„Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.“ Darf man so einen Satz loslassen, wenn man Bundeskanzlerin ist, also immerhin die dritthöchste Repräsentantin des deutschen Staates? Freude und Tod in einem Satz aus dem Munde einer Pfarrerstochter, die zudem Vorsitzende einer sich christlich nennenden Partei ist. Freude über einen Vorgang, der vermutlich nie völlig aufgeklärt werden wird, aber mit großer Wahrscheinlichkeit außerhalb der Grenzen des Völkerrechts liegt.
Aber reden wir jetzt nicht übers Völkerrecht. Dies ist keine juristische Debatte, sondern eine moralische. Gerne beriefen sich andere Repräsentanten der C-Parteien in einem anderen Zusammenhang auf unsere angeblich christlich-jüdische Leitkultur. Kernelement dieser Leitkultur, so es sie denn gibt, dürften, das unterstelle ich einfach mal, die zehn Gebote sein. Und da gibt es dummerweise das fünfte Gebot: Du sollst nicht töten. Die Leitkultur macht bei islamischen Topterroristen offenbar Ausnahmen. Oder wie ist es zu erklären, dass eine Person, die diese Leitkultur ja wohl maßgeblich vertreten sollte, über eine Gebotsverletzung jubelt?
Nun durfte man ja in verschiedenen anderen Zusammenhängen schon den Verdacht haben, dass die C-Parteien die Sache mit der Leitkultur dann in den Vordergrund stellen, wenn sie sich davon etwas versprechen, in anderen Zusammenhängen aber lieber den Mantel des Schweigens über die Leitkultur hinbreiten. Hoffnung macht im Fall der Kanzlerinfreude jedoch, dass es Kritik aus den eigenen Reihen gibt. So sagte etwa die stellvertretende CDU-Franktionsvorsitzende Ingrid Fischbach: „Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern.“ Kritisch äußerte sich auch der Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU, Martin Lohmann: „Das Lebensrecht ist unteilbar.“ Die Tötung eines Menschen könne für einen Christen nie Grund zur Freude sein.
Und Merkel, die Medienprofi? Wie kann ihr sowas passieren? Immerhin kann sie die Irritationen über ihre Wortwahl nachvollziehen. Das ließ sie jedenfalls zwei Tage nach dem Vorfall ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten: „Sie hat Verständnis dafür, dass derjenige, der nur diesen einen Satz gehört hat – und im Fernsehen wurde ja gerne nur mal dieser eine Satz isoliert ausgestrahlt – dass der vielleicht das Zusammenwirken der Worte Tod und Freude in einem Satz als unpassend empfunden haben mag.“ Im Zusammenhang ihrer Worte werde aber klar, „welche Gefühle die Kanzlerin geleitet haben“.
Die Gefühle der Kanzlerin und ihr Zusammenhang sind das eine. Diese Gefühle mögen nachvollziehbar sein. Aber in ihrer Funktion als Kanzlerin darf sie sowas trotzdem nicht sagen. Es handelt sich um ein offizielles Statement einer Staatslenkerin. Und um ein gutes Beispiel für die Verlotterung (nicht nur) politischer Sitten. Christlich ist schon lange nicht mehr christlich.
Elmar Ollinger aus Merzig meint:
„Und da sind sie wieder, die deutschen Gutmenschen! Ich bin zwar kein großer Freund unserer Kanzlerin, aber mir ging es wie ihr: Ich habe mich gefreut, als ich von der Tötung Bin Ladens gehört habe! Was die Amerikaner da gemacht haben, war das einzig Richtige. Dieser Mann hat tausende Menschenleben auf dem Gewissen und nichts anderes verdient als den Tod! Hätten sich die Amerikaner (deren Freund ich auch nicht bin) einen lebenden Terroristenchef ans Bein binden sollen? Das Gerede von dem rechtsstaatlichen Prozess, den man Bin Laden hätte machen sollen, halte ich für lachhaft. Es ist gut, dass er jetzt in seinem Märtyrer-Paradies ist. Auge um Auge, Zahn um Zahn!“
Art Antonelli aus Schwalmstadt:
„Unsere Kanzlerin Angela (=„Engelchen“) war doch nur bewundernswert ehrlich: Hat sie doch mit ihrem Bekenntnis bloß eine 2000-jährige christliche Tradition der Freude am Tod konsequent fortgesetzt und sich somit als echte Wertkonservative bewiesen. Deshalb ist es auch korrekt, dass unser „Engelchen“ einst getauft, konfirmiert und dann Vorsitzende der Christenunion wurde. Der Mann aus Galiläa? Na, mit dem „Zweite-Wange-Hinhalten“ hat er es doch hienieden wohl so ernst nicht gemeint. In klareren Momenten donnerte er: „Ich bringe nicht Frieden, sondern das Schwert“ (Matt. 10, 34) und „Meine Feinde, (…) macht sie nieder!“ (Luk. 19,27). Nach ungezählten Erschießungen, Verbrennungen, Verstrahlungen – auch von Kindern – in Hiroshima, Vietnam sowie zuletzt im Irak und in Afghanistan ist von „Gods own country“, das den Internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht anerkennt, noch allerhand zu erwarten, und wir sind munter mit dabei, freuen uns mit unserem Engelchen Angela.“
Walter Ruffler aus Bremen:
„Glaubt man Medienberichten, dann hat Bundeskanzlerin Merkel allen Ernstes gesagt: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.“ Bei Conan, dem Barbar, hätte mich ein derartiger Satz nicht gewundert. Aber die Bundeskanzlerin sollte zwischen Rache und Gerechtigkeit unterscheiden können, zumal der andere Verbrecher unbehelligt seine Staatspension beim Barbecue auf seiner Ranch in Texas verzehrt. Schon Ben Cartwright hat mit seinen Söhnen nach Kräften versucht, Lynchjustiz zu verhindern: auch Pferdediebe und Revolverhelden sollten einen fairen Prozess bekommen, selbst wenn ihnen die Todesstrafe drohte.
Die spektakuläre Tötungsaktion verschafft Präsident Obama vielleicht innenpolitisch etwas Luft, doch die Demokratien der „westlichen Wertegemeinschaft“ haben ein juristisches Regelwerk für den Umgang mit Straftätern geschaffen, der kurze Prozess per Kopfschuss gehört nicht dazu. Die Glückwünsche der russischen Regierung an Obama und machen die Sache nicht besser. Von einer Bundeskanzlerin erwarte ich Achtung der elementaren Grundwerte unserer Verfassung, Tötungen auf Regierungsbefehl sind Ausdruck für einen Verfall rechtsstaatlichen Denkens.
Osama bin Laden und seine Bande nahmen sich das Recht heraus, Menschen zu töten.
Diese Leute wurden zu Recht Verbrecher genannt.
Aber worin unterscheidet sich eigentlich das Vorgehen der US-amerikanischen Elite-Truppe vom Vorgehen Bin Ladens?
Nach allem, was bisher bekannt geworden ist, wurde er unbewaffnet erschossen.
Warum wurde er nicht festgenommen und vor Gericht gestellt? Das wäre eine Vorgehensweise, die einem Rechtsstaat angemessen gewesen wäre.
Frau Merkel ist wohl einer Fehleinschätzung aufgesessen, daß erhebliche Teile der Wähler gerne etwas in der Art hören wollen , wie sie es gesagt hat.
Hinzu kommt eine gewisse dumpfe Amerika- Gläubigkeit , die Merkel schon immer zu eigen war.
Ich finde es schade und falsch das Krieg immer mehr ein Mittel der Politik ist. Die Aussage von Fr. Merkel ist wohl in einer Ebene zu sehen wie die mit Totenköpfen fußballspielenden Soldaten. Krieg,und der Terrorkampf ist wohl eine ganz mieße Form von Krieg, verändert Wertmaßstäbe ob man das gut findet oder nicht.
Es war eben ehrlich. Und es offenbart die Denkweise der Leute, welche die Partei mit dem C ihr Eigen nennen. Vordergründig, scheinheilig christlich. Aber eben nur vordergründig, und scheinheilig. Ebenso scheinheilig der Versuch von Kauder, das zu rechtfertigen. Bin Laden habe das Böse verkörpert, und als Christ dürfe man sich freuen, dass es nun weniger böse zugeht.
Man möchte mit dem Kopf durch die Wand angesichts solcher Scheinheiligkeit. Ich mache mir den Glauben, wie er mir gefällt.
Am 11. September 2001 habe ich, wie viele Millionen, sogar Milliarden Menschen, schmerzhaft verfolgen müssen, wie tausende unschuldige Menschen durch einen Terrorakt der Al-Qaida getötet wurden. Jeglicher Terrorismus und jegliches menschenverachtende Handeln ist zu verurteilen, gleichgültig ob durch Terrororganisationen oder durch Staatsterrorismus.
Am 11. September 2001 sind in New York 3000 unschuldige Menschen ermordet worden. Seitdem hat aber die amerikanische Regierung 15 000 unschuldige Zivilisten in Afghanistan ermordet. Die Amerikaner haben zusammen mit ihren Alliierten bis jetzt 50 Tonnen Bomben über Afghanistan abgeworfen und sie haben die Taliban jahrzehntelang gegen die Russen aufgerüstet. Warum waren die Taliban nicht schon damals Terroristen für die CIA? Die Antwort ist, weil die Amerikaner die Taliban für ihr schmutziges Geschäft brauchten.
Ich habe nicht das geringste Mitleid mit Osama Bin Laden. Aber ich habe auch kein Verständnis dafür, dass Osama Bin Laden vor den Augen seines Kindes hingerichtet wurde. Meines Erachtens hat das amerikanische Rechtsverständnis in diesen Fall versagt.
Ferner: wie kann man als moralischer und christlich religiöser Mensch und außerdem als Bundeskanzlerin so eine Äußerung von sich geben, wie: „Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten“? Das ist eindeutig Kreuzrittermentalität.
Diese Äußerung der Bundeskanzlerin ist eine Provokation, und was sie auch immer mit diesem Satz erreichen wollte, sie hat sich und Deutschland keinen Gefallen damit getan, denn er erzeugt bei denen, die schon immer schlecht auf Deutschland zu sprechen waren, also z. B. potentielle Terroristen etc. erneuten Hass und erneute Wut.
Ich bewundere es und ich freue mich, dass wir noch Juristen wie den Hamburger Arbeitsrichter Heinz Uthmann haben, der den Mut aufbringt, Strafanzeige gegen die Kanzlerin zu erstatten und überlege ernsthaft, dieses ebenfalls zu tun.
„Für die Tochter eines christlichen Geistlichen ist diese Aussage verwunderlich und abseits aller Werte wie Menschenwürde, Barmherzigkeit und Rechtsstaat und begründet den Anfangsverdacht einer Straftat nach § 140 des Strafgesetzbuches.“ Heinz Uthmann
Pastorentochter Merkel hat mit ihrem Bekenntnis zur Mördergrube in ihrem Herzen das 2000-jährige Dilemma des Christentums auf den Punkt gebracht.
Ich würde mich freuen, wenn endlich der mehr als schwachsinnige Begriff der Kreuzritter oder der Kreuzrittermentalität verschwinden würde. Es ist ein Vorurteil, noch dazu eines der üblen Sorte. Ebenso wenig ist jeder Muslim ein Terrorist. Mich ärgert es, dass dieser Begriff ständig dann benutzt wird, wenn es darum geht, Europäer zu diffamieren.
Ansonsten möchte ich auf den Kommentar in der FR vom 10.5. von Ferdos Ferudostan hinweisen. Ich lese ihre Kommentare sehr gerne, zeugen sie doch immer von Weitsicht, moderat und diplomatisch formuliert.
Selbst kein „Merkel-Fan“, aber da muss ich sie doch verteidigen.
Ich gebe zu, die Formulierung war etwas ungeschickt gewählt, aber in der Sache doch richtig.
So dachten und denken doch Millionen, die nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Es gibt auf der Welt Schlimmeres, um sich aufzuregen.