Im Vorfeld des Papstbesuchs: Gastbeitrag von Paul Haverkamp aus Lingen
Benedikt lässt kaum eine Gelegenheit aus, um gegen den Liberalismus, gegen die Diktatur des Relativismus und gegen den Zeitgeist in unzweideutiger Schärfe Stellung zu beziehen. Dass der Papst in diesen seinen Kreuzzügen von immer weniger Menschen als ernstzunehmender Gesprächspartner angesehen wird, stört ihn nicht. Benedikt weist den „Relativismus in der Theologie“ entschieden zurück und proklamiert:
„Ein Glaube, den wir selbst festlegen können, ist überhaupt kein Glaube. Und keine Minderheit hat einen Grund, sich durch eine Mehrheit Glauben vorschreiben zu lassen. Der Glaube und seine Praxis kommen entweder vom Herrn her durch die Kirche und ihre sakramentalen Dienste zu uns, oder es gibt ihn gar nicht.“
Das ist überdeutlich und dazu ein klares Eigentor. Denn dann hat eine Minderheit vatikanischer Würdenträger auch nicht der Mehrheit der Gläubigen einen Glauben vorzuschreiben. Benedikt meint jedoch nicht den persönlichen Glauben des Einzelnen, sondern die katholische Glaubenslehre, also das, was über Gott und die Welt gedacht werden darf oder soll. Aber wieso kommt das direkt vom Herrn durch die Kirche zu uns, wenn die Kirche zugleich die Gemeinschaft aller Gläubigen ist, die laut Benedikt nicht selbst – „wir (!) nicht festlegen können“, also Benedikt eingeschlossen – den Glauben festlegen kann?
Das Christentum – das ist die Strategie Benedikts – soll ohne Wenn und Aber anderen Religionen überlegen sein. Es wird zur wahren Religion erklärt, deren Wahrheit allein die katholische Kirche zu interpretieren, vorzuschreiben und zu repräsentieren hat. Die katholische Kirche hat somit – in den Augen Benedikts – einen Monopolanspruch bezüglich der Beanspruchung an göttlicher Wahrheit. Damit aber ist der Theologe vollends bei den vormodernen Positionen angekommen, zu denen das kirchliche Lehramt die Gläubigen verpflichten will. Aus Theologie wird Ideologie, weil sie dann jedes Gegenargument als unangemessen abweist und sich in die Rechthaberei zurückzieht.
Mit Blick auf die „heidnischen“ Religionen spricht Benedikt dann auch noch vom „Sieg des Christentums“ über sie. Denn das Christentum sei ja so viel vernünftiger und moralischer als die anderen Religionen. Damit hat Benedikt sich eigentlich um seine Rolle als ernst zu nehmender Partner in interreligiösen Dialogen gebracht. Hauptgegner für Benedikt in diesem Bereich ist die pluralistische Religionstheorie. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, den Dialog der Weltreligionen zu betreiben und damit den Frieden zwischen den Religionen zu befördern. Dabei will sie das menschlich bedingte Unvollkommene von Religionen sowie deren kulturelle Begrenztheit beachten. So erst kann man gleichberechtigt miteinander umgehen und einander als gleichwertig achten. Ratzinger aber ist es zuwider, dass der eigene Glaube auf „eine Stufe mit den Überzeugungen der anderen“ gesetzt wird und „ihm nicht mehr Wahrheit“ zugestanden wird „als der Position des anderen“.
Tendenziell fundamentalistisch
Papst Benedikt macht mit einer so apodiktisch formulierten Position deutlich, dass er nicht mehr Partner im interreligiösen Dialog sein will und auch nicht sein kann; er will auch nicht der pontifex maximus, der oberste Brückenbauer, sein, sondern endgültige Autorität religiöser Wahrheit. Das ist weder heilsam noch hilfreich, sondern tendenziell fundamentalistisch.
Nicht weniger widerspruchsfrei als der Vorwurf des Relativismus ist der Vorwurf einer Anpassung an den Zeitgeist. Waren es nicht die Vertreter der katholischen Kirche, die bereits im 4. Jahrhundert sich dem Zeitgeist – d. h. den Mächtigen und Herrschenden in Rom bzw. Konstantinopel – in die Arme geworfen haben? Das Toleranzedikt von Kaiser Galerius aus dem dem 311 und die Erklärung der kath. Religion zur Staatsreligion 380 unter Kaiser Theodosius sicherten der katholischen Kirchenhierarchie reichhaltige und sich ständig vermehrende Privilegien und Herrschafts- bzw. Machteroberungen – stets in jeweiliger Abhängigkeit von Kaisern und Königen.
War es nicht die katholische Kirche, die im Rahmen der Kreuzzüge den Namen Gottes missbraucht und zu blutigen Kreuzzügen aufgerufen hat? Johannes von Legnano (Jurist und Vertrauter verschiedener Päpste) verfasste um 1360 ein scholastisches Spezialwerk zum gerechten Krieg: De bello, de repressaliis, de duello. So wurden die Kreuzzüge zum Anstoß für interreligiöse Rechtsprinzipien und deren theoretische Erörterung.
War es nicht die katholische Kirche, die in Mittel- und Südamerika sich im 16. und 17. Jahrhundert den erobernden Spaniern und Portugiesen als willfährige Büttel zur Verfügung gestellt haben – und zu den unzähligen Verbrechen (bis hin zum Völkermord) weitgehend geschwiegen haben?
War es nicht die katholische Kirche, die in ihrer Kirchengeschichte sich immer wieder einer Liaison bzw. Kollaboration zwischen Thron und Altar bereitwillig zur Verfügung gestellt hat – nur um ihre Machtprivilegien zu erweitern und abzusichern – und zwar auf Kosten eines Verrats gegenüber der ursprünglichen Botschaft Jesu, so wie diese im Matthäus-Evangelium festgehalten ist? : „Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ (Mt 10, 42-45)
Die Herrschenden passten sich stets dem Zeitgeist an
Wer hat sich denn in der katholischen Kirche wem angepasst? Es waren doch nicht die Gläubigen, sondern die Herrschenden, die sich dem Zeitgeist angepasst haben! Mit Hilfe genau dieser Anpassungen an Vorstellungen von Macht und Herrschaft der Könige und Kaiser wurde es den Päpsten und Bischöfen der katholischen Kirche möglich – bis auf den heutigen Tag -, in Palästen und Schlössern (ausgestattet mit unzähligen Privilegien) ihre Herrschafts- und Regierungszentralen aufbauen zu können! Ohne eine solche Anpassung wäre der Glaube der Kirche eher aus den Vorgaben des Evangeliums abgeleitet worden statt aus der Begriffswelt der griechischen Philosophie, die das Christentum zu einer „Expertenreligion“ machte. Ohne eine von der Kirche vollzogene Anpassung hätten jesuanische Glaubensvorstellungen der Bergpredigt eine Chance gehabt, ins Glaubensbekenntnis der kath. Kirche aufgenommen zu werden – mit der Konsequenz, dass der Glaube Jesu an die bedingungs- und voraussetzunglose Liebe Gottes (befreiende Liebesbotschaft) nicht überlagert worden wäre von der Angst und Schrecken einflößenden Botschaft des Richtergottes (Drohbotschaft), dessen Stellvertreter der Papst ist und der an Stelle des Richtergottes der alleingültige Herr über Recht, Wahrheit und Glaube ist; natürlich immer unter der Prämisse, den kirchlichen Herrschafts- und Machtinstrumenten nicht nur eine absolute und nicht hinterfragbare Gültigkeit im kirchlichen, sondern auch im weltlichen Bereich zu verschaffen!
Mit der Hellenisierung des Christentums hat die vom Wanderprediger Jesus eingeleitete Bewegung der jungen Christen eine gar nicht hoch genug einzuschätzende Veränderung erfahren. Die Okkupierung der Jesusgestalt und seiner auf konkrete Lebensveränderung zielenden Botschaft vom Reich Gottes durch die der griechischen Philosophie entnommenen Instrumentarien führte immer stärker zu einem metaphysischen Überhöhung der Jesusgestalt. Aus der von Jesus immer wieder vorgelebten und von den Menschen seiner Zeit eingeforderten Einstellungsveränderung ihres Alltagslebens wurde ein philosophisches Lehrgebäude, das mit fortschreitender Zeit immer strenger und enger dogmatisiert wurde. Hatte Jesus den Menschen noch sagen können hinsichtlich ihres Lebensalltags : „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium.“ Mk 1,14 , so formulieren die ersten Konzilien philosophische Lehren: Es geht nicht mehr um konkrete Umkehr, sondern um den Glauben an die Gottessohnschaft Jesu, um die Unterscheidungen wie „Wesen“, „Natur“ und „Person“, um die Lehre von der Trinität, um den Glauben an Auferstehung und Himmelfahrt, um die Ausformulierung einer Sühneopfer-Theologie, um die Einführung einer Logos-Theologie des Johannesevangeliums, …
Es ging nicht mehr um Jesu Reich-Gottes-Botschaft
Besonders am Johannes-Evangelium wird deutlich, dass es dem Verfasser gar nicht mehr um die Verkündigung der Reich-Gottes-Botschaft durch den Wanderprediger von Nazareth geht, sondern ausschließlich um die christologische Überhöhung eben dieses Jesus mit Hilfe der Instrumentarien der griechischen Philosophie. „Die neutestamentlichen Aussagen der Präexistenz Jesu und entsprechend die Aussagen seiner Inkarnation sind im Zuge des Anliegens, die Singularität Jesu aufzuzeigen, auf Grund von zeitgeschichtlichen Faktoren im hellenistischen (juden- und heidenchristlichen) Raum entstanden. Im palästinensisch – judenchristlichen Raum sind Präexistenzaussagen zur Sicherung der Singularität Jesu weder notwendig noch nachweisbar. An ihrer Stelle ist der Begriff der Sendung zu beachten.“, stellt der 1998 verstorbene neutestamentliche Exeget Wilhelm Thüsing aus Münster fest.
Erst mit dem Übergang zu einem stärker hellenistisch geprägten Christentum bildete sich die Vorstellung von einer Präexistenz Jesu und seines Gottseins aus, weil dies der griechischen Erlösungssehnsucht entsprach: „Gott wurde Mensch, damit wir Gott werden.“ – dieses Prinzip des Tausches durchzieht die gesamte griechisch-christliche Literatur. Trinitarische Hinweise kennt das Neue Testament nicht. Vor allem in den Anfängen kennt das Christentum keine trinitarischen Gottesvorstellungen und auch kein Gottsein Jesu. Die Bibelwissenschaft hat gezeigt, dass Jesus den alttestamentlichen Gott verehrte. Wenn er ihn „Vater“ nannte, ist das als ein Zeichen seiner Nähe und seines Vertrauens zu Gott zu verstehen.
Auch die synoptischen Evangelien kennen nur den einen Gott. Wenn Jesus bei den Synoptikern „Sohn Gottes“ genannt wird, so ist damit nicht mehr gemeint als im Alten Testament, das den jüdischen König, weitere Gestalten und auch ganz Israel so benennt. Die Vorstellung eines immer schon existierenden Jesus (Präexistenz) und seiner Menschwerdung ist „nicht in den synoptischen Evangelien greifbar“, schrieb der renommierte evangelische Bibelwissenschaftler Johannes Gnilka. Hinter der Hervorhebung, nur noch den Gekreuzigten und Auferstandenen kennen zu wollen und zu sollen, geht Jesu „Reich-Gottes-Programmatik“ verloren. Zentral wurde die Deutung des Todes Jesu als „Sühnetod“ und immer mehr in Vergessenheit geriet das Wissen darum, dass die Botschaft Jesu von der Liebe Gottes bereits als Erlösungsbotschaft verstanden werden muss und keiner zusätzlichen Leistung bedarf. Jesus hat sein Sterben noch nicht als „Sühnetod“ verstanden, denn ein solcher passt nicht zu seiner Überzeugung von der Gottesherrschaft, wo Gott selbst von sich aus, in seiner Barmherzigkeit Sünden vergibt.
Er mag ja Recht haben, der gute P.Haverkamp.
Aber Recht bekommen wird er nie, niemals von diesen Leuten, die sich als Stellvertreter Gottes ausgeben und sich auch so fühlen. Sie sind es, die die einzige wahre Wahrheit verkünden – basta.
Darüber wird nicht diskutiert, sondern einfach geglaubt.
Hier hilft nur, abwenden, eigene Wege gehen. Wir leben in einem Staat, der dieses zulässt. Wir sollten ganz einfach verfahren nach dem Motte : Alle glauben was, und keiner geht mehr hin.
Haverkamps religionsgeschichtlichen Ausführungen sind sicher interessant, allerdings beantworten sie nicht hinreichend die Frage nach dem Warum der fundamentalistischen, rückwärtsorientierten Haltung eines Benedikt.
Zunächst ist da – um mit dem Bundespräsidenten zu sprechen – auch nach den persönlichen Brüchen eines Benedikt/Ratzinger zu fragen, der (wenn die „reine“ Lehre dadurch betroffen ist) bei den Brüchen anderer so wenig Barmherzigkeit zeigt. Schließlich war er in der vorkonziliaren Zeit einmal ein Mitstreiter eines Hans Küng und eines Karl Rahner im Bemühen um Öffnung der Kirche für die Bedürfnisse der Welt. Und er ist es auch, der in erster Linie den Entzug der Lehrbefugnis für seinen Mitstreiter Hans Küng zu verantworten hat. Mit Sicherheit war für diese Wandlung „vom Saulus zum Paulus“ (oder eher umgekehrt) seine Berufung zum obersten Wächter der „Glaubenskongregation“ (alias Inquisition) maßgebend. Doch auch Erfahrungen mit der Studentenbewegung spielen wohl eine Rolle. Wobei (ich habe damals als Student in Tübingen Karl Rahner gehört) ein Küng und ein Rahner mit vorurteilsgeladenen Pöbeleien souveräner umzugehen verstanden als der sensible Ratzinger.
Als Schlussfolgerung daraus ist die Vermutung zu nennen, dass wohl weniger tiefschürfende theologisch-philosophische Erkenntnisse im Stil seiner Vorlesung im Bundestag für die Haltung des heutigen Benedikt maßgebend sind als der (Zyniker würden wohl sagen: korrumpierende) Einfluss der Kirchenhierarchie, die nicht duldet, von dem, was sie für die „reine Wahrheit“ hält, auch nur ein Jota abzuweichen. Schließlich hat ein Eugen Drewermann mit einem Erzbischof Degenhardt exakt die gleichen Erfahrungen gemacht.
Nun haben katholische Gläubige, vor allem in Deutschland, ganz andere Probleme als theologische Spitzfindigkeiten um Jungfrauengeburt und Ähnliches, und die „christologische Überhöhung“ von Jesus in der Folge der Hellenisierung des Christentums (wie Haverkamp ausführt) ist ihnen wohl ziemlich schnurzegal. Die Disziplinierung aufmüpfiger Theologen gehört aber offensichtlich zum Selbsterhaltungssystem einer männerfixierten fundamentalistischen Kirchenhierarchie. Und sie steht damit Modell auch für den Umgang mit Basisbewegungen, die sich so gerne auf den „Zeitgeist“ einlassen und sich mit so „weltlichen“ Dingen wie Missbrauchsskandal, Sexualmoral, Verfemung Geschiedener und Homosexueller, Frauenordination und Zölibat herumschlagen und die der Illusion einer „Kirche von unten“ im Stil lateinamerikanischer Befreiungstheologie nachhängen.
Eine (sinngemäß zitierte) Äußerung des damaligen Kardinals Ratzinger in diesem Zusammenhang möge dies verdeutlichen: „Mitmenschliche Barmherzigkeit hat da ihre Grenzen, wo es um die Wahrheit geht.“ Eine m.E. skandalöse Aussage, die in ähnlicher Weise auch von Taliban stammen könnte: Welche „Wahrheit“ kann das wohl sein, die sich Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit entgegenstellt?
Damit erhebt sich eine andere, noch wichtigere Frage: Welche Bedürfnisse bei den – vor allem jungen – Menschen werden von einer solchen Theologie der Unbarmherzigkeit abgedeckt?
Wer den Schwärmereien von Sprechern der „Generation Benedikt“ zuhört, dem fällt vor allem ein immer wieder vorkommendes Stichwort auf: „Authentizität“.
Nun hat so mancher Lehrer, der mit Wohlwollen und Verständnis auf Schülerprobleme einzugehen versucht, die Erfahrung gemacht, dass er es auf der Rankingskala der Beliebtheit bei Schülern mit dem stinkautoritären Kollegen nicht aufnehmen kann. Er lässt eben die bewunderte „Authentizität“ vermissen, hat wohl das Bedürfnis nach klaren, rigiden Regeln – schlicht nach autoritärer Führung – unterschätzt. Eine „Authentizität“ freilich, für die der schwächere („faule“) Schüler die Zeche bezahlt, an dem der autoritäre Lehrer sein Exempel statuiert. Eine „Authentizität“, die ihre Überzeugungskraft aus der Ausgrenzung Andersdenkender, Schwächerer bezieht, indem sie dem, der sich dem Strafgericht entziehen kann, den Genuss der Teilhabe an der Macht verschafft.
Historische Beispiele zeigen aber, dass die Ausstrahlungskraft autoritärer Führung durchaus auch diejenigen erreicht, die unter ihnen leiden. Denn das rigide moralische „Über-Ich“ verspricht, eigene, als bedrohlich angesehene Neigungen effektiv in Schach zu halten. Die jahrzehntelange Selbstverleugnung des homosexuellen Theologen Berger ist hierfür nur ein Beispiel. Darüber hinaus verschafft sexuelle Selbstverleugnung (oder „Enthaltsamkeit“ nach katholischer Terminologie) das Gefühl moralischer Überlegenheit, mit dem sich Minderwertigkeitskomplexe kompensieren lassen. So hat schon die deutsche Frühaufklärung politische Ohnmacht durch moralische Abgrenzung von „unmoralischen“ höfischen Sitten kompensiert. Und das wesentliche Movens islamistischer Selbstmordattentäter, für die selbstmörderische Opfertat im Jenseits von 72 „reinen Jungfrauen“ belohnt zu werden, zeigt, welche Sprengkraft einer solchen politisch bestimmten Sexualverdrängung, ihrer Projektion ins Jenseits oder auf für Moral an sich zuständige „authentische“ Institutionen oder Repräsentanten innewohnen kann.
So gesehen, offenbart der Jubel für Benedikt (man erinnere sich an den Ruf „Subito santo“ auf dem Petersplatz nach Ableben Johannes Pauls II.) auch den Zustand einer im Grund verunsicherten Gesellschaft, die sich nur an der Oberfläche öffnet und mit den Konsequenzen des aufklärerischen Mottos nicht umzugehen versteht: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
In einer Gesellschaft, die von einem souveränen Umgang mit den Folgen der Aufklärung noch recht weit entfernt und von Regressionen, nicht nur in ökonomischer Hinsicht, bedroht ist, hat eine autoritär-männerfixierte Kirchenhierarchie wenig Veranlassung, sich auf Bedürfnisse und Wünsche der „Basis“, von Missbrauchsopfern, Homosexuellen, Priestern Frauen, Laien einzulassen. Und das nicht etwa, weil deutsche Katholiken nur eine verschwindende Minderheit darstellen (ist etwa die Diskriminierung von Homosexuellen in Polen, Lateinamerika usw. kein Problem?), sondern weil fundamentalistisch-doktrinäre Positionen in wesentlichen Lebensfragen zu den entscheidenden Säulen ihrer Macht gehören. Denn sie geben das Bildnis vor, an dem andere Menschen gemessen werden. Sie ersparen dem, der sich im Besitz der „Wahrheit“ glaubt, die Auseinandersetzung mit dem Andersgläubigen, „Ungläubigen“ und den Widersprüchen, die aus ihm resultieren. Um mit Benedikt zu sprechen: Sie setzen der mitmenschlichen Barmherzigkeit ihre Grenzen.
Den Worten und Überzeugungen Benedikts wären aber nicht nur die Worte aus der Bibel entgegenzusetzen (die nicht nur auf das Gottesbild zu beziehen wären): „Du sollst dir kein Bildnis machen!“
Es gibt auch Veranlassung, über die Äußerung Max Frischs in seinen Tagebüchern nachzudenken:
„Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe. Die Liebe befreit aus jeglichem Bildnis.“
Sehr geehrter Herr Engelmann!
Natürlich haben Sie recht, wenn Sie feststellen, dass die „Frage nach dem Warum der fundamentalistischen, rückwärtsgewandten Haltung eines Benedikt“ noch intensiver behandelt werden müsste.
In einem anderen Zusammenhang habe ich mich in einem Artikel ausführlich mit Papst Benedikt auseinandergesetzt. Wegen der Überlänge des Artikels, den ich deshalb hier nicht im Forum ausbreiten möchte, teile ich Ihnen nur den Link mit, unter dem Sie den Artikel finden, in dem Sie dann vielleicht auch noch einen Teil Ihrer Fragen beantwortet finden.
Mit freundlichem Gruß!
Paul Haverkamp, Lingen
http://www.freitag.de/politik/1138-unheiliger-vater?loggedin=1
star schrieb am 22.09.2011 um 19:35
Papst Benedikt verhindert die konziliar geforderte Umsetzung einer
„ecclesia semper reformanda“
„Ich bin glücklich, dass ich … nun bei euch in Freiburg sein darf, von der Sonne beleuchtet und erwärmt“ (Papst Ratzinger in Freiburg, heute).
Ja, der altägyptische Echnaton von damals war wirklich der letzte intelligente Mensch dieser Welt(und wurde natürlich von den neidischen Priestern aus der Geschichte entfernt)… Und ich muss leider überall noch mit Iddioten leben…
Ist ja schon ein schöner Blödsinn:
Glaubt man katholisch, so ist der Papst der Stellvertreter Gottes auf Erden, dann gibt es keinen Widerspruch, sondern nur Gehorsam.
Glaubt man protestantisch, so gibt es nur die direkte Zwiesprache zwischen Gott und Selbst.
Glaubt man nicht, gibt es nur die Wissenschaft.
Wenn man sich nicht entscheiden kann, gibt es eine Masse von Mystizismen.
Ausschlusskriterium für alle diese Alternativen ist: Man soll die Menschen nicht im Unklaren lassen.
Fazit: Wenn Du mir nicht sagen kannst, was morgen sein wird, dann laß‘ die Finger vom Heute.