Der „Hobby-Darwin“ (O-Ton Sigmar Gabriel) darf SPD-Mitglied bleiben. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat recht behalten: Sie hatte Vorbehalte gegen das Parteiausschlussverfahren gegen den Ex-Bundesbanker und Buchautor („Deutschland schafft sich ab“) Sarrazin. Es wäre wohl ein jahrelanges Verfahren durch alle Instanzen daraus geworden, Erfolg ungewiss. Doch der Parteichef hat das Verfahren trotzdem gewollt. Am Gründonnerstag war entschieden worden, die Ausschlussanträge fallenzulassen, nachdem Sarrazin Einlenken signalisiert hatte. Die Schiedskommission habe eine gütliche Einigung vorgeschlagen, schrieb Nahles in einem Brief an die Mitglieder von SPD-Präsidium und Vorstand die Wogen. Sarrazin habe sich von seinen diskriminierenden Äußerungen distanziert: Er habe in seinem Buch keine sozialdarwinistischen Thesen vertreten und keine Ausländer diskriminieren wollen, hatte Sarrazin in einer schriftlichen Erklärung versichert. Seitdem gehen die Wogen der Empörung in der SPD hoch, und SPD-Politiker mit Migrationshintergrund treten aus.
Der Riss geht quer durch die Partei und entzweit auch die Führung. Nahles muss sich öffentlich hinstellen und die Prügel einstecken, die sie wegen Gabriel kassiert, der zu diesem Zeitpunkt im Urlaub ist. Später ruft der Chef die Parteispitze erst zu einem Krisentreffen zusammen, nimmt die Einladung dann aber wieder zurück. Soll das Führungsstärke signalisieren? Kann man sich noch mehr blamieren?
Der Rassist und Sozialdarwinist Sarrazin darf also SPD-Mitglied bleiben. Ich schließe mich Stephan Hebel an, der in seinem FR-Leitartikel schrieb: „Hier geht es um die Frage, wie es bestellt ist um unsere Demokratie, wenn eine traditionsreiche, dem Schutz der Schwachen verpflichtete Partei sich freiwillig mit dem Schmutz befleckt, den ein Populist auf Arme, Zugewanderte und andere Minderheiten wirft. Genau das hat die SPD getan.“
Peter Schuh aus Mainz:
„Abgesehen von der Kungelei um die Mitgliedschaft von Sarrazin in der SPD – haben wir von dieser Partei jemals in letzter Zeit eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinen Argumenten gehört? Die SPD ist eine Schlamper-Partei geworden. Es würde mich nicht wundern (aber auch nicht freuen), wenn sie nach und nach den gleichen Niedergang erleben würde wie derzeit die FDP.“
Wolfram Siegel aus Frankfurt:
„Die Vernunft hat doch noch gesiegt. Genosse Sarrazin darf Parteimitglied bleiben. Eine andere Entscheidung hätte mich auch sehr verwundert (und zu einer Konsequenz veranlasst). Der vorlaute „Lautsprecher“ Gabriel hat wohl eingesehen, dass sein Vorbrechen, mit dem er sich bei den Parteilinken anbiedern wollte, juristisch gesehen nicht von Erfolg gekrönt sein werde. Es wirkt im Nachhinein geradezu lächerlich, wenn man die jetzige Erklärung Sarrazins liest. Er ist von seinen Feststellungen zu einer verfehlten Integrationspolitik letztlich kein Jota abgerückt. Die allgemein zugänglichen Statistiken, auf die er sich stützte, können sicher unterschiedlich interpretiert werden, aber man kann sie nun einmal nicht einfach „widerrufen“.
Die tote Berliner Jugendrichterin Heisig, die aufgrund ihrer Berufserfahrung ähnliche Feststellungen getroffen hatte wie Sarrazin, konnte man dafür nicht mehr prügeln. Also musste Sarrazin auch dafür herhalten. Man sollte doch einmal Umfragen bei städtischen Grund- oder Hauptschullehrern durchführen! Deren Erfahrungen sehen nicht viel anders aus! Aber das passt eben vielen nicht in den politischen Kram. Doch Tatsachen bleiben eben Tatsachen; die Wahrheit bleibt eben Wahrheit.“
Udo Fröhlich aus Bad Segeberg:
„Nach der Agenda-Pleite machte der Kabarettist Georg Schramm den Vorschlag einer „Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD“. Das wurde belacht. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, denen wegen der Verletzung sozial- und arbeitsmarktpolitischer Grundüberzeugungen der SPD nicht zum Lachen war, gründeten eine solche Plattform zur Re-Sozialdemokratisierung der SPD.
Das Versagen der SPD in der Finanzmarktpolitik und bei der anschließenden, angeblich so erfolgreichen Krisenbewältigung und jetzt diese politische Niveaulosigkeit in der Causa Sarrazin machen deutlich, Georg Schramm hatte wieder einmal richtig gelegen.“
Dr. Harald Boehme aus Bremen:
„SPD integriert Sarrazin“, so titelt die FR am Ostersamstag, und wenn man so die neue Integrationspolitik der SPD liest, ist „Deutschland schafft sich ab“ jetzt ein Bestandteil davon. Dabei bediente Sarrazin bisher im Wesentlichen den rechtspopulistischen Stammtisch und die Bild-Zeitung, wovon sich die zivile Gesellschaft mit Recht distanziert hat. Von der SPD geduldet, hat sein Buch aber nun die Chance, weiter aufzusteigen, denn es steht nicht mehr in der Ecke, wo es hingehört, sondern wird von der ehemals linken Volkspartei, die mit dem Mitglied Sarrazin zur rechten mutiert, als gesellschaftsfähig sanktioniert.
Nebenbei gesagt, akzeptiert die SPD damit auch, dass mit Sarrazin ihre politische Wahrhaftigkeit auf der Strecke bleibt, denn seine tendenziellen Behauptungen stehen im Widerspruch zur empirischen Migrationsforschung, welche Grundlage nicht populistischer Integrationspolitik sein sollte. (Vgl. S. Luft, P. Schimany: Integration von Zuwanderern. Erfahrungen, Konzepte, Perspektiven. Bielefeld 2010.) Indem Sarrazin aber jetzt als Sozialdemokrat spricht, kann er mit den Falschheiten seines Buches, von denen er keine widerrufen hat, weiter reüssieren und sie in der Mitte der Gesellschaft etablieren.“
Peter Mouqué aus Rödermark:
„Zustimmen kann man Ihrem Leitartikel, dass sich die SPD mit dem Ausschlussverfahren blamiert hat. So kann es gehen wenn man sich wie Gabriel und Nahles zu weit aus dem Fenster lehnt und dann einen Rückzieher macht. Das die SPD dadurch Migranten verliert ist sicher möglich, noch mehr hätte sie aber Mitglieder verloren, welche es für diktatorisch halten, kritische Stimmen auszuschließen. Ich bin seit über 25 Jahren Mitglied dieser Partei, worüber man in den letzten Jahren leider wenig Grund zur Freunde hatte. Wenn dann Sarazzin unter anderem mit seinen Thesen zur fehlgeleiteten Zuwanderungspolitik und insbesondere aus islamischen Staaten, sowie falschen Anreizen im Sozialsystem unpopuläres anspricht, mögen linke Medien und Politiker zwar aufheulen, wobei auch ich seit über 20 Jahren die FR lese und mir vieles an Meinungen missfällt, jedoch für alle gilt, dass wir sprachlich scharf formulierte Meinungsfreiheit in einer Demokratie aushalten müssen.
Der SPD als Volkspartei hätte es mehr genutzt, frühzeitig nicht nur nach links zu schielen und vermeintliche „political Correctness“ zu üben, sondern die von Sarazzin dargelegten Entwicklungen zu diskutieren und das Ergebnis umzusetzen. Dabei hätte sie, entgegen ihrem Leitartikel, keine Werte aufgegeben, denn Solidarität mit Schwächeren bedeutet weder alle Zuwanderung dieser Welt aufzunehmen, noch lebenslängliche Alimentation für alle Bedürftigen, oder wer sich dafür hält. Eine Volkspartei sollte eben doch „Volkes Stimme“ in sich tragen und dies auch zeigen. Aber wohl nicht umsonst fürchtet Politik Volkes Wille zu „brisanten“ Themen wie Eurorettungsschirm oder Zuwanderungspolitik, weshalb mehr direkte Demokratie durch Volksabstimmungen auch nicht gewünscht ist. Sorgen muss man sich deshalb eher um fortschreitende Politikverdrossenheit machen und daraus resultierende Gefahren für eine Gesellschaft.“
Josef Ullrich aus Frankfurt:
„Mich erinnern Parteiausschlüsse an stalinistische Methoden. Eine Partei, wie die SPD, muss auch Irrlichter aushalten können. Wer den Ausschluss fordert, macht es sich zu einfach. Sarrazin muss argumentativ gestellt werden. Übrigens, ist Sarrazin noch nicht einmal Mandatsträger. Also, was soll die ganze Aufregung. Selbst der Genosse Buschkowsky, der in Neukölln nah an den Problemen ist, ist gegen einen Ausschluss, auch Helmut Schmidt, Christian Ude u.a.“
Klaus Boll aus Frankfurt:
„Es ist schade, wenn Migranten die SPD verlassen. In meine Augen machen sie es sich zu leicht, genau wie jene Bürger ohne Migrationshintergrund, die die SPD schon verlassen haben, oder nicht mehr wählen gehen, weil sie das Gefühl haben, dass in diesem Land irgendetwas schief läuft in Bezug auf einige Gruppierungen unter den Migranten? Man muss Missstände offen benennen können, bevor es die Rattenfänger tun. Wenn offensichtlich ganze Häuserblocks in ghettoähnlichen Verhältnissen in z. B. in Duisburg-Nord von Hartz 4 leben (so gesehen, gestern in der ZDF Sendung „37 Grad“), so stellt man sich berechtigte Fragen… Hallo, da draußen! Hört ihr mir mich?“
Werner Bernhardt aus Stolk:
„Man könnte meinen, die SPD habe im Umgang mit dem Hetzer Sarrazin die Chance verpasst, eine klare und eindeutige Position in der Migrations – und Identitätsdebatte in unserem Land zu beziehen, zumal Klarheit und Glaubwürdigkeit beim gar nicht mehr so tumben deutschen Wahlvolk doch sehr in Mode gekommen sind. Aber es zeichnet die SPD geradezu aus, auf ihrem suizidalen Weg der Selbstabschaffung keine Mühe zu scheuen, eindeutige Positionen zu vermeiden, anhand derer Menschen Orientierungspunkte für das Leben in unserer Gesellschaft finden könnten. Statt dessen krümmt und biegt man sich feige in stundenlangen Gesprächen, nennt das Diskurskultur, bis wieder einmal deutlich wird, dass die einzig klare Position der SPD zu rassistischen und fremdenfeindlichen Hetzern in ihren eigenen Reihen die ist, dass sie keine hat. Willy Brandt wäre immer in aller Konsequenz dafür eingetreten, dass in unserer Gesellschaft auch eine schlimme Figur wie Sarrazin das Recht hat, frei und ungehindert zu reden. Aber eine Mitgliedschaft in Brandts SPD und ein Sarrazin hätten einander ausgeschlossen. Heute müsste man sich sorgen, denn wählte der Bundesbürger SPD, so wählte er auch die Partei Sarrazins. Doch es steht zu hoffen, dass die ehemaligen Wählerinnen und Wähler der SPD in Zukunft nur noch unter dem Stichwort „Wählerwanderungen“ Erwähnung finden.“
ich zitiere aus der FR:
http://www.fr-online.de/home/svoe/fuer-mich/die-hungerfalle/-/4530702/8380322/-/index.html
Anorexia nervosa: Von dieser sogenannten Pubertätsmagersucht sind vor allem Mädchen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren betroffen. Nur fünf Prozent sind Jungen. Die Mehrzahl der meist sehr ehrgeizigen Erkrankten kommen aus der Mittel- und Oberschicht.
BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN VON GERINGER INTELLIGENZ TAUCHT DIE KRANKHEIT QUASI GAR NICHT AUF.
Eines der wenigen, noch kommentierbaren Themen.
Sarrazin, das unsterbliche Thema.
Viel Freude beim suchen neuer Argumente!
Dieser so genannten SPD ist wirklich nicht mehr zu helfen. Der rasante, ja, schon tragische Niedergang, ist offenkundig nicht aufzuhalten. Aus echten Sozialdemokraten, wie unter Brandt, wurden „Spezialdemokraten“, beginnend schon bei Schmidt. Seitdem befindet sich die Partei im freien Fall, sie halbierte sich, sowohl bei Wahlen als auch in ihren Mitgliederzahlen, wurde zunehmend fremd bestimmt, bis an der Parteispitze nur noch ein Club von machtbesessenen Fataldemokraten übrig geblieben ist, die die Partei zu einer Beliebigkeitstruppe verkommen ließen, so dass sich hunderttausende Mitglieder mit Grauen abgewendet haben. Nach schweren Wahlschlappen, wie z.B. kürzlich in BW, hatte die Partei nun zum zweiten Mal die große Chance, zumindest in Sachen Sarrazin für klare Verhältnisse zu sorgen. Sie hat diese Chance, endlich mal wieder ein sozialdemokratisches Gesicht zu zeigen, nicht nur nicht genutzt, sondern erneut jämmerlich versagt. Zur Erinnerung, zumal wir in Zeiten des schnellen Vergessens leben. Im August des letzten Jahres hieß es noch „knallhart“ aus dem Munde von SPD-Chef Gabriel: „Der ehemalige Berliner Finanzsenator hat sich mit seinen Äußerungen über Ausländer und Migranten außerhalb der sozialdemokratischen Partei und Wertegemeinschaft begeben. Deshalb hat der Parteivorstand einstimmig beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel des Ausschlusses in Gang zu setzen“. Gut gebrüllt, Löwe! Doch was ist nun aus diesen großmundigen Ankündigungen und Absichtserklärungen geworden? Dazu teilte die Vorsitzende der Schiedskommission des Berliner Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, Sybille Uken, mit: Man habe sich nach fünfstündiger Beratung gütlich auf Basis einer Erklärung von Sarrazin geeinigt. Zuvor waren die vier Anträge, darunter der Antrag der Bundespartei, die alle auf den Parteiausschluss Sarrazins zielten … zurückgezogen worden. Die Begründung für die Rücknahme aller vier Ausschlussanträge ist, im Hinblick auf die Vorgeschichte, schier unglaublich. Demnach habe Sarrazin eine „Erklärung“ abgegeben, wonach er sozusagen in seinen Worten und Schriften falsch verstanden worden wäre, und im Übrigen zukünftig immer „brav“ sein will. Das muss sich ein Mensch, der seinen Gehirnskasten noch nicht ganz abgeschafft hat, einmal vorstellen, sofern das überhaupt möglich ist. Vergleichbar ist das mit einer Gerichtsverhandlung, in der vom Angeklagten eine Erklärung abgegeben wird, die das Gericht zum Anlass nimmt, das Verfahren einzustellen, obwohl es eine Menge von unbestreitbaren Beweisen für die Schuld des Angeklagten gibt. Entsprechend bot sich der Öffentlichkeit, nach dieser so genannten „gütlichen Beratung“, auch ein gespenstisches und bizarres Bild. Der alte Mann und selbst ernannte Sarrazin-Verteidiger, von Dohnanyi, betrat, mit unverkennbarem Stolz, als Erster die Szene, seinen Trolley-Koffer mit den „Gerichts-Akten“ hinter sich herziehend, die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, „Hauptbelastungszeugin“ der Bundespartei, verschwand wortlos im Eilschritt, eine ältere Dame verteilte, mit etwas verstörten Gesichtsausdruck, die „gütliche Erklärung“ an die Pressevertreter, und der unbestrittene Star dieser jämmerlichen Veranstaltung, Thilo Sarrazin, wünschte allen richtig fröhlich und „aufgeräumt“ … Frohe Ostern. … Es bleibt festzuhalten, dass diese so genannte SPD dabei ist, sich selbst abzuschaffen, zumal sie offenbar, auch im zweiten Anlauf, nicht fähig war, einen Mann aus ihren Reihen auszuschließen, der sich gem. Gutachten des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, schon bei einem Interview, lange vor dem Erscheinen seines Buches, in vielen Passagen eindeutig rassistisch geäußert hat. Diese so genannte SPD vermag es nicht, aus welchen Gründen auch immer, einen Rassisten, Hetzer und Spalter loszuwerden. Diese so genannte SPD hat nicht nur ihre Seele verloren, sondern offenbar auch keinerlei Rückgrat mehr. Diese so genannte SPD wird sich erneut halbieren und solange reduzieren (müssen), bis sie entweder tatsächlich abgeschafft ist, oder zu ihren Wurzeln zurückgefunden hat, was allerdings ungeheuer schwer sein wird. Diese so genannte SPD kann es aber nur dann schaffen, wieder die gute, alte Tante zu werden, wenn sie sich konsequent von den Gabriels, Steinmeiers, Nahles usw. trennt. Überhaupt würde ich der SPD-Führungsmannschaft dringend raten, bei Auftritten in der Parteizentrale, den Abstand zur Statue von Willy Brandt erheblich zu erweitern; die Gefahr, dass das Denkmal in sich zusammenkracht wird mit jedem Tag größer. Übrigens, wenn die SPD-Granden der Auffassung sind, durch die „gütliche Erklärung“ wäre das Thema Sarrazin gegessen und vom Tisch, so unterliegt sie damit weiteren verhängnisvollen Irrtümern. Einer davon ist, sie (die SPD) weiß ihren Sarrazin wohl immer noch nicht richtig einzuschätzen. Eine größere Stärkung, „Wiederauferstehung“, und auch Ermutigung für zukünftige „Taten“, wie durch diese (O-Ton Sybille Uken) „sehr gütliche und sehr konstruktive und abgestimmte Entscheidung“, hätte sich Herr Sarrazin sicher nicht erträumen können. U.a. wird, das walte Thilo, der nächste Bestseller sicher schon in Arbeit sein. Na, denn, viel Spaß auch weiterhin mit Sarrazin und …
@ zu # 1
Ich möchte hinzufügen, dass Katja Wolf mir geschrieben hat, um ihren Kommentar einzuordnen, der auf den ersten Blick themenfremd erscheint und den ich daher zunächst nicht freigeschaltet habe. Sie möchte ihn als Diskussionsbeitrag zu diesem Thema verstanden wissen, da er implizit eine von Sarrazins Thesen vertrete, für die Sarrazin besonders gerügt worden sei.
@ zu # 3 :
Ich, der nicht so tief in die Materie eingedrungen ist, fragt sich dabei, warum nur so viele, durchaus auch angesehene, intelligente Zeitgenossen, eine etwas andere Meinung vertreten.
Allerdings behaupten auch diese nicht von Ihren Meinungsgegnern, sie hätten wohl „ihr Gehirn ausgeschaltet.“
Ist doch was Schönes, wenn so von sich überzeugt sein kann. Klingt so recht nach gutem Politiker, wie wir sie brauchen.
@5 maderholz
„Ich, der nicht so tief in die Materie eingedrungen ist, fragt sich dabei, warum nur so viele, durchaus auch angesehene, intelligente Zeitgenossen, eine etwas andere Meinung vertreten.“
Dann werde ich mal versuchen Ihnen beim tieferen Eindringen in die Materie zu helfen. Z.B. stimmt der allseits hoch angesehene Helmut Schmidt, der ja auch als Einziger noch das Privileg hat, in TV-Studios wie ein Schlot qualmen zu dürfen, dem in weiten Teilen rassistischen und hetzerischen Geschmiere Sarrazins in der Sache ausdrücklich zu. Schmidt hat lediglich beklagt, dass Sarrazin nicht „tischfein“ formuliert hätte. Allerdings ist die Zustimmung Schmidts nicht verwunderlich, zumal er selbst sich in den letzten Jahrzehnten als „Integrationsexperte“ der besonderen Art offenbart hatte. Dazu einige Beispiele, um Ihnen das tiefere Eindringen einfacher zu machen:
„Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze.“ (Helmut Schmidt, deutscher Bundeskanzler (SPD): Die Zeit, 5. Februar 1982).
„Man kann aus Deutschland mit immerhin einer tausendjährigen Geschichte seit Otto I. nicht nachträglich einen Schmelztiegel machen. Weder aus Frankreich, noch aus England, noch aus Deutschland dürfen Sie Einwanderungsländer machen. Das ertragen diese Gesellschaften nicht. Schauen Sie sich die Lage in diesen beiden Kunststaaten an, die in den Pariser Vorortverträgen 1919 geschaffen worden sind. Aus Deutschland ein Einwandererland zu machen, ist absurd.“
(Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt, SPD, in der Frankfurter Rundschau vom 12. September 1992)
„Die multikulturelle Gesellschaft ist eine Illusion von Intellektuellen.“
Helmut Schmidt: Die Zeit, Nr. 18/2004, 22. April 2004
„Wenn man fragt, wo denn multikulturelle Gesellschaften bislang funktioniert haben, kommt man sehr schnell zum Ergebnis, daß sie nur dort friedlich funktionieren, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gibt. Insofern war es ein Fehler, daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten.“
(Helmut Schmidt im Hamburger Abendblatt, 24. November 2004).
Sie sehen, der Helmut Schmidt war dem Sarrazin sozusagen Jahrzehnte voraus.
„Allerdings behaupten auch diese nicht von Ihren Meinungsgegnern, sie hätten wohl „ihr Gehirn ausgeschaltet.“
Ne, die behaupten noch viel schlimmere Dinge, wie Sie gerade lesen dürfen.
Ein weiterer „angesehener“ Zeitgenosse ist der Herr von Dohnanyi, der sich bereits öffentlich als Verteidiger angebiedert hatte, als der Sarrazin selbst davon noch gar nix wusste. Dann fällt mir noch ein gewisser „angesehener“ Buschkowsky ein, der den widerlichen Ausspruch vom „Erkindern“ lebenslanger Sozialtransfers so richtig gut fand. Ja, so sind sie, die Spezial- und Fataldemokraten der so genannten SPD.
Wenn Sie in diesem Zusammenhang noch mehr Beispiele von angesehenen und intelligenten Zeitgenossen haben möchten, lassen Sie es mich wissen.
„Ist doch was Schönes, wenn so von sich überzeugt sein kann.“
Ja, sicher ist das schön. Offenbar sind Sie von sich nicht überzeugt. Schade für Sie.
„Klingt so recht nach gutem Politiker, wie wir sie brauchen.“
Wer ist, oder wer soll „wir“ sein?
mfg
Jutta Rydzewski
Was haben wir gelernt?
Wenn in unserem Vaterland demnächst wieder die Hütten der Fremden und
die Gotteshäuser der Andersgläubigen brennen, dann wissen wir: Die
Brandstifter waren nicht nur Neonazis. Und die SPD besteht nicht nur aus
Biedermännern, die vor lauter Toleranz die Brandbeschleuniger in den
Händen der eigenen Genossen geflissentlich übersehen. Schuld sind
hinterher natürlich die anderen. Die üblichen Verdächtigen: Kommunisten,
Muslime, Wirtschaftsflüchtlinge und Sozialschmarotzer, Zigeuner, Neger,
Rumänen, Polen…und irgendwann bestimmt auch wieder Juden.
Das wird aber auch höchste Zeit. Die Ankündigung von Sigmar Gabriel und Andrea Nahles, den Anteil von Migranten in SPD-Führungspositionen zu erhöhen, ist längst überfällig. Nach der schlimmen Entscheidung, den Rassisten Thilo Sarrazin in der SPD zu belassen, ist ein deutliches Signal an die Migranten innerhalb und außerhalb der Sozialdemokratie dass mindeste, was man von einer Partei erwarten kann, die in ihrer Geschichte doch immer gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gekämpft hat und nun in der Gefahr steht, von einem Rechtspopulisten wie Sarrazin in ein schlechtes Licht gerückt zu werden. Im Falle Sarrazin hat die SPD ihre eigenen Werte und Ideale mit Füßen getreten. Es ist in der Tat so: Je mehr Migranten in der SPD in Führungpositionen gewählt werden, desto größer wird durch diese Ermutigung die Bereitschaft von Migrantinnen und Migranten, sich politisch zu engagieren. Hierauf kann jeder aufrechte Sozialdemokrat nur hoffen. Die geplante Migrantenquote ist daher ein Schritt in die richtige Richtung.
http://www.fr-online.de/politik/sarrazin-giftet-gegen-die–migrantischen–in-der-spd/-/1472596/8406670/-/index.html
Die „Quote“ für Politiker mit „Migrationshintergrund“ ist gut gemeint, aber nichts anderes als eine Form der sog. „negativen Diskriminierung“. Der Witz einer gelungenen Integration ist doch gerade, dass die Herkunft keine Rolle (mehr) spielt. In ziemlich vielen Fällen ist das auch so. Wer zerbricht sich schon den Kopf darüber, ob die Bekannten, Nachbarn, Freunde oder der aufgestellte Politiker einen Vater oder eine Großmutter haben, die eingewandert ist? Ich jedenfalls nicht. Mir ist das auch bei meinen Schülern völlig egal. (Es sei denn, sie haben auffallende Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache.) Es ist die Entscheidung jedes einzelnen inwiefern er die Einwanderungsgeschichte seiner Vorfahren für das eigene Leben als relevant ansieht, in welchem Maße diese zur eigenen Identität beiträgt oder sie gar bestimmt. Es ist daher ein falsche Ansatz, Leute über ihre Vorfahren zu definieren und ihnen deswegen Nachteile oder Vorteile zukommen zu lassen. Mit anderen Worten: Ich halte es für eine Schwachsinnsidee einen Posten zu vergeben wegen des „richtigen“ Großvaters im Hintergrund und Leuten als Migranten abzustempeln, für die Deutschland ihre Heimat ist. Der türkisch behintergründete Özdemir beherrscht den schwäbischen Dialekt besser als ich mit einem urschwäbischen Opa.
Seit 26 Jahren einfaches SPD-Mitglied, keine reißerischen Druckveröffentlichungen. Bisher. Zeit, auszutreten! In einem ungesunden Zickzackkurs haben die SPD-Schiedskommission, der Berliner Kreisverband Charlottenburg und der Landesverband Berlin einen „Kompromiss“ vorgelegt zum weiteren Verbleib Dr. Sarrazins in der SPD. Interessant: Nicht der mit dem Parteiausschluss Bedrohte hat gravierende Fehler zugestanden, gar Richtigstellungen angemahnt, sich um einen Kompromiss bemüht. Nein, die Schiedskommission hat den „Kompromisstext“ vorgelegt. Windelweich, taktisch, SPD-Mitglieder/Wähler verdummend. Ganz deutlich, als Christ und SPD-Mitglied und seinen Werte- und SPD-Grundwertevorstellungen: das Buch von Dr. Sarrazin ist pseudowissenschaftlich aufgemachte Mithilfe zur Verbreitung rassistischer, antihumanistischer, Gewalt fördernder Feindbilder eines neuen, weltweiten Feindes: „Der fundamentalistische“ Islam. Das Kalkül, Taktik, ist offensichtlich kurzsichtig: Ruhe in der Partei vor den Berliner Landtagswahlen im Herbst, heraus aus dem Umfragetiefen, Mitnahme einer bis weit in die SPD reichenden ausländerfeindlichen Haltung als Wahlpotenzial. Sollte man jetzt weich- oder wegdifferenzieren! Aber kann eigentlich noch jemand in der SPD-Führung geradeaus denken?
Die Parteiführung hat einen Deal ausgemacht, der viele Elemente einer Krankheit zeigt, in etwa so: Die SPD stellt sich taub gegenüber allen Ausführungen von Dr. Sarrazin, wofür der wiederum Stummheit gelobt. Diese Abmachung ist leicht einzuhalten, des Doktors Thesen sind mit über 1,2 Mio. Auflage so weit verbreitet sind, das sie nicht eindämmbar sind. Und allem zum Trotz hat der liebe Doktor nachgelegt: Er habe keiner seiner Thesen abgeschworen und missbraucht die SPD als Werbeagentur für seine krausen Thesen. Krank! Es war eine Wette der SPD-Spitze gegen die Bank Wählerschaft und deren erhoffte Vergesslichkeit und Dumpfheit.
Meine Gegenwette lautet: Ich stelle den Antrag, mich aus der SPD zu werfen. Der Glaube an Grundwerte und Klarheit – Verstoß gegen die Parteigrundsätze der tagespolitischen Taktiererei! Zur Verteidigung habe ich mir 40 Tage bis 18. Juni gesetzt. Sollte ich in dieser Zeit wenigstens ein klares Sach- oder emotionales Argument mitbekommen, das für meinen Verbleib in der Partei spricht, werde ich mein Ausschlussverfahren rückgängig machen und als Kompromiss mich weiterhin mit dieser Partei aushalten. Taubstumm, selbstredend!
Sollten einige Leser oder SPD-Mitglieder in diesem Brief Zynismus, Ironie, oder gar Verletzendes spüren, zeigt dies nur, dass der Verfasser und seine Zeilen sich voll auf Höhe der in Berlin gezeigten Einstellungen und Verhaltensweisen befinden und für ihn als Mitglied so einer SPD sprechen. Und zur Not kann ich jederzeit durch eine Meinungsänderung zickzackige Flexibilität zeigen… Ich mache zu wenig Tagespolitik, um über so was wieder zur Tagesordnung (bei welchem wichtigen Bundesaktuellthema hätte in den letzten Monaten doch gleich die SPD klare Kontur gezeigt?) überzugehen.