Die Welt ist aus den Fugen. Das ist gewiss nicht übertrieben, denn was seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs galt, das gilt nicht mehr. Seit 1945 war Europa praktisch kriegsfrei, abgesehen von den sowjetischen Panzern, die durch Ost-Berlin, Budapest und Prag rollten, und vom Kosovo-Einsatz der Nato. Seit Februar 2022 jedoch erleben wir: Krieg ist auch in Europa möglich. Es gibt Politiker, die zu diesem Mittel greifen, um ihre Interessen durchzusetzen und andere Länder zu erobern. Wie aus einer anderen Zeit.

Der russische Präsident Wladimir Putin ist derzeit vollauf damit beschäftigt, sein Land zurück zu befördern ins Mittelalter. Internationale Kooperation und ein gedeihliches Miteinander der Völker und Nationen scheinen ihm weitgehend egal zu sein. Jedenfalls hält sich Putins Russland an keines der Abkommen, die es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geschlossen hat. Einst gab es der Ukraine Sicherheitsgarantien im Austausch für die auf ukrainischem Territorium stationierten sowjetischen Atomwaffen. Diese Garantie ist vergessen. Im Budapester Memorandum hat Russland die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine akzeptiert. Auch das ist vergessen. Ähnlich in der Nato-Russland-Akte, die Konsultationen und Zusammenarbeit zwischen Nato und Russland regeln sollte und die ebenso Geschichte ist wie der Nato-Russland-Rat und die Minsker Abkommen. Putins Russland ist, wie sich jetzt immer deutlicher zeigt, nicht an internationalen Absprachen interessiert. Oder falls doch, dann nur so lange, wie sie Russland vermeintlich nützen.

Wie sollen wir mit einem Land klarkommen, das auf diese Weise regiert wird? Wir sind quasi Nachbarn dieses Russlands. Und Nachbarn kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Was bedeutet das für unsere Sicherheit? Ein Miteinander mit diesem Land unter einem Anführer Putin ist kaum vorstellbar. Und ein Gegeneinander will sich niemand vorstellen. Was bleibt übrig? Da ist Fantasie gefragt.

Eines scheint bereits klar, während in der Ukraine noch immer Krieg geführt wird und die russischen Angreifer nach anfänglichen Erfolgen nun ihr Waterloo erleben: Mit dem Lügner Wladimir Putin kann sich niemand ernsthaft an einen Tisch setzen, um über Frieden zu verhandeln. Die andere Option scheint zu sein, dass Putin in die Knie gezwungen werden muss, damit er sich an den Tisch setzt – doch wer wird ihm jemals wieder glauben? Für alles, was Diplomatie zwischen diesen beiden Extrem-Szenarien leisten könnte, fehlt derzeit die Grundlage. Dabei sollte aber klar sein, dass es nicht in unserem Interesse sein kann, Russland zu demütigen. Der einzige Weg heraus aus diesem Desaster, das der russische Aggressor angezettelt hat, scheint ein Patt zu sein: Die Ukraine vertreibt die Angreifer von ihrem Territorium, fortan werden beide „Bruderländer“, Russland und die Ukraine, aufs Blut miteinander verfeindet sein.

Das sind keine guten Aussichten. Doch die Ukraine hat das Recht, ihre territoriale Integrität zurück zu erlangen. Das meint: in den Grenzen von 1991, die Russland in den oben aufgezählten Abkommen akzeptiert hat. Also einschließlich der Krim, die ukrainisches Staatsgebiet ist. Trotzdem muss alles dafür getan werden, dass dieses Russland nicht im Mittelalter landet. Momentan ist es auf dem Weg dorthin. Zu Tausenden haben sich junge Männer, die fürchteten, einberufen zu werden, ins Ausland abgesetzt – ein „brain drain“, ein Aderlass, den Russland kaum verkraften wird. Jedenfalls nicht, solange Putin an der Macht ist. Dieser offenkundig gestörte Mensch tut alles, um sein Land zu zerstören. Das kann uns nicht gleichgültig sein. Doch was können wir tun?

fr-debatteKeine klugen Entscheidungen

Tagtäglich hören und sehen wir die offensichtlichen Lügen von Putin und seinem Gefolge. Wir lassen es seit Jahren zu, dass Cyberattacken und die Mordaufträge Putins in Europa ohne ernsthafte Konsequenzen stattfinden können? Wir zahlen sogar noch Entwicklungshilfe an die Länder der Putin-Freunde (wie z.B. China, Belarus, Indien etc.). Warum kündigen wir diesen Ländern nicht gleichsam Sanktionen an (wie z.B. Strafzölle auf chinesische Waren) ? Da gibt es in Europa eine Energiekrise mit gewaltigem Ausmaß und der französische Präsident lehnt es sogar noch ab, dass eine Gaspipeline von Spanien über französisches Gebiet nach Deutschland gebaut werden kann? Wann kommen endlich ernsthafte Sanktionen, bei denen alle europäischen Länder mitwirken? Ernsthaft wäre für mich: Alle europäischen Grenzen nach Russland werden sofort geschlossen – es findet weder Warenverkehr noch Personenverkehr statt (ebenso keine Arzneimittel nach Russland). Alle europäischen Länder schließen ihre Botschaften in Russland. Man kündigt dem russischen Hitlernachfolger ab sofort die Lieferung von Langstreckenraketen an die Ukraine an, wenn der Krieg nicht sofort gestoppt wird und die Drohungen mit Atomwaffen weiterhin im Raum stehen! Warum kommen von der Politik keine klugen Entscheidungen? Nur im Tierreich ist es z.B. bei den Pavianen offensichtlich so, dass sie von den Klügsten regiert werden.

Jürgen Scheiter, Aßlar

fr-debattePutin, der Geschichtsklitterer

Zu Recht wird der überseeische Kolonialismus europäischer Mächte seit dem 16. Jahrhundert beklagt und nun, soweit das überhaupt möglich ist, gegenüber den Nachfolgegenerationen der Opfer Abbitte auch unter Einsatz materieller Mittel geleistet. Gleichzeitig wird aber der russische kontinentale Kolonialismus völlig übersehen – man sehe sich in einem Geschichtsatlass die Expansion Russlands nach Westen z. B. im Zuge der drei „polnischen Teilungen“ und nach 1939/45 an oder die allmähliche Ausbreitung nach Osten/Sibirien und Südosten. Statt aber aus diesem kontinentalen Imperialismus Russlands die „Heimholung historischer Territorien“ als fadenscheinige Begründung für Russlands/Putins Aggressivität gegenüber ehemals einverleibten „Sowjetrepubliken“ in West und Südost zu verstehen, kaprizieren sich die Verteidiger putinscher Aggressionen darauf, den USA und der Nato ein bedrängendes Heranrücken/Einkreisen Russlands vorzuwerfen, schlimmer: als rechtfertigenden Kriegsgrund gegenüber der Ukraine anzuführen. Dafür auf Brzezinskis Feststellung: „Russland hört ohne die Ukraine auf, ein Imperium zu sein“ oder auf die Ausgleichs- und Friedenspolitik der sozial-liberalen Regierung Brand/Genscher zu verweisen, zeigt nur einen weiteren Mangel an Geschichtsbewusstsein – die Zeiten haben sich entscheidend geändert. Die neuen Nato-Mitglieder flohen aus eigenem Willen, gezwungen von der Angst vor russsischer Aggression, unter den Nato-Schutzschirm (so motiviert auch Schweden und Finnland!). Wohl wahr: „Immer die Hand am Puls des anderen haben“ (Egon Bahr) – genau das fehlte in Bezug auf die von Putins Russland überfallenen Staaten.
Während wir es vor 50 Jahren mit rational handelnden Führungspersonen der UdSSR/KPdSU zu tun hatten, überschreitet heute ein geschichtsklitternder, nach KGB/FSB-Kriterien unkalkulierbar Handelnder jegliche (!) Grenzen.

Dieter Hartwig, Kiel

fr-debatteDas Bedürfnis nach Sicherheit

Die AutorInnen der drei LeserInnenbriefe zum Thema Ukrainekrieg (letzte Wochenendausgabe) sind sich darin einig, der Nato einen wesentlichen Anteil der Verantwortung für Putins Überfall auf die Ukraine zuzuweisen. In der Tat ist es nicht abwegig zu fragen, ob sich Putin von dem, was er den „kollektiven Westen“ zu nennen pflegt, möglicherweise in die Ecke gedrängt fühlte und durch die Aggression gegen die Ukraine die Initiative zurückzugewinnen hoffte.
Allerdings ist es allen drei Briefen gemein, einige andere Fragen gar nicht erst zu zu thematisieren. Da eine westliche Absicht, die Nato nach Osten zu erweitern, weder die tatsächlich vollzogene Erweiterung noch eine zusätzliche (Beitritt der Ukraine, wohlmöglich auch Moldawiens) hinreichend erklärt, müsste doch nach den Motiven der bisherigen und gegebenenfalls zusätzlichen osteuropäischen Neumitglieder gefragt werden. Alle nach dem Auseinanderfallen der UdSSR der Nato beigetretenen – und alle denkbar künftigen – östlichen Neumitglieder verbindet, dass sie als Satelliten dem Sowjetstaat umfassend gefolgspflichtig waren oder ihm als Gesamtstaatsteile sogar angehörten; die sowjetischen Militärinterventionen in der DDR (1953), Ungarn (1956) und der Tschechoslowakei (1968) waren als Drohbotschaften auch an alle anderen nichtsowjetischen Mitglieder des einstigen Ostblocks gerichtet – was Rebellionen in der Sowjetunion geblüht hätte, war ohnehin allen klar. Das Sicherheitsbedürfnis der Neumitglieder darf angesichts solcher Erfahrungen nicht als Bagatelle abgetan werden.
Ebenso wenig ist nebensächlich, dass die Nato als Gesamtorganisation bisher nicht für einen Beitritt der Ukraine offen war und es auch jetzt nicht ist. Deutschland und Frankreich lehnen ihn ab. Gäben die Beitrittsgegner jetzt oder künftig ihr Veto auf, wäre eine unmittelbare Kriegsteilnahme der Nato-Staaten hochgradig wahrscheinlich. Die Ironie der jüngsten Geschichte will es, dass es zu einem Angriff Putins auf eine schon natozugehörige Ukraine ähnlich wahrscheinlich nicht gekommem wäre.
Die Briefschreibenden reflektieren auch nicht den Zusammenhang zwischen den inneren Verhältnissen aller am Konflikt beteiligten Staaten – einschließlich Russlands – und ihren außenpolitischen und militärischen bzw. militärbezogenen Handlungsweisen. Putins Russland ist auf dem Weg in die Diktatur inzwischen weit vorangekommen; die Pressefreiheit ist vollständig abgeschafft, und immer mehr politische KritikerInnen füllen die Gefängnisse und Straflager – anders glaubt Putin nicht am Ruder bleiben zu können. Die freiheitlichen Verhältnisse in der kulturell und sprachlich Russland „verwandten“ Ukraine entwickelten sich in seinen und seiner Verbündeten Augen zu einer manifesten Bedrohung. Wäre die Ukraine einen ähnlichen Weg gegangen wie Belarus unter dem Diktator Lukaschenko, hätte sich ein russischer Überfall aus Putins Sicht zweifellos erübrigt, weil sie dann auch bei formaler Eigenstaatlichkeit ein Teil des russischen Imperiums geblieben wäre.
Selbstverständlich hat das Herausfallen der Ukraine aus der russischen Machtsphäre Russlands imperiale Qualität weitgehend beseitigt. Nur ist dergleichen nichts Neues in der Geschichte. Auch die einst über riesige Kolonialreiche gebietenden westeuropäischen Staaten (GB, F) konnten ihre lange währende imperiale Qualität nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr aufrechterhalten. Als Ägyptens Präsident Nasser 1956 den in anglofranzösischem Kapitalbesitz befindlichen Suezkanal nationalisierte, griffen diese Großmächte, um ihre imperiale Macht zu erhalten, zumindest aber nicht weiter erodieren zu lassen, Ägypten an. Als die Sowjetunion mit der Unterstützung Ägyptens drohte und die USA, um ihren eigenen weltweiten Einfluss nicht zu gefährden, die ihnen eigentlich in der NATO verbündeten Angreiferstaaten nicht unterstützten, sahen diese sich zum Rückzug genötigt. Und beim Verlust ihres imperialen Status ist es seither geblieben. Sollen wir um des Friedens willen wünschen, dass Imperialisten solche bleiben können, und nicht imperialen Staaten die Vorzüge der Anschmiegsamkeit predigen?

Jürgen Kasiske, Hamburg

fr-debatte

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27 Kommentare zu “Wohin führt Putin sein Land?

  1. Es ist gut, dass der Vorsitzende der SPD-Bundestags-Fraktion und ausgewiesene Friedensforscher Dr. Mützenich sich auf die Friedenspolitik Willy Brandts positiv bezieht. Er begründet nachvollziehbar, warum „deutsche Diplomatie“ unerlässlich ist. Aber Diplomatie, politische Verhandlungen, Mäßigung in militärischen Dingen scheinen nicht die aktuellen Anliegen der bald über 30 Nato-Staaten zu sein. Immer mehr und „schwerere“ Waffen aus (Nato-) Staaten finden ihren Weg in das ukrainische Kriegsgebiet, und das ist erklärter politischer Wille dieses Bündnisses. Damit wird eine sich eskalierende militärische Auseinandersetzung weiter befeuert, die das Zeug zu einem Dritten Weltkrieg in sich trägt. Zuletzt eskalierte der Konflikt mit der Sabotage an Ostsee-Gaspipelines. Nur ein „staatlicher“ Akteur war zu diesem ungeheuerlichen Umweltverbrechen fähig. Eine weitere Eskalation muss verhindert werden: Bomben auf ein Atomkraftwerk – vorzugsweise in der Ukraine? Dass die „atomare Bedrohung“ real ist, bearbeitet ausführlich die FR in derselben Ausgabe.
    Das Agieren der Nato-Staaten (auch des Nato-Mitglieds Bundesrepublik Deutschland) erstaunt, weil das so gar nicht den erklärten Intentionen und dem eigenen Nato-Statut, dass die Mitglieder auf „friedliche Konfliktlösung“ festlegt, entspricht. Der grundlegende Artikel 1 des Nato-Vertrags lautet deshalb: „jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten.“
    Was hindert die Nato-Staaten daran, ihren eigenen hehren Grundsätzen zu folgen? Warum äußert sich zivilgesellschaftlicher Druck zur friedlichen Konfliktbeilegung nur zögerlich und dringt nicht ins öffentliche Bewusstsein? Und entspricht das aktuelle Handeln unserer Regierung den Regelungen und Intentionen unseres Grundgesetzes (GG) wie sie in den Artikeln 24 („Kollektives Sicherheitssystem“), 25 („Allgemeines Völkerrecht als Bestandteil des Bundesrechts“) und Art. 26 GG („Verbot des Angriffskrieges“)?“ niedergelegt sind? Über die UNO-Mitgliedschaft Deutschlands ist unser Land beispielsweise verpflichtet, dazu beizutragen, dass „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges“ bewahrt werden und der „Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“ sind!
    Welche deutsche Partei, welche Regierung organisiert „kleine diplomatische Erfolge“, die Dr. Mützenich jetzt für „dringend notwendig“ erachtet?

  2. Die Nato bietet Russland die Stirn. Dies ist eine Reaktion auf den Angriffskrieg Putins. Ich gehe davon aus, dass Putin den Krieg als Chance sieht, die russische Wirtschaft anzukurbeln. Die enormen Kosten gehen zulasten der Bevölkerung, bringen aber enorme Gewinne für die Oligarchen der Rüstungsindustrie. Spiegelbildlich ist auch die Rüstungsindustrie des Westens an Aufträgen interessiert. Leider gibt es beiderseits große Profiteure auf Kosten der Ukraine und all der Opfer. Auf dem politischen und wirtschaftlichen Schachbrett ist menschliches Leid kaum relevant.

  3. Die in diesem Artikel aufgestellten Thesen sind schwere, geschichtsferne Kost. Schon die Eingangsfragestellung „ob Krieg noch führbar bzw. seine Vorbereitung verantwortbar ist“, ist eine schon irritierende: Dass er „führbar“ ist, kann jeder täglich in den Nachrichten verfolgen. Und die Opfer halten diesen selbstverständlich für „nicht verantwortbar“. Doch: Was sollen solche ins Nichts führende Fragestellungen?
    Zusammenhanglos wird dann „eine dritte Alternative zu Krieg oder Kapitulation“ aus dem Hut gezaubert: Das Konzept der „Sozialen Verteidigung“. Es meint, dass „die Gesellschaft in erster Linie ihre (zivilen) Institutionen und ihre Identität und Lebensweise (schützt)“. Aha: ein interessanter Tipp für die ukrainische Bevölkerung, damit die Panzer und Soldaten ins Leere laufen zu lassen und den Krieg endlich zu beenden. Dass der mutige zivile Widerstand in Cherson leider nicht zum Scheitern der Besatzung geführt hat, weiß die Autorin und empfiehlt daraufhin: „Dort gilt es jetzt, Wege zu finden, diesen Krieg möglichst schnell durch Verhandlungen zu beenden.“ Mehr hat sie also nicht zu bieten: ‚Also‘ liebe Chersoner, das habt ihr toll gemacht. Hat leider nicht geklappt. Bitte verhandelt jetzt mit der Besatzungsmacht über Frieden.‘ Ist das das innovative Ergebnis intensiver Forschungsarbeit am „Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung“?
    Apropos des gegenwärtig vielzitierten Mantras: „Jeder Krieg endet am Verhandlungstisch“. Weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg wurden mit Friedensverhandlungen beendet (sondern mit „Bedingungsloser Kapitulation“ und zwei Atombomben), noch der Spanische Bürgerkrieg oder der US-geführte Vietnamkrieg (durch eine Atommacht auf dem Höhepunkt ihrer militärischen Macht). Auch die Kriege in Afghanistan wurden von der Sowjetunion wie auch von den US- und Nato- Truppen durch schlichten Rückzug beendet – den Friedhofs-Frieden haben dann die Taliban gebracht.
    Das Dayton-Abkommen hat zwar die Massaker in Bosnien beendet: Jedoch nicht aufgrund von „sozialer Verteidigung“ (das praktizierten wohl eher die niederländischen UN-Truppen in Srebrenica) sondern erst durch massiven Druck der Supermacht USA. Das Ergebnis ist jedoch weiterhin kein Frieden sondern ein „eingefrorener Konflikt“. Auch ist das Ergebnis der sog. Minsker Abkommen 2014/2015 bekannt: Diese haben noch nicht einmal einen eingefrorenen Konflikt hervorgebracht, sondern – nach tausenden Toten – den neuen, noch umfassenderen Krieg.
    Erst wenn die Machtstrukturen innerhalb Russlands zerbröseln – durch militärische Verluste, durch wachsenden zivilen Widerstand der Zivilbevölkerung, durch zunehmende Sorgen innerhalb der russischen Machtelite um ihre Zukunft – wird ein Friedensschluß möglich werden. Solange muss die Ukraine durchhalten können.
    Erörterungen um die Wortschöpfung „Soziale Verteidigung“ finden dabei ohne die um ihr Land, ihre Identität und ums Überleben kämpfenden Ukrainer statt.

  4. Tagtäglich hören und sehen wir die offensichtlichen Lügen von Putin und seinem Gefolge. Wir lassen es seit Jahren zu, dass Cyberattacken und die Mordaufträge Putins in Europa ohne ernsthafte Konsequenzen stattfinden können ? Wir zahlen sogar noch Entwicklungshilfen an die Länder der Putin Freunde ( wie z.B. China, Belarus, Indien etc. ). Warum kündigen wir diesen Ländern nicht gleichsam Sanktionen an ( wie z.B. Strafzölle auf chinesische Waren) ? Da gibt es in Europa eine Energiekrise mit gewaltigem Ausmaß und der Französische Präsident lehnt es sogar noch ab, dass eine Gas Pipeline von Spanien über französisches Gebiet nach Deutschland gebaut werden kann ? Wann kommen endlich ernsthafte Sanktionen bei denen alle europäischen Länder mitwirken. Ernsthaft wäre für mich: Alle europäischen Grenzen nach Russland werden sofort geschlossen – es findet weder Warenverkehr noch Personenverkehr statt ( ebenso keine Arzneimittel nach Russland ) . Alle europäischen Länder schließen ihre Botschaften in Russland. Man kündigt dem russischen Hitlernachfolger ab sofort die Lieferung von Langstrecken Raketen an die Ukraine an, wenn der Krieg nicht sofort gestoppt wird und die Drohungen mit Atomwaffen weiterhin im Raum stehen ! Warum kommen von der Politik keine klugen Entscheidungen? Nur im Tierreich ist es z.B. bei den Pavianen offensichtlich so, dass sie von den Klügsten regiert werden .

  5. Es gibt sie tatsächlich noch – sogar in der Politik – die Rufer in der Wüste und Stimmen der Vernunft, die sich dem Kriegsgeschrei in Parteien (Strack-Zimmermann, Hofreiter, Michael Roth) und Medien( u.a. der Forderung bei Lanz, Deutschland müsse endlich in den Kriegsmodus schalten) entgegenstellen und in aller Sachlichkeit auf die eigentliche Bedeutung der Diplomatie auch in Krisenzeiten hinweisen. Und es ist natürlich verdienstvoll, dass die FR dem Raum gibt.
    Wenn Rolf Mützenich, der es auch in seiner Partei und Fraktion derzeit schwerhaben dürfte, auf die Unerlässlichkeit einer weitsichtigen, klugen und umfassenden Außenpolitik hinweist, kann er ja nicht die Politik der derzeitigen Außenministerin gemeint haben, die missionarisch angebliche deutsche Interessen und westliche Werte vertritt und auf eine „Ruinierung“ Russlands hinarbeitet, was ohnehin nicht gelingen kann, weil sich der Adressat mit allen verfügbaren Mitteln dagegen wehren wird.
    Entlarvend für den Umgang mit dem vernunftbetonten Vorstoß von Mützenich ist, dass er für seine schon länger bekannte Einstellung von der Ukraine auf eine schwarze Liste von Staatsfeinden gesetzt wurde, auf der sich u.a. auch die einer diplomatischen Lösung zuneigenden Professoren Hacke und Varwick befinden. Wenn so etwas gegenüber einem hochgradig integren Mann wie Mützenich stattfindet, wäre es eigentlich Aufgabe des Außenministeriums, dies scharf zurückzuweisen . . . Geschehen ist das meines Wissens nicht.
    In dem Zusammenhang erinnere ich an eine Kurzmeldung, dass Edward Snowden kürzlich die russische Staatsbürgerschaft erhalten hat. Was für ein Armutszeugnis für die „westliche Wertegemeinschaft“, dass dieser Mann, der Werteorientierung und Zivilcourage vorgelebt hat, im Westen zu einem Paria gemacht wurde, der nur bei dem derzeitigen Gottseibeiuns ein halbwegs sicheres Leben führen kann.

  6. Ja, leider scheint Rolf Mützenich auch in der eigenen Fraktion, der er sogar vorsteht, in eine Minderheit gedrängt worden zu sein, da er nur selten eine Rede hält, während die im Kommentar von Rainer Boos genannten Bellizisten derzeit wohl das Sagen haben.

  7. Ja was will Putin eigentlich erreichen? Das ist immer noch eine offene Frage. Ich denke man sollte um sie zu beantworten zuerst einmal sich ansehen was passiert ist. Dieser Konflikt wird von Putin schon seit Jahren vorbereitet in dem er die europäischen Gasmärkte mit politischen, günstigen Preisen die nichts mit Weltmarktpreisen zu tun hatten in eine Abhängigkeit getrieben hat. Im Nachhinein kann man das nicht anders sehen. Als eine neue Regierung in D. beschlossen hat diese Abhängigkeit durch das Einleiten einer Energiewende zu reduzieren musste er entweder handeln oder nicht handeln. Ich denke dass das davonlaufen der westlichen Truppen in Afghanistan auch auf die Entscheidung Einfluss hatte das er den Angriff gewagt hat. Die Entscheidung anzugreifen ist wohl im Sommer 2021 gefallen als Putin den Wirtschaftskrieg eröffnet hat in dem er bewusst die für ihn erreichbaren Gasspeicher runter gefahren hat. Letztes Jahr um diese Zeit war klar das wir zu wenig Gas eingelagert haben um noch ohne Gasnotlage über den Winter 21/22 zu kommen wenn er kalt wird. Am 31.12.2021 kostete ein Neuvertrag über Gaslieferungen bei Verivox 19,4 Cent KWh und war damit nicht viel billiger als heute. Dazu habe ich hier an anderer Stelle einen Link eingestellt. Der dann 2 Monate später beginnende Krieg in der Ukraine ist eigentlich als Randerscheinung gedacht gewesen. Alle Militärexperten im Westen und auch wahrscheinlich Putin waren der Meinung das er in Tagen oder möglicherweise auch erst in 3-4 Wochen zu erledigen wäre. Daraus kann man schließen das es bei den Kriegszielen von Putin wohl kaum um die Befreiung des Donbass gegangen ist zu Anfang. Was wäre wohl passiert wenn es so gekommen wäre das im März die Regierung in der Ukraine gewechselt hätte? Wären dann russische Soldaten an der ungarischen Grenze aufgetaucht oder tausende von Flüchtlingen. Das ist schwer zu sagen. Was für mich aber klar ist ist dass das Angriffsziel von Putin nicht die Ukraine ist und war sondern die Schwächung der EU und damit der NATO. Ob das vielleicht sogar mit China abgestimmt war kann man vermuten weiß man aber nicht genau. Aus Sicht von Putin läuft das Ganze man kann schon sagen maximal schlecht. Im Wirtschaftskrieg sind jetzt die Gasspeicher in der EU fast voll und wenn auch dieses Jahr der Klimawandel zu einem nicht so kalten Winter führt hat Putin den Wirtschaftskrieg verloren. Die Anschläge auf die kritische Infrastruktur derzeit würde ich schon als letzte gefährliche Verzweiflungstat ansehen. Der Krieg der sich in der Ukraine entwickelt hat dürfte für Putin ein einziger Albtraum sein. Er war der Meinung das Land einfach im vorbei gehen besetzen zu können und könnte jetzt sogar den Krieg verlieren. Auf dem ersten Treffen der ukrainischen Unterstützer Staaten in Ramstein sagte der Verteidigungsminister der USA sinngemäß das der Krieg in der Ukraine die Möglichkeit bietet die Rote Armee so zu schwächen das sie auf Jahre hinaus nicht mehr die Möglichkeit hat anzugreifen. Ich habe damals gedacht das dies eine gewagte Aussage ist aber inzwischen sieht es so aus das genau das passiert. Die Frage die uns Sorgen machen sollte ist was Putin jetzt macht. Die Situation für in ist schon sehr schlecht. Deshalb kann man ihm alles zutrauen. Ich hoffe das China genug Einfluss hat um den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu verhindern. In D. werden wir uns an neue Gaspreise die vom Weltmarkt gebildet werden gewöhnen müssen. Da wir auch keine langfristigen Lieferungen wollen werden sie so ganz niedrig nicht sein.

  8. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist das Thema eines möglichen Atomwaffeneinsatzes und damit einer totalen Eskalation nicht vom Tisch. Wenn US-Präsident Biden jetzt die gegenwärtige Kriegssituation mit der Kuba-Krise vergleicht, sollten die Alarmglocken gerade in Europa schrillen. Es ist bekannt, dass die Welt kaum jemals näher am atomaren Abgrund gestanden hat, als in jener Zeit des Jahres 1962. In mehreren Publikationen belegt der Publizist, Historiker und Politikwisschenschaftler Bernd Greiner, dass es der US-Regierung in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion nicht nur um die Mittelstreckenraketenstationierung auf Kuba ging, sondern vor allem um den Nachweis des Status der USA als Weltmacht Nr. 1, welche sich als „natürliche Hüterin der Ordnung“ begreift und die den Nimbus der Stärke in jedem Fall aufrecht erhalten wollte und will. Dass in dieser Rolle der Einsatz nuklearer Massenvernichtungsmittel einkalkuliert werden muss, gehörte für die Regierung Kennedy zur Gewissheit: „Wir werden vor diesem Risiko nicht zurückschrecken“.
    Da der Ukraine-Krieg in den Augen der US-Regierung vor allem durch die Brille der eigenen geopolitischen Interessen in der Systemauseinandersetzung mit Russland und China gesehen wird, geht es für die USA wie schon in der Kuba-Krise erneut um den Nachweis der eigenen Überlegenheit, der Inszenierung eigner Vorherrschaft und Stärke. In der Kuba-Krise blieb die Welt durch das Einknicken der Regierung Chruschtschows vom Armaggedon verschont. Ob Putin seine eigentlich schon längst feststehende Niederlage einfach so hinnimmt, sollte im Interesse Europas nicht länger dem Glücksspiel eiskalter Militärstrategen überlassen bleiben. Einmal mehr muss Europa auf eine Verhandlungslösung drängen.

  9. Ich beziehe mich auf den letzten Absatz des Beitrags von Herrn Bremen. Erst habe ich gedacht, dass meine Zeitung wohl an einen Märchenonkel geraten ist. Doch ich wurde eines Besseren belehrt. Es handelt sich und sicher nicht nur für mich um die überraschenden Aussagen eines ehemaligen hohen deutschen Diplomaten. Und es lohnt sich, diesen Michael von der Schulenburg näher zu beleuchten, denn er outet sich durch seine Lebenserfahrung als kenntnisreicher Diplomat und realistischer Friedensforscher. Dazu einige Angaben: über ihn: In seiner Zeit bei OSZE und UN hat er u. a. Vorschläge zu deren Reorganisation gemacht, Missstände dort aufgedeckt und mehrere interne Strategie- und Reformdokumente entworfen, die vom UN-Generalsekretär 2009 lobend erwähnt wurden. Von 2009 bis 2012 leitete er als Repräsentant der UN in Sierra Leone die weltweit erste Peacebuilding-Mission, wurde dafür von der damaligen Regierung des Landes verwiesen und erhielt später wegen seiner Erfolge dort den höchsten Orden dieses Landes. Seine 2018 unterbreiteten Vorschläge zur Rolle Deutschlands im UN-Sicherheitsrat und der UN-Generalversammlung dienten der Stärkung der UN-Charta als Fundament internationaler Friedensregelung. Den Nato-Einsatz in Afghanistan nannte er übrigens 2020 ein Fiasko. Das alles ist Grund genug, seinen Bericht (FR 22.10.2022) über Gespräche zwischen ukrainischen und russischen Unterhändlern ernst zu nehmen. Die hatten nämlich im März 2022 einen fünfzehn Punkte umfassenden Friedensplan ausgearbeitet, der u. a. die Neutralität der Ukraine vorsah, wohl ähnlich wie Österreich. Doch Schulenburg erläutert, dass auf einem Sondergipfel der NATO am 23.3.2022, an dem US-Präsident Biden selbst teilnahm, entschieden wurde, die Friedensverhandlungen zu beenden und erst wieder nach dem bedingungslosen Rückzug der russischen Streitkräfte aus den besetzten Gebieten aufzunehmen. Ganz offensichtlich wollte die NATO auf keinen Fall eine neutrale Ukraine. Und ich suche schon seit März dieses Jahres in den ‚seriösen‘ Medien vergeblich nach Informationen über die Inhalte der Angebote und jeweiligen Ablehnungen bei den angeblich ergebnislosen Verhandlungen eines Friedens im Ukrainekrieg. Selbst habe ich schon im März einen zumindest in Ansätzen ähnlichen Friedensvorschlag gemacht und ihn an meine Frankfurter Rundschau, an unsere Botschaft in Kiew und sogar an die Außenministerin Frau Baerbock geschickt – jeweils ohne jede Antwort. Dazu bin ich wohl zu unbedeutend. Die (Nicht-)Behandlung dieses Themas durch Politik und Medien ist für mich ein Grund, am Friedenswillen der Ampel wie der EU zu zweifeln. Meine Empfehlung: Lesen Sie den Schulenburg-Beitrag in der FR vom 21.10,2022.

  10. zu @ Hans-Jürgen Gratz
    Ein durchaus interessanter Beitrag den sie geschrieben haben. Sie sollten ihre Meinung aber mit wenigstens einem Link dazu stützen können. Grundsätzlich traue ich den USA durchaus einiges zu und was der USA Verteidigungsminister in Ramstein gesagt hat passt auch dazu.

  11. Die meisten Menschen auf diesem Globus versuchen, in friedlichem Miteinander, mit Kreativität und in gesundem Wettbewerb in ihrem Umfeld ein besseres Leben zu erschaffen, für sich selbst und für ihre Nachkommen. Oft leisten sie einander sogar große Hilfe, selbst über große Distanzen hinweg. Sie entwickeln wahre Wunderwerke in Technik, Kultur und sozialem Miteinander. Man könnte meinen, die geistigen Leistungen der Gattung Mensch müssten automatisch dazu führen, dass alles besser, friedlicher und nachhaltiger wird in unserer einmaligen Welt, die sich in Jahrmilliarden ohne Zutun des Menschen zu einem ökologischen und ökonomischen Paradies entwickelt hat, das unsere Lebensgrundlage ist.
    Und dann gibt es ein paar Idioten (oder leider vielleicht auch ziemlich viele), die in ihrem geistigen Niveau auf einer Entwicklungsstufe verharren, die den Sinn des Lebens nur aus einer Verkettung von Macht über andere, Zerstörung, Kriegen, demagogischer Einflussnahme mit religiösen, ethnischen, geographischen und vielen weiteren Wahnvorstellungen sehen. Und die leben nicht nur in Moskau, Peking, Pjöngjang und Damaskus. Die leben auch mitten unter uns, als Wirtschaftsführer, Politiker, Militärs, als Egoisten und Ignoranten, die nicht erkennen wollen, dass die Freiheit des Einzelnen da aufhört, wo sie die Freiheit eines anderen beeinträchtigt.
    Nur ist die Gefahr, dass diese Idioten in ihrem Wahn die gesamte Welt zerstören und die Menschheit vernichten, mit der Zeit immer größer geworden, weil eben die Wunderwerke der Menschheit auch deren völlige Vernichtung ermöglichen. In der Frühzeit der Menschheit hat ein Idiot einem anderen einen Stein an den Kopf geworfen. Das hatte für die nicht Beteiligten keine große Auswirkung. Heute, wo sogar das „Gleichgewicht des Schreckens“ wankt, ist die Gefahr der globalen Zerstörung real.
    Bis Ende November dieses Jahres kann man sich in Trier in der fantastischen Landesausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“ wunderbar anschauen, dass dies alles nur eine Wiederholung einer Entwicklung ist, die als Vorlage eigentlich abschreckend genug sein müsste: Eine Hochkultur in einer Entwicklungsstufe die nahezu unserer Moderne entspricht, vernichtet sich selbst, weil die damals agierende Idiotengruppe in ihrem Wahn zielgenau darauf zuführt.
    Natürlich muss man in der derzeitigen Situation alles tun, um den aktuell Aktivsten der heutigen Idiotengruppe zu bremsen und zur Einsicht zu bringen. Und das ist bei einem der nur die Sprache der Macht beherrscht, leider nur mit Gegenmacht, militärischer Stärke und Zerstörung möglich. Aber die anfängliche Schuld an diesem Krieg in der Ukraine liegt bei der Gesamtheit der Idiotengruppe. Und deshalb müssen parallel zu dem bestehenden Konflikt diejenigen die sich für eine bessere, friedliche und nachhaltige Welt einsetzen, gemeinsam alle diplomatische Kraft einsetzen, diesen Konflikt friedlich und nachhaltig zu lösen!

  12. Der Beitrag vom Ex-Diplomaten von der Schulenburg hat mich nicht überzeugt! Dass Putin bereits im März ernsthaft bereit gewesen sein soll, seine Besatzungstruppen abzuziehen und die territoriale Integrität der Ukraine „weitgehend“ wieder herzustellen, wenn sich die Ukraine im Gegenzug zur Neutralität verpflichtet, auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichtet und zusagt, keiner ausländischen Macht Militärstützpunkte auf ihrem Hoheitsgebiet zu erlauben, dafür gab es für mich keine Anzeichen! Kein Politiker, der mit Putin telefoniert (z.B. Macron und Scholz) oder ihn besucht hat (UN-Generalsekretär Guterres), hat sich zuversichtlich zu einer Verhandlungslösung geäußert!
    Zum damaligen Zeitpunkt wäre das aus Putins Sicht auch völlig unlogisch gewesen: Seine Truppen befanden sich fast überall noch auf dem Vormarsch, vor allem im Osten und Süden der Ukraine. Keines seiner Kriegsziele hatte er bis dato erreicht, weder die Entnazifizierung noch die Entmilitarisierung der Ukraine. Eine Neutralität der Ukraine hätte er ohne Krieg mit der Rückgabe annektierter Gebiete viel einfacher erreichen können. Wobei sich die Ziele Neutralität der Ukraine einerseits und Entnazifizierung und Entmilitarisierung andererseits widersprechen. Denn Entnazifizierung nach Putinscher Lesart hätte bedeutet, dass die ‚Naziclique‘ um den jüdischen Präsidenten Selensky durch einen lupenreinen Nichtnazi von Putins Gnaden ersetzt worden wäre. Und weil es dieser auch in einer entmilitarisierten Ukraine mit ‚Widerstand von Nazis‘ gegen die ‚russischen Befreier‘ zu tun gehabt hätte, wäre ihm Putin bereitwillig militärisch zu Hilfe gekommen! Auf solche Spielchen konnten sich die Ukraine und der Westen nicht einlassen!
    Klar ist für mich, dass es nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands allenfalls zu einer Nichtmitgliedschaft der Ukraine in der NATO kommen kann, um russischen Sicherheitsinteressen Rechnung zu tragen, dass aber, um auch ukrainische Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen, es nicht ausreichen wird, wenn Russland sich verpflichtet, die territoriale Integrität der Ukraine zu achten und die UN eine diesbezügliche Garantieerklärung abgibt. Dazu bedarf es eines robusten Mandats anderer Staaten, unter denen zwingend auch NATO-Staaten sein müssten! Klar muss außerdem sein, dass eine souveräne Ukraine Mitglied der EU werden kann!
    Das Getreideabkommen ist mitnichten ein Beleg für Russlands grundsätzliche Bereitschaft zu Verhandlungen! Im Gegenteil: Russland war zu diesen Verhandlungen nur bereit, weil der Preis des Getreideembargos, der Ansehensverlust Russlands in den auf Getreidelieferungen angewiesenen Staaten, vor allem in Afrika, auf deren Unterstützung oder zumindest Neutralität Russland so sehr angewiesen ist, höher war als der Nutzen des Embargos in Gestalt fehlender Exporterlöse für die Ukraine.
    Ja, es ist unerträglich, das durch den Krieg verursachte menschliche Leid hilflos mit ansehen zu müssen. Nur werden wir künftiges menschliches Leid nicht dadurch verhindern, dass wir Putin signalisieren, dass er nur einen brutalen Krieg gegen die Zivilbevölkerung führen muss, wenn er seine Ziele schnellstmöglich erreichen will! Welches Leid den Menschen in den von Russland annektierten Gebieten droht, vielleicht lebenslang, thematisieren Juli Zeh und Elisa Hoven mit keinem Wort!
    So traurig es ist, ein Ende des Krieges erwarte ich erst, wenn Putin und seine Umgebung erkennen, dass die „Kosten“ dieses Krieges den „Ertrag“ bei weitem übersteigen!

  13. Ich warne davor, dass sich der Westen als schwach erweist. Moskau wird immer Komplotte starten. siehe Roger Waters von Pink Floyd und Manipulierung vom unberechenbaren Erdogan. Warnt uns nicht vor Folgen, sagt uns lieber, dass ihr immer wieder Lösungen findet, damit wir weiter bestehen, Herr Habeck. Sie sind zwar ein Anfänger, aber schlau genug. denke ich, um uns Auswege aus der Krise zu zeigen, und nicht den Verängstigten zu mimen und diese Angst zu verbreiten. Sie tragen nun mal Verantwortung für die ganze deutsche Gesellschaft. Machen Sie ihr Mut! Und sagen Sie ihr, dass Sie alles tun werden, damit Putin sie nicht weiterhin behelligt.

  14. Die Mutter der Historik ist die verlässliche Quelle. Sie ist auch die Mutter des guten Journalismus. Michael von der Schulenberg nennt keine Quelle für seine Behauptung, dass und wie das Nato-Treffen vom 23. März die Friedensverhandlungen torpedierte. Alle Meldungen Ende März lauten dahingehend, dass die Ukraine bei den Verhandlungen bereit war, neutral zu bleiben und auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten. Dass der Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft durch eine Volksabstimmung bestätigt werden sollte, ist angesichts der Verankerung dieses Ziels in der Ukrainischen Verfassung seit dem 7. Februar 2019 nachvollziehbar. Mir ist kein Bericht bekannt, dass die Nato die Ukraine genötigt hätte, ihre Position zu verändern. Nach dem 29. März waren aber Butscha und Mariupol.
    Den Text von Michael von der Schulenburg konnte man vor dem Abdruck in der Frankfurter Rundschau auch bei „Emma“, in den „Petersburger Dialogen“ und auf den „Nachdenkseiten“ lesen. Besonders die letzte Quelle sollte nachdenklich machen. Die „Nachdenkseiten“ haben nach Meinung von Matthias Meisner vom „Tagesspiegel“ eine Nachfolgerolle für „Russia Today“ bei der pro-russischen Propagandatätigkeit eingenommen. Laut dem deutsch-polnischen Historiker und Journalisten Thomas Dudek sind sie zu einer „verschwörungsideologischen Publikation verkommen“ (siehe Wikipedia).
    Obwohl ich Anhänger der Friedensbewegung bin und unbedingt dafür, alle möglichen diplomatischen Schritte zu einem Frieden hin zu gehen, befällt mich bei der Lektüre des Artikels von Schulenberg ein großes Unbehagen: Cui bono? Vielleicht möchte die Frankfurter Rundschau die Artikel in der Rubrik „Friedensfragen“ kommentarlos stehen und wirken lassen. Hier wäre jedoch ein kritischer und hinterfragender Kommentar dringend nötig.

  15. Es ist verdienstvoll, dass die FR verschiedene Positionen zum Ukrainekrieg unter der Rubrik ‚Friedensfragen‘ dokumentiert. Der Beitrag von M von Schulenburg steht für die Position, die auch in der traditionellen Friedensbewegung vertreten ist. Die inhaltliche Aussage des Artikels ist anschlussfähig nach links wie rechtsaußen. Kernaussage ist: Der Krieg hätte verhindert bzw. schnell beendet werden können, wenn nicht die USA bzw. die NATO die Friedensverhandlungen aus hegemonialen Interessen torpediert bzw. die Ukraine genötigt hätten, diese abzubrechen. Hätte man die Neutralität der Ukraine zugelassen, so wäre der Krieg zuende gewesen. Mit diesem einfachen Narrativ ist man schon fast im putinschen Weltbild angelangt. Man vermisst auf den ersten Blick eine klare Einordnung des Kriegs als verbrecherischen Angriffskrieg, kein Wort findet sich dazu, eine markante Leerstelle für einen, der als Diplomat in der UN tätig war. Schulenburgs Narrativ ist zudem zu verkürzt, um diesen Völkerrechtsbruch und seine Ursachen zu verstehen. Es fällt auf, dass weder Schulenburg noch andere im Lager der Friedensbewegung eine profunde Analyse der großrussisch-revisionistischen Ideologie Putins noch die klar faschistische Struktur des Putin-Staates in ihre Überlegungen einbeziehen. Und diese Ziele sind die Auslöschung des ukrainischen Staates und die Revision der postsowjetischen Staatsordnung in Osteuropa. Putin hat ausreichend klar bewiesen, dass er keinerlei Verhandlungen will oder Friedensschlüsse auf Dauer akzeptieren wird. Er wird nur nach einem militärischen Sieg der Ukraine aufgeben.

  16. Die Menschheit wird nur mit Solidarität und nicht mit Konfrontation überleben! Wir müssen uns darüber klar werden, dass wir nur in einer atomwaffenfreien Welt eine Zukunftschance haben, in der wir von der Dauergefahr befreit sind, dass eines Tages ein Wahnsinniger, der seinen Geisteszustand bis dahin sorgfältig verborgen hat, eine oder mehrere Atombomben wirft. Die ganze Menschheit muss zu einer Zusammenarbeit in Eintracht finden, statt sich mit Atombomben zu bedrohen. Solange dieser Zustand nicht erreicht ist, hängen wir sieben Milliarden über dem Abgrund des Menschheitstodes. Wladimir Putin spielt jetzt schon mit dem Atomknopf!
    Wir Weltbürger haben uns mit Schande bedeckt,weil wir zugelassen haben, dass unsere Mächtigen Jahr für Jahr über zwei Billionen Dollar für den Krieg ausgeben, um untergegangene Reiche in alter Größe wiederauferstehen zu lassen,während drei Milliarden Menschen hungern und neunzig Millionen auf der Flucht sind! Ist das das Produkt der guten Zusammenarbeit der UN–Generalversammlung? Dieser Zustand bedarf der Abhilfe! Die Generalversammlung der Vereinten Nationen ist aufgefordert, zu handeln! Fangen Sie endlich an, zu einer nützlichen Einrichtung zu werden! Es gilt, dass Hass, Tod und Verderben bringende Prinzip des Nationalismus durch das Prinzip der globalen Solidarität zu ersetzen, wenn wir wollen, dass unsere Ungeborenen eine Zukunft haben sollen!
    Möge der deutsche Bundeskanzler den Einfall und die Überzeugungskraft haben, die Mächtigsten der Welt, die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates, nämlich die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich dazu zu bewegen, dem Rest der UNO–Mitgliedstaaten mit gutem Beispiel voranzugehen, indem sie beschließen:
    „Wir, die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates,wollen hinfort das 1945 in der Präambel der Charta der Vereinten Nationen niedergelegte und von uns unterschriebene Versprechen, das da lautet: „Wir, die Völker der Vereinten Nationen,fest entschlossen, künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren,wollen zu diesem Zweck zusammenarbeiten!“ nach 77- jähriger ununterbrochener Mißachtung endlich damit beginnen, es zu erfüllen. Hierzu wollen wir uns künftig vom Streben nach nationaler Größe, das uns so viel Unglück gebracht habt,verabschieden und zum Prinzip der globalen Solidarität übergehen,mit gewaltlosen Methoden unsere Konflikte lösen und damit

  17. Ich habe heute die vier Beiträge vom 29.10. im FR Forum zu dem Schulenburg-Artikel vom 21.10. gelesen. Auch ich melde mich dazu nochmal zu Wort, weil ich der Meinung bin, dass zwei Aspekte im Schulenburgschen Artikel und auch in der folgenden Diskussion viel zu wenig beachtet wurden.
    Der wichtigste ist, was will eigentlich die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung selbst? Das und nicht die Wünsche und Ziele Außenstehender, sollte m.E. der zentrale Punkt bei der Beurteilung des Konflikts und der Haltung der Demokratien dazu sein. Nach meiner Kenntnis der Einzige, der sich ansatzweise mit dieser Frage beschäftigt hat, war Henry Kissinger in seiner Stellungnahme zur Russischen Krimbesetzung 2014, auf der ja Schulenburgs Artikel offenbar zumindest in Teilen basiert.
    Nach allem, was ich bisher erfahren konnte, will die Mehrheit der Ukrainer nicht von Putin und seinem undemokratischen System beherrscht werden, andernfalls würden sie sich nicht so heftig dagegen wehren.
    Zweiter Punkt, der bei Schulenburg überhaupt nicht und in den meisten Stellungnahmen zu selten angesprochen wird, ist die Tatsache, dass es sich bei dem Putin-Regime um ein System handelt, das sich in den letzten Jahren immer stärker in eine Gewaltherrschaft entwickelt hat, die den Vergleich mit Protagonisten, wie Lenin, Stalin und einigen der russischen Zaren „nicht scheuen muss“ , in Kombination mit dem Umstand, dass in diesem System aktuell die Fähigkeit zu rationalem Denken offensichtlich stark unterentwickelt ist. Der letztgenannte Punkt ist der wesentliche Unterschied zur Kubakrise.
    Interessant, wäre in dem Zusammenhang natürlich auch, zu erfahren, wie eigentlich die Mehrheit der Russen über den Konflikt denkt, und unter welchen Voraussetzungen die Mehrheit der russischen Bevölkerung den Krieg ablehnen würde, sobald sie eine Möglichkeit hätte diese Meinung zu äußern, ohne staatlichen Repressalien fürchten zu müssen? Teile der Wehrpflichtigen stimmen derzeit ja offenbar mit den Füßen ab, indem sie sich dem Zugriff der Armee durch die Flucht ins Exil entziehen.
    Ich denke, es bleibt dem Westen aktuell nichts anderes übrig, als die Ukrainer so lange konsequent bei ihrem Abwehrkampf zu unterstützen, bis auch die Mehrheit der russischen Bevölkerung merkt, dass Putins Weg der falsche ist und sie (wahrscheinlich aber nicht nur sie) mit großer Wahrschein-lichkeit ins Verderben führen wird.

  18. Man kann nur erstaunt sein, dass ein ehemaliger Diplomat, der eigentlich mit der Analyse zwischenstaatlicher Beziehungen vertraut sein sollte, eine komplexe Situation, wie den Ukraine-Krieg derartig verkürzt darstellt. Er bringt es auf die schlichte Formel, dass Russland zwar die Schuld für den Beginn des illegalen Krieges trage, die Nato aber für die Verlängerung des Krieges verantwortlich sei. Liegt es denn an der Nato, dass in der Ukraine permanent zivile Ziele und Infrastrukturein-richtungen bombardiert werden? Genauso einfach, wie die Schuldzuweisung erfolgt, so verein-facht stellt von der Schulenburg die Lösung des Konfliktes dar: Mit der Umsetzung der Neutralität der Ukraine hätte der Krieg bereits im März beendet werden können. Die diplomatischen Bemü-hungen, die in diese Richtung gingen, seien aber durch die „Nato/US-Politik“ torpediert worden. Obwohl diese Behauptung der zentrale Punkt dieses Beitrags ist, wird sie nicht begründet oder belegt.
    Sicherlich ist es richtig, dass eine Friedenslösung nur dann zustande kommen kann, wenn auch Russlands Sicherheitsinteressen angemessen berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang wäre eine neutrale Ukraine sicher eine Option. Aber darum geht es Putin ja gar nicht. In seinen wiederholten Äußerungen hatte er deutlich gemacht, dass er den Krieg begonnen hat, weil er der Ukraine das Existenzrecht abspricht und dieses Land in die russische Föderation integrieren will. Hierüber wird in dem Artikel kein Wort verloren.
    Bemerkenswert ist auch, dass es in diesem Artikel an keiner Stelle um die Interessen der Ukraine geht. Der Wunsch, in die EU und die Nato aufgenommen zu werden resultiert ja gerade aus der Bedrohungssituation, die Russland mit der Annexion der Krim und dem Angriff auf den Donbas geschaffen hat.
    Wenn man einmal unterstellt, dass eine Neutralität der Ukraine Russland zu einem Friedensschluss bewegen würde, müsste geklärt werde, wie dieser neutrale Status aussehen soll. Es ist sicher nicht damit getan, dass sich die Konfliktparteien auf eine Neutralität verständigen. Die Ukraine braucht vielmehr Sicherheiten, die ihre Existenz und Souveränität dauerhaft gewährleisten. Aber welche geopolitische Macht wäre in der Lage, diese zu garantieren? Leider hat die Ukraine mit solchen Zu-sagen bereits sehr schlechte Erfahrungen gemacht: In dem Budapester Memorandum hatten sich Russland, die USA und das Vereinigte Königreich verpflichtet, als Gegenleistung für den Nuklear-waffenverzicht die Souveränität und die Grenzen der Ukraine zu achten. Das Ergebnis sieht man jetzt. Russland hat diese Vereinbarung gebrochen, die beiden anderen Staaten habe Russland ge-währen lassen.
    Wie soll nach diesen Erfahrungen und nach Putins Plänen, die Ukraine in die Russische Föderation zu integrieren, eine stabile Neutralität erreicht werden? Oder anders gefragt: Wie kann überhaupt eine Friedenslösung aussehen, bei der auch die Interessen der Ukraine an einem sicheren und souveränen Staat gewährleistet werden?

  19. Der Autor meint implizit, ein „militärischer Sieg“ der Ukraine, das heißt ja nichts anderes als die Wiedergewinnung der territorialen Integrität, sei angesichts einer heutigen Welt der Massenvernichtungswaffen nicht möglich. Hier eine historische Parallele: in den Siebzigern haben wir ja doch nicht gesagt, Vietnamesen, gebt auf und geht heim, die USA sind allmächtig, sondern wir haben uns auf die Seite der Vietnamesen gestellt. Wir kennen den Ausgang.
    Auch vergleicht der Autor, was Russland geopolitisch will und was die USA wollen, und stellt sich auf die Seite Russlands. Ja ist denn nicht die erste und entscheidende Frage, was die Ukrainer wollen? Dazu nichts vom Autor.
    Was die Einkreisungsthese angeht: Kein NATO-Staat hat je Anspruch auf russisches Territorium erhoben; „bedroht“ ist Russland nicht, sondern im übergriffigen Handeln eingeschränkt durch eine NATO, in die die Staaten Osteuropas auf Antrag eingetreten sind, um sich vor weiterem kolonialen Zugriff Russlands zu schützen. Und mit wem die Ukraine in Zukunft Bündnisse eingehen wird, ist der Ukraine überlassen. So ist das in den UN-Völkerrechtskonventionen, der Schlussakte von Helsinki, in der Charta von Paris und im NATO-Russland-Pakt von 1997 geregelt. Von dem Autor hätte ich mir einen Bezug auf die UN-Völkerrechtskonvention und zu den bestehenden Verträgen, die ja auch Russlands Grenzen garantieren, erwartet.
    Frieden und Freundschaft in (Ost-)Europa gibt es erst, wenn den osteuropäischen Staaten definitiv keine Einverleibung und Zwangsrussifizierung durch Russland mehr droht und die Völker sich versöhnen; dazu müsste eine russische Regierung wegen seiner historisch üblen kolonialen Praxis gegenüber Polen, Balten und Ukrainern diese Völker ehrlich um Vergebung bitten, Friedensverträge mit jedem dieser Länder anbieten und Reparationen und Wiedergutmachung für die Ukraine betreiben.

  20. Zur Zuschrift von Christoph  Kupferschmid am 28.10.
    In der Erklärung des NATO Treffens vom 23.3. werden die seinerzeit laufenden Verhandlungen zwische der Ukraine und Russland (und dem 15 Punkte Programm) mit keinem Wort erwähnt. Man kann das nicht anders deuten, als dass diese russisch-ukrainischen Verhandlungen  offensichtlich keine Rolle spielen sollten. Gleichzeitig wird in der Erklärung der bedingungslose Rückzug Russlands aus allen ukrainischen Gebieten gefordert. Diese Haltung fügt sich nahtlos in die NATO/USA Strategie der Osterweiterung ein (siehe Brzezinski 1997, „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“)
     
    Es ist eine mittlerweile üblich gewordene Form geworden, eine nicht genehme Argumentation anderweitg zu diskreditieren. Ich finde, diesem Ziel dient hier die Ausführungen zu den „Nachdenkseiten“ Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass es garnicht um die Auseinandersetzung mit einer Argumentation, sondern nur um deren Abwertung geht.
     
    Von Schulenburg gibt es genug Ausführungen, die klar deutlich machen, dass es ihm um Möglichkeiten zur Beilegung des Ukraine Konfliktes geht. Wer der Argumentation in seinen Veröffentlichungen zum Ukraine Konflikt folgt, wird wohl kaum auf die Idee kommen, er wäre „fast“ ein Putin Sympathisant. Aber er ist eben keiner, der im Gut-Böse-Schema verfangen ist, welches derzeit bei den politischen Protagonisten aller beteiligten Seiten eine Verhandlungslösung verhindert. Die Folgen sind unsägliches Leiden auf dem Schlachtfeld und russisches Roulette mit der Atomkriegsgefahr.
     
     

  21. Zur Zuschrift von Herbert Kramm-Abendroth:
    Schulenburg benennt sowohl die Rolle Russlands als auch die der NATO bei dieser Katastrophe. Es gibt keine „Leerstelle“. Wichtig ist aber: Ihm geht es   um eine Lösungsmöglichkeit,  das Schlachten zu beenden. Dazu ist es nicht dienlich, Partei zu ergreifen: Welches Großmachtstreben ist hier gut, welches böse? Das sind zwei unterschiedliche Perspektiven – Partei-sein ermöglicht keine Lösungsmöglichkeit, nur das Streben nach einem „Sieg“.
     
    Schulenburg sieht die Ursache für den Konflikt eben im strategischen Machtkampf im eurasischen Raum (siehe wie oben Brzezinski 1997). Eine „Rechtfertigung“ für ihre Macht- und Gebietsansprüche sucht sich jede Form von Imperialismus zusammen. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal Putins. Und ich denke, Herr Kramm- Abendroth kennt selbst ebenfalls genügend Beispiele, um das zu erkennen. Im Ukraine Konflikt geht es der NATO und der USA angeblich um die Verteidigung von Freiheit und Demokratie. Die Ukraine war auch vor Kriegsbeginn alles andere als ein demokratischer Staat.
     
    Ganz offensichtlich einäugig blind ist die Äußerung Kramm-Abendroths, (allein) Putin hätte „klar bewiesen, dass er keine Verhandlungen“ wolle. Tatsächlich setzen beide Seiten auf Vorteil oder Sieg – als Ausgangsbasis für „erfolgreiche Verhandlungen“. Natürlich mit der Rechtfertigung, die je andere Seite würde Verhandlungen verhindern.
     
     

  22. Zur Zuschrift von Erwin Beck:
    Die von Erwin Beck bezweifelte Haltung Russlands in Bezug auf die Ukraine ist nicht neu. Russland hat schon immer darauf bestanden, dass die Ukraine einen neutralen, nicht gegen Russland gerichteten Status bzw. nicht gegen Russland gerichtete Haltung  haben soll. Die Annektionen erfolgten aus dem Grund, dass NATO/USA keinen Zweifel daran gelassen haben, dass sie dem nie entsprechen wollten. Es gab in den Jahrzehnten unzählige  „Anzeichen“ für diesen Standpunkt Russlands in Bezug auf die Ukraine. Angela Merkel kommentierte kürzlich das Beitrittsangebot der NATO an die Ukraine und Georgien in  2008. Sie sei sich sicher gewesen, dass Putin einen solchen Beitritt als Kriegsgrund gewertet hätte. Das hat die NATO nicht daran gehindert, die Osterweiterung und die Kooperation mit der Ukraine unterhalb der Beitrittsschwelle stetig voranzutreiben.
    Als normaler Mensch lehne ich diese sich gegenseitig ausschließenden geostrategischen Machtansprüche – sowohl von Russland als auch von den USA/der NATO –  als ungemein gefährlich und menschenfeindlich  angewidert ab. Denn es ist unerträglich, wie Erwin Beck schreibt, das (letztlich daraus folgende) menschliche Leid in der Ukraine hilflos mit ansehen zu müssen. Es ist ein monströseres Verbrechen, einen Krieg anzuzetteln. Dafür kann es keinerlei Rechtfertigung geben. Dieser Krieg ist aber eingebettet in den geopolitischen Streit um die Vormacht im eurasischen Raum, den Russland mit der USA und der NATO führt. Es ist für mich nicht haltbar zu leugnen, dass dieser russische Krieg durch die unnachgiebige Haltung von USA und die NATO sehenden Auges riskiert

  23. zu @ Joachim Reinhardt
    Könnten sie mir bitte kurz erklären warum Gazprom Deutschland im Sommer 21 die Gasspeicher bei uns leer gefahren hat.

  24. Wir sind uns doch wohl einig darin, dass die Suche nach Möglichkeiten für einen Frieden im Ukrainekrieg zigfach wichtiger ist als alle Ausführungen über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieses Krieges. Mein Beitrag am 24.10. über den Beitrag von Schulenburgs in meiner Zeitung sollte allein den bisherigen Bemühungen eines Friedens und den Lehren daraus dienen, ob und wie ein Frieden noch möglich ist. Leser Ewald (Beiträge vom 12. und 20.10) weist richtig auf Artikel 1 des NATO Statuts hin „jeden internationalen Streitfall, an dem sie (die Mitglieder) beteiligt sind, auf friedlichem Weg so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten.“ Das hat die NATO bisher nicht  getan. Unter diesem Aspekt betrachte ich die Ausführungen von Schulenburgs. Angesichts dessen Leben und Integrität verwundert es, dass Herr Kupferschmid (28.10.) sie offensichtlich anzweifelt, sei sie doch bereits z. B. in den ‚Nachdenkseiten‘ (ein Medium, das seit Jahrzehnten gute kritische Beiträge bringt) veröffentlicht wurden, und, welche Überraschung, von (irgend)einem Journalisten schon als Nachfolger von ‚Russia today‘ gesehen werden. Wohl gegen den Beitrag von Schulenburgs führt auch Herr Kupferschmid an: ‚Alle Meldungen Ende März dahingehend lauten, dass die Ukraine bei den Verhandlungen bereit war, neutral zu bleiben und auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten‘. Doch der Wunsch nach Neutralität und Verzicht auf die NATO widerspricht doch den Ausführungen von Schulenburgs gar nicht. Dazu passt besser die Feststellung von Herrn Herrn Ewald (12.10.): Da der Ukraine-Krieg in den Augen der US-Regierung vor allem durch die Brille der eigenen geopolitischen Interessen in der Systemauseinandersetzung mit Russland und China gesehen wird, geht es für die USA ………..erneut um den Nachweis der eigenen Überlegenheit, der Inszenierung eigner Vorherrschaft und Stärke. Zur Friedensfrage trägt auch die Bemerkung von Herrn Kramm-Abendroth, dass die  inhaltliche Aussage von Schulenburgs Beitrag anschlussfähig nach links wie rechtsaußen sei, nichts bei. Leider gilt das auch für die Argumentation von Herrn Dörper (31.10.), dass ‚der wichtigste (Aspekt) sei, was eigentlich die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung selbst will. Das und nicht die Wünsche und Ziele Außenstehender, sollte m.E. der zentrale Punkt bei der Beurteilung des Konflikts und der Haltung der Demokratien sein.‘ Daher müssen wir doch fragen, was auf den Krieg folgt. Die Annahme, dass Putin nach vielleicht langen Jahren die Oberhand behält und einen quasi Frieden diktiert, will ich mir angesichts des bis dahin dauernden Leids der betroffenen Menschen nicht vorstellen. Angenommen aber, Russland muss klein beigeben? Wird die Ukraine neutral? Und das in Grenzen, die sie sich selbst steckt? Wird sie dann doch Mitglied der Nato, was diese ja bisher abgelehnt hat? Wenn wir die Menschen dort fragen, wird uns sicher nur eine Antwort zuteil: Wir wollen friedlich in einer Demokratie leben. Das Alles lässt nur Verhandlungen für einen Frieden als einzige vernünftige Alternative zu. Wenn sie nach den Vorstellungen der USA und/oder in Telefonaten einzelner Staatmänner ablaufen, wird es keine Lösung geben. Da die UN auch hier ohne jeden Einfluss ist, bleibt nur die EU als Einheit. Geschlossen dürfte sie für Russland ein gewichtiger, weniger vorbelasteter und daher akzeptabler Gesprächspartner sein. 

  25. Ich habe die vier Beiträge zu dem Schulenburg-Artikel gelesen. Ich melde mich dazu, weil ich der Meinung bin, dass zwei Aspekte im Schulenburgschen Artikel und auch in der folgenden Diskussion viel zu wenig beachtet wurden.
    Der wichtigste ist: Was will eigentlich die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung selbst? Das – und nicht die Wünsche und Ziele Außenstehender – sollte m.E. der zentrale Punkt bei der Beurteilung des Konflikts und der Haltung der Demokratien dazu sein. Nach meiner Kenntnis der Einzige, der sich ansatzweise mit dieser Frage beschäftigt hat, war Henry Kissinger in seiner Stellungnahme zur russischen Krimbesetzung 2014, auf der ja Schulenburgs Artikel offenbar zumindest in Teilen basiert.
    Nach allem, was ich bisher erfahren konnte, will die Mehrheit der Ukrainer nicht von Putin und seinem undemokratischen System beherrscht werden, andernfalls würden sie sich nicht so heftig dagegen wehren.
    Zweiter Punkt, der bei Schulenburg überhaupt nicht und in den meisten Stellungnahmen zu selten angesprochen wird, ist die Tatsache, dass es sich beim Putin-Regime um ein System handelt, das sich in den letzten Jahren immer stärker in eine Gewaltherrschaft entwickelt hat, die den Vergleich mit Protagonisten wie Lenin, Stalin und einigen der russischen Zaren „nicht scheuen muss“ , in Kombination mit dem Umstand, dass in diesem System aktuell die Fähigkeit zu rationalem Denken offensichtlich stark unterentwickelt ist. Der letztgenannte Punkt ist der wesentliche Unterschied zur Kubakrise.
    Interessant wäre in dem Zusammenhang natürlich auch, zu erfahren, wie eigentlich die Mehrheit der Russen über den Konflikt denkt und unter welchen Voraussetzungen die Mehrheit der russischen Bevölkerung den Krieg ablehnen würde, sobald sie eine Möglichkeit hätte, diese Meinung zu äußern, ohne staatliche Repressalien fürchten zu müssen? Teile der Wehrpflichtigen stimmen derzeit ja offenbar mit den Füßen ab, indem sie sich dem Zugriff der Armee durch die Flucht ins Exil entziehen.
    Ich denke, es bleibt dem Westen aktuell nichts anderes übrig, als die Ukrainer so lange konsequent bei ihrem Abwehrkampf zu unterstützen, bis auch die Mehrheit der russischen Bevölkerung merkt, dass Putins Weg der falsche ist und sie (wahrscheinlich aber nicht nur sie) mit großer Wahrscheinlichkeit ins Verderben führen wird.

  26. Von den Friedensverhandlungen im März, die Martin von der Schulenburg gefallen, hieß es bisher, sie seien von russischer Seite belanglos gewesen. Sein Friedensziel für die Ukraine sind Gebietsverlust und Ende der außenpolitischen Entscheidungsfreiheit. Seine Sicht klammert mit der „Anerkennung russischer Sicherheitsinteressen“ die der Nachbarn aus. Und sie ist weltfremd, weil: Der russische verdeckte Krieg gegen die Ukraine seit 2014 und der offene seit Februar erwies deren Verzicht auf die überkommenen sowjetischen Atomwaffen als falsch. Und den Beitritt anderer osteuropäischer Lander zur Nato als Verteidigungsbündnis als richtig.
    Der Binnenstaat Russland wird immer von anderen Mächten eingekreist sein, ebenso wie Deutschland. Beide haben keinen Anspruch, Nachbarn als Pufferstaaten herabzusetzen. Die Regierung Jelzin erklärte, sie füge sich der Nato-Erweiterungt. Und überlegte laut den eigenen Beitritt.
    Die jetzige rechtsradikale russische Regierung missachtete mehrfach das Völkerrecht und zwischenstaatliche Zusagen. Daher hätte der „15-Punkte-Entwurf für ein mögliches Friedensabkommen“ vom März sich als Waffenstillstand erweisen können, um mit neu geordneter Streitmacht wuchtiger auf die Ukraine los zu gehen. Denn das erklärte Ziel ist, diese zu unterwerfen und Russland einzugliedern und die gewählte Regierung zu beseitigen.
    Gelänge das, so ist gemäß zarosowjetischem Brauch zu rechnen mit Liquidieren von Führungskreisen, Deportation Einheimischer und Ansiedlung von Russen – wie auf der Krim.
    Zu Friedensverhandlungen gehören Reparationen und Demilitarisieren. Ein Beitrag dazu wäre der Übergang des stalinistischen Vorpostens im untergegangenen Ostpreußen an einen Nachbarstaat.
    Die Hauptsache ist: Frieden in Europa gibt es nur mit Russland? Ja, mit einem friedfertigen, nicht mit einem nationalistischen und imperialen. Dazu muss sich Russland im Inneren gründlich ändern.

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