In dieser krisenhaften Zeit nimmt die Zahl der bewaffneten Konflikte und der Kriege weltweit zu. Die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen sind nur die Spitze des Eisberges. Wir sollten gewappnet sein.
Text folgt. Bezug: Milliarden fürs Militär: „Hat sich Russland übernommen?“, FR-Friedensfragen v. 21.11., u. „Boris Pistorius“, FR-Thema v. 24.11.
Selbst die USA sind nicht mehr verlässlich
Mir scheint die Schlussfolgerung des Artikels etwas blauäugig, wenn es da lautet: „Aber die Gefahr eines Angriffs auf den Westen ist ein Popanz.“ Ich finde, dagegen sprechen zwei durchaus mögliche Perspektiven: Die Berechenbarkeit russischer Politik ist unter Putin stetig vermindert worden. Verträge und Abkommen werden mit fadenscheinigen Begründungen gekündigt oder missachtet. Russland ist als Vertragspartner nach meiner Meinung nur eingeschränkt vertrauenswürdig!
Es droht die Gefahr, dass im November 2024 Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt wird. Sollte das geschehen, dann wäre das für mich gleich bedeutend mit dem Wegfall des US-Verbündeten im Ukraine-Konflikt. Die europäischen Helfer der Ukraine stünden fortan allein da! Donald Trump hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er mindestens so wenig verlässlich ist wie die aktuelle russische „Elite“! Ich halte daher politische und militärische Wachsamkeit für geboten, zumal ich der oft beschworenen Solidarität der europäischen Länder auch nicht traue!
Carsten Dietrich Brink, Gauting
Ob jemand rechtzeitig die Reißleine zieht?
Nach dem Zweiten Weltkrieg hieß es: „Nie wieder Krieg!“ Dann kam die Wiederbewaffnung, nur zur Landesverteidigung. Später dann der Eintritt in die Nato mit der Verpflichtung, auch die anderen Mitglieder des Nordatlantikpakts zu verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Nach 1990 erfolgte schrittweise die Nato-Osterweiterung bis an die Grenze zu Russland und damit die Zuständigkeit der Bundeswehr auch für die Verteidigung dieser Staaten im Angriffsfall. Es folgten die Auslandseinsätze der Bundeswehr u.a. in Afghanistan und auf dem Balkan. Bekannt ist der Spruch vom damaligen Verteidigungsminister Struck, Deutschland müsse auch am Hindukusch verteidigt werden. Man tat sich schwer, das Wort „Krieg“ in den Mund zu nehmen.
Jetzt aber wird die Bundeswehr massiv aufgerüstet, und Verteidigungsminister Pistorius will Deutschland wieder „kriegstüchtig“ machen. Fragt sich: Was folgt als nächstes? Nach der Eskalationslogik der Dritte Weltkrieg! Ob sich irgendjemand findet, der rechtzeitig die Reißleine zieht? Es gab einmal eine Entspannungspolitik, und es gab Abrüstungsverträge. Alles Schnee von gestern.
Wie wäre es, wenn diese Gesellschaft und ihre politische Führung wieder einen Weg zur Deeskalation und Diplomatie finden würden, anstatt den Scharfmachern in allen Parteien und den falschen wissenschaftlichen Ratgebern zu folgen, die Europa ins Verderben schicken!
Martin Müller, Solingen
Der Frieden wird in Schutt und Asche gebombt
„Wenn Du den Frieden willst, musst Du den Krieg vorbereiten.“ Ein Satz aus einer jahrtausendealten Rede ist in 2023 wieder aktuelle Leitlinie für die Verteidigungspolitik dieses Landes.
„Kriegstüchtig“, soll es werden. Das Land. Das Militär. Die Bürger. Herr Minister Pistorius will Deutschland in eine neue Realität führen. Krieg findet statt und soll auch in diesem Land denkbar sein.
Ich bin Kriegsdienstverweigerer und bleibe Kriegsgegner. Ich habe mit der grundgesetzlich verbrieften Aufgabe der Bundeswehr „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“, gelebt. Doch „kriegstüchtig“ war ich nie, eher auf Frieden bedacht. „Nie wieder Krieg!“, heißt es auf einem Plakat von Käthe Kollwitz aus 1924. Eine Hand zum Schwur erhoben, Der Schwur ging ins Leere. Und heute fordert Minister Pistorius plakativ und medienwirksam, die Kriegstüchtigkeit der Armee und der Gesellschaft zu fördern. Er spricht nicht von Verteidigungsbereitschaft, er spricht von Kriegstüchtigkeit. Das ist eine ganz andere Denkschule, eine geistige Zeitenwende, in der der Friedensperspektive nicht vorrangig Platz eingeräumt ist. Und die sollte doch in einem Land mit unserer Geschichte hohe Priorität haben.
Wenn wir Frieden wollen, müssen wir den Frieden auch vorbereiten. Nicht mit Kriegstüchtigkeit, sondern mit dem Mut, Frieden zu fordern und zu fördern. Immer und lautstark genau dort, wo Krieg den Frieden in Schutt und Asche bombt.
Bertram Münzer, Gütersloh
Pistorius sollte sich Kriegsminister nennen
Die Diktion, die Herr Pistorius mit dem Wort „kriegstüchtig“ verwendet, ist die logische Folge der im Angesicht der deutschen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gespenstisch wirkenden Ansprache des Bundeskanzlers vom 27. Februar. Die angekündigte Militarisierung Deutschlands, die unter tosendem Applaus des Hauses verkündet wurde, ließ Zweifel aufkommen, ob dieses Land aus der Geschichte etwas gelernt haben könnte. Die damit sogleich einhergehenden Träume von der stärksten konventionellen Armee Europas gehen dabei durch die Köpfe bestimmter Parlamentarier:innen fast aller im Hause vertretenen Parteien. Ob dem in Paris, London und anderen Hauptstädten Europas wirklich mit Begeisterung entgegen gesehen wird, sei einmal dahingestellt. Wie gesagt, sollten die angekündigten kriegstüchtigen Pläne des Herrn Pistorius Wirklichkeit werden, sollte er konsequenterweise sein Ministerium, von Verteidigungsministerium in „Kriegsministerium“ umbenennen und sich selbst zukünftig als „Kriegsminister“ bezeichnen.
Wenn Verteidigungsminister Boris Pistorius das Verlangen gegenwärtig zum Ausdruck bringt, dass eine moderne Gesellschaft auch kriegstüchtig zu sein hat, bleibt sein Begehr schon deshalb unerfüllt, weil dafür schlicht geistig, seelisch und körperlich unter der Bevölkerung die Kräfte fehlen. Höchstrichterlich ist ohnehin spätestens seit dem 19. November 2021 reklamiert, wie sehr vor allem staatliche Einrichtungen, die für die Ausbildung verantwortlich zeichnen, dabei bereits seit längerem unverzichtbare Mindeststandards überaus weit unterschreiten. Die Beistandspflicht innerhalb der NATO verkommt dadurch zur hohlen Phrase, weil zumindest in Deutschland in naher Zukunft fast niemand in der Lage sein wird, der Obliegenheit jemals nachzukommen.
Die Kriegsrhetorik von Minister Pistorius, Deutsche müssten wieder den Willen haben, unter „Gefahr für Leib und Leben das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, erinnert an dunkelste deutsche Zeiten. Er übersieht dabei, dass die pazifistische Verfassung von 1949 in Art. 26 die Vorbereitung von Angriffskriegen unter Strafe stellt. Da die Nato spätestens seit der Änderung ihres Statuts im Rahmen des Angriffskriegs gegen Serbien im Jahr 1999 von einem Verteidigungsbündnis zu einem Interessenbündnis geworden ist, das auch Angriffskriege führt um „Ressourcen“ und gegen „unkontrollierte Bewegungen von Menschen“, kann Deutschland nicht mehr Natomitglied sein. Bezeichnenderweise wurde die Strafbewehrung zu Art 26 GG in § 80 StGB am 1.1.2017 abgeschafft und durch § 13 des Völkerstrafgesetzbuchs ersetzt. Dadurch ist nur noch das vollzogene Verbrechen der Aggression, nicht mehr aber dessen Vorbereitung strafbar. Die Abschaffung des § 80 StGB machte Art. 26 GG zahnlos und schaffte ihn praktisch ab ohne Zweidrittelmehrheit.
Die von Pistorius gelobte Stationierung deutscher Truppen in Litauen ist aber weiterhin wie die Natomitgliedschaft verfassungswidrig aufgrund des Art. 87 a GG von 1955. Wer wird damit bei kommenden Wahlen punkten und Frieden nach Art. 24 GG vorschlagen, um in einem „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ auch die Sicherheitsinteressen Russlands einzubeziehen, nachdem Nazideutschland 4,5 mal mehr Russen als Juden ermordet hat? Das würde zugleich eine vernünftigere Wirtschaftspolitik ermöglichen und ohne „Gefahr für Leib und Leben“ eine bessere Verteidigungstüchtigkeit für unseren Wohlstand darstellen.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine und der Terrorangriff der Hamas auf Israel sind erschreckend und zeigen Folgen auch in unserem Land. Kanzler Scholz spricht davon, dass „unsere Friedensordnung in Gefahr ist“. Die Reaktion darauf ist immer die gleiche: Das Militär soll es richten! Der Verteidigungsminister spricht sogar davon, dass „Deutschland kriegstüchtig werden muss“.
Was geschieht denn in unserem Land? Müssen wir immer die gleichen Reaktionen auf Konflikte zeigen? Gibt es keine anderen Möglichkeiten und Ideen, als Geld und Energie in todbringende Rüstung zu investieren? Sollen wieder junge Menschen ausgebildet werden, um im Krieg zu töten und zu sterben?
Das Geld, das ins Militär investiert wird, fehlt in anderen Bereichen: Armutsbekämpfung, Familienförderung, Bildung, Gesundheits- und Pflegebereiche; sogar die Mittel für Freiwilligen- Dienste werden gekürzt! Für eine Erhöhung des Wehr-Etats werden hingegen riesige Summen bereitgestellt: die 50 Milliarden sollen um 25 Milliarden aufgestockt – zusätzlich. Zusätzlich auch ein Sondervermögen von 100 Milliarden!
Komplett ausgenommen ist dabei der Umweltschutz. Nicht nur, dass dafür dieses Geld nicht eingesetzt werden kann, verursacht das Militär selbst riesige Schäden. So verursachen Rüstung und Militär 5,5 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen (zum Vergleich: der Luftverkehr drei Prozent). Als ich den Artikel las und die Rede des Verteidigungsmister hörte, fiel mir sofort Wolfgang Borchert ein: „Dann gibt es nur eins! Sagt nein!“
Das Wort eines Bundesministers geistert durch die Öffentlichkeit und hat bereits Aufnahme in die verteidigungspolitischen Richtlinien gefunden: „kriegstüchtig“. Dazu soll „der Armee dauerhaft mehr Geld“ zufließen, offenbar auch bei immer knapper werdenden Haushaltsmitteln, und in Bezug auf die Bevölkerung wird ein Mentalitätswechsel hin zu größerer „Wehrhaftigkeit“ angestrebt. Das militärpolitische Dogma besagten Ministers lautet: „Krieg führen zu können, um keinen Krieg führen zu müssen“. Dieses Wort erinnert an die altrömische Weisheit: „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“. Damit ließ sich damit, kriegstüchtig, ein Weltreich errichten.
Eine entgegengesetzte Botschaft aus jener alten Zeit hören wir aus den Worten alttestamentlicher Propheten. Nach bitteren Kriegserfahrungen sieht z.B. Jesaja das
Heil für die Völker der Welt dadurch kommen, dass „sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“, Jes. 2 Vers 4.
Angemerkt sei: Das Wort „Schwerter zu Pflugscharen“, in den 1980er Jahren das Wort der Friedensbewegung, steht auch als Bronzeplastik seit 1959 im Garten des UNO-Hauptgebäudes in New York- ein Aufruf an die Völker der Welt, friedenstüchtig gemäß der Botschaft des Jesaja zu sein oder zu werden, zum Heil der Welt. Hartwig Hohnsbein, Göttingen.
Schon früh im Jahr 1937 fragte Max Horkheimer sarkastisch, was das für ein innerer Friede sei, mit dem im Herzen lediglich dem Untergang der Menschheit beizuwohnen ist? Angesichts dessen erstaunt es ungemein, wenn noch immer welche danach streben. Ein aufgeklärter Pazifismus könnte dadurch in seiner Wirklichkeit gegenwärtig entstellter nicht sein.
Ich halte die Beiträge die hier bisher geschrieben worden sind immer mehr für Wunschdenken. Dazu kann ich nur leider sagen denn wer will schon Krieg. Im ersten Beitrag hat Ralf Rath wahrscheinlich exakt das geschrieben was Putin gedacht hat schon Jahre bevor er in die Ukraine seine Truppen hat einmarschieren lassen. Er hat den Westen schon lange für schwach und nicht widerstandsfähig gehalten und war mit Sicherheit der Meinung am 01.12.23 mit seinen Truppen viel weiter im Westen zu stehen. Was soll man daraus dann für Schlüsse ziehen. Ich bin auch der Meinung das die Nato eigentlich die russische Armee vor 2 Jahren nicht hätte aufhalten können und es Glück war das die Ukraine sich dazu aufgerafft hat. Ob sie es noch einmal machen würde? Der Preis den sie zahlen ist hoch. Das gilt aber auch für Russland und das ist erst einmal gut für uns. Wobei mir schon klar ist dass das Ganze schlimm ist. Es wird aber leider nichts bringen wenn Bronski Putin einen Link zu diesem Blog hier schickt. Deshalb hat die Regierung in dem Fall recht. Es gibt solche Menschen wie Putin und wir müssen in der Lage sein uns gegen sie zu verteidigen. Das ich das schreibe hätte ich vor ein paar Jahren auch nicht gedacht aber das ändert genau nichts. Außerdem haben wir gerade unsere bedingungslose Solidarität mit Israel erklärt, was anderes ist Staatsräson nach meiner Meinung nicht. Ob das auf Dauer ohne Militär geht? Oder in Deutschland. Bei der IS Demo in Essen haben sich Organisationen offen gezeigt die mit Wahrscheinlichkeit in diesem Land eher kurzfristig die Machtfrage stellen werden. Es braucht einen wehrhaften Staat um nicht irgendwann in einem völlig anderem Land auf zu wachen als D. derzeit ist.
Zum Beitrag von hans am 1.12.2023 um 11:49 Uhr:
Höchstrichterlich kann derzeit noch so oft geurteilt werden, dass ein Handeln, das spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts bereits damals von Hofrat Blumenbach als vernunftwidrig kritisiert worden ist, auch heute keinerlei Wirksamkeit entfalten kann. Gesellschaftlich reproduzieren sich solche Praktiken dessen ungeachtet dennoch fortgesetzt bis auf die Gegenwart und voraussichtlich auch bis in die fernste Zukunft hinein. Angesichts dessen sollten Sie, hans, deren offenkundige Schwäche nicht für eine Stärke halten. Das bedeutet, dass zwar enorme Kräfte einer hochentwickelten Industriegesellschaft wie nicht zuletzt der hiesigen an eine zutiefst falsche Praxis gebunden sind. Zugleich aber ist vor allem die Russische Föderation nicht nennenswert imstande, den Umschlag zugunsten einer richtigen Praxis zu ermöglichen, damit insbesondere die Humanressourcen dafür frei werden, die Herausforderungen der Menschheit überhaupt meistern zu können. Putin bescheinigt sich damit tagtäglich eigenhändig selbst, in existenziellen Angelegenheiten völlig unfähig zu sein, einen Beitrag zu leisten, den Bann endlich zu lösen.
Zu meiner Person: Ich bin 83 Jahre alt, also ein „Kriegskind“. Seit meiner Jugend dominiert mich ein Wunsch nicht nur für mein Leben, sondern auch für zukünftige Generationen: Nie wieder Krieg! Ich bin entsetzt darüber, dass ein deutscher Verteidigungsminister unverhohlen dazu aufruft, das deutsche Volk wieder „kriegstüchtig“ zu machen und dass es darauf bislang keinen nennenswerten Protest gibt, keinen Aufschrei aus der Mitte der Gesellschaft. Das Gegenteil ist der Fall, wenn laut einer renommierten Umfrage ausgerechnet dieser Minister zum beliebtesten Politiker gekürt wird. Es macht mich fassungslos, dass bereits nach zwei Generationen seit dem schrecklichen, von Deutschland ausgegangenen Krieg alles vergessen sein soll. Wollen wir uns wirklich ertüchtigen lassen zur Akzeptanz von hunderttausenden Toten, von Zerstörung, Vernichtung, Vertreibung und unermesslichem menschlichen Leid auf allen Seiten? Ich bin erschüttert und kann nur hoffen, dass es gegen dieses Ansinnen einen breiten, wirkungsvollen und unüberhörbaren Protest in Deutschland gibt.
@ Brigitte Boland
Sie schreiben: „Ich bin entsetzt darüber, dass ein deutscher Verteidigungsminister unverhohlen dazu aufruft, das deutsche Volk wieder „kriegstüchtig“ zu machen und dass es darauf bislang keinen nennenswerten Protest gibt, keinen Aufschrei aus der Mitte der Gesellschaft.“
Wir kennen das Credo eines ehemaligen Verteidigungsministers – oder sollte man besser von Kriegsministern schreiben? -, der behauptete, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt. Parteien und Medien arbeiten schon länger daran, die aus den bekannten historischen Gründen pazifistisch orientierte Bundesrepublik in ein kriegstüchtiges Deutschland zu verwandeln.
Der ehemalige Bundespräsident Köhler hätte heute keinen Anlass mehr zurückzutreten. Als er 2010 in einem Interview auf dem Heimflug von Afghanistan sagte, dass ein Land wie die Bundesrepublik „mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren“, ernete er harsche Kritik. Er sprach von „freien Handelswegen“, die notwendig seien, „um Arbeitsplätze und Einkommen“ in Deutschland zu sichern. Diese Haltung hat heute im Mainstream Akzeptanz gefunden, da es offensichtlich ist, dass militärische und wirtschaftliche Macht sich gegenseitig verstärken.
Im Artikel ist davon die Rede, dass Herr Stoltenberg im Angesicht der geringen Erfolge der sommerlich-ukrainischen Gegenoffensive befürchtet, dass die westlichen Bemühungen zurückgehen könnten. Ergo: noch mehr Waffen und Geld für die Ukraine. Will der Westen wirklich bis zum letzten Ukrainer kämpfen? Das Durchschnittsalter der ukrainischen Armee liegt nach Aussage des ehemaligen US Diplomaten Chas Freeman bereits bei 43 Jahren. Kein Wort des Westens über einen nichtmilitärischen Lösungsansatz. Dabei muss es auch im Interesse des Westens sein diesen Krieg zu beenden. Die Ukraine wird jeden Tag mehr in Schutt und Asche gelegt. Wer wird den Wiederaufbau des bankrotten Staats bezahlen?
Herr Oberst a.D. Roderich Kiesewetter geriert sich im Artikel wieder einmal als militärischer Chefstratege des Ganzen und weiß natürlich sowieso was zu tun sei. In keiner Talkshow zeigte er bis jetzt irgendeine Art von Empathie für die mittlerweile hunderttausende jungen Gefallenen des Konflikts, der mittlerweile zu einem Stellungskrieg mutiert ist, wobei sich die Verlustzahlen nach US Quellen seit einiger Zeit zum Nachteil der Ukraine gedreht haben dürften.
Was einen zukünftigen NATO-Beitritt der Ukraine angeht: Wer glaubt wirklich, dass Russland akzeptieren könnte, freudig mit zuzusehen, wie amerikanische Kriegsschiffe in Sewastopol vor Anker gehen? Wenn russische Interessen nicht berücksichtigt werden sollten, wird die Ukraine auf dem Altar der Machtpolitik geopfert werden. In diesem Fall werden die Ukrainer Herrn Selensky noch verfluchen.
Folgt man Andreas Schwarzkopf in seinem Kommentar vom 29.11.23, so gibt es für den Westen und somit auch die Bundesregierung nur zwei Optionen: Weier Waffen liefern wie bisher und sich an einen langen „Abnutzungskrieg“ gewöhnen oder mehr und durchschlagskräftigere Waffen liefern, damit die Ukraine „gewinnt“, je nachdem, „was sie erreichen wollen“. Für letzteres spricht sich der Kommentator aus. Das bedeutet folglich: Dies zu erreichen wäre einzig eine Frage der Zielsetzung der westlichen Seite, und: dass es keinerlei andere Optionen gäbe!
Dass Russland sich überhaupt mit Waffengewalt aus der Ostukraine und der Krim vertreiben lässt, ohne den Krieg weiter zu eskalieren, schlimmstenfalls mit Atomwaffen, kann ich mir nicht vorstellen. Die Ukraine weiter ausbluten zu lassen und ihre Infrastruktur völlig der Zerstörung anheim zu geben, erscheint mir auch keine Perspektive für das Land zu sein. Also muss doch über Alternativen nachgedacht werden!
Ich mache mir hier den Vorschlag von Sandra Kostner in ihrer Einleitung zu dem Buch „Ukrainekrieg. Warum Europa eine neue Entspannungspolitik braucht“ (Westend-Verlag 2023) zu eigen. Wie wäre es, wenn der Westen „die Initiative ergreift und den unmittelbaren Kriegsparteien einen Friedensplan als Verhandlungsgrundlage vorlegte und sich als vermittelnde Instanz in Stellung brächte? Der 15-Punkte-Friedensplan, auf den sich die Ukraine und Russland in weiten Teilen im März 2022 verständigen konnten, wäre ein guter Startpunkt. Damit verbunden könnten die Staaten, die für Sicherheitsgarantien wichtig sind, signalisieren, dass sie bereit sind, diese Garantiefunktion für die Ukraine zu übernehmen. Die Erarbeitung eines Friedensplans wäre auch ein erster Schritt, um aus der Konfrontationsspirale herauszufinden und neue Wege einer zukunftsfähigen Entspannungspolitik … auszuloten (a.a.O., S. 25).
Doch: „Leider fehlt dazu der politische Wille“, um es mit den Worten von Andreas Schwarzkopf zu sagen!