Man muss ein Krankenhaus nicht unbedingt von innen gesehen zu haben, um zu wissen: Es kann uns alle mal treffen. Natürlich will man mit diesem Thema möglichst wenig zu tun haben, denn es ist unangenehm, weckt Assoziationen von Leiden und Tod – aber Krankenhäuser sind eigentlich, auch wenn der Name das nicht sagt, dazu da, um zurück zur Gesundheit zu verhelfen. Deswegen sollten wir lieber von Kliniken reden.
Das deutsche Klinikwesen ist defizitär. Das ist Fakt. Über die Gründe für diese Unterfinanzierung gibt es durchaus Dissens bis hin zur grundlegenden Kritik, ob das Gesundheitswesen, das immerhin ein Teil der Daseinsvorsorge der Menschen ist, überhaupt wirtschaftlichen Zwängen unterworfen werden sollte. Da geht’s also in die Systemkritik. Dagegen steht der Gedanke, dass es grundsätzlich Blödsinn ist, sinnlos Geld zu verbrennen.
Sinnlos? Das wäre die Frage. Jedenfalls hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sich vorgenommen, das Klinikwesen zu reformieren. Ihm schwebt dazu eine Einteilung der Kliniken in Level vor, etwa folgendermaßen: Grundversorgung, Spezialversorgung, Spitzenversorgung. Erstere wäre wohl auf dem Niveau der Kreiskrankenhäuser angesiedelt, letztere auf dem der Unikliniken. Dagegen regt sich natürlich sofort Widerstand. Aber der Gedanke ist grundsätzlich nicht blöd, so lange damit die Versorgung aller Menschen zu gewährleisten ist – auch in der Fläche, auf dem Land, selbst in den Weiten Vorpommerns.
Eine Einigung ist noch fern, und da es um viel Geld geht und um die Frage, wie dieses Geld optimal verteilt werden kann, wird eine solche Einigung sicher noch eine Weile auf sich warten lassen. Die Bundesrepublik ist föderal organisiert. Da kann der Minister noch so dröhnend auf den Tisch hauen (was er nicht getan hat) – es sitzen immer noch 16 weitere Minister:innen bei ihm am Tisch und wollen mitreden. Richtig losgehen wird die Debatte erst, wenn Lauterbach am 10. Juli, so der Plan, seine Eckpunkte vorgelegt haben wird.
Darauf wollen wir jedoch nicht warten. Ich habe hier zwei Zuschriften zum Artikel „Vermeidbare Todesfälle“ aus der FR vom 23. Juni, der die derzeitigen Mängel im Klinikwesen anspricht.
Es geht um Geld, nicht um Versorgungsqualität
Einen Kommentar zum Gesundheitswesen sollte nur der schreiben, der es kennt und versteht. “ wer in Behandlung von Brustkrebs oder Schlaganfall bewandert ist soll nicht nebenbei noch Hüften austauschen oder Kinder zur Welt bringen“. Wer so etwas schreibt oder rät, hat sich disqualifiziert und weiss nicht, dass selbst die normale nach Fachrichtungen getrennte Kompetenz fachfremde Tätigkeiten heute bereits mit Recht nicht zulässt. Wir sind schon seit Jahren in den Subspezialisierungen mit allen Vor-und Nachteilen. Dies hat mit Minister Lauterbachs Ideen nichts zu tun. Er erzählt seit Jahren, dass man immer nur zum besten Fachmann gehen soll, was in der Focus-Liste fast immer die Universitäten sind (quod erat demonstrandum) und einen tollen Krankentourismus erzeugt, während erfahrene Fachleute in der Nähe unbedeutend werden sollen. Blödsinn ! Amerikanische Verhältnisse sind kostentreibend und für Kranke gefährlich. Aber das weiss der Minister natürlich. Seine Idee der gestuften Krankenhäuser ist eine Reduktionsstrategie: Wir haben keine Hausärzte mehr, dann machen wir doch einfach Stufe 1 Krankenhäuser und ein Problem ist weg.(nur wer kann dann dort noch Fachärzte ausbilden?). Wir haben zu wenig Ärzte und Pflegekräfte, dann schaffen wir doch 20% der Krankenhäuser ab ( siehe Bertelsmann-“Gutachten“), dann haben die Kompetenzzentren wieder genug Personal. Auf der Strecke bleibt der Patient mit langen Wartezeiten, weiten Wegen und notwendiger Zwangsmobilität. Auch haben manche doch gemerkt, dass in Coronazeiten die vorhandene Bettenzahl mancherorts bereits im Ist- Zustand sehr knapp bemessen schien (Triage). Es geht um Geld und nicht um Versorgungsqualität. Das Tabu der Krankenkassenbeitragsstabilität wurde schon angekratzt. Eine Subvention durch Länder oder Bund ist aus den Köpfen verschwunden , da Aufrüstung und Unterstützung von Banken und Grossunternehmen gerade „in“ ist.
Dr. Jan Peter Theurich, Rheda Wiedenbrück
Aufgepasst bei Danaergeschenken
Man hat bei Schlaganfällen ein Zeitfenster von etwa zwei Stunden, in dem der/die Betroffene in einer stroke-unit sein sollte (einiges an Zeit geht schon verloren, bis der RTW überhaupt eintrifft). Das spezialisierte Abteilungen die Behandlung übernehmen sollten, ist unzweifelhaft. Trotzdem habe ich so meine Bedenken, was die Aussagen dieses Artikels betrifft. Warum? Wir erinnern uns an den tödlichen Unfall von Lady Diana. Sie wurde, soweit mir bekannt, in das spezialisierte Krankenhaus gebracht. Die Fahrt dauerte so lange, dass sie verblutet ist. Vielleicht wäre sie auch im nächst gelegenen Krankenhaus verblutet, aber zumindest hätte man sie dort erstmal besser stabilisieren können. Thema Zeit. Wie wurden diese 21,6 bis 23,4 Minuten ermittelt? Unser erstes Kind kam mitten in der Nacht. Mit 100 km/h über leere Straßen, kein Problem. Wie wäre das in der Rushhour gewesen?Zwischen unserem Wohnort und der nächsten Gynäkologie- Geburtshilfeabteilung liegt ein beschrankter Bahnübergang. Nachts unproblematisch, wenig Zugverkehr. Ab 6.00 Uhr, wie sieht es da aus? Wie war das doch mit Sylt, wo Frauen, ausgeflogen werden müssen (zu dem Thema Schließung von Geburtshilfeabt. hatte der Dr. Hontschik sich schon mal geäußert), was vermutlich auch für Apoplektiker gilt. Was ist, wenn der Hubschrauber nicht fliegen kann, z. B. wegen Sturm? Ganz so einfach ist die Sache nicht, wie von geneigter Seite behauptet. Für die bundesdeutsche Medizin gilt schon seit langem in übertragenen Sinne leider der Satz, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.
Erst jüngst am 3. Januar 2023 berichtete der geschäftsführende Direktor des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst von dem Befund, dass hiesig die Bevölkerung in ihrer weit überwiegenden Mehrheit noch immer leichtfertig in dem Luxus schwelgt, der Antwort auf die Frage von Leben oder Tod keinerlei Aufmerksamkeit zu schenken. Es nimmt dann nicht wunder, wenn der Marktwert von guter Medizin verschwindend gering ist. Noch das leistungsfähigste Krankenhaus sieht sich dann von der Schließung bedroht. Angesichts dessen täte es mehr als Not, dass die in Rede stehenden Bürger ihr eigenes Gebaren endlich selbst kritisieren. Damit aufgeklärte Menschen demgegenüber nicht buchstäblich zu verrecken haben, böte es sich allemal an, mit der äußerst destrukiven Handlungskonstellation schleunigst zu brechen. Aber dafür fehlt es politisch offenbar am Willen.
Lieber Michael Herl, Ihre letzte Kolumne war in vielerlei Hinsicht treffend. Ähnliches habe ich auch erlebt, im Krankenhaus und unter Bekannten. Kaum mal einen, der zufrieden war. Das Essen war schlichtweg Fraß. Ich fragte mich, was die wohl zu Hause essen? Mir hat es immer geschmeckt. Es stimmt, den meisten geht es viel zu gut.