Was wird uns das Jahr 2026 bringen? Vielleicht ist diese Frage nicht so schwer zu beantworten, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat, denn das neue Jahr hat seine Voraussetzungen im alten. Man muss also nicht präkognitiv begabt sein, um schon mal was sagen zu können. Also?
Auf jeden Fall ist es besser, über diese Dinge zu reden, als allen Ärger herunterzuschlucken und den Entwicklungen rein passiv zu begegnen. Zumindest geht es mir persönlich so. Vermutlich bin ich nicht der Einzige, der zutiefst besorgt registriert, was zurzeit auf diesem Planeten passiert. Jene globale Baustelle, die von allen die wichtigste ist, weil sie die Zukunft unserer Spezies betrifft, spielt praktisch keine Rolle: Der Klimawandel ist aus dem politischen Tagesgeschäft verschwunden. Stattdessen halten uns Narzissten und Autokraten in Atem, die nationalistische bis imperialistische Pläne verfolgen, und wir registrieren besorgt, dass rechte bis rechtsextreme, ja faschistische Ideen atmosphärisch dominieren, als wäre das gottgegeben. So ist die herrschende Gemengelage ein großes Chaos – oder wirkt zumindest wie ein solches.
Machen wir dieses Chaos mal an drei Punkten fest, die im Jahr 2025 Lufthoheit hatten.
Wird unsere Regierung endlich das Thema Zusammenhalt in den Mittelpunkt stellen?
Ich bin skeptisch. Erstens: weil Kanzler Friedrich Merz keine Integrationsfigur ist, sondern ein Spalter. Zweitens: weil die mitregierende SPD – abgesehen von Bärbel Bas – blass und konturlos bleibt, statt Werte wie Solidarität und die Errungenschaften des Sozialstaats in den Vordergrund zu rücken. Beide Regierungsparteien sind längst so miteinander verhakt, dass sie sich vorrangig mit den eigenen internen Kämpfen beschäftigen. Einzelne Akteure, etwa die Wirtschaftsministerin, stellen Partikularinteressen an die Spitze ihrer Prioritäten, statt das große Ganze zu sehen. Insgesamt hat diese Regierung der Opposition, auch der rechten und rechtsextremen, viel Angriffsfläche geboten. Einerseits ruft sie die Dauerkrise aus, weil die Wirtschaft seit Jahren nicht oder nur wenig wächst (als wäre das eine Katastrophe), andererseits schwingt sie permanent das Damoklesschwert des Sozialabbaus über den Köpfen der Menschen. Permanent ist alles übel, und es scheint keine Auswege zu geben. An Stelle einer positiven Vision werden die alten neoliberalen Konzepte aus der Klamottenkiste geholt. So kann man lange von Aufbruch reden und davon, dass ein Ruck durch dieses Land gehen muss. Es wäre zu hoffen, dass sich das ändert. Deutschland hat Probleme, das ist wahr. Aber man sollte nicht so tun, als ob es nichts außer Problemen hätte.
Wird Donald Trump 2026 die Macht ergreifen?
Gemeint ist diktatorische Macht, denn die Macht des Amtes eines US-Präsidenten hat er bereits. Doch bei den Midterm-Wahlen, die im November anstehen, droht ihm nach den zurzeit aktuellen Umfragen eine Niederlage: Seine Partei, die Republikaner, könnte die Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses verlieren, im Repräsentantenhaus wie im Senat. Dann drohte Trump dasselbe Schicksal, das auch frühere US-Präsidenten schon erlebt haben: Er wird zur „lame duck“. Schwer vorstellbar, dass er dieses Schicksal akzeptiert. Schon bislang hat er vorwiegend per Dekret regiert und sich dabei wenig um geltendes Recht gekümmert. Auch hat er schon von einer weiteren Präsidentschaft schwadroniert, obwohl die US-Verfassung das nicht vorsieht. 2026 wird möglicherweise zum Schicksalsjahr für die US-Demokratie – mit weitreichenden Folgen für die ganze Welt.
Gibt es endlich Frieden in der Ukraine?
Das wäre wirklich wünschenswert, doch trotz aller Verhandlungen der vergangenen Wochen sind die Weichen bereits in die entgegengesetzte Richtung gestellt worden. Europa unterstützt die Ukraine mit genug Geld, damit das gebeutelte, vom russischen Autokraten angegriffene Land rein materiell durchhalten kann – wenn es denn diesen Durchhaltewillen hat. Damit haben die europäischen Akteure die Verhandlungsposition der Ukraine gestärkt, so dass sie keinen „Diktatfrieden“ akzeptieren muss. Das hatte sich zwischendurch in den Verhandlungen angedeutet, in denen die USA – in der Pose des Vermittlers – russische Forderungen fast eins zu eins durchgesetzt hätten. Das hätte bedeutet, dass aggressives Verhalten belohnt wird und dass Krieg als Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln akzeptiert würde. Jeder nimmt sich, was er haben möchte? Die globale Völkergemeinschaft war schon weiter auf dem Weg zivilisierten Umgangs der Nationen miteinander. Sollte ein solcher „Diktatfrieden“ vom Trumps Gnaden doch noch kommen, wäre das Völkerrecht pulverisiert.
Es ist allerdings durchaus denkbar, dass sich das Machtgefüge im Lauf des kommenden Jahres zugunsten der Ukraine verschiebt, denn Russland hat zahlreiche Probleme. Die russische Wirtschaft ist auf Krieg umgestellt, d.h. alle Investitionen in Kriegsgüter sorgen nach Zahlen für Wirtschaftswachstum. Dabei geht es jedoch nicht um nachhaltige Investitionen, solche in die Zukunft, sondern das Geld wird unproduktiv verpulvert. Das kann keine Volkswirtschaft auf Dauer durchhalten. Die Anzeichen haben sich 2025 gemehrt, dass die russische Wirtschaft bereits schwer unter diesen Zuständen leidet. Hinzu kommt der Verlust an Menschenleben vor allem auf russischer Seite. Das russische Militär wirft fortwährend schlecht ausgebildete junge Soldaten als Kanonenfutter an die Front. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, doch der Blutzoll ist erheblich. Abgesehen vom fragwürdigen Umgang mit diesen Menschen seitens der russischen Führung werden diese Menschen dem Land fehlen. Der Ukrainekrieg fordert einen hohen Preis auch von Russland. Wie hoch, das wird sich erst in den Jahren nach Kriegsende im Detail zeigen.
Damit geht möglicherweise eine wachsende Unzufriedenheit im Land einher. Auch darüber haben wir keine verlässlichen Daten, da in Russland kaum jemand frei die Meinung zu sagen wagt, aber gerade darum ist diese Entwicklung gefährlich für Putin – denn auch er hat keine Zahlen. Sicher sind keine Demonstrationen, Aufstände oder gar eine Rebellion zu erwarten, doch Systeme wie das russische haben eigene Gesetzmäßigkeiten. Putin muss die Russinnen und Russen zufriedenstellen. Das gelingt ihm zunehmend schlechter. Warenknappheit – Stichwort Benzin – ist ein Faktor, der hier zu Buche schlägt, außerdem kriegsbedingte Inflation, sinkende Renten, steigende Arbeitslosigkeit. Der Druck in diesem System steigt von Woche zu Woche, selbst wenn das russische Militär Erfolge von der Front vermelden kann. Möglicherweise droht dem russischen Präsidenten eine – für Außenstehende noch unsichtbare – Gefahr aus dem eigenen Machtapparat, denn Putins Politik bringt die Pfründe seiner Oligarchen in Gefahr. Um des Machterhalts willen könnte Putin gezwungen sein, letztlich doch Friedensbedingungen zu akzeptieren, die ihm unbequem sind.
Daher ist der Ukraine zu wünschen, dass sie durchhält, und der Westen – was davon übrig ist – sollte die Ukraine im eigenen Interesse nach Kräften unterstützen.
Und was gibt es an guten Aussichten?
Mal sehen. Das hängt davon ab, wie sich Europa bzw. die Europäische Union in den kommenden Monaten aufstellt. Vielleicht haben Sie dazu ein paar Gedanken?