben diese buchstäblich in Blut und Dreck getrampelt.
    Aber man darf nicht die verdreckten Kunstwerke wegwerfen,man muß sie wieder sauberkriegen, genau so, wie es heinrich getan hat:
    Durch Aufklärung und historische Wahrheit.

  29. @ BvG

    Da würde ich ihnen in Bezug auf das Deutschlandlied widersprechen. In anderen Fällen ist das tatsächlich gelungen. Das alte Lied der sozialistischen Arbeiterbewegung „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ wurde zu dem Nazilied „Brüder in Zechen und Gruben“ umgedichtet, wurde aber nach dem 2. Weltkrieg mit dem alten Text zur Hymne der SPD.

    Prinzipiell ist das „Sauberkriegen“ also möglich, dem stehen aber bei unserem Beispiel zwei Momente entgegen:

    1. Der Text lässt in der originalen Form ohne Umdichtung das chauvinistische Verständnis ohne weiteres zu.

    2. Ein Lied wirkt dadurch, dass und wie es unmittelbar verstanden wird. Wir können hier die ursprüngliche Bedeutung rekonstruieren, aber man kann nicht 50 000 Zuschauern in einem Stadion, die das Lied kennen, jedoch nach dem 2. Reich, der Weimarer Republik und dem 3. Reich nichts mehr von deutscher Kleinstaaterei und mühsamer nationaler Einigung wissen, vor dem Absingen der Nationalhymne die ehedem fortschrittliche und friedliche Deutung des Textes vermitteln.

    So 1954 in Bern: Die Melodie erklingt, und alle singen die erste Strophe. Und in den Gesichtern steht: Seht her, ihr Völker der Welt! Den Krieg haben wir zwar verloren, aber wir sind trotzdem die Größten.

    Hier zeigte sich: das Lied als Nationalhymne für die Bundesrepublik war eine ganz unglückliche Wahl, bei der enger am Faschismus als an der Nationalbewegung des 19. Jhd. angeknüpft worden war.

  30. @heinrich

    Es ist sicherlich sehr schwer, soviel Dreck abzuwaschen. Aber es ist doch positiv, daß (ein wenig „um die Ecke gedacht“) den Rezipienten nach der langen Geschichte des Liedes ein Schmerz darüber durchfährt, daß man ein solches naives Bekenntnis zum eigenen Staat, zu Einigkeit und Recht und Freiheit nicht mehr ohne ambivalente Gefühle (und Schuldgefühle) singen kann.
    Ich finde, man spürt jedesmal , wieviel Gewalt dem Lied und dem (positiven) Nationalbewußtsein der Deutschen angetan wurde.

    Letztlich bleibt bei mir übrig, daß ich es den Beschmutzern jedesmal übelnehme, daß sie mir ein solches (positives)Bekenntnis zum eigenen Staat unmöglich gemacht haben.

    Vielleicht war die Wahl, das Lied beizubehalten nicht so ganz unglücklich. Es erhält jedenfalls ein Bewußtsein der Schuld und zum Widerstand gegen solche „Umdeuter“. Man spürt gleichsam, daß sie uns (mir) die Freiheit und moralische Ehrenhaftigkeit genommen haben.
    ______________________

    Davon ab: Ich hätte es mutig gefunden,1989 das Ganze ironisch anzugehen und zur Nationalhymne das Lied „Auf der Mauer, auf der Lauer“ zu wählen.
    F.K.Wächter hätte sich gefreut.

    Stellen Sie sich vor:
    50 000 im Stadion:“Auf der Mauer…“!

    Da geht das ganze Brimborium flöten.

  31. Na ja, „Seht euch mal den Helmut an, wie der Helmut schießen kann“ und „Seht euch mal den Toni an, wie der Toni halten kann“ wäre schon was anderes gewesen.

    Das ist ja hier eigentlich ein Nebenthema, trotzdem folgendes noch:

    Das Lied wurde erst in der Weimarer Republik offizielle Nationalhymne. Im Kaiserreich spielte man eher „Heil dir im Siegerkranz“ nach der Melodie der britischen Hymne „God Save the Queen“. Die Melodie zum Deutschlandlied stammt von Joseph Haydn, der ursprüngliche Text lautete: „Gott erhalte Franz, den Kaiser!“. Da war Franz II. noch der Kaiser des alten „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ und österreichischer Erzherzog. 1804 machte er sich, kurz vor dem Ende des alten Reiches, zum Kaiser Franz I. von Österreich, und die Hymne wurde praktischerweise österreichische Nationalhymne.
    Im 3. Reich war nur die erste Strophe Nationalhymne, nur auf diese bezieht sich auch mein Diktum, auf sie zu verzichten und sie zu ächten. Die dritte Strophe ist wirklich unverdächtig und „unbeschmutzt“, man kann sie ohne ambivalente Gefühle mit Inbrunst singen.

    Die Identifikation mit dem Nationalstaat hängt halt auch davon ab, ob er, wie bei uns, von oben verordnet oder, wie bei den Franzosen, von unten erkämpft worden ist. Dort spielt man heute noch zum Nationalfeiertag im Radio: „Die Aristokraten an die Laternen!“, wogegen für uns nach Heine charakteristisch ist: „Uns dürstet zwar nicht nach dem Blut unsrer Fürsten, doch lieben wir Sauerkraut mit Würsten“.

  32. Dass die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung die Subventionen jetzt zurückfordert (oder tut sie nur so?), hört sich ja ganz gut an. Aber wenn eben diese Regierung heute feststellt, dass Nokia den Subventionsauflagen nicht nachgekommen sei, so muss Mensch sich fragen: Wieso werden solche Subventionsauflagen erst jetzt überprüft? Ich erwarte zeitnahe und mindestens halb so strenge Kontrollen, wie Hartz VI-Empfänger sie über sich ergehen lassen müssen. Alles andere ist nach meinem Rechtsempfinden Beihilfe zum Subventionsmissbrauch oder -betrug.

  33. Herr Siepmann unterstellt zynisch den Arbeitgebern einen Traum, dessen reale Existenz die Propaganda von staatlichen Subventionsgebern und privaten Subventionsnehmern zuvor täuschend echt in die Welt gesetzt hat.

    Mag sein, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer jetzt sozialromantisch weiterträumt, wenn er glaubt oder zu fordern können glaubt, Nokia oder irgend ein anderer Kapitalinvestor und Rendite Einstreichender würde eingestrichenen Gewinne zurückzahlen. Selbst wenn ein Solcher sie zurückzahlte, weil er irgendetwas bei seinem Investitionsgeschaft übersehen hätte, dann war das vorher so oder so eingepreist, oder mit der nächsten Fern/Ostinvestition schon als Refinanzierung gesichert. Ansonsten sind, wären solche Firmen längst vom Markt. Dass der Kapitalismus via Monopolbildung – heute verschleiernd Globalisierung genannt – Firmen(niederlassungen) vernichtet , war noch nie anders; von dem Vernichten der Arbeitsplätze, d.h. der bürgerlichen Existenz der „Arbeitnehemer“ hier gar nicht gesprochen.

    Wie gesagt, wer diese Forderungen für sozialromantische Träumereien hält, ist entweder dumm (gehalten worden), oder sitzt im BDI o.ä. und drischt Ideologische Propaganda, wenn er die Forderungen abwehrt oder das Interesse des Kapitals im vorgeblichen Interesse der Arbeit vertritt.

    Also liebe Beschäftigte und Arbeitslose, apelliert nicht scheinmoralisch, sondern stellt ökonomisch die Systemfrage und zwar praktisch, nicht theoretisch.

    Außerdem: Dass die Gewerkschaften offensichtlich in der jetzt n-ten industriellen Revolution in ihrem Organissationsgrad wieder nicht dem existierenden Konzentrationsgrad des erstmalig in der Geschichte wirklich international existenten Kapitals entsprechen, ist neben der Katastrophe, dass das Kapital herrscht, die zweite, niederschmetternde Katastrophe.

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