Unter dem Hashtag #allesdichtmachen haben rund 50 namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler in ironischer Weise, wie sie meinen, in kurzen Videoclips die Pandemiepolitik der Bundesregierung kritisiert. Beispiel: Bei Heike Makatsch („Neun Tage wach“) klingelt’s an der Wohnungstür, doch sie sagt lächelnd in die Kamera: „Ich mach nicht auf.“ Denn es sei so wichtig, dass wir jetzt zumachen. Wie sie das spielt – richtig komisch. Trotzdem hat sie, wie auch Richy Müller und Ulrike Folkerts, ihren Videobeitrag inzwischen zurückgezogen und sich von der Aktion distanziert: „Ich habe durch Kunst und Satire den Weg gewählt, die Veränderung unserer Gesellschaft aufzuzeigen und Raum zu schaffen, für einen kritischen Diskurs. Wenn ich damit rechten Demagogen in die Hände gespielt habe, so bereue ich das zutiefst.“
Damit ist das Problem angesprochen, das mit den Clips einherging: Beifall kam vorwiegend aus der rechten Ecke. Die AfD applaudierte, der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ebenfalls, die rechte Hetzseite „PI-News“ rief „Chapeau!“ Wenn die Rechten so massiv aufspringen, könnte man meinen, läuft was schief. Ist „#allesdichtmachen“ Wasser auf die braunen Mühlen der „Querdenker“? So kommentierte auch die FR in Gestalt von FR-Redakteur Stephan Hebel. Aber könnte es nicht sein, dass die Demokratiefeinde etwas falsch verstanden haben? Wäre nicht das erste Mal, dass sich herausstellt: So einfach ist es mit der Satire nicht. Auch Bernd Höcke* hatte seine Probleme damit, die Ironie zu verstehen, mit der das Zentrum für politische Schönheit ihm in einer Kunstaktion den Erweiterungsbau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas vor die Nase stellte, daheim im thüringischen Eichsfeld.
Möge sich eine jede und ein jeder von Ihnen selbst ein Bild machen – hier ist der Link zum Youtube-Kanal von #allesdichtmachen, über den alle verbliebenen Videos aufrufbar sind. Dazu gibt es eine „Erklärung“ auf allesdichtmachen.de. Ich habe drei Clips rausgesucht, die ich für gelungen halte – auch als Diskussionsbeiträge zur Coronapolitik. Volker Bruch („Babylon Berlin“) sinniert zum Beispiel darüber, dass er Angst kriegt, weil er in letzter Zeit immer weniger Angst hat, und fordert die Regierung auf: „Macht uns mehr Angst!“ Thorsten Merten (oft im TV, etwa 2020 im „Tatort: Die Ferien des Monsieur Murot“) fragt: „Kann die Bundesregierung nicht dafür sorgen, dass wir alle in Villen leben“, um größtmöglichen Abstand zueinander halten zu können? Und Ulrich Tukur (eben jener Monsieur Murot) kommt zu der Schlussfolgerung, dass alles, wirklich alles zugemacht werden müsse, auch die Wochen- und Supermärkte – denn erst, wenn wir nicht nur an der Seele, sondern auch am Leib verhungert seien, könnten wir das Virus besiegen. Böse? Jawohl!
Das sind drei Beispiele für veritable Satire im Rahmen dieser Aktion, die mit den klassischen Satiremitteln der Übertreibung und der Verkehrung ins Gegenteil arbeiten. Wenn Volker Bruch sagt: Macht uns mehr Angst!, meint er dann nicht vielleicht das Gegenteil: Nehmt uns die Angst? Zugleich schreibt er die Angst von der Tafel. Angst ist verbreitet, die Pandemie macht Angst. Thorsten Mertens‘ Kapitalismuskritik klingt nur scheinbar naiv, und Ulrich Tukurs Suada erinnert an den alten Sponti-Spruch: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann. (…) Aber warum applaudieren AfD und Hans-Georg Maaßen? Was haben sie nicht verstanden?
Nun kommt Jan Josef Liefers ins Spiel, der im Münster-„Tatort“ den Professor Börne spielt. Er bedankt sich in seinem Clip in ironischem Ton „bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben.“ Ein schönes Beispiel dafür, dass es mit der Satire tatsächlich nicht immer ganz einfach ist. Denn was hier als Medienkritik daherkommt, ist einerseits so alt wie die Medien selbst. Ich erlebe bei meiner Arbeit für die FR oft, dass Menschen den Überbringer der Botschaft für die Botschaft verantwortlich machen; seit der Schlacht von Marathon scheint das eine verbreitete (Über-) Reaktion auf schlechte Nachrichten zu sein. Und andererseits – nun, man müsste die zuspitzende Verallgemeinerung (ebenfalls ein Stilmittel der Satire) nur einen Tick weiterdrehen, und Liefers‘ Kritik wäre komprimiert zum Schlagwort „Lügenpresse“. Er spricht auch von „allen Medien dieses Landes“, als hätten sie sich verschworen. Es ist kein weiter Weg zur „Systempresse“ oder zu „gleichgeschalteten Medien“, also zu AfD-Sprech und Pegida. Liefers ist durchaus abzunehmen, dass er sich nicht in einen Kontext mit Rechtsradikalen stellen wollte, aber er hat ganz offensichtlich unterschätzt, wie solche Botschaften im gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs eingeordnet werden – und zwar zu recht eingeordnet werden! Der Rest seines Videos macht es leider nicht besser. Diesen Applaus von rechts konnte Liefers erwarten.
Update 4. Mai, 17 Uhr
Ich mache jetzt etwas Ungewöhnliches: Ich ändere von hier an die Stoßrichtung meines Textes. Die frühere Version wird ganz transparent unter der Überschrift „Die frühere Version“ aufgehoben und kann unten nachgelesen werden. Doch für das Folgende mache ich hier einen Schnitt, denn ich habe meine Meinung unter dem Eindruck neuer Informationen geändert. Der Grund dafür: Die Anzeichen mehren sich, dass #allesdichtmachen keineswegs der mehr oder weniger naive, spontane, aber jedenfalls konstruktiv gemeinte Versuch war, die deutsche Öffentlichkeit aufzurütteln, als der die Aktion dargestellt worden ist. Sondern es scheinen Interessen dahinter zu stecken. Das Ganze ist vermutlich eine politische Aktion, die letztlich, auch wenn das Gegenteil behauptet wird, Berührungspunkte zur „Querdenker“-Szene hat. Das ist nicht verboten. Doch wenn es sich so verhält, sollten die Initiatoren dies sagen, statt so zu tun, als handle es sich um nichts weiter als um eine spontane Reihung von Statements besorgter Idealistinnen und Idealisten.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich trete für das freie Wort und die Freiheit der Kunst ein – aber bitte mit offenem Visier. Jede und jeder kann sich über mich kundig machen, ebenso über meinen Arbeitgeber, über mein Engagement, meine Autorenschaft. Das gilt für die Teilnehmer:innen der Aktion #allesdichtmachen ebenfalls, aber nicht für die Aktion insgesamt. Sie ist intransparent. Aus Vorsatz? Der Schauspieler Volker Bruch („Babylon Berlin“), der einen Clip beigesteuert hat, wird mit dem Satz zitiert: „Wir haben entschieden, nichts über die Aufgabenverteilung preiszugeben, um jeden Einzelnen zu schützen.“ Im Impressum der Webseite allesdichtmachen.de steht der Name Bernd K. Wunder von der „Wunder am Werk GmbH“. Der hat dem NDR-Magazin „Zapp“ gesagt, dass die Schauspieler Volker Bruch, Jan Josef Liefers und der Drehbuchautor und Regisseur Dietrich Brüggemann zu den Initiatoren der umstrittenen Aktion zählen. Aber damit endet die Transparenz bereits.
Daran knüpft sich die Frage an, warum eine Gruppe von Menschen, die angeblich einen klärenden Diskussionsprozess anstoßen wollte, ein solches Geheimnis um sich selbst, die Abläufe, die Produktion und die internen Zuständigkeiten macht. Um einen historischen Vergleich zu bemühen: Die Aktion „Wir haben abgetrieben!“ (Titel des „Stern“ vom 6. Juni 1971) sammelte Statements von Frauen, die mit Gesicht und Namen dafür eintraten, dass sie abgetrieben hatten. Ein Riesenskandal damals – an dem aber alles transparent war bis hin zu den Personen, die im Sinne des Presserechts verantwortlich waren für die Veröffentlichung, und bis hin zu den Initiator:innen, namentlich vor allem Alice Schwarzer. #allesdichtmachen erinnert ein wenig daran – und auch wieder nicht, denn statt mutig das Licht der Öffentlichkeit zu suchen wie die Frauen damals, kommt es den Hinterpersonen von #allesdichtmachen eher darauf an, jeden Einzelnen von ihnen zu „schützen“ – siehe das Bruch-Zitat oben. Man möchte annonym bleiben.
Das ist armselig und feige. Wo ist hier das mutige Einstehen für das Recht auf Meinungsfreiheit? Wer eine Meinung hat, der sollte mit seinem Namen dafür einstehen können. Das tun hier aber nur die Protagonist:innen der Videos, nicht die Leute dahinter. Die lassen sich „schützen“. Was fürchten sie? Was ist mit dem Einstehen für die Freiheit der Kunst, unter deren Mantel sie ihre Aktion entfaltet haben? Die Initiatoren scheinen die Zensurschere freiwillig bei sich selbst im Kopf angesetzt zu haben, anders als zum Beispiel Meret Becker, die sich erst mit einem provozierenden Beitrag beteiligt, diesen dann aber zurückgezogen hatte und das Urteil über ihre Beteiligung pointiert so zusammenfasste: „Jetzt gibt’s auf die Nase“. Und zwar verdient. Die Schere im Kopf – das ist etwas, was „Querdenker“ gern jenen vorwerfen, die in Zeiten der Pandemie aus Überzeugung Solidarität üben.
„Querdenker“ lieben Verschwörungstheorien, agitieren aber offenbar zunehmend selbst klandestin. Also heimlich, im Geheimen, in Netzwerken, die von außen kaum einzusehen sind. Womöglich wusste Mit-Initiator Jan Josef Liefers wirklich nichts davon, dass Mit-Initiator Volker Bruch im März 2021 die Mitgliedschaft in der Partei „Die Basis“ beantragt hat. Das haben die Journalist:innen von Netzpolitik.org recherchiert – hier ihr Artikel. Das legt eine politische Nähe des Schauspielers zum Querdenkermilieu natürlich nahe. Jan Josef Liefers hatte eine in seinen Beitrag „hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern glasklar“ zurückgewiesen. Bruchs Aufnahmeantrag für „Die Basis“ ist noch nicht bewilligt.
Satiriker Jan Böhmermann empfiehlt allen „Corona-Kritikern“ sehr ernst,
sich dieses RBB-Video aus der Charité anzusehen.
Was soll man von solchen Nachrichten halten? Sie scheinen Indizien dafür zu liefern, wie Volker Bruch politisch tickt. Ein irritierendes Detail ist auch das ärztliche Attest, das Bruch von der Maskenpflicht am Set von „Babylon Berlin“ befreit und damit die Dreharbeiten zur vierten Staffel behindert hat. Davon wird wohl in den nächsten Tagen noch zu reden sein. Doch was sagt das über die Stoßrichtung der Aktion #allesdichtmachen? Wurde die Öffentlichkeit betrogen hinsichtlich des „Gedankenguts“, das möglicherweise hinter ihr steckt? Wurden vielleicht sogar die Künstler:innen missbraucht und vorgeschoben, um „Querdenker“-Ideen in die Mitte der Gesellschaft zu transportieren? Diese prominenten Menschen sind beliebt, sie sind Sympathieträger. Etwa die Hälfte derjenigen, die ursprünglich bei der Aktion mitgemacht haben, sind aber inzwischen abgesprungen. Ob aus einem unguten Bauchgefühl heraus, ob aus Einsicht, ob aus der Erkenntnis, dass sie sich möglicherweise haben missbrauchen lassen, oder einfach nur, weil das Ganze zu stressig für sie wurde: Von den ursprünglich 53 sind derzeit nur noch 27 mit dabei. Das ist ein erheblicher Schwund.
Wer austeilt, muss einstecken können. Das gilt nicht für die Initiatoren der Aktion #allesdichtmachen. Sie verstecken sich. Also kann die Kritik an ihrer Aktion nicht zielgenau adressiert werden. So entsteht kein Diskurs, sondern der Verdacht der Meinungsmanipulation auf dem Umweg über die populären Künstler:innen. Das wäre eine Aktion, wie sie den neurechten Vordenkern durchaus zuzutrauen wäre. Wie die ticken, das geht recht gut aus einem Interview des „Fluter“ mit dem Historiker Volker Weiß aus dem Jahr 2018 hervor. Der „Fluter“ ist ein Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung. Von dieser politischen Bildung können wir offenbar noch mehr gebrauchen. Volker Weiß kennt Namen und Strukturen. Unter anderem sagt er:
„Die Neurechten und die Rechtspopulisten haben erkannt,
dass die Gesellschaft nach der Logik des Spektakels funktioniert.“
Von #allesdichtmachen weiß er im Jahr 2018 naturgemäß noch nichts, aber in der Hintergrundberichterstattung des Tagesspiegel über Das Netzwerk hinter #allesdichtmachen tauchten Namen auf. Auch der dritte Initiator von #allesdichtmachen, der Regisseur Dietrich Brüggemann, wird jetzt sicher noch mal kritisch beleuchtet. Immerhin: Wenigstens dieser Mann steht offensiv zu der Aktion, die er mit initiiert hat. Vielleicht ergibt sich hieraus doch noch ein Funken für eine tatsächlich konstruktive Diskussion über die Corona-Politik. Wobei es inzwischen ja so aussieht, als ob solche Diskussionen bald von gestern sind. Was wirklich schön wäre, weil dann auch Schluss wäre mit dem ganzen Verschwörungsgeschwurbel.
Ursprünglicher Text vom 28.4., Anschluss siehe oben:
„Diesen Applaus von rechts konnte Liefers erwarten“
Aber für die Aktion insgesamt ist dieser Applaus für die Tonne. Das wird sich in der landesweiten Diskussion, die durch die Videos angestoßen wurde, hoffentlich noch zeigen. Der Beifall von rechts zielt darauf, die gesamte Aktion für die Rechte zu vereinnahmen, doch viele der Brocken, die sie da zu schlucken versuchen, sind für die Rechten in Wirklichkeit unverdaulich. Hinter dem Applaus der Rechten steckt die Angst, dass sie das Monopol auf die „Corona-Kritik“, das sie gern hätten, verlieren könnten, wenn die Mitte der Gesellschaft plötzlich aufwacht und kritischer wird. Die Rechten haben Angst davor, noch mehr an Terrain zu verlieren. Ihr lauter Applaus ist dieser Angst geschuldet.
Es wäre noch viel zu diesem Thema zu sagen. Zum Beispiel:
- Warum wird man sofort in die rechte Ecke gestellt, wenn man was Kritisches sagt? (Wird man das? Was habe ich in meinem Text gemacht?)
- Warum fällt es uns immer schwerer, Ironie zu erkennen, wenn wir ihr begegnen? (Weil wir alle wegen der Pandemie auf dem Zahnfleisch gehen und einander nicht mehr zuhören?)
- Warum gelingt es uns immer weniger, erst mal zuzuhören, bevor wir ein Urteil fällen? (Dazu ein Link zu dem Essay Einander aushalten meines Kollegen Viktor Funk.)
- Warum wird Kritik tabuisiert? (Wird sie nicht, wir reden ja drüber, aber die Rechten behaupten solche Tabuisierung natürlich gern, denn sie wähnen sich im Besitz von geheimen Informationen.)
Und und und. Vielleicht reden wir ja im Lauf der Diskussion drüber. Und mit der sollten wir jetzt anfangen. Auf den oben bereits verlinkten Kommentar von FR-Redakteur Stephan Hebel (hier ist der Link noch mal) gab es eine Reihe von Reaktionen von Leserinnen und Lesern, von denen ich einige später als Kommentare noch einfügen werde (wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, das nicht selbst machen). Ich wähle diesmal ein unübliches Format, um die Diskussion zu eröffnen. Im Print-Forum haben wir den „Dialog“ (selten genug, aber immer wieder sinnvoll). Und der kommt hier in Gestalt eines Leserbriefs von Horst Kintscher aus Langen, den ich als repräsentativ für die Kritik an Stephan Hebels Kommentar ausgewählt habe. Im Anschluss daran die Antwort meines Kollegen.
* Die heute-Show bezeichnet Björn Höcke penetrant lustvoll als Bernd.
Man macht keine Witze mit Namen! Aber was ist hieran witzig?
Lieber Stephan Hebel,
normalerweise schätze ich Ihre Leitartikel sehr, aber in Ihrem Kommentar „Kein guter Dreh“vom 24.4. zur Aktion „Allesdichtmachen“ sind Sie eindeutig über das Ziel hinausgeschossen. Dieses Ziel ist für mich die berechtigte Kritik am monatelangen Corona-Wirrwarr. Im Gegensatz zu Ihnen begrüße ich es sehr, dass sich endlich ein paar namhafte Menschen zusammengetan haben, um mittels Ironie Kritik an der chaotischen Corona-Politik der Regierung zu üben. Dass diese Aktion Unterstützung aus dem rechten, teilweise verfassungsfeindlich agierenden Lager erhält, ist nicht überraschend. Dies jedoch als „platteste Propaganda im Stile rechtsdriftender Querdenker“ abzutun, ist unlauter.
Ich fühle mich seit dem 2. November eingesperrt und vieler meiner Freiheitsrechte beraubt. Kein Restaurant-, Kino- oder Theaterbesuch. Es fehlt an einer Ausstiegsstrategie. Selbst Sport unter freiem Himmel ist für Freizeitsportler nicht möglich, sondern nur für systemrelevante Profis. Flanieren in Städten ist nur mit Maske erlaubt, obwohl Aerosolforscher (!) eine Ansteckungsgefahr im Freien als minimal erachten. Aber die Meinung dieser Wissenschaftler verpufft unbeachtet, da sie anscheinend nicht ins politische Bild passt.
Deshalb vielen Dank für die Aktion „Allesdichtmachen“! Danke für den Mut und den Versuch, aus dem Glashaus des Corona-Irrsinns auszubrechen.
Holger Kintscher, Langen
Lieber Herr Kintscher,
vielen Dank für Ihre kritischen Worte zu meinem Kommentar und besonders dafür, dass Sie dafür einen freundlichen und sachlichen Ton gewählt haben.
Allerdings gibt es auch bei Ihnen einen zentralen Punkt, bei dem ich nicht zu folgen vermag: Die Begründung Ihrer Kritik besteht zum größten Teil daraus, dass Sie zentrale Kritikpunkte an den Corona-Maßnahmen benennen. Genau dagegen allerdings hat sich mein Kommentar gerade nicht gerichtet. Ausdrücklich habe ich dort betont, dass gegen Kritik an den Maßnahmen nichts einzuwenden ist.
Ich selbst habe vor Monaten einen öffentlichen Dialog mit Leserinnen und Lesern (weiter hier, Anm. Bronski) organisiert, die mit den Corona-Maßnahmen nicht einverstanden sind, und nicht nur ich habe manches daran in der FR kritisch kommentiert. Dass Kritik „tabuisiert“ wäre, wie eine Leserin schreibt, ist eine Wahrnehmung, die ich angesichts der öffentlichen Debatten nicht teilen kann.
Vielleicht sollten wir uns gemeinsam fragen, warum es bei diesem Thema so schwer fällt, zu differenzieren statt zu polarisieren. Ist es gleich ein Angriff gegen Kritik als solche, wenn ich eine bestimmte Form der Kritik für verfehlt halte?
Was uns beide unterscheidet, ist nicht die Frage, ob Schauspieler:innen sich kritisch äußern sollten, sondern nur dies: Ich halte die Art, in der sie es versucht haben, für vollkommen misslungen. Unter anderem deshalb, weil sie hätten wissen müssen, dass das pauschale Abtun praktisch aller Schutzmaßnahmen und das fehlende Ausdrücken von Empathie für existenziell Betroffene der Krankheit die Assoziation mit rechten „Querdenkern“ geradezu erzwingen. Wer undifferenzierte Maßnahmen und fehlende Empathie mit den von Maßnahmen Betroffenen kritisiert, zum Teil sicher zu Recht, sollte sich nicht genauso pauschal und einseitig verhalten, finde ich.
Lassen Sie uns gemeinsam hoffen, dass kritische Stimmen nicht verstummen, sondern sich künftig auf produktive Weise Gehör verschaffen.
„Kein guter Dreh“ schrieb Stefan Hebel in der FR am 24.4.2021. Den Kommentaren von Herrn Hebel kann ich meistens uneingeschränkt zustimmen; diesem jedoch nicht.
Von vielen wird beklagt, die Autorinnen brächten nicht genügend Empathie für die Kranken, die Trauernden und die Pflegenden auf. Das kann man aus den Clips gewiss nicht ableiten.
Ich verstehe aber die Zielrichtung. Sie prangern in ironisch-satirischer Weise das eklatante Regierungsversagen in der Pandemiebekämpfung an.
Nur Dichtmachen und Einsperren geht nicht mehr, ist einfallslos, letztlich auch wirkungslos und richtet immense Schäden finanzieller, psyhischer und mentaler Art an.
Wo bleibt das Anwenden der digitalen Möglichkeiten in der Kontakterfassung und der Kontaktnachverfolgung? Alles ist schon da, man muss es nur mutzen und machen!
Ich hätte Verständnis dafür, wenn ich nur mit einem aktuellen negativen Testbescheid und nur mit dem Hinterlassen meiner vollständigen Kontaktdaten in digitaler Form in Geschäfte und Veranstaltungen mittels einer APP oder einem Trackinggerät käme.
Anreize fürs Testen zu schaffen wäre aktive Pandemiebekämpfung. Das vermehrte Testen deckt immerhin sonst unerkannte Virenverbreiter:innen auf. Das natürlich um den Preis höherer Infiziertenzahlen. Das kann aber nur erwünscht sein.
„Nur Dichtmachen und Einsperren geht nicht mehr, ist einfallslos, letztlich auch wirkungslos und richtet immense Schäden …“
Nun, wie man an Portugal sieht, ist das Dichtmachen sehr erfolgreich gewesen. Da die Inzidenz in Deutschland weit unter dem Wert in Portugal liegt, müsste ein Lockdown, der diesen Namen auch verdient, geschätzt nur 3-4 Wochen dauern statt wie in Portugal deutlich mehr als das.
Eine Textanalyse z.B. des Beitrags von Liefers und warum er so problematisch ist, findet sich viel besser, als ich es könnte, hier: https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/allesdichtmachen-querdenkern-gefeiert/
Ich fand den Kommentar von Stephan Hebel vom 24.04.2021 völlig zutreffend ebenso wie die heutige Antwort auf den Brief von H. Kintscher.
Geradezu auf den Punkt gebracht hat er es mit der Aussage „…die Art, in der sie es versucht haben, für vollkommen misslungen. Unter anderem deshalb, weil sie hätten wissen müssen, dass das pauschale Abtun praktisch aller Schutzmaßnahmen und das fehlende Ausdrücken von Empathie für existenziell Betroffene der Krankheit die Assoziation mit rechten „Querdenkern“ geradezu erzwingen.“
Und wenn ich das Verhalten der Menschen in Göppingen sehe, nimmt es nicht Wunder, dass die Inzidenzzahlen im Landkreis Göppingen sowie in Baden-Württemberg eher steigen als Fallen.
Sehr geehrter Herr Hebel,
als langjähriger Abonnent der FR und auch als Leser, der viele Ihrer Kommentare schätzt, sehe ich mich doch genötigt, Ihnen einen kritischen Leserbrief zu schreiben.
Ich beziehe mich auf Ihre Antwort auf den Leserbrief von Herrn Kintscher in der FR vom 28.4., die zeigt, wie sehr wir bei Anlässen wie der Schauspieler-Aktion „allesdichtmachen“ aneinander vorbeireden. Sie haben das Anliegen von Herrn Kintscher offenbar nicht verstanden, auch nicht sein Unbehagen angesichts der Reaktion vieler Medien auf diese Aktion. Sie wollten es vielleicht auch nicht verstehen. Herr Kintscher nannte Ihre Reaktion „unlauter“. Eigentlich sollte Ihnen das zu denken geben. Sie antworten ihm mit dem erhobenen Zeigefinger: „Wer undifferenzierte Maßnahmen und fehlende Empathie kritisiert, sollte sich nicht genauso pauschal und einseitig verhalten.“ Wenn wir das gelten lassen, kann jede ironisierende Kritik, jede Satire einpacken. Denn Satire lebt von der Übertreibung! Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Herr Kintscher wird sich über Ihre Anwort ärgern. Zu Recht!
Ich will das, was Herr Kintscher, mich und viele andere stört, etwas deutlicher ausdrücken:
– Namhafte Schauspieler haben kurze, professionell gemachte Videos aufgenommen, die in der derzeitigen politischen Landschaft einzigartig und bemerkenswert sind. Mit Ironie und teilweise Sarkasmus werden Phrasen aus den Experten- und Regierungsverlautbarungen persifliert und gegen den Strich gebürstet. Das ist weniger eine deutsche Art des Humors, eher eine schwarze, englische, leicht anarchische. Möglicherweise ist das ein Grund für Missverständnisse. Man kann sich selbstverständlich darüber streiten, ob man das komisch findet. Ich habe jedenfalls spontan herzlich darüber gelacht und viele andere Menschen übrigens auch, wenn man den Kommentaren glauben kann.
– Der öffentliche Entrüstungssturm ließ natürlich nicht lange auf sich warten, kräftig wurde die Moralkeule geschwungen. Die 80 000 Corona-Opfer würden verhöhnt, das sei blanker Zynismus etc. Die meisten humorbefreiten „Kritiker“ haben gar nicht verstanden, worum es eigentlich ging: nämlich um eine Ironisierung und Verhohnepiepelung des seit einem Jahr vorherrschenden Betreuungssprech von Politikern und Experten, nicht mehr und nicht weniger. Dass so etwas von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, bedarf keiner Erläuterung.
– Und wieder einmal schnappt die Ausgrenzungsfalle zu: Wenn die Schmuddelkinder von der AfD (oder die „Querdenker“ oder der Herr Maaßen …) etwas gut finden, darf ich es auf keinen Fall gut finden. Was ist das für eine verquere Logik? Damit schottet man sich gegen jede Kritik ab und verhindert den offenen Diskurs. (Ich werde übrigens als Kritiker des Genderns von demselben Typus von Leuten in die rechte Ecke gestellt, die jetzt die Schauspieler moralisch verurteilen.) Wir haben inzwischen eine der wichtigsten Diskursregeln vergessen: Ziehe in Betracht, dass dein Gegner (auch) recht haben könnte.
– Nicht die Schauspieler spalten, sondern die „Guten“, die für sich die moralische Definitionsmacht beanspruchen und außer und neben ihrer Meinung nichts gelten lassen wollen. Mir graut vor der intellektuellen Beschränktheit, der Einäugigkeit, dem verlogenen Moralismus, der Selbstgerechtigkeit, dem Mangel an Humor und Großherzigkeit und dieser besonders deutschen Art von (hoch)intelligenter Dummheit, die sich hier zeigen. (Das war jetzt starker Tobak, gibt aber genau meine Gefühlslage und die vieler Menschen wieder, mit denen ich über das Thema gesprochen habe.)
– Einige der beteiligten Schauspieler waren sicherlich naiv in Bezug auf die zu erwartenden Reaktionen. Das kann man ihnen vorwerfen. Der Entrüstungssturm, der Beifall von der „falschen“ Seite und die moralische Diskreditierung sind inzwischen leider Konstanten der öffentlichen Diskurse, sofern sie kontrovers sind. Das hätten die Schauspieler wissen müssen. Einige der Protagonisten sind unter dem öffentlichen Druck auch schon wieder eingeknickt. Das war zu erwarten. Nicht jeder bleibt stehen, wenn der Wind von vorne weht.
– Es gibt eine Menge Menschen in der „Mitte“, die selbst denken (können) und die ständige moralische Aufladung von Themen, das Schwingen von Moral- und anderen Keulen und auch das betreute Lesen herzlich leid sind. Sie kommen leider in den Medien nicht sehr häufig zu Wort, und wenn, dann werden sie von Menschen wie Ihnen „belehrt“. Die Medien leben gerade von der Hysterisierung, Moralisierung und Emotionalisierung und vom Hoch- und Runterschreiben von Themen und Personen. Am SPIEGEL (aber auch teilweise an der FR) kann man das sehr gut beobachten. Das ist nichts Neues. Es ist eigentlich das Übliche, nur in zeitgeistkompatibler übersteigerter Form.
– Ich kann nur hoffen, dass wir zu zivilisierten Formen der Auseinandersetzung zurückfinden, sonst sehe ich für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft schwarz.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich ernsthaft mit diesen Gedanken auseinandersetzen und sie nicht einfach abbügeln würden.
Geht es um den Kampf gegen ein lebensbedrohendes Virus (also um Corona SARS CoV II) oder geht es um eine angebliche Willkür des Staats, der seinen Bürgern den kleinen Hedonismus des Alltags vermiest? Also ihnen den Besuch von Geschäften, Gaststätten, Discos, Kinos, Theatern oder Zoos verbietet und generell ihre Kontakte auf das Allernotwendigste beschränkt.
Angesichts der Gefährdungslage (bislang 80.000 Gestorbene, volle Intensivstationen, lang anhaltende Folgen selbst bei weniger schweren Krankheitsverläufen) halte ich die Einschränkungen für notwendig und vertretbar. Auch wenn sie zugegebenermaßen unbequem sind und eine temporäre Umorganisation vieler Lebensbereiche notwendig machen. Ganz zu schweigen von sozialen Einschnitten. Manches, was einem lieb und wichtig ist, muss man verschieben auf einen Tag X. Aber den erlebt man nur, falls man gesund bleibt. Der Verlust von Gesundheit droht in dieser Pandemie sämtlichen Altersstufen.
Dennoch ist Kritik an den Gesetzen und Verordnungen legitim. Vor einem Jahr erschien mir das Handeln der Regierung als dilettantisch bis unprofessionell. Allerdings fehlten für den Umgang mit Covid-19 jegliche Erfahrungen, sodass viele Maßnahmen von Versuch und Irrtum geprägt waren. Doch in dem Maße, in dem die internationale wissenschaftliche Forschung zu stabilen Ergebnissen gelangte und dringend entsprechende Verhaltensweisen empfahl, nahmen in Deutschland vor allem die Regierungen der Bundesländer Rücksicht auf wirtschaftliche Interessensvertreter, vor allem auf die von Handel und Gastronomie. Das bescherte dem gesamten Land einen ständigen Wechsel von Lockdown, Lockdown-Pause, verschärftem Lockdown, Weihnachtspause (Virus am Tannenbaum), erneutem Lockdown, Öffnungsdiskussionen, Osterpause (Auferstehung des Virus) und nunmehr eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes, das auch die Verhängung einer Ausgangssperre ermöglicht. Seit Januar werden diese Erscheinungen begleitet von einer als unzureichend empfundenen Impforganisation. Allerdings habe ich selten so viel Zustimmung zu den Corona-Maßnahmen verspürt wie am Ostersonntag im Impfzentrum in Frankfurt.
Falls die Schauspieler dieses manchmal irrationale, vielfach von einseitigen Interessen hervorgerufene Verhalten gebrandmarkt hätten, so wäre ihnen mein Beifall sicher gewesen. Doch stattdessen wählten sie einen falschen Ansatz. Bedienten sie sich in weiten Teilen sogar des Vokabulars der Corona-Leugner. Auf mich, den Theaterfreund, erweckt das den Eindruck, dass sie die Texte der großen Dramatiker zwar auswendig und ausdrucksvoll aufsagen können, aber deren Gehalt anscheinend nicht begriffen haben. Ja, dass sie drehbuchfixiert sind und nicht mehr darauf achten, wer das Drehbuch verfasst hat.
Die Grundrechte, deren Einschränkung auch von denen beklagt wird, die es besser wissen müssten, sehe ich vor allem infrage gestellt durch die Existenz von AfD, Querdenkern und Richtern, die Demonstrationen von Ignoranten genehmigen.
An einer kräftigen Schelte kommt die Künstlergarde hier nicht vorbei. Denn es damit wieder geschafft zu haben, Beifall von den Rechten, Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern für diese Aktion zu bekommen, das hat zumindest etwas mit Naivität zu tun. Vor allem der Zeitpunkt ist mehr als unglücklich, da um die „Bundesnotbremse“ mal wieder politisch gerungen wird und die Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen immer weiter sinkt. Es geht auch um die Rettung der Berufsehre der Künstler. Die Sache ist ordentlich schief gelaufen!
Aber wichtiger dürfte sein – und da beziehe ich mich auf den Beitrag von Markus Gabriel vom 26.April „Die infektiösen Folgen der Infodemie“ (Thema des Tages) -, am Beispiel dieser missglückten Aktion und Satire, sich stärker mit den Mechanismen einer von den sozialen Medien getriebenen Debatte zu beschäftigen, mit dieser Eigendynamik, die sich – egal welches Thema, welche Form – nahezu zwangsweise rasend entwickelt und dann erst auf die Spitze getrieben, emotional, irrational und inhaltlich konfus wird.
Zum Einen haben wir es mit der immer stärker werdenden Verrohung und Hyper-Emotionalisierung der Debattenkultur zu tun, für die die „sozialen“ Netzwerke Tür und Tor mit ihren schnellen Zugängen geöffnet haben. Zum Anderen haben sich die Menschen, die sich User nennen, auf diese Formen der Debatten und Interventionen im Netz so eingerichtet, dass dem Nachdenken über das zu Sagende immer weniger Zeit gegeben wird. Schnelle Nachricht – schnelle Reaktion …
Die User der „sozialen“ Medien sind in dieser Zeit ständig auf der Suche nach dem Identischen, der Wiedererkennung der Erzählung, an das/die man fest gebunden ist oder der Bestätigung der eigenen Vorurteile. So schnell und einfach die Quellensuche ist, so schnell und voreilig werden die Nachrichten, Äußerungen oder Aktionen in die eigenen Denkmuster eingeordnet und sachliche Kritik und die Möglichkeit zum Dialog bleiben auf der Strecke.
Markus Gabriel drückt es so aus: „Es gibt medial sedimentierte Muster der voreiligen Einordnung von Äußerungen zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage, die keiner sachlichen Kritik standhalten, sondern, die vielmehr aus den Defiziten eines Medienbetriebes resultieren, der Längst mit mehr als einem Auge auf die sozialen Medien schielt …“
Da die sozialen Medien leider nicht mehr aus unserer Informations- und Debattengesellschaft wegzuzaubern sind, bleibt nichts anderes übrig, als sich Klarheit darüber zu verschaffen, auf was man sich einlässt, wenn man mit seiner Stimme, mit seiner Aktion ins Netz geht. Das heißt u.a.: Selbstverantwortung, Konsequenzen ertragen, Risikobereitschaft und vielleicht auch Lernfähigkeit? Man kann sich auch fragen, welchen individuellen und gesellschaftlichen Nutzen haben die sozialen Medien eigentlich?
Jedenfalls sind viele Nutzer diesen Mechanismen und den damit verbundenen Gefahren nicht mehr gewachsen. Auch die Künstler nicht. Der gute Satiriker eher schon.
Bronski steuert mal wieder gegen den Strom mit seiner Einordnung. Aber gut, interessante Position. So weit darf es nicht kommen, dass man über bestimmte Positionen nicht mehr reden kann, nur weil sie Applaus von weit rechts außen gekriegt haben. Das würde dann bedeuten, dass die Rechten die Lufthoheit haben und diktieren können, worüber diskutiert werden darf und worüber nicht. Deswegen finde ich es auch gut, dass trotzdem über das Thema diskutiert wird. Eines steht natürlich fest: Die Videos sind vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Das wollen wir nicht vergessen.
Bevor ich weiteres schreibe, erst einmal zu mir: Ich bin Mitte 30, habe studiert, bin verheiratet und habe ein einjähriges Kind. Aufgrund einer chronischen Vorerkrankung habe ich viel Respekt vor einer Covid-19 Infektion. Ich habe zudem bereits selbst wegen eines Covid-Verdachts einige Tage auf einer Isolierstation im Krankenhaus verbracht, der sich aber nicht bestätigte. Diese Tage sind mir sehr nachgegangen und ich werde sie nie vergessen. Trotz dieser Erfahrungen und meiner eigenen gesundheitlichen Gegebenheiten sehe ich einige der aktuellen Entwicklungen, Entscheidungen und Maßnahmen kritisch. Zu Beginn der Pandemie war das anders. Mir waren die Maßnahmen oftmals zu wenig und ich hätte mir in vielen Bereichen schnelleres Handeln gewünscht. Jetzt aber sehe ich eine Regierung, die nur noch eines kennt – „alles dicht machen“. Als ich die Aktion der Schauspieler gesehen habe und das Feuer der Entrüstung, das daraufhin entfachte, war mein Gedanke ebenfalls, ob man im Rahmen der Aktion vielleicht noch eine weitere Botschaft hätte setzen müssen. Klarstellen, dass es nicht per se gegen alle Corona Maßnahmen geht, sondern um mehr Transparenz, mehr Diskussion, Abwägen, was wirklich sinnvoll und zielgerecht ist. Vielleicht kann man über die Umsetzung diskutieren. Aber es war eben Kunst. Große Maler schreiben ebenfalls nicht auf ihr Bild, was sie sagen möchten, sondern vermitteln über das Bild eine Botschaft. Sie laden dazu ein zu interpretieren und darüber zu diskutieren. Und genau das haben die Mitwirkenden hinter #allesdichtmachen getan. Sie wollten zum Nachdenken anregen, eine Diskussion anstoßen. Viele Maßnahmen sind wichtig, aber eben auch eine offene Diskussion, Lösungen und Wege dafür, was wirklich notwendig ist. Ich nenne hier ein persönliches, aktuelles Beispiel, das genau auf #allesdichtmachen einspielt: Mein Mann, Sohn und ich wohnen in einer Drei-Zimmerwohnung in Frankfurt. Ich möchte mich nicht beschweren, denn mir ist bewusst, dass es viele gibt die unter noch engeren und schwierigeren Umständen wohnen. Nichtsdestotrotz hat das letzte Jahr auch uns an unsere Grenzen gebracht. Das Büro meines Mannes wurde Mitte März letzten Jahres wegen der Pandemie komplett geschlossen. Mitarbeiter dürften es nicht mehr betreten. Unser Sohn wurde wenige Wochen zuvor geboren. Wir saßen ein Jahr lang auf engstem Raum in unserer Wohnung. Mein Mann versuchte sich zu konzentrieren, wichtige Kundentelefonate zu führen und seine Arbeit zu bewältigen, während ich mit einem schreienden Kind nebenan saß. Weg konnte man nicht. Bei der Familie in Bayern galt Ausgangsbeschränkung und die verpflichtende „ein Haushalt plus maximal eine weitere Person“-Regelung. Das Beherbungsverbot ermöglichte einem nicht die Region zu verlassen, um, zumindest zeitweise, unter anderen Umständen zu arbeiten oder einen Tapetenwechsel zu bekommen. Diese Maßnahmen haben wir auch grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Dennoch, was einem all die Zeit blieb war der nächste Stadtpark. Wir haben „das Glück“ einen Park um die Ecke zu haben und zusätzlich den großen botanischen Garten „Palmengarten“, für den wir eine Jahreskarte besitzen. Dieser wurde jedoch mit Beginn des letzten großen Lockdowns für vier Monate geschlossen. Die Gewächshäuser hatten bereits seit Beginn der Pandemie beschlossen, was auch verständlich und nachvollziehbar ist. Abgesehen von den wenigen Gewächshäusern, ist der restliche Palmengarten mit einer riesigen Parkanlage vergleichbar – sehr weitläufig, große breite Wege, nichts als Blumen, Bäume, Teiche und Brunnen. Letzten Monat öffnete der Palmengarten endlich wieder. Es gab den Menschen hier in der Umgebung die Möglichkeit den Massen im Stadtpark zu entgehen. Man hatte dort das Gefühl nicht mehr dicht an dicht mit vielen anderen Menschen zu spazieren. Es hat sich über die große Fläche alles sehr gut verlaufen. Als wir jedoch am Samstag mit unserem Baby wieder dorthin gingen, hieß es am Eingang plötzlich aufgrund der neuen Regelung auf Bundesebene „Zutritt nur mit einem negativen Test in den letzten 24 Stunden“. So blieb uns nichts anderes übrig als wieder in den benachbarten Stadtpark zu gehen und uns mit Massen von Joggern, Eltern mit Kinderwägen und weiteren Spaziergängern durch den Park zu tümmeln. An Abstand halten ist hier – insbesondere am Wochenende – nicht zu denken. Die Jogger streifen einem schon fast im Vorbeirennen. Die Kinderwägen schieben direkt aneinander vorbei. Wir fühlten uns absolut unwohl und taten das, was wir nun seit einem Jahr tun. Zurück in die Wohnung. Das ist nur eines von unzähligen Maßnahmen, die #allesdichtmachen betrifft. In diesem Fall ist es ein Beispiel, das lediglich das persönliche Wohlbefinden und die Psyche betrifft und mag noch vergleichsweise banal sein. Es gibt viele weitere Beispiele, die das Ringen um finanzielles Überleben betreffen. Dennoch fragt sich, wo ist die Strategie, das Abwägen davon, welche Maßnahmen wirklich sinnvoll sind? Ist es sinnvoll, eine riesige, weitläufige Parkanlage für viele Monate zu sperren oder aufgrund enorm hoher Barrieren quasi kaum zugänglich zu machen? Die Folge ist, dass sich noch mehr Menschen auf noch kleinerer Fläche aufhalten, was definitiv ein weit größeres Risiko für alle ist. Von klein auf habe ich in der Schule und anschließend während meines Studiums der Medienwissenschaften gelernt, dass wir in einem Land mit Meinungsfreiheit leben. Daran habe ich lange Zeit geglaubt und war davon überzeugt. In den letzten Jahren beobachte ich jedoch immer mehr, dass dem nicht (mehr) so ist. Wenn man sich zu bestimmten Themen äußert, wird man sehr schnell der rechten Ecke zugeordnet oder bekommt Stempel wie „Querdenker“. #allesdichtmachen ist das beste Beispiel dafür. Statt zu diskutieren, was war die Botschaft, entsteht ein solcher Druck, dass sämtliche Prominente in die Verteidigung gedrängt werden und alles zurücknehmen. Viele tun es sicherlich nicht mal aus Überzeugung, sondern aus Angst. Angst verbrannt zu werden, Angst keine Aufträge mehr zu bekommen, Angst ihren Ruf oder den ihrer Familie zu schädigen. Da frage ich mich, ist das Meinungsfreiheit? Was werden diese Menschen in Zukunft tun? Sie werden schweigen. Ja, viele Maßnahmen sind wichtig. Sogar sehr wichtig. Dennoch sollte es auch Raum für Diskussion geben. Es muss etwas geben zwischen „Wir machen alles dicht und akzeptieren alles bedingungslos“ und „Querdenker“. Diese Stimme, diesen Raum dazwischen vermisse ich durch sämtliche Medien hinweg. Man tauscht sich darüber nur noch hinter vorgehaltener Hand im engen Kreis aus – und stellt immerhin dann fest, dass man nicht allein ist mit diesen Gedanken. Nur öffentlich darf man diese Gedanken nicht kundtun. Ich hätte gerne online, zum Beispiel auf sozialen Medien kommentiert, dass ich das Motiv der Aktion unterstütze. Jedoch habe ich mich nicht getraut aus Angst selbst abgestempelt und abgestraft zu werden. Wir leben in einem Land, in dem Meinungsfreiheit wichtig ist – aber eben nur, solange sich die Meinung in dem öffentlich akzeptierten Rahmen bewegt. Ist das dann noch Meinungsfreiheit? Auch ich unterschreibe diese Zeilen nicht mit meinem richtigen Namen aus Sorge gebrandmarkt zu werden. Dabei möchte ich doch nur eines: mehr Transparenz zu Entscheidungen, offenen Meinungsaustausch und Diskussion. Hinterfragen, wie wir Wege finden können mit der Pandemie zu leben und welche Maßnahmen, wirklich sinnvoll sind. So bleibe ich also mit meinem Mann und Baby in meiner kleinen Wohnung sitzen und warte und hoffe auf diese Diskussion. Denn im Stadtpark ist es uns zu voll.
@ Isabel B.
Sie werden nicht mit allem einverstanden sein, was ich sage. Aber ich will Ihnen antworten auf Ihre Fragen und Zweifel bzw. zum Einen Verständnis bekunden auf Ihre familiäre Situation und zum Anderen Ihnen auch widersprechen bei einigen Aussagen:
Dass die Regierung nur noch eines kennt „allesdichtmachen“, das stimmt so nicht. Wahr ist, dass sie seit Wochen um eine Lösung ringt, die jetzt mit der „Bundesnotbremse“ erst einmal so vorliegt. Es ist eben nicht alles dicht und die allg. unbeliebten „Inzidenzen“ regeln jeweils lokal, regional die Maßnahmen, die zur Verfügung stehen.
Die Aktion #allesdichtmachen gab es bestimmt nicht her, dass die Reaktionen so heftig sein mussten. Aber – und ich habe es oben versucht zu beschreiben, dass eben die Mechanismen, die Dynamik der „sozialen“ Netzwerke ein Übrigens dazu getan haben, dass heute oft kein Stein auf dem anderen bleibt, wenn kritisiert, diffamiert und reagiert wird.
Dennoch war nach meiner Ansicht die Aktion nicht wirklich geglückt, schon mal als Satire nur manchmal. Und das Entscheidende: Der Beifall von den Rechten und denen, die auf dem Trip der Verschwörungstheorien sind. Das ist schlecht.
Sie rufen nach mehr Transparenz, noch mehr Diskussion, Abwägen. Abwägen ja, aber brauchen wir wirklich noch mehr Diskussion in dieser schwierigen Pandemie, wo doch zumindest klar sein müsste, was zum eigenen und um Schutz des Anderen erforderlich ist?
Dass etwa die arbeitende Bevölkerung – und das sprechen Sie für sich und Ihren Mann an – und mit Kindern im Haushalt, dass die es schwer haben, also dass es richtig stressig ist oder sein kann, das ist sonnenklar! Unstrittig! Wenn dann noch engere Wohnverhältnisse dazu kommen, klar ist schwierig.
Aber die Pandemie-Lage war und ist eben so wie sie ist – gefährlich. Es ist unmöglich, auch von politischer Seite, eine totale Gerechtigkeit für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen herzustellen. Wie soll das gehen?
Dazu kommt, was ich seit längerem bemängele, dass Teile der Bevölkerung, die sich wenig oder überhaupt nicht an die Regeln halten oder einfach ihre bisherigen „Freiheiten“ mit einer Selbstverständlichkeit beanspruchen, in der Kritik viel zu gut wegkommen. Stattdessen ist immer die Politik schuld, dass es nicht besser wird mit Corona. Oder es heißt „Eingesperrtsein!“ So etwas können die Alten in den Heimen empfinden. Da ist die Klage angebracht.
Dass Sie die überfüllten Parks erleben, das zeigt doch auch, dass es doch die Menschen sind, die bestimmen könnten, ob es so knallvoll sein muss oder ob man nicht auch nach draußen kann, ohne die nächste Masse zu bilden. Mal ganz abgesehen davon, dass es m.E. auch viel mit Egoismus zu tun hat, wenn man an diesen bestimmten öffentlichen Plätzen sich scheinbar wenig um Abstand und Fairness kümmert.
Sie können auch nicht sagen, dass wir keine oder nicht genug Meinungsfreiheit im Land haben. Auch nicht sagen, dass kein Raum für Diskussion da ist. Es ist doch gerade eines der Probleme, dass wir inzwischen eine Diskussion“kultur“ haben, die weder Freund noch Feind kennt, zumindest es ein gehöriges Missverständnis gibt, wie etwa im Extremen bei den „Querdenkern“ und Gefolgschaft zu erleben.
Die Frage ist jedenfalls für mich inzwischen, wie viel Diskussion brauchen wir eigentlich, um einfach mal die schwierige Zeit bis zur Bewältigung der Pandemie so gut es geht, solidarisch, mit der größtmöglichen Vernunft und vielleicht mit einem gewissen Durchhaltevermögen zu einen besseren Ende zu bringen? Sich gegenseitig praktisch und moralisch zu unterstützen, so gut es eben geht.
Denn danach, wenn es gut gehen sollte, dann fängt doch die gesellschaftspolitische Arbeit erst richtig an, bei all den Schieflagen, die die Pandemie ans Tageslicht gebracht hat. Die Normalität, zu der wir zurück wollen, die ist schwer ramponiert.
Alles Gute für Sie und bleiben Sie tapfer und gesund!
Ist Bronskis Text der Versuch, die Medienkompetenz seiner Leser zu testen?
Er fragt: „Warum wird man sofort in die rechte Ecke gestellt, wenn man was Kritisches sagt? (Wird man das? Was habe ich in meinem Text gemacht?)“
Erwartet der Autor Widerspruch unter Hinweis auf seinen Text? Wäre es so, müsste ich ihn enttäuschen. Auch wenn ich nichts von solch pauschalen Aussagen halte, dass jeder Kritiker sofort in die rechte Ecke gestellt wird, ist doch der Text in meinen Augen ein Paradebeispiel dafür, wie durch oberflächlichen Umgang mit Worten und vielleicht auch damit verbundener mangelnder Gutartigkeit ein solcher Eindruck entstehen kann.
In der Auseinandersetzung mit J. J. Liefers Beitrag wird der Schauspieler zitiert, der sich bedankt „bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben.“ Nur fünf Sätze weiter wird Liefers vorgeworfen: „Er spricht auch von „allen Medien dieses Landes“, als hätten sie sich verschworen“, um gleich noch die Begriffe „Systempresse“, „gleichgeschalteten Medien“, „AfD-Sprech“ und „Pegida“ hinterher zu schieben. Dabei hatte doch Liefers sich mitnichten bei allen Medien bedankt, sondern bei „allen Medien, die …“ Oder sind bei allen Menschen, die grüne Augen haben, auch die blauäugigen gemeint?
@ Bernhard B.
Na, dann fragen Sie sich doch mal, welche Medien nicht spätestens seit Ende Februar, Anfang März 2020 über die Pandemie berichtet haben, um ihre Leserinnen und Leser zu informieren. Praktisch alle haben das getan. Jedenfalls alle seriösen. Und zwar nicht von ungefähr, denn die Pandemie war das große Thema, dass die ganze Welt umgetrieben hat.
Sie meinen, das „die“ in Liefers Formulierung „Alle Medien, die … dafür gesorgt haben …“ usw, Ich mag diesen Unfug nicht noch einmal wiederholen; also: Sie meinen, dieses „die“ selektiert irgendwie in die einen Medien und die anderen? Das würde es ja noch schlimmer machen.
In der Tat hat es nichts mit Satire zu tun, wenn Dutzende prominenter Schauspieler die Corona-Politik der Bundesregierung unter dem Hashtag #allesdichtmachen kritisieren. Wie die lobenden Reaktionen von Rechtsaußen an der Aktion eindeutig zeigen, haben vielmehr Rechtsradikale, die diese Demokratie von innen aushöhlen wollen, und sogenannte Querdenker Gefallen an der mehr als zweifelhaften Aktion gefunden. Mir fehlt jedes Verständnis für diese Initiative und ich möchte den Schauspielern zurufen: „Wenn Dich Deine Feinde loben, weißt Du, dass Du etwas falsch gemacht hast“. Es geht jedoch nicht darum, vielleicht teilweise berechtigte Kritik an der derzeitigen Corona-Politik verunmöglichen zu wollen. Aber mit Empathie und Taktgefühl, insbesondere für die Opfer der schlimmen Corona-Pandemie, hat diese Aktion, die in der Tat viele Schauspieler zum Fremdschämen animiert, nichts zu tun. Profitieren davon werden nur die braunen Feinde der Demokratie, aber auch Leute wie Sahra Wagenknecht, die sich als Corona-Leugner, Querdenker, Verschwörungstheoretiker und ihresgleichen als Gegner der demokratischen Ordnung zeigen. Die Aktion ist, wie Ulrike Folkerts als Mitinitiatorin inzwischen eingeräumt hat, schiefgegangen und unverzeihlich. Vielleicht sollte man in der Tat die Fernbedienung bemühen, um damit seine Antwort auf die Aktion deutlich zu machen.
Jahrzehntelang benutzte ich Worte wie Z…soße oder M…kopf, ohne mir was dabei zu denken. Dann habe ich gelernt, dass es nicht darauf ankommt, was ich mir dabei denke, sondern wie es bei den Menschen ankommt, die damit in Verbindung gebracht werden. Schon möglich, dass der eine oder die andere unter den Schauspielern, die bei #allesdichtmachen mitgemacht haben, sich nichts dabei gedacht hat, angekommen ist jedoch eine arrogante Respektlosigkeit gegenüber Corona-Opfern und -Helfern in vielen dieser Beiträge.
„Es sei viel mehr ihre Aufgabe, ‚Ambivalenzen auszuloten, auch mittels Satire. ‚Das muss man aushalten‘ meinen die Darmstädter Theaterschaffenden“. Ich erkläre mich hiermit zum Künstler und Satiriker und darf dann Mohrenkopf sagen und auf dem Fußballplatz rufen „Guck mal, der Schwatte“ (siehe so betitelten Artikel über Rassismus im Fußball in der gleichen Ausgabe der FR). Ich lote Ambivalenzen aus, das muss man aushalten!
Satire ist eigentlich ein Mittel, Personen in Machtpositionen mit Pointe und Übertreibung zu kritisieren. Die müssen das in der Tat aushalten. Dass Jan Josef Liefers und seine Mitstreiter in den vergangenen 12 Monaten unsere machthabenden Politiker mit gepfefferten Satire-Beiträgen und -Aktionen drangsaliert hätten, hab ich allerdings nicht mitbekommen. Sich herablassend und zynisch an den Leidtragenden der Pandemie abzureagieren, ist nun mal deutlich billiger. Genau solches „Verständnis von Kunst und künstlerischem Sein“ kriegt den Beifall der rechten Populisten.
An alle Solidarischen, aufstehen! Ich wünsche mir Solidarität mit allen Schauspieler*innen von „Allesdichtmachen“. Wie kann es sein, dass Äußerungen nur dann en vogue sind, wenn sie der gängigen Ansicht und Empfindlichkeit entsprechen? Wie kann es sein,dass bei Jan Böhmermann und Charlie Hepdo applaudiert wird und bei „Allesdichtmachen“ ein Shitstorm ohne gleichen erfolgt? Sind wir schon soweit,dass die Kunst wegen der Gefahr politisch instrumentalisiert zu werden die Klappe halten muss? Sind wir schon soweit,dass wir nicht mehr in der Lage sind eine Diskussionsgrundlage zu erkennen,sondern nur wertend über andere richten können? Steht auf! Es geht um unsere Meinungsvielfalt,um die Freiheit,diese Vielfalt äußern zu dürfen und um die demokratischen Werte, die diese Freiheit garantieren sollen. Ich wünsche mir gelebte Solidarität!
Ich bin schockiert, wie hergefallen wird über die Schauspieler und ihre satirische Aktion! Sind wir so weit, dass Protest gegen die in weiten Teilen unterirdische Politik der derzeitigen Regierung sofort in die rechte Ecke gestellt wird? Ich halte das für sehr gefährlich. Was sagen die Leute denn, was nicht stimmt? Das einzige, was mich wundert, ist, dass sie sich wundern über Beifall auch von der falschen Seite. Damit war leider zu rechnen. Ich kenne etliche Leute, die absolut nicht einverstanden sind, mit dem was passiert. Die stinksauer sind auf das hochbezahlte Führungspersonal, dem außer Zusperren, Verboten und drastischen Strafen nichts einfällt (außer evtl. noch in die eigene Tasche zu wirtschaften). Warum hört man nicht auf die Wissenschaftler die sagen, im Freien ist die Ansteckungsgefahr gering? Die auch sagen, allein die Inzidenz kann nicht auf Dauer das Maß der Dinge sein? Warum sind die Zoos und Sportplätze geschlossen? Warum geht es seit einem Jahr nicht voran mit der Digitalisierung? Warum gibt’s Kerzen in den Fenstern aber keine strukturellen Verbesserungen im Gesundheitswesen?
Viele Leute sind stinksauer und auch am Rand ihrer Kräfte, sie gehen nur nicht auf die Straße, weil sie mit dem braunen Mob nichts zu tun haben wollen. Für absolut unanständig halte ich es, den Leuten, die sich hier eine Form des Protestes überlegt haben, vorzuhalten, die Angehörigen der Toten und die Pflegekräfte hätten kein Verständnis dafür. Ich habe kein Verständnis dafür, wie die Politik agiert und auch kein Verständnis für Journalisten, die berechtigten Protest diffamieren.
… mag morgen gar nicht in die so geliebte FR schauen, wenn über die Verunglimpfungen einer wunderbaren Aktion berichtet werden muss. Der Sturm der Humorlosen braust auf, weil sie das phantastische #allesdichtmachen einfach nicht verstehen. Das tut mir sehr leid für sie (dann haben sie Herrn Heinrich Heine ja auch nicht verstanden), aber für die bösen Beschimpfungen habe ich überhaupt kein Verständnis. Ich bedanke mich bei allen Schauspielerinnen für diese augenzwinkernden Blicke auf uns. Bitte mehr davon! Und schön ist, dass man den meisten Beschimpfungen mit Zitaten der Aktion selbst antworten kann (ich trete weit nach Links raus zum Klatschen…). Lachen hält gesund!
Liebe QuerdenkerInnen und DummschwätzerInnen, liebe VerschwörungstheoretikerInnen, Hans-Georg Maaßen und Rundfunkrat Garrelt Duin: Leider, leider haben meine KollegenInnen versäumt, über ihrem Beitrag #allesdichtmachen in Leuchtschrift und grell blinkend zu schreiben: Vorsicht, Vorsicht Satire! Der ironische Inhalt kann schmerzhaft, verletzend, sarkastisch und zynisch sein! Zur Dosierung, Anwendung und Risiken fragen Sie ihren Arzt oder Kurt Tucholsky.
Sie halte die Aktion “#allesdichtmachen“ der prominenten SchauspielerInnen für sinnvoll, erklärte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot dem Deutschlandfunk. Sie habe die Ironie dahinter verstanden. Leider haben Ihre Redakteure es wohl gar nicht erst versucht. Dies könnte am Cäsar-Brutus-Syndrom liegen, meint der Philosoph Jörg Phil Friedrich. Dies greife, wenn eine geschätzte Person etwas Unangenehmes tut, was man nicht von ihr erwartet hätte. Er gesteht, dass er die Clips genossen hat, die „auf mal bitter-ironische, mal heiter-satirische Weise Probleme des derzeitigen Umgangs mit der Pandemie in Politik und Alltag“ aufzeigten. Doch nicht alle können es gut vertragen, so einen satirischen Spiegel vorgehalten zu bekommen, in dem man, so Andreas Rosenfelder in der Welt, nicht besonders vorteilhaft aussieht.
Völlig inakzeptabel ist das negative „Framing“ der Berichte über die Aktion durch den Verweis auf den Beifall von Rechts. So häufig das Argument gebraucht wird, so dümmlich ist es. Wenn falscher Beifall zum Maßstab wird, so kann niemand mehr eine berechtige Kritik äußeren, sobald diese auch von der falschen Seite geäußert wird. So macht Applaus von der AfD z.B. die Kritik von Aerosol-Forschern an nächtlichen Ausgangssperren sicher nicht falsch.
Die SchauspielerInnen haben die reflexhafte Reaktionen vorhergesehen – wenn wohl auch nicht in ihrer ganzen Boshaftigkeit – und in einigen Clips die Schieflage im Diskurs bereits sehr gut karikiert.
Stephan Hebel und ich hatten uns in letzten beiden Tagen in dieser Sache mit zwei mails ausgetauscht. Mit seiner ausdrücklichen Zustimmung möchte ich das hier veröffentlichen.
Gesendet: Mittwoch, 28. April 2021 14:23
An: Hebel, Stephan
Betreff: Corona und über 50 Schauspieler – Ihr Kommentar vom 24.04.2021 in der FR
Lieber Herr Hebel,
eigentlich wollte ich ja nicht mehr …, aber nun doch.
Dieser maßlose Ton vom Samstag in der FR, den Sie zumindest bis heute rechtfertigen, hat mich wirklich entsetzt und ich wäre bisher nicht auf die Idee gekommen, dass ich so etwas aus Ihrer Feder lesen muss. Sie legen viel Wert darauf, dass Kritik in einem “freundlichen, sachlichen Ton” vonstatten geht, “konstruktiv kritisch” sei, “sachlich und ohne das Unterstellen böser Absichten formuliert” sein soll und nicht im “Vorwurfston” erfolgt. Am Schluss Ihres Aufrufes vom 17. September 2020 schreiben Sie: “Dass wir in dieser Gesellschaft zu einem Meinungsaustausch (zurück)finden, der auf der Wertschätzung unterschiedlicher Auffassungen und Sichtweisen gründet. Und nicht im hasserfüllten Austausch von ‘Wahrheiten’ unter Ausschluss des eigenen Irrtums.” In Ihrer heutigen Antwort an Herrn Kintscher heißt es: “Vielleicht sollten wir uns fragen, warum es bei diesem Thema so schwerfällt zu differenzieren, statt zu polarisieren.” Sie formulieren das alles, so habe ich es im Wesentlichen verstanden, bezogen auf die Berichterstattung und allgemein gegenüber den Veröffentlichungen in der FR und anderen Medien.
“Ich halte die Art, in der sie es versucht haben, für vollkommen misslungen”, schreiben Sie heute. Das kann man selbstverständlich so sehen und eventuell auch die Schlussfolgerungen, die Sie daraus ableiten. Aber zwingend ist es nicht. Sie verwenden ein Vokabular, das ich für völlig verfehlt und inakzeptabel halte, um es zurückhaltend auszudrücken: “Brandstifter … platteste Propaganda … rechtsdriftende Querdenker’‘. Dann definieren Sie auch noch, wo die Grenzen von Kritik für Andere liegen sollten.
Vielleicht sollten Sie Ihre eigenen Maßstäbe und Ansprüche an Kritik auf Ihren Kommentar vom 24. April anwenden.
Freundliche Grüße
Manfred Heinzmann
Antwort vom 29.04.2021:
Lieber Herr Heinzmann,
wir werden in der Sache sicher nicht einig, aber ich danke Ihnen trotzdem, dass Sie sich noch mal gemeldet haben. Ich bin zutiefst erstaunt über die Reaktionen, die mein (sicher harter) Kommentar bei Ihnen und einigen anderen ausgelöst hat. Wenn Sie daraus Empörung lesen, haben Sie allerdings recht: Ich bleibe dabei, dass es einer kritischen Auseinandersetzung mit den tatsächlich gravierenden Fehlern der Regierenden sehr schadet, in dieser Form von „Satire“ jede Vorsichtsmaßnahme zu verhohnepiepeln. Und ich empfinde das weiter als Mangel an Abgrenzung nach rechts und als unempathisch gegenüber den Corona-Opfern. Was nicht heißt, dass mir die Opfer fragwürdiger Schutzmaßnahen egal wären.
Sie schreiben „Dann definieren Sie auch noch, wo die Grenzen von Kritik für Andere liegen sollten.“ Nein, ich definiere das nicht, ich habe auch nirgends gefordert, irgendetwas zu verbieten, wie mir teilweise unterstellt wurde. Ich habe, genau wie die Schauspieler:innen einer MEINUNG Ausdruck gegeben, hart im Ton, sicher zugespitzt in der Kürze des Formats. Und so wie Sie sich über meine Meinungsäußerung kritisch äußern, habe ich das mit derjenigen eines Jan-Josef Liefers oder Ulrich Tukur getan.
Ich unterstelle Ihnen ja auch nicht, etwas „definieren“ (sprich: vorschreiben) zu wollen, nur weil Sie meinen Kommentar kritisieren.
Mir gibt Kritik, auch Ihre, durchaus zu denken. Aber ich bin zutiefst irritiert darüber, wie oft ich mir Vorwürfe wegen der Härte meines Kommentars anhören muss, die wesentlich härter, übertrieben und teils beleidigend daherkommen als der Kommentar selbst.
Freundliche Grüße
Stephan Hebel
FRANKFURTER RUNDSCHAU
Bronski ist sehr empfindlich. Im Übrigen … mit der Selektion hat Bronski angefangen, in dem er eine Aufteilung in „seriöse“ und sogenannte unseriöse Medien vorgenommen hat. Wer definiert denn den Unterschied? Bronski? Und selbstverständlich gab es Unterschiede in der Art und Weise der Berichterstattung und auch in der Bewertung und im Umgang mit der Pandemie.
Als ich meinen Blog-Beitrag am 18. April, 13:35 Uhr, abschickte, wusste ich noch nicht sehr viel Konkretes über die Hintermänner und Hinterfrauen der Aktion „#allesdichtmachen“. Aber die Informationen, die mich mittlerweile aus dem Bereich von Literatur- und Theaterkennern erreichen, legen den Schluss nahe, dass der Beifall von rechts nicht zufällig kam, sondern dass er inszeniert war. Deswegen schrieb ich: „Ja, dass sie [die Schauspieler] drehbuchfixiert sind und nicht mehr darauf achten, wer das Drehbuch verfasst hat.“
Mittlerweile ist klar, wer dieses Drehbuch erstellt hat. Nämlich „Tatort“-Regisseur Dietrich Brüggemann. Unter dem Pseudonym Noisy Nancy hat er bereits einen Song veröffentlicht, der zu den Hymnen der „Querdenker“-Querulanten zählt: „Steck euch euren Polizeistaat in den Arsch“. Muss der auch als Satire verstanden werden?
In der Giftküche Brüggemanns entstanden die meisten der Texte, die von den Schauspielern nach den Regeln ihrer Kunst aufgesagt wurden. Manuskripte, die von einigen angefragten Darstellern selbst beigesteuert wurden und die nicht in die beabsichtigte Zielrichtung passten, wurden verworfen. So viel zu der von den Akteuren beklagten Gefahr, dass die Meinungsfreiheit bedroht sei. Sie nennen das „verengte Diskussionsräume“.
Doch so eng scheinen diese Räume nicht zu sein, wenn man sich den Umfang des widerlichen Unsinns in Erinnerung ruft, der unter „#allesdichtmachen“ die Welt der schlichten Gemüter erhitzt – einschließlich die der abgehängten Politologin Ulrike Guérot.
Mein Leserbrief vom 25.04.2021:
Schade eigentlich, dass sich auch Stephan Hebel in den Chor derjenigen einreiht, die die kritischen Videoclips von über 50 Schauspielern zur Corona-Politik der Bundesregierung, pauschal in die rechte Ecke stellen. Er kanzelt diese Aktion als “platteste Propaganda im Stile rechtsdriftender ‘Querdenker’” ab. Beifall von Weidel & Co. scheint mir ein zu dünnes Argument dafür. Wo bleibt seine ansonsten differenzierte und ausgewogene Betrachtungsweise? Liefers hat zur Klarstellung festgehalten, dass er mit Leuten vom Schlage der AfD nichts zu tun hat und warum sollte das eigentlich “gar nichts nutzen”?
Meine Wahrnehmung dieser Videoclips ist eine völlig andere. Ja sind ironisch, zynisch, zugespitzt oder auch grotesk überspitzt. Volker Bruch befasst sich mit der Klima der Angst, das in Teilen unserer Gesellschaft herrscht und schließt mit den Sätzen: “Liebe Regierung, lasst uns in dieser Lage nicht allein. Es ist jetzt so wichtig, dass wir alle genug Angst haben. Bleiben Sie gesund.” Selbstverständlich ist COVID-19 eine sehr ernstzunehmende Erkrankung, aber dies erlaubt nicht alles. Um nur ein Beispiel zu nennen gilt das auch unter dem Gesichtspunkt, dass den politisch Verantwortlichen jedes Jahr 10.000 bis 20.000 Tote aufgrund von im Krankenhaus erworbenen Infektionen keine besondere Erwähnung wert sind. Man bräuchte Infektionskontrollen und –prävention und dies wäre mit Kosten verbunden. Oder Jan Josef Liefers, der seinen Beitrag abschließt mit den Worten: “Bleiben Sie gesund. Verzweifeln Sie ruhig, aber zweifeln Sie nicht.” Die verordneten und umstrittenen Lockdowns bringen nicht wenige zum Verzweifeln, aber diese Feststellung bedeutet doch nicht, dass das Leid von Erkrankten oder das Leid von Angehörigen Verstorbener gering geschätzt oder gar ignoriert würde. Thorsten Merten macht sich Sorgen, weil viele Menschen, die in kleinen Wohnungen leben, so egoistisch seien und keinen Abstand halten: “Warum können diese Menschen nicht einfach auch in große Wohnungen, Häuser oder Villen ziehen, um Abstand zu halten?”
Warum sollen Schauspieler, die solche und ähnliche Beiträge veröffentlichen, Brandstifter für Rechtsextremismus sein? Ich kann auch nicht erkennen, dass diese Videoclips “eine ernsthafte kritische Auseinandersetzung so unendlich viel schwerer machen”. Solche Aktionen muss man schon aushalten können.
Manfred Heinzmann, Mörfelden-Walldorf
@ Manfred Heinzmann
Natürlich gab es diese Unterschiede in der Berichterstattung! Aber das interessiert Liefers in seinem Video ja gar nicht. Eine Untersuchung dieser Unterschiede ginge auch über das satirische Format hinaus, dass die Künstler:innen da gewählt haben. Liefers‘ Punkt ist: Das Thema Pandemie wurde alarmistisch oben gehalten. Wer so was sagt, muss wissen: Er stößt damit ins selbe Horn wie die AfD. Weiter: Die Medien hätten dafür gesorgt, dass kein unnötiger kritischer Disput „uns“ von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung abhalten könne. Das ist Unsinn und zudem sachlich falsch. Ich verweise – nur als zwei Beispiele von vielen – auf den Kommentar „Autoritäre Tendenz“ des Kollegen Hebel (FR-Meinung vom 19.11.2020) zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes und auf meinen eigenen Blog-Beitrag in diesem Zusammenhang: „Schön, wenn noch mal nachgedacht wird„. Es gibt unzählige solcher kritischen Beiträge in allen Zeitungen und den Sendungen des öffentlich-rechtlichen TV und Radio, sei es zur Problematik von Schulschließungen, sei es zur Impf-„Strategie“, sei es zu psychischen Problemen durch die Pandemie (die FR hat dazu eine Serie begonnen). Die Behauptung, Kritik an der Corona-Politik sei nicht erwünscht oder werde gar unterdrückt, ist ebenfalls ein Topos der Rechtsextremen. Und so weiter. Ich bin mit dem Kollegen Hebel nicht in allem einig, was die Bewertung von #allesdichtmachen betrifft – wenn Sie meine Einleitung zu dieser Diskussion gelesen haben, wissen Sie das -, aber in der Kritik am Liefers-Video bin ich voll bei Stephan Hebel.
Ach ja, und was „meine Aufteilung“ in seriöse und unseriöse Medien betrifft, bin ich über Ihre Worte verwundert. Der Unterschied ist eigentlich klar definiert – siehe Pressekodex des Deutschen Presserats. Wenn Sie wirklich ein Beispiel für unseriöse Medien benötigen, dann googeln Sie mal mit den Stichworten „PI-News“, „Liefers“ und „Chapeau“. Ich werde diesen Müll hier nicht verlinken.
Vorangestellt: Ich will mich hier nicht an dem Schauspieler J.J. Liefers abarbeiten. Aber da ich sein Video gesehen habe und ihn dann gestern Abend bei Maybrit Illner erlebt habe, kann ich immer noch nicht verstehen, wie dieser Mann und die verschiedenen Akteure der #nichtganzdicht-Aktion es nicht verstanden haben, dass sie den „Querdenkern“ und Rechten in die Arme gelaufen sind? Bei Illner (sie war – im Gegensatz zu Lanz und Will – sehr fair!) habe ich einen ebenso konfusen wie verständnislosen Liefers erlebt.
Wenn das so ist, wie Klaus Philipp Mertens oben schreibt mit der Idee und dem Entstehen dieser Aktion (Hintermänner Tatort-Regisseur Brüggemann & Co.), dann frage ich mich ernsthaft, was ist mit Künstlern/Schauspielern (Frauen inkl.) nur los, dass sie sich auf so ein Pferd setzen lassen? Ich verstehe das nicht.
Wenn die Vielzahl der Akteure schon Satire nicht können, so sollten sie vielleicht soweit verstanden haben, wie zur Zeit die spalterische und erhitzte Debattenlage in der Gesellschaft aussieht.
Die hilflose Reaktion von Liefers bei Illner hat mich irritiert zurückgelassen.
Wenn es schon schwierig genug ist, einen Konsens über die Schwierigkeiten und Gefährlichkeit der Pandemie in der Gesellschaft hinzubekommen, auch ohne „Querdenker“, Verschwörungstheoretiker und Rechte, dann bringen es diese Künstler auch noch fertig, eins draufzusetzen!
Das Elend ist, es in dieser schwierig zu bewältigenden Pandemie (sowohl von der Politik als auch von der Bevölkerung) es noch nicht mal in den Etagen der Kunst fertigzubringen, wenigstens klug zu reagieren oder wirklich feinen Humor zu zeigen.
Ich muss ja nicht gleich in die obersten Etagen steigen, zu Kurt Tucholsky, aber schon ein Kabarettist wie Sebastian Pufpaff kann das ganz gut.
Ich bin – auch Bronski – immer wieder dankbar, wenn mich Belehrungen erreichen, die mich intellektuell weiterbringen.
Zum Punkt der Seriosität von Medien. Selbst wenn man konzedieren würde, dass die Aktion der Schauspieler nicht besonders gelungen wäre, dann gibt es trotzdem einfach keinerlei Gründe, auf Liefers und seine Kollegen in der geschehenen maßlosen Weise einzuprügeln. Die Verwendung von Begriffen wie „Brandstifter“ für diese Aktion vergiftet jegliche Diskussionsmöglichkeit und der Hinweis zum Beifall von rechts ist ein Totschlagargument, das jeden konstruktiven Streit beträchtlich erschwert, wenn nicht unmöglich macht.
Ich möchte etwas länger aus dem Leitartikel der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „der Freitag“ zitieren und hoffe, dass dieses Medium den Anspruch an Seriosität erfüllt.
„Es ist bedauerlich, aber leider wahr: Erstes Opfer des Virus waren die Journalisten, und sie haben sich bisher nicht erholt. Beim besten Willen kann niemand der Ansicht sein, die Mehrzahl der deutschen Qualitätsmedien habe im vergangenen Jahr unvoreingenommen über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise berichtet. Es galt im Gegenteil das unausgesprochene Motto: Erst schließen, dann fragen.
Der Schauspieler Jan Josef Liefers hat darum den Medien in seinem Videobeitrag zu #allesdichtmachen auf ironische Weise mangelnde Distanz und Panikmache vorgeworfen. Danach wurde er erst geteert und gefedert, durch die Straßen geschleift und schließlich an einem Laternenpfahl aufgehängt – bildlich gesprochen, aber die Stimmung war schon nach Lynchen.
Dabei hatte er einfach nur recht.“
(Jakob Augstein, Verleger und Geschäftsführer)
@ Heinzmann
Sie haben vielleicht sonderbare Ansichten. Jan Josef Liefers darf seine Meinung frei sagen, Stephan Hebel aber nicht? „Brandstifter“ ist eigentlich noch viel zu schwach, denn das Feuer brennt ja bereits. Ich erinnere nur an die „Querdenker“. „Zündler“ trifft es auch nicht. Vielleicht so: Liefers gießt Öl ins Feuer? Augstein übrigens auch. Liefers ist nichts geschehen. Er wurde nicht geteert und gefedert, durch Straßen gechleift und dann aufgehängt, wie Augstein mit seiner martialischen Sprache sagt. Auch nicht metaphorisch. Er hat aber die Gelegenheit bekommen, Fragen zu seinem Video zu beantworten, wie sich das in einem zivilisierten Land gehört. Er war aber nicht dazu in der Lage, diese Fragen zu beantworten.
Augstein hat eben auch seine Meinung. Die darf er haben. Ich widerspreche ihm trotzdem. Liefers hat nicht recht.
@ Manfred Heinzmann
Jakob Augstein („der Freitag“) hat schon lange nicht mehr nur recht. Was er in den letzten Monaten und Jahren an Kommentaren losgelassen hat, das wurde meines Erachtens immer grenzwertiger und konnte genau so gut die Aufstände der „Querdenker“ und Verschwörungstheoretiker befeuern, wie es zum Teil die Aktion nichtganzdicht auch geschafft hat.
Leider ist für mich Augstein kein Orientierungspunkt mehr für Qualitätsjournalismus. Und bei „freitag“ selbst bin immer häufiger hin und her gerissen, wohin sich dieses einst aufklärerische Blatt hin entwickelt (hat).
Nein, J.J. Liefers hatte eben nicht einfach nur recht! Und ich wiederhole mich: Wenn Satire, dann war das misslungen.
Ich habe Maybrit Illners Sendung auch gesehen. Bei mir ist hängengeblieben, dass J.J. Liefers über etwas gesprochen hat, was dann trotzdem nicht thematisiert wurde: seine Überforderung. Es war ihm alles zu viel. Mir kommt es so vor, als ob das das eigentliche Thema ist. Man ist überfordert. Ich kann das nachvollziehen nach über einem Jahr Pandemie mit Einschränkungen für mich. Man hat das Gefühl: Langsam reicht es. Hilflosigkeit. Man kann ja nichts machen. Dann sucht man Verantwortliche. J.J. Liefers hat sich dafür entschieden, die Medien verantwortlich zu machen. Ich bezweifle, dass er recht hat, aber er darf das natürlich sagen. Anschließend ist er verantwortlich dafür, dass er das gesagt hat. Wenn er nicht so prominent wäre, wäre der Aufschlag nicht so laut gewesen. Andere sagen, die Regierung ist verantwortlich. Aber wofür eigentlich? Doch nicht für die Pandemie. Die Medien berichten nur. Die Politiker sind gezwungen, sozusagen im Blindflug zu reagieren, weil wir noch nie in einer solchen Situation waren. Sie sind verantworlich für Fehler im Umgang mit der Pandemie, aber nicht für die Pandemie selbst. Diese Wortlosigkeit hinter den Wörtern ist doch das eigetliche Thema! Warum verschwenden wir Zeit und Kraft mit der Suche nach Verantwortlichen? Das bringt uns in der Bekämpfung der Pandemie kein Stück weiter.
Mir ist es egal, ob J.J. Liefers recht hat oder nicht. Darum geht es nicht.
@ Stefanie
Sie liegen damit schon richtig: mit J.J. Liefers sichtlicher Überforderung (bei Illner) und dem eigentlichen Kampf gegen die Pandemie.
Der Umgang bei der Bewältigung der Pandemie und der mit dem Aushalten der Einschränkungen der Gesellschaft in schweren Zeiten, ist die Nagelprobe für das Danach.
Ich verlinke hier den Text von Jakob Augstein im „Freitag“, auf den Manfred Heinzmann sich bezieht, nicht ohne anzumerken, dass ich Augsteins Positionen absolut nicht teile. Aber erstens ist das hier Ihr Forum, nicht meines, und zweitens habe ich jetzt Feiertag bzw. Wochenende, und so wünsche ich Ihnen allen: Haben Sie ein schönes.
Ihr Bronski
PS: Natürlich darf weiter diskutiert werden.
In der Debatte um #allesdichtmachen zeigt sich schon eine Spaltung der Gesellschaft. Allerdings ist die Spaltung nicht durch diese Aktion entstanden, sondern nur offenbar geworden.
Ich bin schon irritiert darüber, dass FR-Autor:innen wie Stefan Hebel, deren Beiträge ich sonst sehr schätze, ein dermaßen vernichtendes Urteil zu #allesdichtmachen fällen können.
Nun gesellt sich auch noch Sylvia Staude in Ihrem Beitrag „Wegen des dämlichen Haares“ in der FR zum Tatort vom 2. Mai dazu, wenn sie zu Professor Börne den Seitenhieb „(Wir reißen uns zusammen und ziehen keine Verbindung zu einem kürzlichen Video-Auftritt von Liefers.)“ nicht lassen kann.
Wo bleibt da die nötige Distanz und Unabhängigkeit? Eine satirisch-ironische Aktion zum Regierungshandeln muss nicht zwangsläufig alle Aspekte des Pandemiegeschehens gleichzeitig im Blick haben. Es ist legitim, sich nur einem Aspekt zu widmen.
Man wirft den Schauspieler:innen u. a. vor, nicht genügend Empathie für die Kranken, die Verstorbenen und ihre Angehörigen und für das Krankenhauspersonal aufzubringen, ja diese Gruppen gar zu verhöhnen. Es ist unredlich, diesen Vorwurf aus den satirisch überzeichneten Video-Clips abzuleiten. Kritik an Regierung und Medien waren das Ziel.
Den Schauspielerinnen und Schauspielern, die in den letzten Tagen viel Kritik einstecken mussten, aber auch Zuspruch erhielten – leider auch aus der falschen Richtung – bin ich außerordentlich dankbar für ihren Mut, mit ihren Mitteln das grottenschlechte Pandemiemanagement der Bundesregierung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.
Spätestens ab dem Herbst vorigen Jahres hätte die Lockdown-Aussperr-und-Einsperrstrategie durch eine Digitalisierung der Kontakterfassung und -nachverfolgung und durch eine durchorganisierte Teststrategie inkl. des Einsatzes von Selbsttests und deren Dokumentation ersetzt werden müssen. Natürlich hätte das Datenschutzrecht für die Zeit der Pandemie und des nationalen Notstands dem Pandemiegeschehen angepasst werden müssen.
Aus meiner Sicht haben diese Künstlerinnen und Künstler einen nützlichen und wichtigen Beitrag in die Diskussion eingebracht. Etwas mehr Gelassenheit und Unaufgeregtheit wären in dieser Debatte wünschenswert.
Hermann Schorge, Lohra
@ Hermann Schorge
Etwas mehr Gelassenheit und Unaufgeregtheit – einverstanden. Aber einen nützlichen und wichtigen Beitrag in die Diskussion haben die Künstlerinnen und Künstler nun wirklich nicht in die Diskussion eingebracht.
Ansonsten weisen Sie in Ihrem letzten Absatz auch nur auf die politischen Versäumnisse hin, die nun wirklich alle schon mal durchgekaut worden sind.
Ich gebe zu, dass ich nach dem Medienauftritt von Liefers diese Woche, den heutigen Tatort nicht ganz unbefangen angeschaut habe. Er, der Tatort, war viel schlechter als ihn Sylvia Staude hat durchgehen lassen.
Meine letzte Anmerkung gehört zwar nicht mehr zum Thema, aber: Das war so ein Münsteraner Krimiabend, wo ich mir fast schon „Derrick“ wieder zurückwünschen würde!
@ Jürgen Malyssek
Ich fand den Krimi auch nicht gut. Irgendwie hat Stephan Hebel schon recht mit seinem Einwand, den er in seinem Kommentar gemacht hat. Wie soll man nach diesen Einlassungen der Künstler das Schauspiel noch unbefangen genießen? Liefers machte auch noch dieselben Kopfbewegungen wie in seinem Video. Das kam bei mir gar nicht gut an. Immerhin gab es einen unfreiwillig komischen Moment, als Prof. Börne vor „Alberich“ auf dem Boden sitzt und kleinlaut gesteht: „Wer weiß, wie viele grob fahrlässige Diagnosen ich schon abgeliefert habe? Mir wird schwindlig.“ Das hat irgendwie gepasst.
@ all
Der „Tagesspiegel“ berichtete am 2.5. über Das Netzwerk hinter #allesdichtmachen*. Dieser Text zeichnet Konturen der bisher noch weitgehend intransparenten Entstehungsgeschichte der Aktion und deutet an, dass die Dinge wohl komplizierter sind: Offenbar haben sich da nicht einfach ein paar Künstler zu einer Aktion zusammengeschlossen, um lediglich satirische Videos zu veröffentlichen. Sollte sich herausstellen, dass es stimmt, was sich hier andeutet, dann geht es hier nicht um die Freiheit der Kunst und das Recht auf freie Meinungsäußerung, sondern um den Versuch der Manipulation der Öffentlichkeit aus der „Querdenker“-Szene heraus. Damit wäre die Aktion diskreditiert. Darüber werden wir in den kommenenden Tagen wohl noch mehr erfahren.
Ich ziehe meine stellenweise bekundete Sympathie für die Aktion #allesdichtmachen hiermit zurück, nachdem ich mich nun stundenlang bis tief in die Nacht mit Einzelheiten befasst habe, die jetzt so nach und nach auftauchen – und da werden sicher noch mehr kommen. Wenn ich im „Tagesspiegel“ lese, dass Volker Bruch am Set von „Babylon Berlin“ mit einem ärztlichen Attest auftauchte, das ihn von der Maskenpflicht befreit, woraufhin das gesamte Hygienekonzept am Set überarbeitet werden musste, stelle ich mein Urteil über sein Video auf ein anderes Fundament und füge hinzu: Volker, unter uns, von Künstler zu Künstler, Du Schauspieler, ich Autor – Du bist ein toller Schauspieler, aber ich weiß nicht und verstehe nicht, was Dir in den Kopf geschossen ist. Es ging Dir offenbar nicht ernsthaft um die Angst der Menschen bei Deinem Video, auch wenn Du diese Angst zum Thema gemacht hast. Du hast anscheinend vielmehr diese Angst der Menschen benutzt, um Stimmung zu machen. Damit bist Du bei mir unten durch. Ganz einfach.
Auch das noch!
Was ist nur mit diesen Akteuren aus dem Filmkunstbereich los?
Hinzu kommt meines Erachtens, dass so etwas wie #nichtganzdicht auch noch zur Kunst erhoben wird.
Genau so schlecht der gestrige Tatort war, so war es auch diese Video-Aktion. Immerhin haben sich doch einige der Akteure da wieder abgemeldet.
Dass die Corona-Zeit nicht leicht zu bewältigen ist, das ist eine Seite der Geschichte. Was man dann daraus macht, ist die andere Seite.
@ Stefan Briem
Dann ist es Ihnen ähnlich ergangen wie mir. In einigen Passagen des Film kam es mir auch so vor als erlebte ich die filmische Verarbeitung der Wirklichkeit, der Aktion, über die wir hier reden.
(Plagiatsvorwürfe oder die Situation, die Sie beschreiben Prof. Börne vor „Alberich“ kniend oder sitzend …)
Nun wird es abenteuerlich. Den gestrigen Tatort mit der Aktion #allesdichtmachen in Verbindung zu bringen, scheint für manche vielleicht naheliegend, aber nur auf den allerersten Blick, hat tatsächlich aber überhaupt nichts miteinander zu tun, sondern dient einfach nur der weiteren Diskreditierung von Liefers. Ziemlich billig und schlicht.
Dann Bronski: Volker Bruch kam mit einem ärztlichen Attest zum Set. Das an sich ist wohl schon verwerflich und sein Video wird damit „auf ein anderes Fundament“ gestellt. Darauf muss man erst mal kommen. Aber wahrscheinlich kennt Bronski den Inhalt und weiß, dass es gefälscht ist oder ein Gefälligkeitsattest. Zum Schluss wird deswegen plötzlich aus dem Video noch abgeleitet, dass es „antidemokratisch Stimmung“ machen würde. Auch darauf muss man erst mal kommen. Dazu sage ich mit Bronski: „Damit bist du bei mir unten durch. Ganz einfach.“
@ Bronski
Wenn das stimmt, was da im Tagesspiegel über die Hintergründe steht, kann man die Aktion #allesdichtmachen tatsächlich nicht mehr gut finden oder unterstützen. Ich lasse mich nicht gern manipulieren. Sollte Volker Bruch tatsächlich mit einem falschen Attest zu den Dreharbeiten gegangen sein, falls er es von diesem „Mediziner“ Paul Brandenburg bekommen hat, dann ist er auch bei mir unten durch. Brandenburg steht im Mittelpunkt eines von über 100 Ermittlungsverfahren des Landeskriminalamts Berlin gegen eine Gruppe von Ärzten wegen der Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse, schreibt der Tagesspiegel, und er ist wohl Teil des Netzwerks im Hintergrund der Aktion, die Bruch mit initiiert haben soll.
Ein weiteres kleines Update, das helfen mag, das Bild zu fügen: Nach Recherchen der Webseite Netzpolitik.org hat Volker Bruch Mitgliedschaft in der Partei „Die Basis“ beantragt, die aus der „Querdenker“-Szene hervorgegangen ist. Netzpolitik.org konnte nach eigenen Angaben Unterlagen einsehen, die dies belegen. Das Aufnahmeverfahren sei noch nicht abgeschlossen. Die Sache ist deswegen interessant, weil u.a. Jan Josef Liefers, der zu den Initiatoren von „#allesdichtmachen“ gezählt wird, eine inhaltliche oder gedankliche Nähe zu den „Querdenkern“ und anderen rechten Gruppen vehement von sich gewiesen hatte. Eine Parteimitgliedschaft Bruchs, der ebenfalls zu den Initiatoren gezählt wird, würde jedoch eine politische Nähe belegen. Ebenso natürlich der Antrag auf eine solche Mitgliedschaft. (Zum Artikel von Netzpolitik.org)
X Filme Creative Pool, die Produktionsfirma von „Babylon Berlin“, hat inzwischen bestätigt, dass Bruch ein Attest hat, das ihn von der Maskenpflicht befreit. Warum und woher er dieses Attest hat, ist bisher nicht bekannt. Rein rechtlich gesehen muss Bruch diese Gründe nicht mitteilen. Allerdings besteht im Zusammenhang dieser Berichterstattung ein Interesse der Öffentlichkeit, diese Gründe zu erfahren, damit das mögliche Missverständnis ausgeräumt wird, dass die Befreiung von der Maske als politisches Statement gedeutet werden könnte. Von der Maskenpflicht kann – von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – befreit werden, wem wegen einer gesundheitlichen oder psychischen Einschränkung das Tragen einer Maske nicht zugemutet werden kann, etwa bei Erkrankungen mit eingeschränkter Sauerstoffversorgung. Im Attest muss nach einem Bericht des Ärzteblatts der Grund für die Befreiung angegeben werden. D.h. die Firma X Filme müsste diesen Grund im Fall Bruch also kennen.
Bemerkenswert ist weiterhin die Intransparenz des Projekts „#allesdichtmachen“. Volker Bruch wird mit dem Satz zitiert: „Wir haben entschieden, nichts über die Aufgabenverteilung preiszugeben, um jeden Einzelnen zu schützen.“ Im Impressum der Webseite allesdichtmachen.de steht der Name Bernd K. Wunder von der „Wunder am Werk GmbH“. Der hat dem NDR-Magazin „Zapp“ gesagt, dass die Schauspieler Volker Bruch, Jan Josef Liefers und der Drehbuchautor und Regisseur Dietrich Brüggemann zu den Initiatoren der umstrittenen Aktion zählen würden. Auch die Urheberschaft des Textes auf der Webseite allesdichtmachen.de ist unklar, in dem die Aktion sich einzuordnen und abzugrenzen versucht. Das ist presserechtlich fragwürdig, da es sich um einen Meinungsbeitrag handeln dürfte. Daran knüpft sich die Frage an, warum eine Gruppe von Menschen, die angeblich einen klärenden Diskussionsprozess anstoßen wollte, ein solches Geheimnis um sich selbst, die Abläufe, die Produktion und die internen Zuständigkeiten macht.
Da öffnen sich Gräber.
Auch nach dem Lesen des Artikels von Netzpolitik.org.
Und dann taucht da auch wieder ein Altbekannter auf, der Infektionsepidemiologe Sucharit Bhakdi (vormals Uni Mainz), der Co-Autor dieses fürchterlichen Spiegel-Bestsellers CORONA FEHLALARM? (2020).
Es scheint ja immer noch ein paar Menschen zu geben, die sich noch nicht auf Twitter und anderen Netzwerken zu Corona zu Wort gemeldet haben. Für die, denen das zu kompliziert erscheint, sollte man doch einen Leitfaden erstellen, wie und was auf Corona-Meldungen zu antworten ist. Hier nur erst mal ein paar Vorschläge:
Ab Samstag ist Lockdown von 22 bis 5Uhr (unerhört, warum nicht ab 22.15Uhr? Alternativ: einzeln spazieren gehen mit Kuscheltier eralauben); Abstand halten mindesten 1,5 Meter(unerhört, 1,7m wäre viel sicherer! Alternativ: Nach zweiter Impfung 1,2 Meter); Maske tragen (verbieten wegen klimaschädlicher Entsorgung); Schulen schließen ab Inzidenz von 165 (besser 169, Alternativ: Nur Samstag und Sonntag.)
Grundsätzlich liegt man immer richtig mit „zu früh, zu spät“, „zu viel, zu wenig“ und „zu lange, zu kurz“. Pandemiebekämpfung kann so einfach sein! Und endlich mal eine bundesweite Demonstration organisieren aller, die gegen Corona und vor allem das Sterben daran sind. Das hätte auch den Vorteil, dass daran garantiert keine Coronaleugner teilnehmen!
Die einen hauen mächtig auf die Pauke, Satire sagen sie, andere kritisieren das heftig, weitere kritisieren scharf die Kritiker:innen, ja mei! Wer austeilt muss auch einstecken können. Das gilt für alle, meine ich. Eine Anmerkung noch: Schauspieler:innen, deren Job von berechnender Wirkung der Sprache und Gestik lebt, sind halt auch nur normale Menschen, die sich wundern, wenn etwas, was voraussehbar gewesen ist bei der Performance, plötzlich so kommt. Und ein neuer Stuttgart-Tatort wird gerade gedreht, vielleicht kann man die Tütennummer einbauen.
@ all
Zur Info: Ich habe meinen Einleitungstext aktualisiert. Siehe ganz oben ab „Update 4. Mai, 17 Uhr“.
@ Bronski
Danke Ihnen für den neuen Einleitungstext und die Gelegenheit den rbb-Film Charité intensiv, Station 43-Sterben anschauen zu können.
Nach der Folge 1, weiter bin ich heute nicht mehr gegangen, fühle ich mich geradezu erschöpft. Diese medizinischen und menschlichen Grenzsituationen der Ärzte und der medizinischen Kräfte haben auch mich gerade geschafft.
Beim Nachdenken über das, was alle Mitarbeitenden in den Intensivstationen leisten und aushalten müssen, geht bei mir der letzte Rest an Verständnis für Corona-Kritiker, geschweige denn -Leugner verloren.
Und die nichtganzdicht-Aktion wirkt damit immer makabrer.
@ Jürgen Malyssek:
Zum Thema passt auch gut der Leserbrief „Ich helfe gern beim Packen“ von Karin Bökel in der FR vom 04.05.21.
Als der Beitrag, auf den sich der Leserbrief bezieht, erschien, sagte ich ebenfalls, dass diese Falschdenker doch tatsächlich ihre Sachen packen und ins Ausland gehen sollen, wie von deren „Lichtgestalt“ Ralf Ludwig empfohlen.
Als Land, wo sie hingehen können, würde ich Brasilien empfehlen, und hier gäbe es dann weniger Infizierte, die Ansteckungsgefahr wäre geringer, es müssten keine Intensivbetten und Atemgeräte für diese Leute vorgehalten werden, die für wirklich Berechtigte fehlen würden.
@ Peter Boettel
Ja, passt ganz gut.
Mir geht nach dem Film sogar der Schwarze Humor aus, was etwa die Hilfestellung beim Packen und der Ausreise aus der Coronadiktatur betrifft.
Es wird ja richtigerweise gesagt, dass Corona alle Struktur- und Systemdefizite offenlegt. Ich gehe einen Schritt weiter und glaube, dass das Aufdecken von Schieflagen noch viel tiefer geht: Im menschlichen Dasein herrscht nicht nur eine Überforderung in einer auf Wachstum und Leistung getrimmten Gesellschaft. Nein, es kommt auch eine bodenlose Dummheit und Hemmungslosigkeit zutage, wo man sich wirklich nur noch wünschen kann, dass wenigstens eine, wenn auch knappe Mehrheit, die Übersicht behält.
Ich bin inzwischen schon froh, dass ich mir die Skepsis als Haltung bewahrt habe. Muss aber aufpassen, dass der Fatalismus mich nicht noch einfängt. Insofern ist die persönliche Auseinandersetzung mit der Pandemie keine geringe Herausforderung so im späten Erwachsenenalter.
Danke nochmal, Herr Boettel, für den Hinweis auf den Leserbrief von Karin Bökel.
Ihre beiden Vorschläge sind wirklich nicht von der Hand zu weisen.
Bei der ganzen Diskussion um Corona bzw. Covid-19 scheint mir der wichtige Gesichtspunkt der Klinikschließungen in den letzten Jahrzehnten, der einen entscheidenden Einfluss auf die wirklich schwierige Lage in den Krankenhäusern ausübt, keine besondere Wirkung in der Öffentlichkeit zu entfalten. Die Situation, die in „Charité intensiv: Station 43“ dargestellt wird, ist bedrückend, furchtbar und kaum auszuhalten für Personal, Erkrankte und sicherlich auf für den Zuschauer. Allgemein kann man sagen, es gibt Gründe dafür und diese Gründe liegen eben nicht nur in der Pandemie.
Das „Bündnis Klinikrettung c/o Gemeingut in Bürgerinnenhand (GiB), Berlin – http://www.gemeingut.org“ setzt sich in einer Sonderveröffentlichung gegen Klinikschließungen (Zahlen, Gründe, Folgen) mit den Fakten auseinander. Hier nur wenige Aspekte.
„Gab es 1980 noch 3.783 Krankenhäuser mit 879.605 Betten in Deutschland, sind es heute knapp 2.000 mit etwa 500.000 Betten. Die Liegezeit hat sich auf eine Woche halbiert, mehr als 60.000 Stellen im Pflegebereich wurden gestrichen.“ (Dr. Bernd Hontschik)
Weiter wird darauf hingewiesen, dass sich die Investitionsfinanzierung durch die öffentliche Hand in den letzten zwanzig Jahren halbiert hat und auch dadurch hat sich der Schuldendienst bei den Krankenhäusern im selben Zeitraum vervierfacht: „Das ist der direkte Weg in die Insolvenz.“ Die Einführung diagnosebezogener Fallpauschalen zwischen 1999 und 2002 trug ebenfalls zur Verschärfung der finanziellen Situation von Krankenhäusern bei. Das führte zu Schließungen und Privatisierungen. Seit 2014 gibt es mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Auch im Jahre 2020 wurden bundesweit 20 Kliniken geschlossen. Und Dr. Hontschik weiter: „UnternehmensberaterInnen sind plötzlich überall … Sie interessiert: Was bringen die PatientInnen ein? Und: Wie viele Stellen kann man streichen? … Entscheidend waren jetzt Bilanzen und nicht medizinische Notwendigkeiten.“ Zum Schluss: „Krankenhäuser müssen Teil der staatlichen Daseinsvorsorge sein, ihre Rechtsform muss eine gemeinnützige sein. Die konkrete Medizin am Krankenbett muss vom ökonomischen Diktat befreit werden.“
Diese gesamte Situation hat selbstverständlich auch negative Auswirkungen auf die Behandlung von Covid-19 Patienten. Und Brandstifter sind dabei das BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung, die Robert Bosch Stiftung und die Bertelsmann Stiftung. In einem „Richtungspapier zu mittel- und langfristigen Lehren“ fordern sie im Herbst 2020 Kapazitätsverringerungen im Krankenhaussektor. AutorInnen sind Prof. Boris Augurzky, Prof. Reinhard Busse, Prof. Ferdinand Gerlach und Prof. Gabriele Meyer.
@ Manfred Heinzmann
Das Thema von Klinikschließungen und die Privatisierung des Gesundheitswesen sind inzwischen längst Thema der Politik in Hessen. Und ich gehe davon aus, dass es in den anderen Ländern auch nicht anders aussieht. Die großen Konzerne, wie am Beispiel HELIOS u.a., steuern die Kliniken nach ihren Gewinnmargen und haben inzwischen auch die letzten Kommunalpolitiker wach werden lassen, dass es so nicht weiter gehen kann, dass den Preis des Systems die Beschäftigten und die Patienten zahlen.
@ Jürgen Malyssek
@ Manfred Heinzmann
Leider ist das Thema auch in Ba.-Wü. aktuell, so z.B. im Landkreis Göppingen, wo die Helfenstein-Klinik in Geislingen a.d. Steige geschlossen werden soll. Die Helfenstein-Klinik und die Klinik am Eichert in Göppingen bilden gmeinsam die Alb-Fils-Kliniken und gehören dem Landkreis. Zum Thema kann ich folgenden Link anbieten:
https://www.swp.de/suedwesten/staedte/geislingen/helfenstein-klinik-geislingen-geplante-umstrukturierung-an-den-alb-fils-kliniken_-die-aktuellen-entwicklungen-im-ueberblick-51564530.html.
Wie mir eine Kreisrätin anlässlich der 1. Mai-Kundgebung mitteilte, soll es angeblich nicht am Geld, sondern am mangelnden Personal liegen.
Sollte das Geld dennoch eine Rolle spielen, könnte ich als Betroffener (musste im Februar wegen eines Unfalls in die Klinik am Eichert) einige seltsame Dinge berichten.
Ja Herr Malyssek, dass diese Frage ab und zu in Veröffentlichungen der FR und in diversen Kommunalparlamenten Thema ist, ist mir auch nicht verborgen geblieben. Das Problem liegt bei den Ergebnissen und soweit ich das überblicke sind Rekommunalisierungen ein sehr seltenes Ereignis. Und die Hessische Landesregierung denkt nicht im Traum daran, die Uniklinik Gießen-Marburg wieder in die öffentliche Hand zu überführen. Die Bundesregierung fördert die Schließung von Krankenhäusern mit 500 Millionen Euro jährlich.
Deshalb gibt es den entsprechenden Aufruf „www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen-stoppen“, der online unterschrieben werden kann.
Es heißt darin unter anderem:
– Kein Krankenhaus darf mehr schließen …
– Die Schließungsförderung über den Krankenhausstrukturfonds wird sofort gestoppt
– Das Krankenhauspersonal wird erheblich aufgestockt und seine Bezahlung und Arbeitsbedingungen werden verbessert …
– Die Betten- und Personalausstattungen der Krankenhäuser wird unter Einbezug von Jahresspitzen, Katastrophen und Pandemien geplant , anstelle der bisherigen Auslegung nach jahresdurchschnittlicher Auslastung.
… und weitere drei Punkte.
@ Peter Boettel
@ Manfred Heinzmann
Man sieht, es überall das Gleiche und trotz der offensichtlichen Fehlstrukturen, haben die Konzerne das Heft leider noch in der Hand.
Das Argument, dass es nicht am Geld liegt, sondern am mangelnden Personal, das glaube wer will. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Wir wissen doch, wie die Konzerne das Personal wegsparen, um ihre Gewinne zu sichern und die Aktionäre bei Laune zu halten.
Ich kann natürlich da keinen Optimismus verbreiten: Den Kommunen ist das Problem schon bewusst, aber sie sind auch nicht sehr entscheidungsstark. Es ist dieses „Dicke-Bretter-Bohren“ der Parteien, die Gemeinwohl auf dem Zettel stehen haben.
Von der Uni-Klinik Gießen-Marburg habe ich es auch mitgekriegt im Zusammenhang mit Krise der HSK-Helios Klinik Wiesbaden.
Der genannte Aufruf ist einer dieser Aktionen, die diesen bekannten langen Atem benötigen.
Es ist eigentlich schon erstaunlich, wie gut unser Gesundheitssystem noch funktioniert, auch gerade in dieser Katastophe Pandemie. Aber am Beispiel der Charité in diesem Film sieht man auch, wie aufopferungsvoll und aufrecht das Klinikpersonal arbeitet. Und das in inzwischen dauerhaften Grenzsituationen. Das hat einen hohen Preis.
Gedanken zum #allesdichtmachen
Was bedeutet es eigentlich, wenn die Kanzlerin trotz fehlender Impfdosen in diesem Frühjahr eine Parole ausgibt („Impfen, Impfen, Impfen!“), die zu diesem Zeitpunkt gar nicht umgesetzt werden kann? Impfzentren mussten mangels Impfstoff sogar schließen. Natürlich ist diese leidenschaftliche Aussage – eigentlich ganz und gar nicht ihr Stil – richtig, wäre Impfstoff vorhanden, aber sie ist vollkommen sinnlos, wenn dieser fehlt; weil es an den notwendigen Voraussetzungen mangelt, sie in Handlungen zu überführen. Die Devise geht also ins Leere, aber – erstaunlich – kein Journalist hakt nach. Auch nicht die Frankfurter Rundschau. Sie bringt die Impf-Parole auf der ersten Seite mit einem Foto der Kanzlerin, innen folgen die Inzidenzzahlen und das Übliche, nicht mehr.
Was treibt eine seriöse Tageszeitung dazu, eine offenkundig unsinnige Äußerung der Kanzlerin groß-formatig auf die erste Seite zu setzen? Natürlich kann ein wenig geimpft werden – aber eben viel zu wenig und zu spät. Soll der Eindruck bleiben, sie fordert das Richtige? Soll der Leser das Offensichtliche – den fehlenden Impfstoff – übersehen? Erstaunlich ist, dass zu den Impfstoffverhandlungen nur sehr spärlich berichtet wird und noch erstaunlicher, keiner der Verantwortlichen übernimmt Verantwortung für den desaströsen Mangel. Auch bei Spahn, der in der FR vom 2.2. mit der Formulierung „Unterversorgung“ zitiert wird, fragt niemand, wieso es dazu kam. Die Kanzlerin fragt offenbar auch nicht, stattdessen beschwichtigt sie in der Welt vom 21.4. mit einem vagen „hier und da“ der Fehler und einer Forderung nach „europäischer Koordination“, die so billig und zugleich selbst mittelfristig so aussichtslos ist, dass jeder bei kurzem Nachdenken nur auf eines kommen kann, auf den Begriff Allgemeinplatz.
Bedenkt man, dass es sich beim Impfstoff immerhin um eine Frage von essenzieller Bedeutung handelt, wie die Kanzlerin durch ihre leidenschaftliche Dreifachparole „Impfen, Impfen, Impfen!“ selbst zum Ausdruck bringt, so erstaunt es wie wenig Aufhebens in der Presse von den Ursachen der Mangelsituation gemacht wird.
Wir alle haben inzwischen das Gefühl, alles zur Pandemie ist irgendwie schon von jemandem gesagt worden in endlosen Talk-Runden, Sondersendungen, Brennpunkten und Experten-Meetings. Alles? Über das Thema Verantwortung wurde so gut wie nie geredet. Und schon gar nicht über den fehlenden Impfstoff und eine über Wochen versemmelte Impfkampagne. Auch nicht über die Toten, die das unweigerlich bedeutet. Wer verantwortet den Datensalat zum Infektionsgeschehen und den bis heute unzulänglichen Wissensstand hinsichtlich der Wirkung einzelner Maßnahmen? Die unfassbaren Zustände in der Fleischindustrie und die Infektionsrisiken waren lange bekannt – hat sich die Politik darum rechtzeitig gekümmert? Mit Verve verfolgten Kameras stattdessen die Jagd von Ordnungskräften auf Rodler ohne Maske und Kommentatoren verurteilten den bodenlosen Leichtsinn, während in den Altenheimen Schnelltests, Quarantäneplätze und Hygienekonzepte fehlten und kein Gesundheitsamt kontrollierte. Darum wurden erstaunlich wenig Worte gemacht.
Auf den Bürger rauschte ein tropischer Platzregen an Ermahnungen nieder, ein Wortschwall an Warnungen auf feiernde Jugendliche im Freien, während dort, wo trotz Corona unter kritischen Umständen gearbeitet und gelebt wird bis heute eher eine Art Schweigegelöbnis vorzuherrschen scheint. Aber da wird ja auch richtig Geld verdient. Und die Infektionsrisiken in der Produktion? Immerhin löblich, die Frankfurter Rundschau machte bei Letzteren eine Ausnahme.
Feiernde wurden implizit in der Presse und manchmal auch explizit – ähnlich wie Demonstranten – für die Toten in Alten- und Pflegeheimen verantwortlich gemacht. Nur ganz wenige Journalisten sprachen über die tatsächlichen Hintergründe der erschreckenden Sterbezahlen in den Heimen. Auf offenkundige Planungsmängel und Fehler der politischen Entscheider folgten regelmäßig Sprüche wie gemacht für Omas Stickkissen: „Die Milch wurde schon verschüttet! Da kann man nur noch nach vorn schauen!“ Jeder Satz wirklich Gold wert. Und verantwortungslos. Hat da jemand nachgehakt? Nein.
Die „Vierte Gewalt“ ignoriert bis heute den Elefanten, der tonnenschwer im Raum stand und steht. Kritik an der Regierungsarbeit sind seltene Ausnahmen, eher folgt die Presse dem Verordnungsstakkato der Regierenden. Versucht sie so, ihre Deutungshoheit über die Berichterstattung rund um das Thema Corona zu verteidigen, statt die Regierenden kritisch bei allen Entscheidungen – auch den Fehlentschei-dungen und absurden Maßnahmen – zu begleiten? Mag sein, dass sie ihr Vorgehen als Informationsmanagement verstandenen wissen will. Dann dient diese Haltung aber zweifelsfrei den Mächtigen und ihren Vorgehensweisen in der Pandemie – so planlos oder bedenklich sie im Einzelnen waren oder gewirkt haben. Werbefilmchen inklusive. Da stören Kritiker und die Schauspieler:innen von #allesdichtmachen definitiv.
@ Vielen Dank Herr Heinzmann, dass sie auf drohende Krankenhausschließungen aufmerksam machen – die Stille ist auch diesbezüglich überregional bemerkenswert. Fällt mir nur die Bemerkung ein „nach der Pandemie ist vor der (nächsten) Pandemie“…
@ Wolfgang Geuer
Ihr Beitrag ist nicht zum Thema #allesdichtmachen, sondern sie versuchen Medienkritik à la Liefers und wollen nachweisen, dass „die Presse“ – bei diesem globalen Begriff fängt das Problem mit Ihrem Kommentar schon an – dem „Verordnungsstakkato der Regierenden“ gefolgt sei, „statt die Regierenden kritisch bei allen Entscheidungen – auch den Fehlentscheidungen und absurden Maßnahmen – zu begleiten.“ Manche Ihrer Behauptungen müssten Sie wohl genauer belegen, aber ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, weil das nicht die Debatte ist, die wir in diesem Thread führen.
Nur kurz zur Entgegnung: Ich halte Ihre Kritik für überzogen. Natürlich kann es Manchem nicht kritisch genug sein. Wir von der FR haben einen konstruktiv-kritischen Ansatz gewählt. Unsere Zeitung ist seit Beginn der Pandemie eine kritische Begleiterin des Regierungshandelns gewesen. Um das zu belegen, habe ich für Sie sieben Kommentare und Leitartikel aus den vergangenen gut zwei Monaten rausgesucht, die ich hier als pdf-Dokumente verlinke.
25.2.21: Leitartikel von Andreas Niesmann zur Pannenpolitik von Jens Spahn: „Sie, nicht wir“
26.2.21: Kommentar von Tim Szent-Ivanyi zur Impfstoffbeschaffung der EU: „So nicht, Europa“
30.3.21: Kommentar von Markus Decker zur „Osterruhe“: „Verharren in Ratlosigkeit“
10.4.21: Leitartikel von Michael Bayer zum Wirken des Föderalismus in der Krise: „Verdrängte Fragen“
15.4.21: Kommentar von Pamela Dörhöfer zum Impfchaos: „Besseren Impfstoff beschaffen“
17.4.21: Kommentar von Stephan Hebel zur „Bundesnotbremse“: „Erst bremsen, dann wählen“
28.4.21: Leitartikel von Stephan Hebel zum Verlust des Vertrauens in die Politik: „Fehlende Führung“
Ich könnte unzählige weitere kritische Texte aus der FR hier vorbringen, weiß allerdings nicht, ob das viel Sinn hätte. Ein Framing, wie Sie es einsetzen, kann zwar durch Fakten widerlegt werden, wird aber trotzdem begeisterte Claquere finden, denen es gar nicht um Fakten zu tun ist. Aus dieser Perspektive lässt sich eine Titelseite wie „Impfen, impfen, impfen!“ tatsächlich kaum verstehen. Man muss schon ein, zwei Schritte zurücktreten, um die Ironie zu begreifen (womit gezeigt wäre, dass die FR in Ironie besser ist als #allesdichtmachen): Die Forderung der Kanzlerin ist einerseits völlig absurd, weil die Lieferungen von Impfstoff zum damaligen Zeitpunkt hoffnungslos hinter dem Plan her hinkten. Sie ist gleichwohl das Motto dieser Zeit. Diesen Widerspruch dokumentiert diese Titelseite.
off topic Ende
Wir kehren zum Thema zurück. Ich finde die Beobachtung spannend, dass sich hier eine konstruktive Diskussion über das Gesundheitswesen und die neoliberalen Einflüsse entwickelt hat, unter denen es fast kaputtgespart worden ist. Ansätze, die allerdings höchstens indirekt von #allesdichtmachen angeregt wurden, direkt dafür von Jan Böhmermann und seiner TV-Empfehlung aus der Intensivstation von Charité und Virchow-Krankenhaus in Berlin. Ich verlinke diesen Film hier gern noch mal.
Lieber Bronski,
sie liefern die guten Gründe, weiterhin die FR zu abonnieren. Vielen Dank für die Artikelauswahl, die mir noch einmal zeigt, dass ihre (und auch meine) Zeitung sich insgesamt auf einem recht guten Weg befindet. Dennoch sehe ich mich in meiner kritischen Darstellung der Medien in Corona-Zeiten nach durchaus umfänglicher Recherche in vielen Printmedien, Radio- und TV-Sendern sowie durch eine erkleckliche Zahl von Medienwissenschaftlern grundsätzlich bestätigt.
So schreibt z. B. Stephan Ruß-Mohl in der SZ vom „Corona-Overkill“ der Leitmedien und vom Bombardement, das Angst und Schrecken verbreitet haben muss“, Michael Meyen kritisiert „einseitige Berichterstattung von ausgedünnten Redaktionen“ und „vermisst Vielfalt“.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/stephan-russ-mohl-ueber-corona-berichterstattung-ein.1270.de.html?dram:article_id=490068
Bernhard Pörksen fordert „mehr Distanz (zu Experten) und Debatte“ (!) sowie „eine von Journalisten erzwungene Weitung des Blicks“. Außerdem sagt er: „Es braucht eine breite gesellschaftliche Debatte über die langfristige Strategie“. Er spricht von „Diskurstabuisierung“ und beklagt „Quatsch-Prosa“ und Journalismus mit „Heldenverehrung“. Und das nicht nur in den sattsam bekannten Blättern.
https://www.derstandard.at/story/2000117210740/poerksen-serioeser-journalismus-ist-so-wichtig-wie-nie
In einem Bericht über ARD und ZDF bescheinigen Medienforscher den öffentlichen-rechtlichen Sendern „Tunnelblick“, weil die Berichterstattung zu wenig differenziert sei und man „grundsätzlich auch Maßnahmen hinterfragen müsse“.
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/kritik-an-ard-und-zdf-forscher-bescheinigen-tunnelblick-waehrend-corona-krise/26105458.html
In der ersten Phase der Pandemie schreibt Klaus Meier, „seien von den Medien im Grunde alle Maßnahmen der Politik und die Ratschläge der Virologen ohne Kritik und ohne eigene Recherche verkündet worden. Ab Mitte März hätte man jedoch erwarten können, dass die Medien die getroffenen Maßnahmen kritischer beleuchten und analysieren, was vorgefallen ist. Auch eigene Recherchen hätten nun angestrengt werden müssen. Das sei aber nicht passiert.“
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/medienwissenschaftler-so-haetten-wir-ueber-corona-berichten-sollen
Ruß-Mohl rät in Übrigen in seiner letzten Veröffentlichung unter Punkt 8: „Wir sollten skeptisch sein und eigenständig denken.“ 9.: „Wir sollten skeptisch sein und eigenständig denken und unter 10.: Wir sollten skeptisch sein und eigenständig denken“. Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Vielleicht, dass Zahlen – insbesondere fragwürdige Inzidenzzahlen – wenig hilfreich sind, um bei Bürgern dauerhaft Verständnis für Maßnahmen mit drastischen Einschränkungen bei zugleich schwerwiegenden materiellen, psychischen und sozialen Folgen zu erzeugen. Angst schafft meiner Meinung nach selten Wir-Gefühl, sondern gerade in Phasen der Unsicherheit Gefühle von Rivalität und häufig den Rückfall in regressive Verhaltensmuster. Angesichts der sich weiter zuspitzenden Ungleichheit in unserem Land nicht nur aber auch durch Corona scheint mir letzteres besonders gefährlich.
https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/politik/detailansicht-politik/artikel/kritik-an-corona-massnahmen-muss-moeglich-sein.html#topPosition
Sie, lieber Bronski sagen, „Liefers‘ Punkt ist: Das Thema Pandemie wurde alarmistisch oben gehalten. Wer so was sagt, muss wissen: Er stößt damit ins selbe Horn wie die AfD.“
Offenbar sprechen über diesen Alarmismus neben Herrn Liefers auch einige Medienexperten, die ich hier zitiert habe. Der überwiegende Teil dieser Wissenschaftler dürfte der AfD-Anhängerschaft eher ziemlich unverdächtig sein. Dass die AfD so ziemlich jedes Ereignis missbraucht, um Kapital daraus zu schlagen, ist ihnen bestimmt bekannt. Der Missbrauch von Verhältnissen zum eigenen Nutzen gehört, so viel ist sicher, zu deren DNA. Sollte man deshalb schweigen, weil es Beifall von der falschen Seite geben könnte? Dann hätten kritische Bürger nicht mehr viel zu sagen, sondern wohl immer häufiger zu schweigen. Das wäre geradezu demokratieabträglich, denn zur DNA der Demokratie gehört Meinungsstreit, Widerspruch, das aushalten unterschiedlicher Ansichten, auch wenn Sprache oder Darstellung, Format oder Vortrag einem nicht immer im Einzelnen gefallen.
@ Wolfgang Geuer
Zum Thema Alarmismus – ich glaube, dass es sich um ein eingebildetes Phänomen handelt. Eine nervöse Grundstimmung sucht Orientierung, findet sie nicht, weil die Wissenschaft wegen der Neuartigkeit des Phänomens noch keine endgültige Orientierung liefern kann. Dann findet sich der Mensch jedoch nicht damit ab, dass es noch keine Klarheit gibt, sondern sucht nach Schuldigen dafür, dass es diese Orientierung nicht gibt. Derweil berichten die Medien, was gerade nachrichtlich die Lage ist. Quintessenz: Unterm Strich ist die Situation an allen Fronten unklar. Das geht nicht, dafür braucht man einen Schuldigen, also köpft man den Boten, nicht wahr? Medienkritik wie damals nach der Schlacht von Marathon.
Während ich dies schreibe, höre ich Filmmusik von Alan Silvestri („Forest Gump“, „Zurück in die Zukunft“, „Avengers: Infinity War“) via Youtube, und der Clip wird von Werbung für ein Samsung-Handy unterbrochen, das mir dabei helfen soll, keinen Moment mehr zu verpassen. Schlimm, oder? Der Gedanke, man könnte einen Moment verpassen. Ich weiß nicht, wie viele Medien Sie verfolgen. Offenbar zu viele. Ich verfolge Dutzende, und ich rate Ihnen: Reduzieren Sie Ihren Medienkonsum auf ein vernünftiges Maß! Wenn Sie Zeit übrig haben, gehen Sie in den Garten oder schreiben ein Buch. Dann wird dieses Problem bzgl. eigenständigen Denkens nicht mehr so drängend, ganz einfach weil Sie mehr Zeit für eigenständiges Denken haben. Input will verarbeitet werden. Zu viel Input führt zu Überforderung und fördert verzerrte Wahrnehmung, die dann dazu führt, dass man überreizt wird. Die Schuld dafür suchen die meisten Menschen anschließend jedoch nicht bei sich selbst („Oh, ich lese zu viel wirres Zeug!“), sondern bei allen anderen, auch bei den Medien („Oh, die informieren zu viel!“). Dabei macht jedes einzelne Medium für sich genommen nur das, wozu es da ist. Diese neue Art der Mediennutzung müssen wir erst noch erlernen. Kein Wunder, dass sie in dieser frühen Phase auch zu Hysterie führt. Ich rate: Bleiben Sie gerecht. Medienkritik inklusive.
Verfallen Sie allerdings auch nicht in das Gegenteil wie Jan Josef Liefers, der selbsterklärtermaßen seit Weihnachten gar keine Medien mehr verfolgt haben will. Der richtige Weg ist meistens ein Mittelweg. Das ist moderat.
Sorry, jetzt kommt das Finale von „Infinity War“ – ich muss unbedingt zuhören! Das ist so schön.
Mich treibt dieses Thema, das jetzt in der Twitter-Aktion der 50 Schauspieler gipfelte, schon lange um. Wie kann in der Öffentlichkeit ein kontroverser Diskurs zum Umgang mit Corona entstehen im Sinne der Suche nach besseren, alternativen Lösungen oder eben einem breiteren Verständnis der gewählten Lösungen.
Ich hoffe einfach, dass dies das Ansinnen der Schauspieler*innen gewesen ist. Und mir ist hierbei wichtig, möglichst viele mit in diese Diskussion zu nehmen. Der heutige Artikel in Feuilleton will hier vielleicht aufklären, aber ehrlich gesagt, verstehe ich ihn nicht. Ich verstehe ihn nicht, ob der komplizierten Ausdrucksweise und frage mich am Ende, was wollte der Autor eigentlich sagen, wo ist seine Possition?
Und das ist aus meiner Sicht der große Haken. Warum glauben wir, unsere Aussagen oder Meinungen, in ein Format einbinden zu müssen. Warum sagen wir nicht einfach, was uns gefällt, belastet oder wir falsch finden. Ein Einbetten in Ironie oder wie in diesem Artikel in eine sehr akademische Ausdrucksweise führt meines Erachtens dazu, dass falsch oder garnicht verstanden wird.
Bei der Twitter-Aktion wurde Ironie gewählt. Ironie ist meines Erachtens ein Mittel, mit dem man die benannten Themen zum einen für sich als nicht ernsthaft darstellt und zum anderen auch ein bischen feige ist, und im Zweifelsfall sagen kann, dass habe ich doch nicht ernst gemeint. Ich gehe davon aus, dass dies nicht das Anliegen der Schauspieler*innen war, aber leider kam es so in der Breite an. Ich habe am Abend ein Interview mit Jan Josef Liefers in „3 nach 9“ gesehen. Hier war er ernst, berührt und im Zwiespalt wie viele. Wäre die Aktion mit diesen Mitteln erfolgt, also hätten die Teilnehmer einfach Ihre Zweifen, Ihre Ängste etc. dargestellt, hätte es aus meiner Sicht ein guter Beitrag für eine öffentliche Diskussion sein können.
Genauso sehe ich dies in dem heutigen Beitrag. Je klarer und ohne einen Unterton dargestellt eine Meinung wird um so mehr kann man über die Sache diskutieren und muss sich nicht erst durch eine Emotion kämpfen. Und um so mehr Menschen erreicht man, die dann vielleicht auch anfangen nachzudenken.
Unter den Maßnahmen der Pandemiebekämpfung leiden alle, manche deutlich mehr als andere. Corona ist ein Beschleuniger und hat die sozialen Ungleichheiten weiter verschärft. Markus Gabriel sieht deutliche Defizite im medialen Diskurs der Pandemie, insbesondere bei den Folgen der politischen Maßnahmen, die genauso Beachtung verdienen wie das Virus selbst. An diesem Ungleichgewicht knüpfe die Kampagne #allesdichtmachen namhafter deutscher SchauspielerInnen zurecht an.
Mal abgesehen davon, dass der (wenig überraschende) Beifall durch die AfD nicht unproblematisch ist, aber die Aktion nicht per se diskreditiert: Was daran ist „kunstvolle Provokation“, die uns aufrütteln will? Einer Provokation kann man nicht das Fehlen einer sachlichen Auseinandersetzung vorwerfen, wohl aber das Fehlen einer Haltung, die über eine billige Schelte an der Pandemiepolitik hinausweist. Dabei hätte es doch viele Punkte als Anlass für eine satirische Aktion gegeben. Gerade bei der Kultur, die, wie das aktuelle Infektionsschutzgesetz zeigt, von der Politik weiterhin nicht ernst genommen wird. Man hätte sich z.B. solidarisch auf die zahlreichen weniger betuchten KollegInnen beziehen können, die tatsächlich zu den Coronaverlierern gehören und in Hartz IV abgerutscht sind. So wirkt die Aktion selbstgerecht und gibt unweigerlich jenen Auftrieb, die an kritischer Kunst so gar nicht interessiert sind, sondern nur an Bestätigung ihrer demokratiefeindlichen Ansichten und Ablehnung der angeblichen „Coronadiktatur“.
@ Bronski
Keine Sorge um meinen Medienkonsum, der ist strikt dosiert. Sie werden vielleicht auch mitbekommen haben, dass ich sehr lange – fast zwei Jahre – keinen Forenbeitrag mehr geschrieben habe. Gewollte Enthaltsamkeit meinerseits. Themen hätte es natürlich genug gegeben, aber Zurückhaltung ist auch entlastend. Sie gibt einem zudem Zeit und Raum, andere, interessante Dinge zu tun. Das Thema „allesdichtmachen“ war mir allerdings wichtig genug, um einmal mehr als sonst zu recherchieren. Ansonsten spiele ich dann doch sehr gerne auf meiner Gibson L5 oder einer Steelstring von Collings, mal auch auf einer alten Stratocaster den einen oder anderen Song, wenn dazu Zeit ist.
Ihre Sorge um meine mögliche Überreizung betrachte ich allerdings – wenn sie tatsächlich so gemeint sein sollte – eher als Projektion. Im anderen Fall als Versuch, argumentativ den Notausgang zu finden. Beides ist in Ordnung, aber angesichts der von mir zitierten Kritik einiger Medienexperten nicht sehr hilfreich für unsere Diskussion.
Ich wünsche mir weiterhin fairen und respektvollen Umgang miteinander, kritische und begründete Debatten; vielleicht gibt’s dann hier und da auch wieder einen Beitrag von mir. In diesem Sinne
Ihr Wolfgang Geuer
@ Wolfgang Geuer
Ich kenne Sie nicht, aber ich empfinde Ihr Auftreten hier als ungeheuer selbstgerecht. Das ist auch etwas, was ich den Mitwirkenden von allesdichtmachen vorwerfe. Es ist leicht, ein bisschen zu mosern. Es ist aber nicht konstruktiv. Ich reagiere inzwischen sehr empfindlich auf diese Haltung, denn überall wird nur gemeckert. Irgendjemand hat das kürzlich als „Empörungskultur“ bezeichnet. Für mich ist das eher eine Empörungsunkultur. Wo bleiben die Vorschläge? Was sollte konkret anders gemacht werden?
Ich beziehe die FR seit 35 Jahren, und sie ist immer kritisch gewesen, auch zu Beginn der Pandemie. Ich habe mir ein paar Schnipsel aus der Zeitung von damals aufgehoben. Da war z.B. ein Interview von Bascha Mika mit dem Historiker Paul Nolte (Bronski, vielleicht können Sie das verlinken?), über das ich mich fürchterlich geärgert habe: „Wir brauchen keinen Bundeskanzler Drosten“. Das war genau die verstiegene Art von „Kritik“, die niemand braucht. Kritik sollte dabei helfen, Positionen zu klären, und dazu braucht es Argumente. Ich hoffe sehr, dass der FR dieses Interview heute richtig leid tut.
Oder der „Leidartikel“ von Andreas Niesmann vom 7.3.2020 mit der Überschrift „Tief durchatmen“. Eine Zumutung, nicht nur in der Rückschau. Die erste Welle direkt vor der Nase, redet der Mann denselben Unsinn, den man später von „Corona-Kritikern“ bzw. „Querdenkern“ und leider auch von #allesdichtmachen zu hören bekam: „Ein paar Tage Fieber, ein bisschen Husten – das war’s.“ 85.000 Tote später sollte sich die FR für solchen Mist entschuldigen!
@ Stefanie
Hier ist der Link zu dem angesprochenen Interview und dem kritisierten Leitartikel.
Ihre Kritik ist ein Beispiel dafür, dass man es nie allen recht machen kann. Und Sie sprechen es selbst an: Häufig ist Kritik nicht konstruktiv, sondern will einfach nur einen individuell so empfundenen Missstand benennen. Auch das hat natürlich seine Berechtigung, aber man sitzt dann oft da und fragt sich: Was soll ich damit jetzt anfangen? – Ich will mich zu dem Niesmann-Leitartikel nicht äußern, aber so viel doch: Mein Artikel Die Epidemie fordert uns als Kollektiv heraus, der zwei Tage später in der FR erschienen ist, darf als direkte Reaktion darauf angesehen werden.
@ Wolfgang Geuer
So geht’s mir auch mit Ihrer Kritik. Sie haben da was im Netz gefunden. Gut. Und jetzt? Stimmt das denn überhaupt, was in den Links behauptet wird, die Sie anführen? Zum Beispiel die Behauptung von Prof. Klaus Meier auf Deutschlandfunk Nova:
„Ab Mitte März hätte man jedoch erwarten können, dass die Medien die getroffenen Maßnahmen kritischer beleuchten und analysieren, was vorgefallen ist. Auch eigene Recherchen hätten nun angestrengt werden müssen. Das sei aber nicht passiert.“
Für die FR kann ich sagen: Nein, das stimmt nicht. Stefanie hat schon Beispiele dafür geliefert, dass die FR auch andere Standpunkte einzuspeisen versucht hat (ob das gut oder schlecht oder richtig war, sei dahingestellt, es geht ja um die Frage, ob es einen kritischen Diskurs gegeben hat). Ich gebe weitere Beispiele:
25.3.2020: Tim Szent-Ivanyi interviewt die Jura-Professorin Andrea Edenharter: Ein verfassungswidriger Eingriff in Freiheitsrechte
28.3.2020: Joachim Frank interviewt den Politologen Reinhard Mehring: Was passiert da eigentlich gerade mit unseren Freiheitsrechten?
18.4.2020: Diese und weitere Artikel haben mir viele Zuschriften eingetragen, die ich hier im FR-Blog unter der Überschrift Welche Gefahr ergibt sich aus der Pandemie für die Demokratie? veröffentlicht und zur Diskussion gestellt habe. Diese Diskussion brachte es auf eine Länge von immerhin 63 Kommentaren.
Es hat also einen Diskurs gegeben, an dem sich alle (!) hätten beteiligen können. Die Diskussion war offen, die Barrieren zur Teilnahme denkbar niedrig; man muss sich nicht mal registrieren lassen, um im FR-Blog mitreden zu können. Sie, Herr Geuer, haben nicht mitdiskutiert. Sie wünschen sich eine faire Diskussion und respektvollen Umgang. Dem schließe ich mich an.
@ Bronski
Worüber reden wir hier im Blog? Über den hashtag „allesdichtmachen“ und seine Wirkung auf Bürger und Presse. Über Kritik daran und die Resonanz im breiten Publikum. Meine positive Betrachtung von „allesdichtmachen“ habe ich u.a. mit den schwerwiegenden Entscheidungsmängeln der Politik, den Defiziten bei der Ausstattung von Kliniken, Heimen und Impfzentren mit Material, Impfstoff und Personal (ebenfalls ursächlich durch die Politik hervorgerufen) und der insgesamt eher wohlwollenden Reaktion der Presse gegenüber den politischen Entscheidern begründet.
Die Hinweise auf mehrere Medienexperten, die meine Kritik in ähnlicher Weise formulieren und bestätigen, ziehen sie argumentativ in Zweifel („Sie haben da was im Netz gefunden. Gut. Und jetzt? Stimmt das denn überhaupt, was in den Links behauptet wird, die Sie anführen?) Und begründen ihre Zweifel allein mit Beispielen der Frankfurter Rundschau. Die FR ist jedoch nicht der Nabel der Welt, sondern eine kleine, ihnen und auch mir wichtige Zeitung. Aber, wenn ich “die Presse“ sage, meine ich dies auch so. Daher finde ich ihre Erwiderung mit Bezug auf die FR allein nicht ausreichend. Drei weitere Experten möchte ich, um meine Position zu unterstreichen, hier noch zu Wort kommen lassen.
Unmissverständlich ist die Äußerung des “Welt“-Feuilletonchefs, der sich darüber beklagt, dass „kritische Stimmen in den Medien nur vereinzelt zu Wort gekommen, als „Alibi-Kritiker, die dann auch mal die Gegenposition zur Sprache bringen“. Die Frage ist, wie er das eigene Blatt hierbei einordnet oder ob er nur über „die anderen“ spricht.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/andreas-rosenfelder-zur-corona-berichterstattung.2950.de.html?dram:article_id=490758
Norbert Schneider, langjähriger Vertreter der Medienaufsicht in NRW sagt ganz pointiert: „Es fehle an aufklärerischer Einordnung der Nachrichten, der „embedded information“. Zwar werde eine Grundversorgung gewährleistet, doch wenig Hintergrund geboten. „Meistens ist es kaum mehr als die Oberfläche, die das Publikum zu sehen oder zu hören bekommt.“ Und weiter: „In dieser Krise verlagert das Mediensystem, das ja als eine Art von ‚vierter Gewalt‘ sich bewähren soll, seine Verantwortung auf den Experten der weithin, von kritischen Fragen unbelästigt, eher schon angestaunt, die Begriffe und Themen setzt.“
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/zu-wenig-hintergrund-medienexperte-schneider-haelt-corona-berichterstattung-fuer-zu-oberflaechlich/25731430.html
Medien agierten nicht mehr selbstständig, sondern seien faktisch teil eines „Exekutiv-Experten-Systems“ lautet dazu die These des Kommunikationswissenschaftlers Otfried Jarren.
https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/186723/
Mein Fazit: Die Ursachen für eine neue Art der Berichterstattung – nicht nur bei Corona – sind vielfältig (Konzentration der Verlage in wenigen Händen, Zusammenlegung von Redaktionen, Anzeigendruck, Quote, Ausbildung von Journalisten, Kostendruck, u.a.) und können nicht an dieser Stelle diskutiert werden. Es ist die Verfasstheit der Medien insgesamt, die mit dazu beiträgt, dass Bürger sich von den Öffentlich-Rechtlichen Sendern und seriösen Printmedien abwenden und ihre Unzufriedenheit in unterschiedlicher Weise äußern.
Dass ich die von mir anfänglich kritisierte Titelseite („Impfen! Impfen! Impfen!“) nach wie vor anders interpretiere als sie, liegt daran, dass ich die FR nicht als Satiremagazin, sondern als Tageszeitung betrachte. Aber ihr Blick darauf ist auch eine Option, die mich immerhin Schmunzeln lässt. Abschließend sehe ich den von ihnen erwähnten Debattenraum (Welche Gefahr für die Demokratie ergibt sich aus der Pandemie?) als eine gelungene Initiative, die vielleicht nach dem Ende der Pandemie mit neu gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnissen aktualisiert werden könnte. Ich wäre dabei.
@ Stefanie, 8. Mai 2021 um 11:50, @ Jürgen Malyssek, @ Bronski
Auch, wenn ich mich hier nicht über Herrn Geuer äußern möchte, liebe Stefanie: Ihren Unmut über die „Empörungskultur“ kann ich voll verstehen und stimme Ihnen auch zu.
Nach den Erfahrungen mit deutlich schlimmerem Zustand hier in Frankreich (auch in unserer ländlichen Gegend), Ausgangssperre seit einigen Monaten eingeschlossen, kann ich dies auch nicht mehr ertragen. Dazu gehört nach meiner Einschätzung auch diese unsägliche Aktion, zu der sich diese Schauspielerinnen und Schauspieler hinreißen ließen.
Deshalb erspare ich mir auch eine entsprechende Kommentierung hier. Ich schließe mich dem, was von Jürgen Malyssek geäußert wurde, nahezu uneingeschränkt an.
Mein Dank auch an Bronski für die nachträglich eingefügten Informationen über den Hintergrund dieser Aktion. Mich wundert das nicht. Denn so viel Naivität konnte ich mir gerade auch von Schauspielerinnen und Schauspielern nicht vorstellen, für die doch gerade die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen, zum Metier gehört.
Diese plumpen Satire sehe ich daher auch als eine Art Bankrotterklärung bezüglich ihres eigenen Metiers an.
Lese gerade (dpa), dass der Schauspieler Volker Bruch die Video-Aktion als legitime Kritik an der Politik rechtfertigt.
U.a. mit folgenden Worten: Es gebe jetzt Leute, „die sich jetzt trauen, etwas zu sagen, weil wir das gerade getan haben. Aber zugleich versucht man, uns zu kriminalisieren und in eine Ecke zu schieben.“
Wow!
Zugleich wird in der Meldung immer noch von „ironisch-satirischen Videos, die die Coronapolitik in Deutschland kommentieren.
Die Künstler sehen ihre Auftritte also immer noch als Ironie und Satire.
TOLL!
@ Malyssek
Ich kann letztlich nicht nachvollziehen, woher diese fürchterliche Empörung über eine solche Aktion kommt und mit welcher Vehemenz diese Empörung immer weiter geschürt wird. Es ist maßlos.
Sie zitieren Volker Bruch ziemlich unvollständig. Ich beziehe mich mit den folgenden Zitaten auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung von gestern, der sich auf dpa und die „Welt am Sonntag“ beruft: „Unser Ziel war, die Kritik an den Maßnahmen aus dieser als extremistisch gebrandmarkten Ecke zu holen … Kritik ist ja nicht nur für uns Künstler wahnsinnig wichtig, sondern auch für die Politik. Sie ist eine Form der Rückmeldung, die es ermöglicht, nachzujustieren.“
Nach Ihrem Zitat von Bruch fügt dieser hinzu: „Aber zugleich versucht man, uns zu kriminalisieren und in eine undemokratische Ecke zu schieben.“
Weiter in der SZ: „In der Vergangenheit hatte er sich etwa für geflüchtete Menschen auf der Insel Lesbos eingesetzt. Auf Instagram kritisierte er zuletzt, ihm mache Angst, dass gerade eine Generation aufwachse, die Nähe nicht mehr kennenlerne … Der Präsident der Deutschen Filmakademie, Ulrich Matthes, ärgerte sich nach eigenen Worten über die Videos … Gleichzeitig sagte Matthes, er fände es schrecklich, wie seine Kolleginnen und Kollegen nun bedroht würden.“
Sie haben am 30. April behauptet, Sie würden sich nicht an J.J. Liefers abarbeiten, um dann genau das zu tun. Jetzt ist wohl Volker Bruch dran. Besser wird es dadurch nicht.
Es ist erschütternd, wie diese Debatte in Deutschland geführt wird. Ist wohl das Muster mit dem die Rechte vorgehen, noch immer nicht bekannt? Sie provizieren und sagen hinterher, das man sie missverstanden hat. Wenn Sie ganz frech sind machen sie noch einen Angriff daraus und sagen: Man hat sie bewusst missverstanden und man darf heute nichts mehr sagen.
Ich habe den Tagesspiegel-Berichte gelesen und es ist so eindeutig, dass dahinter rechte Netzwerke stehen, das ich nur sagen kann: Wehret den Anfängen! Die Rechten setzen auf Diffusion und Verwirrung. Sie wollen nicht erkannt werden sondern im Hintergrund ihr Unwesen treiben. Wenn ich lese, das einn Arzt als erstes den Dichtmachern applaudiert hat, und das der dann auch noch sagt, er hat von der Aktion durch private Kontakt gewusst, dann ist das ja wohl ein klarer Hinweis. Weil das ein Arzt ist, Paul Brandenburg, gegen den ermittelt wird, weil er falsche Atteste ausgestellt haben könnte. Was hat der für eine Bekanntschaft um als erstes zu wissen, das allesdichtmachen startet?
Ich hoffe und bete sehr das die deutschen Journalisten nicht nachlassen. Es gibt eine Gefahr für die Demokratie!
@ Manfred Heinzmann
Ich sehe das nicht so, dass ich mich an J.J. Liefers abarbeite oder an Volker Bruch. Liefers ist für mich einfach eine große Enttäuschung, wie er sich öffentlich so präsentieren tut.
Bei Volker Bruch habe ich ich nur mit Erstaunen festgestellt, dass er meint, alles richtig gemacht zu haben. Und das verstehe ich nicht bzw. auch hier ist es enttäuschend, wie so ein guter Schauspieler sich in so eine Situation begeben kann.
Ein Ulrich Matthes hätte sowas nicht gemacht (das habe ich schon direkt nach der Video-Aktion privat geäußert.
Das Interview in der „Welt am Sonntag“ habe ich nicht gelesen, nur diese dpa-Meldung im Kulturteil unserer Lokalzeitung.
Jedenfalls betreibe ich keine Hetzjagd auf die Akteure.
Was Bruch sagt: Ihm mache Angst, dass gerade eine Generation aufwachse, die Nähe nicht mehr kenne …
Ehrlich gesagt, das ist eine kühne Behauptung, eine Generation wird ja wohl 1 bis 1 1/2 eine Ausnahmezustand soweit überleben und nicht in einer kaputtnen Verfassung enden. Bei aller Sensibilität und Realitätsvorstellung, da macht er, Volker Bruch Angst!
Wenn Sie meine Empörung maßlos empfinden, dann kann ich das nicht ändern. Aber ich schüttele eigentlich nur den Kopf und merke gleichzeitig, dass uns die Künstler, die so im TV- und Bühnenrampenlicht stehen, doch sehr überschätzt werden.
So ging es mir neulich mit dem Kabarettisten Matthias Richling bei Maischberger: Eine weitere Enttäuschung. Zu einer Empörung reicht die Energie gar nicht mehr.
@ Jürgen Malyssek, Manfred Heinzmann
Tut mir Leid,. Herr Heinzmann: Sie scheinen doch nicht ausreichend darüber nachgedacht zu haben, was Sie selbst zitieren.
Wenn Volker Bruch schreibt: „Unser Ziel war, die Kritik an den Maßnahmen aus dieser als extremistisch gebrandmarkten Ecke zu holen …“ – wen kann er denn dann anderes gemeint haben als die selbsternannten Quer“denker“? Und werden die denn als „extremistisch gebrandmarkt“ oder sind sie das nicht – selbst für den Verfassungsschutz?
Nach meinem Eindruck hat Volker Bruch mit einer solchen Einlassung die Kritik an ihm nicht nur nicht entkräftet, sondern bestätigt.
Ich stimme Jürgen Malyssek völlig zu.
@ Werner Engelmann, Jürgen Malyssek
Das Problem ist, dass, etwas plakativ ausgedrückt, Kritik an den sogenannten Corona-Maßnahmen, inzwischen sehr oft dazu führt, dass diese Kritik sehr schnell in die rechtsextremistische Ecke gestellt wird. Auch bei diesen sog. „Querdenker“-Demonstrationen sind längst nicht alle Teilnehmer dieser Gruppe zuzuordnen.
Ich habe Bruch so verstanden, dass Kritik an diesen Maßnahmen nicht zwangsläufig extremistisch sein muss und er und die anderen Schauspieler Kritik offensichtlich für nötig hielten. Mein Vertrauen in den Verfassungsschutz ist im Übrigen durchaus begrenzt und überschaubar.
Mir ist schon klar, dass es einen Unterschied macht, wer diese Maßnahmen kritisiert. Kritik unserer Qualitätsmedien ist, sagen wir, sakrosankt. Das kann ich auch gut verstehen.
Wir werden uns hier wohl nicht einigen.
@ Manfred Heinzmann
Was soll ich noch sagen?
Gerade diese als Satire schlecht gemachte Aktion ist eine willkommene Steilvorlage für die Corona-Kritiker, jedenfalls diejenigen, die systematisch den Aufstand gegen den Staat proben. Wenn das so „kluge“ und phantasiereiche Berufsgruppen wie die Schauspieler nicht erkennen (wollen), dann weiß ich auch nicht weiter. Volker Bruch hat es jedenfalls schwerlich verstanden. Und J.J. Liefers eiert noch rum. Grundsätzlich und in besonderen Phasen ist Kritik an den staatlichen Corona-Maßnahmen angebracht. Nur sollte man erkennen, wenn es zum gefundenen Fressen eben für die Rechten, die Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner wird.
Guten Tag, Herr Engelmann,
ich glaube, dass wer bereits die staatlichen Corona-Maßnahmen für verdächtig oder gar insgeheim ablehnt, auch dieser #allesdichtmachen-Aktion gerne Folge leistet. Deshalb stoßen die Kritiker andererseits hier auf diesen Widerstand. Corona-Kritiker wiederum finden genügend offene Ohren.
Ist die Frage denn überhaupt relevant, ob das nun Satire ist oder nicht? Oder ist das eine Ausrede, so wie bei Boris Palmer, der von Satire offenkundig ebenfalls nichts versteht? ich frage mich aber auch, Herr Heinzmann, woher Sie wissen, dass längst nicht alle, die bei allesdichtmachen mitgemacht haben, den Querdenkern zuzuordnen sind. Über welche geheimen Informationen verfügen Sie, um das entscheiden zu können? Ich kann nur sagen: Bestimmt sind die, die sich rausgezogen haben, nicht den Querdenkern zuzuordnen.
Aber warum ist das so wichtig? Die Welt ist voller Spinner, und jeder darf die Meinung sagen. Ich hätte die „Kritik“ von allesdichtmachen nicht gebraucht. Ich empfinde das als total aufgesetzt. Da wollte jemand auf die Welle springen. Ich verstehe nur nicht warum. Mir kommt das vor wie Jammern auf hohem Niveau, und einem wie Volker Bruch oder JJ liefers würde ich am liebsten zurufen: Geh doch nach Indien! Da kriegst Du die volle Packung Elend, Schnurzel! Auf, mach hinne!
So viel Untertanengeist und Hass …
Für mich war’s das.
Hass?
Ihnen gehen wohl die Argumente aus. Warum sagen Sie nicht einfach, wo Sie Ihr Geheimwissen herhaben? Na dann: So long.
@ Manfred Heinzmann
Auch ich habe das mit Untertanengeist und Hass nicht verstanden??
@ Stefanie
„Ist die Frage denn überhaupt relevant, ob das nun Satire ist oder nicht?“
Diese Frage bringt das Dilemma dieser Scheindiskussion gut auf den Punkt.
Um das Ergebnis meiner nachfolgenden Ausführungen vorwegzunehmen:
Für die agierenden Schauspieler und Schauspielerinnen: ja.
Für die Zuschauer – so sie sich denn nicht, wie manche der Kommentatoren und Kommentatorinnen hier, aufs Glatteis führen lassen wollen: nein.
@ Jürgen Malyssek
Ihre Hinweise auf das ziemlich schwache Bild der Rechtfertigungen eines J.J. Liefers wie auch M. Richling in den genannten Talkshows entsprechen exakt meinen Beobachtungen. Und dies wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die verunglückte Aktion.
Ich möchte dennoch versuchen, das Ganze einmal aus deren Blickwinkel zu betrachten, um das eigene Urteil nicht einfach so aus dem Bauch zu saugen.
Nun habe ich mich nicht nur mehrfach mit blendenden Schauspielerinnen unterhalten, die regelmäßig beim Theaterfestival in Avignon auftreten. Ich habe mir, als ich meine Praxis des Verfassens von Theaterstücken und der Regie im Rahmen des Schultheaters in Angriff nahm, mir eines zum Prinzip gemacht: Das, was ich anderen dabei „antue“, zuerst sehr intensiv und am eigenen Leib zu verspüren.
Was konkret heißt: intensive Beschäftigung mit Theorie und Praxis des Schauspieler-Daseins anhand der Standardliteratur (Stanislavski , „La construction du personnage“, und Michael Chekhov , Enkel des russischen Schriftstellers, „Etre acteur“) sowie in mehreren Theaterkursen.
Ich habe dabei eine Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung kennengelernt – manchmal bis zur psychischen Erschöpfung – , die mir hohen Respekt vor diesem Metier abnötigt.
Um es in wenigen Sätzen auf den Punkt zu bringen: Ausstrahlung (Präsenz) auf der Bühne entsteht nur, wenn alle Mimik, Gestik und Aktion von innen heraus erfolgt.
Was bedeutet: Man hat sich (1) intensiv mit der Gefühlswelt der darzustellenden Person, seiner „Rolle“ auseinanderzusetzen, und (2) diese in sich selbst zu entdecken und abrufbar zu machen.
Das wiederum heißt (3), dass man nur das darstellen kann, was man zumindest in Ansätzen in sich selbst trägt. (Was die Frage aufwirft, die mir immer noch ein Rätsel ist: Wie ein Ulrich Matthes z.B. in der Lage sein kann, überhaupt eine Person wie Goebbels darzustellen.)
Und es heißt (4), dass man eine enorme, oft psychisch belastende Arbeit an sich selbst zu leisten hat: im Spannungsfeld zwischen Identifikation und Distanz.
Die Faszination des Schauspielens besteht nun darin, in der Rolle selbst oft verdrängte eigene Abgründe thematisieren zu können (Identifikation), ohne sich dafür als Person verantwortlich fühlen zu müssen (Distanz der Rolle). Gewissermaßen also ein therapeutischer Effekt.
(Einzelheiten dazu in meiner Anleitung zum „Flüchtlingstheater“ auf meiner Website.)
Dies vorausgeschickt, hat man sich also zu vergegenwärtigen, was es für Theaterleute bedeutet, wenn sie für lange Zeit an der Ausübung dieser Tätigkeit gehindert werden, die für sie ein Muss ist, ein wesentlicher Teil ihrer eigenen Existenz.
Um es mit einem Vergleich auszudrücken: Es müssen sich Gefühle einstellen, die dem eines Drogensüchtigen ähneln, der sich im Entzug befindet. Ein Zustand, der auf Dauer schwer auszuhalten ist und eines Ventils bedarf.
Soweit nun mein volles Verständnis für die Agierenden.
Meine entschiedene Kritik fängt da an, wo sie ihren eigenen inneren Überzeugungen untreu werden und sich in blinden Aktionismus stürzen.
Denn zwischen ihrer Schauspielerei und dieser Aktion besteht ein entscheidender Unterschied: Bei ersterer spielen sie eine fremde Rolle, sind für deren Exzesse nicht verantwortlich. Bei letzterer inszenieren sie sich selbst, sind also voll für voraussehbare Folgen verantwortlich.
Zur Frage der Satire:
Zunächst einmal zeigt sich hier Selbstüberhebung. Denn aus einem Schauspieler, der Handlungen nachzuvollziehen versteht, wird nicht per Willensakt, ohne entsprechende Kenntnis und Erfahrung, ein Kurt Tucholsky, der gesellschaftliche Widersprüche in satirischer Form meisterhaft auf den Punkt zu bringen versteht.
Und sie begehen hierbei sie einen weiteren großen Irrtum: Als Schauspieler und Schauspielerinnen haben sie von der Distanz ihrer Rolle profitiert, indem sie Gefühle anderer nachvollzogen haben.
Diese Distanz suchen sie nun – auf reichlich stümperhafte Weise – in der Form der Satire: einer Form, die ihnen scheinbar Distanz zu sich selbst erlaubt. Durch die sie sich aber in Wirklichkeit, aus einer sich selbst zugeschriebenen Opferrolle heraus, moralisch über andere erheben. Durch die sie – um im Bild zu bleiben – diese als „dumme Kälber“ diskreditieren, die stumpfsinnig hinter „der Trommel ihres Schlächters her trotten“.
Dies schafft Distanz zu den wirklichen Opfern: denen, die sich in diesen harten Zeiten für andere aufopfern. Und sie zerstört Empathie und Solidarität zu einem Zeitpunkt, wo gerade diesen oberste Priorität zukommt.
Die Frage, inwieweit eine bewusste Kooperation mit der Quer“denker“-Szene vorliegt, erscheint dem gegenüber sogar zweitrangig. Denn die geistige Nähe zur Inszenierung selbst ernannter „Freiheits-Helden“ ist da bereits angelegt.
Um daraus das Fazit zu ziehen:
Es kann nicht um moralische Urteile oder gar Vorverurteilungen von Personen gehen, auch nicht hinsichtlich einer dümmlichen Aktion.
Es geht darum, die Gefahren solcher Vorgehensweisen, solcher Selbstinszenierungen deutlich zu machen: für die persönliche Integrität und für den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Lieber Herr Engelmann,
bevor ich noch auf Ihre Überlegungen antworte (morgen), schicke ich Ihnen einen Link bzw. Linkhinweis zu einem Matthes-Video, das sich bei der Schauspielkunst auch mit dem Ausdrücken von Gefühlswelten der darstellenden Person beschäftigt.
Den Aussagen von Ulrich Matthes ist wenig hinzuzufügen:
https://www.3sat.de/kulturzeit/ulrich-matthes-ueber-protest-aktion-schauspieler-100.html
In WELTEXPRESSO habe ich im Februar einen Artikel zu: „Satire in Zeiten der Katastrophe“ geschrieben.
Ich hoffe, dass ich das hier richtig verlinke. Es ist nicht meine Stärke.
https://www.weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/21253-die-satire-in-zeiten-der-katastrophe
veröffentlicht: 11. Februar 2021
@ Jürgen Malyssek
Erst mal danke, lieber Herr Malyssek, für die Links.
Entschuldigung, dass meine Antwort etwas gedauert hat. Ich bin im Augenblick sehr mit familiären Dingen beschäftigt. So mit der Organisation einer kleinen familiären Nachfeier auf Teneriffa, nachdem unser 50. Hochzeitstag im April eben auch dem Virus zum Opfer gefallen ist.
Zum 2. Link: Ich habe schon gerätselt, wer sich hinter „Maly“ verbirgt.
Inhaltlich bin ich voll damit einverstanden, zu Matthias Beltz kann ich nichts sagen, da ich ihn leider zu wenig kenne. Ich hätte dennoch eine kleine Ergänzung: Das Missverständnis von „Satire“ bezieht sich nicht nur auf den falschen Gegner. Dazu aber gleich im Anschluss.
Ulrich Matthes trifft, wie zu erwarten war, die Sache auf den Punkt. Schade nur, dass er sich am Ende etwas verzettelt. Zusammenfassend würde ich es so qualifizieren: Er zeigt den Unterschied auf zwischen einem Nur-Schauspieler und einem Schauspieler mit Persönlichkeit.
Einige Worte zur treffenden Unterscheidung von „Humor“ und „Satire“ und zur völlig richtigen Diagnose dieser verunglückten Aktion als blankem „Zynismus“.
Ich habe anlässlich des 100. Geburtstags von Sophie Scholl die Auszüge aus dem Film „Die weiße Rose“ wieder angeschaut. Den Film kenne ich schon in- und auswendig, da ich das Thema oft im Unterricht behandelt habe. Man entdeckt aber doch jedes Mal einen neuen Aspekt.
So hier, wie viel Humor selbst (oder vielleicht gerade) bei solchen Menschen in einer so tragischen Situation zu beobachten ist. Etwa beim Karikieren von NS-Typen.
Ähnliches zeigt sich ja auch bei den sog. „Juden-Witzen“: „Humor“ ist weit mehr als eine Einstellung oder nur eine Schreibweise: Es ist eine Überlebensstrategie in finsteren Zeiten.
Das gilt dementsprechend auch für Satire. Daher die berechtigte Forderung, dass sie sich zuerst an Mächtigen abzuarbeiten habe sowie an Verhaltensweisen, die diesen nützlich sind.
Der Vergleich einer Greta Thunberg mit apokalyptischen Visionen eines 3. Weltkriegs durch Dieter Nuhr, von Umwelt-Engagement mit imperialistischem Wahn („Am deutschen Wesen wird die Welt genesen“) durch einen Maaßen wirft nicht nur ein Schlaglicht auf den Zynismus und die Charakterlosigkeit solcher Typen. Solche Perversionen (vorwiegend von extrem rechts) versuchen, den Schwachen auch das zu rauben, was ihnen noch bleibt: das Wort.
Nicht anders bei den selbst ernannten Quer-„Denkern“, die sich als alleinige „Eigentümer“ von gesellschaftlichen Werten wie „Freiheit“ aufführen. Und in diesen Zusammenhang ist wohl auch die von Ulrich Matthes zurecht als „zynisch“ qualifizierte Aktion der Schauspieler und Schauspielerinnen zu stellen.
Enteignung findet heute nicht mehr, wie im 19. Jahrhundert, vorwiegend auf sozialer Ebene statt. Wir erleben heute eine breit angelegte Aktion der Enteignung auf geistiger Ebene: von gesellschaftlichen Werten, von Kultur und auch von Sprache.
Wenn Marx von einer „Expropriation der Expropriateure“ gesprochen hat, die auf der Tagesordnung stehe, so stellt sich diese Frage heute (neben der sozialen Frage einer zunehmend sich öffnenden Einkommensschere) wesentlich auch auf geistigem Gebiet.
Ein kleiner Hinweis bez. „Enteignung von Sprache“ sei angefügt:
Ich habe gelesen, dass die AfD beabsichtigt, das Thema „Gendern“ zu einem Wahlkampfthema zu machen. Und ich habe, angeregt durch die ziemlich erschütternden Erfahrungen eines Wolfgang Thierse und im Meinungsaustausch mit Martin Dietze, die Überlegungen zur Problematik „Usurpation von sprachlicher und kultureller Deutungshoheit“ durch „Identitäre“ extrem rechter und pseudo-„linker“ Provenienz im FR-Forum (mit freundlicher Genehmigung von Stefan Stukenbrok – notgedrungen – auch themenfremd) weitergeführt. Und ich beabsichtige, deren Ergebnisse sowie weitere wichtige Stellungnehmen und Analysen dazu zu dokumentieren.
Links dazu:
Das Interview mit Wolfgang Thierse auf Phoenix:
https://youtu.be/mrMj8_qmRdc
Meine (noch nicht ganz beendete) Analyse in Fortsetzungen (nach zeitlicher Reihenfolge, etwas durcheinander) im FR-Forum:
https://www.fr.de/meinung/kommentare/robert-habeck-gruene-annalena-baerbock-kanzler-kfrage-bundestagswahl-90470947.html#idAnchComments
Sollte sich der Hinweis auf die Absicht der AfD als richtig erweisen, „Sprache“ als Mittel zur Selbstinszenierung als alleinige „Bewahrer von Kultur“ im Wahlkampf zu missbrauchen, so bitte ich Bronski, entsprechende Threads dafür vorzusehen. Es wird da viel zu sagen und hoffentlich auch zu entlarven geben.
@ Werner Engelmann
Lieber Herr Engelmann,
Sie müssen sich nicht dafür entschuldigen, dass es mit dem Antworten nicht unmittelbar klappt. Sie geizen sowie nicht mit dem Stoff und Gut Ding will auch seine Zeit haben. Ansonsten: Familie hat Vorrang.
Ich habe Ihnen meinen Text zu Satire und Krise deshalb zugeschickt, weil ich dort versucht habe, zumindest mein Verständnis von Satire zu zeigen. Dabei ist mir auch der leider zu früh verstorbene hessische Matthias Beltz als einer der scharfsinnigsten und schärfsten Satiriker wieder über den Weg gelaufen. Als ich das geschrieben habe, war diese Video-Aktion von Liefers & Koll. noch lange nicht auf Markt.
Gegen einen Beltz sind die selbsternannten Schauspiel-Satiriker ein blasser Abklatsch.
Die Aussagen von Ulrich Matthes in dem Interview bei 3sat, dass ja witzigerweise gar keine(n) InterviewerIn gebraucht hat, wiederum brachten die Problematik der Schauspieler(kunst) zutage, die Sie auch beschreiben, nämlich in den vielen Rollen der darzustellenden Personen und deren Gefühlswelt hineinzuschlüpfen und dann in den Video-Aussagen, diese Kunst bzw. diese Fähigkeit, angesichts der Betroffenen der Pandemie, außer Kraft zu setzen!
Sie haben (13. Mai) aus Ihrer Theatererfahrung über die Intensität der Gefühlswelt der Schauspieler bei der Auseinandersetzung in der Rolle der darzustellenden Personen berichtet.
Das ist dann Schauspielkunst.
Diese Kunst ist den Akteuren der Aktion dann überhaupt nicht geglückt. Hinzu kam, dass die in der Kritik stehenden Schauspieler es nicht schafften, sich mit ihren Inszenierungen einer Selbstkritik zu stellen.
Der Rest ist bekannt.
„Maly“, das bin ich. Je nachdem, wo ich mich gerade befinde.
Es ist schon interessant und auch nicht immer einfach, sich zwischen den Formen
von „Humor“ und „Satire“ zu bewegen und die Treffer zu landen.
Etwas Übung habe ich mir durch ein paar Jahre Kabarettaufführungen erworben.
Man kann auch in einer Pandemie der Satire einen Platz geben. Nur, da Satire auch wehtun kann, ist in dieser großen Krise die Kunst herausgefordert.
Das kann schnell beim Zynismus und der Diskriminierung von den „Opfern“ ankommen.
Bronski sprach in diesem Blog, davon, dass der oder der bei ihm „unten durch“ sei. Ich greife das auf, denn mir ist es damals so gegangen mit Dieter Nuhr, v.a. als er Greta Thunberg so schäbig in seiner Sendung behandelte. Seitdem ist er bei mir „unten durch“. Unwiederbringlich.
Auf diese wahrscheinlich noch länger andauernden Debatten um gendergerechte Sprache und die „Identität“ (Wolfgang Thierse verstehe sehr sehr gut!) gehe ich jetzt nicht groß ein. Sie kosten Kraft und sie nehmen keinen fruchtbaren Verlauf. Laufen Gefahr im Elitären und Ideologischen einen Stammplatz einzunehmen, ohne einen gesellschaftlichen Nutzen.
Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu einer Gesellschaft der neuen Gesinnungsschnüffelei, der Sittenpolizei werden. Ich glaube, das moderne Wort heißt jetzt „Cancel Culture“. Ohne Not neue Kulturkämpfe. Und als ob wir nicht genug Probleme mit dem Fundamentalismus, Radikalismus hätten, jetzt bekommen wir’s auch noch mit den fundamentalistischen Linken zu tun: Caroline Fourest schreibt von der: GENERATION BELEIDIGT.
Gute Nacht!
@ Jürgen Malyssek
Lieber Herr Malyssek,
danke für die ausführliche Antwort. Dem habe ich freilich nichts zu entgegnen.
Mir fällt aber dabei eine Präzisierung betr. die Bewertung dieser verunglückten Aktion ein, die, wie mir scheint, wert ist, festgehalten zu werden.
Der echte Satiriker weiß immer sehr genau, wer sein Gegner ist, wen es zu entlarven gilt. So, wenn Tucholsky schreibt: „Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier.“
(„Was darf die Satire?“, in: Panther, Tiger & Co., Rowohlt 1992, S.177)
Der Gegner in einer Pandemie ist aber ein Virus, das nicht fassbar ist, dessen „Charakterlosigkeit“ aufzeigen zu wollen lächerlich erscheint.
Und so schaffen sich die selbsternannten „Satiriker“ an seiner Stelle ihr eigenes Feindbild: Sie richten sich, äußerlich gesehen, gegen die Politiker, in Wahrheit aber gegen diejenigen, welche solidarisch und geduldig mit dieser Situation umzugehen versuchen.
Das erscheint mir das Perfide und Gefährliche dabei zu sein.
Zu kurz gegriffen aber wäre, dies auf bloß persönlicher Ebene abhandeln zu wollen.
Es geht, wie Sie richtig sagen, um eine fundamentalistische Zeiterscheinung mit durchaus totalitären Zügen, und die zudem nicht so einfach in ein Rechts-Links-Schema einzuordnen ist (wie man ja an den Quer-„Denkern“ sehen kann).
Von einer „Generation“ zu sprechen, erscheint mir aber doch zu pauschalisierend und zu defätistisch.
Ich spreche daher lieber von „Tendenzen“, die sich an bestimmten Personen und Bewegungen (z.B. „identitären“) festmachen lassen. Die vorgeben, für das „Gute“ in der Gesellschaft zu stehen (für „Geschlechtergerechtigkeit“, „Anti-Rassismus“ usw.), in Wirklichkeit aber nur sich selbst, die eigene „Sichtbarkeit“ im Blick haben. Und die eine Mischung erkennen lassen aus gehegtem Beleidigt-Sein, aus „Empörungs“-Modus und Selbstüberhebung.
Es erscheint mir sinnvoll, dies an dieser Stelle festzuhalten. Denn ich bin mir sehr sicher, dass uns diese oder ähnliche Verhaltensweisen uns noch vielfach begegnen werden bei Problembereichen, die „moralisch“ aufgeladen werden. Die „Gendern“-Problematik ist nur eine davon.
Ihnen und den Blog-Teilnehmern noch einen schönen Sonntag!
@ Werner Engelmann
„Der echte Satiriker weiß immer genau, wer sein Gegner ist, wen es zu entlarven gilt.“
Das ist das Fundament!
In der Corona-Zeit ist – über die Satire hinaus – sehr deutlich geworden, dass die Feindbilder nicht nur an Ausmaß zugenommen haben, sondern auch zum Instrument der großen Verdrängungen, Verleugnungen und Projektionen der labil gewordenen Gesellschaft geworden sind.
Die Welle der Politik(er)attacken und der Verschwörungsgläubigkeit, aber auch die Vorstellungen von Freiheit(sansprüchen) gehör(t)en dazu.
Es geht, wie sie sagen, lieber Herr Engelmann, um mehr als nur um die Empfindlichkeiten auf der persönlichen Ebene, es geht um Zeiterscheinungen, mit verstärkten fundamentalistischen, ideologisch aufgeladenen und totalitären Zügen.
Wir müssen aufpassen!
Nun melde ich mich doch nochmals zu diesem Thema und das aus einem, hoffe ich, guten Grund.
Bronski bezieht sich bei seiner neuen Beurteilung dieser Aktion am 3. Mai hauptsächlich auf einen Bericht des „Tagespiegel“ vom 2. Mai. Ich will das nicht wiederholen. Wer interessiert ist, kann das nachlesen. Gestützt auf den „Tagesspiegel“ war das Urteil von Bronski zu dieser Aktion dann vernichtend.
Schon am 11. Mai, wie ich leider erst heute festgestellt habe, hat sich der „Tagesspiegel“ für seine Berichterstattung zu #allesdichtmachen entschuldigt. Die Süddeutsche Zeitung zitiert den „Tagesspiegel“, dass handwerkliche Fehler unterlaufen seien. Die SZ: „Konkret bezieht sich die Chefredaktion (des „Tagesspiegel“) auf Recherchen zu den Hintergründen der Videos. Die Zeitung hatte nach Verbindungen der Aktion in das Querdenker-Milieu geforscht, dabei Paul Brandenburg als Figur im Hintergrund von #allesdichtmachen ins Spiel gebracht und ihm ‚antidemokratische‘ Positionen vorgeworfen … Nun räumte der „Tagesspiegel“ ein, der Begriff ‚antidemokratisch‘ sei durch Brandenburgs Äußerungen nicht gedeckt … Ebenso habe die Redaktion Brandenburg vor der Publikation nicht um Stellungnahme gebeten – ‚eigentlich ein journalistisches Muss‘.“
Darüber haben inzwischen zum Beispiel auch die FAZ, Die Welt, der Bayerische Rundfunk und andere berichtet.
Nach diesen Meldungen stellt sich die Frage, warum Bronski seine Recherchen, die am 3. Mai so wichtig waren, nicht weitergeführt hat oder wenigstens überhaupt mitgeteilt hat, dass an der Berichterstattung des „Tagespiegel“ gewisse Zweifel angebracht sind. Irgendwie schon erstaunlich …
@ Manfred Heinzmann
Sie sind nicht auf dem richtigen Stand. Man muss bei diesen Dingen, wo es um womöglich Justiziables geht, ganz genau hinlesen. Der „Tagesspiegel“ hat sich NICHT für seine Berichterstattung über „#allesdichtmachen“ entschuldigt, sondern dafür, dass ihm „dabei auch handwerkliche Fehler unterlaufen“ seien. Das ist nachzulesen hier, und das ist ein erheblicher Unterschied zu dem, was Sie behaupten! Diese handwerklichen Fehler geben Sie richtig in Ihrem Kommentar wieder; ich brauche das also nicht zu wiederholen. Ich habe nach Bekanntwerden des Vorgangs reagiert, indem ich das gemacht habe, was auch der „Tagesspiegel“ gemacht hat: Ich habe meine Einleitung zu dieser Diskussion hier und einen Kommentar vom 3. Mai dahingehend geändert, dass das Wort „antidemokratisch“ ersatzlos rausfiel, so wie es der „Tagesspiegel“ gehandhabt hat. Die Sache ist selbsterklärend, sobald man auf die Links klickt, denn da kommt man gleich zur modifzierten Berichterstattung des „Tagesspiegel“.
Also: Der „Tagesspiegel“ hat sich nicht für seine Berichterstattung zu „#allesdichtmachen“ insgesamt entschuldigt. In dem aktualisierten Link zum Text „Das Netzwerk hinter ‚allesdichtmachen'“ schreibt die Redaktion sogar:
„Der Tagesspiegel hat sich entschieden, das Netzwerk anders als in der ursprünglichen Überschrift zu diesem Zeitpunkt nicht als ‚antidemokratisch‘ zu bezeichnen.“
Merken Sie was? „Zu diesem Zeitpunkt!“ Diese Korrektur hat Bestand, denn sie steht auch eine Woche später immer noch über den betreffenden Artikeln des „Tagesspiegel“. Und dann kommt das Wort „antidemokratisch“ gleich noch mal durch die Hintertür vor. Ich vermute ganz stark, lieber Herr Heinzmann: Da kommt irgendwann noch mehr.
Der Rest der ursprünglichen Berichterstattung vom 3. Mai findet sich fast eins zu eins in der aktualisierten Fassung wieder. Ich sah und sehe zu diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit, von den Schlüssen abzurücken, die ich inhaltlich daraus gezogen habe. Das betrifft auch Volker Bruch, der ja inzwischen seine Sympathie für „Die Basis“ öffentlich bekundet hat.
@ Bronski
Dann will ich mal hoffen, dass die Süddeutsche Zeitung gute Juristen hat. „Berichterstattung zu #allesdichtmachen: Tagesspiegel entschuldigt sich.“ Genau diese Überschrift war in der SZ am 11.05.2021 zu lesen. Und der erste Satz in diesem Artikel lautet: „Der Tagesspiegel hat sich für seine Berichterstattung zu #allesdichtmachen entschuldigt. Dabei seien ‚handwerkliche Fehler unterlaufen‘ …“
Genau das habe ich geschrieben … nicht mehr und nicht weniger. Sie finden bei mir ausdrücklich nicht den Hinweis, dass sich der Tagespiegel „insgesamt“ entschuldigt hätte, wie Sie insinuieren.
Also keine Sorge, ich bin schon auf dem richtigen Stand.
(…)
Kommentar gelöscht, Gruß, Bronski
Na Herr Briem,
ich wusste es schon … blöder geht es immer … Sie mussten mal wieder ein dümmliches Gerede loswerden. Es passt durchaus zu Ihnen.
Das Ganze ist inzwischen ziemlich unschön geworden und wir sollten es auch beenden.
Sooo schlecht war das Gedicht nun auch wieder nicht. Aber ist schon in Ordnung, Herr Heinzmann. Ziehen Sie ruhig Ihren Schlussstrich. Wir dummen Kinder machen hier noch ein bisschen weiter, okay?
Der Tagesspiegel sprach über #allesdichtmachen am 23. April von einer „schäbigen Aktion“, von „Unverschämtheit“ und von einem „Schlag ins Gesicht“. Man hielt sich nicht lange bei Artigkeiten auf. Im Text wurde an die Opfer der Pandemie erinnert. So, als wäre allesdichtmachen dafür verantwortlich. Dann wurde nachgelegt: Man vermutet „Hintermänner und Hinterfrauen“, über die weitergehende Recherchen angekündigt werden. Der Ton am 29.4. schon in der Überschrift wie ein Krimi: „Eine Spur führt ins Querdenker-Milieu“. Der Duktus schrill (Giftküche Brüggemann“). Und man formulierte so, dass die Leser mit noch viel mehr rechnen konnten. Das Recherchenetzwerk „Antischwurbler“ glaubte „klandestinen Strukturen“ auf die Schliche gekommen zu sein – wenigstens klang das so. Es hörte sich nach dunklen Machenschaften an, nach einem Plan, von langer Hand vorbereitet mit dem Ziel einer „antidemokratischen Agenda“. Noch am 7.5. titelt der Tagesspiegel: „Maskenverweigerer am Set“, „Verwerfungen innerhalb der Filmbranche und ein ominöser Drahtzieher aus dem Querdenker-Milieu“.
Die Aufmerksamkeit war da, der Spin bekam den bereits nach dem ersten Artikel vorhersehbaren Resonanzboden, Worte wie „schäbig“, „Hintermänner“, „Unverschämtheit“, „Querdenkermilieu“, „Drahtzieher“ und „antidemokratische Agenda“ hinterlassen Spuren, liefern den Rahmen, der später erinnert wird. Im ersten Furor fordert Garrelt Duin, Mitglied im WDR-Rundfunkrat, der WDR möge die Zusammenarbeit mit Liefers „schnellstens beenden“. Dann rudert er zurück. Aber es wird einiges hängenbleiben. So etwas nennt man angesichts der grotesk dürftigen Fakten hinter den Vorwürfen gegen die Macher von allesdichtmachen eine Kampagne – gegen Andersdenkende.
Und dann? Der Tagesspiegel wiegelt plötzlich ab, berichtet von handwerklichen Fehlern, aber auch von neuen Hintergründen, die man aufgezeigt hätte – was immer das heißen soll. Und: Der Begriff ‚antidemokratisch‘ in ihrem Artikel sei durch die Äußerungen von Brandenburg „nicht gedeckt“. Ende der Selbstkritik.
Trotz der „sozialen“ Medien bleibt die Presse der wichtigste Erzeuger politischer Öffentlichkeit. Daher hat sie als professionelles Netzwerk meiner Meinung nach eine sehr große Verantwortung für das, was sie und wie sie vermittelt. Worüber sie schreibt und was sie nicht erwähnt, welche Worte sie wählt und welche Zusammenhänge sie präsentiert. Die Journalisten vom Tagesspiegel wie auch alle anderen „machen Meinung“, immer noch. Wurden sie im Fall von allesdichtmachen ihrer Verantwortung gerecht? Ich meine nicht. Sorgfältige Recherche und Abrüsten bei der Wortwahl könnten da helfen.
Ich wiederhole mich normalerweise nicht gern, aber hier muss es mal sein: Herr Geuer, Sie sind selbstgerecht. Sie haben in Postings etliche Links aufgefahren, die belegen sollten, dass die Medien nicht kritisch genug sind. Wohlgemerkt: nach der unbescheidenen Meinung von Ihnen, was Sie kritisiert haben wollen! Aber wenn Medien kritisch über etwas berichten, was Ihnen gefällt, dann kommen Sie ins Lavieren. Es darf dann gern ein bisschen weniger kritisch sein. Ihr selbstgerechter Wortschwall ist dann auch viel kürzer. Man kann es an der Länge Ihrer Kommentare sehen. Wo Sie sich im Recht wähnen, delektieren Sie Ihr Publikum ohne Ende mit Ihren Wortschwällen. Wenn nicht, fassen Sie sich kurz. Sie mögen jetzt zwar „sorgfältigere Recherche“ fordern, aber der ganze Ton Ihres Kommentars lässt keinen Zweifel daran, dass Sie eigentlich „gefälligere Recherche“ meinen.
Sie definieren also, was kritisch ist und wo es auch mal ein bisschen unkritischer sein darf? Nur weiter so!
Kritisch berichten heißt für mich nach präzisen Maßstäben und genauer Prüfung der Faktenlage gewissenhaft eine Beurteilung vorzunehmen. Das kann man bei der Berichterstattung durch den Tagesspiegel über allesdichtmachen eben nicht sagen:
Die Behauptung der „antidemokratischen Agenda“ nahm das Blatt selbst nach gut zwei Wochen zurück. Der Tagesspiegel-Autor Martenstein äußerte sich während einer Diskussionsendung – „Tagesspiegel Live“ – zu beobachteten Tendenzen, dass Opposition in Deutschland delegitimiert wird und sieht in diesem Zusammenhang die „Tonlage“ des Artikels („Verschwörung“) ebenfalls sehr kritisch. Die Rede ist außerdem von handwerklichen Fehlern. Hinter der Schlagzeile („Eine Spur führt ins Querdenker-Milieu“) steckt dann auch nicht mehr als der Umstand, dass Paul Brandenburg mehrfach in alternativen Medien auftauchte, die „auch Verbindungen zur Querdenker-Szene haben.“ Er war wohl auch der „ominöse Drahtzieher im Querdenker-Milieu“.
Das klingt angesichts der Datenlage und der – wenn auch – kurzen Entschuldigung statt nach „kritischer“ eher nach falscher Berichterstattung. Setzt man die Wortwahl der Schreiber in Beziehung zu den tatsächlichen Fakten, muss man sich fragen, ob „ominös“ und „Giftküche“ tendenziös zu nennen nicht sogar eine Untertreibung ist. Zurecht hat sich die Zeitung dafür später entschuldigt.
@ Wolfgang Geuer
Sehr geehrter Herr Geuer,
„gewissenhaft eine Beurteilung vorzunehmen“ heißt wohl, dass (1) überhaupt ein nachvollziehbares Urteil zur SACHE erfolgt und dass dieses (2) argumentativ begründet wird.
An Ihren langen – und sich wiederholenden – Ausführungen zur Berichterstattung des Tagesspiegels kann ich aber an keiner Stelle erkennen, welche Schlussfolgerung sich daraus für die Beurteilung der Schauspieler-Aktion ergeben soll.
Zweck einer Diskussion kann wohl kaum sein, eigene „Präzision“ unter Beweis zu stellen, ohne einen Beitrag in Bezug auf das Thema zu leisten.
Insofern muss ich mich der Kritik von Stefanie anschließen.
@ Werner Engelmann
Wenn der Tagesspiegel über allesdichtmachen von einer „schäbigen Aktion“ spricht, sich aber selbst später für die „handwerklichen Fehler“ dieser Beurteilung entschuldigt, scheint mir das schon ziemlich viel mit dem Thema zu tun zu haben. Und wenn im Blog eine recht große Zahl an Teilnehmern hinsichtlich der eigenen Beurteilung der Aktion auf diese Berichterstattung zurückgreift, ist die Wirkung, die Martenstein beschreibt eingetreten. Kritik wird delegitimiert; und sie wird mit der angeblichen Spur zum Querdenker-Milieu begründet. Das hat verdammt viel mit dem Thema zu tun. Man setzt einen Rahmen, der wird hier dankbar aufgenommen und schwupps sind die Clips antidemokratisch, unsolidarisch – kurz „ein Schlag in’s Gesicht“.
Es wird ihnen im Übrigen bestimmt nicht entgangen sein, so viel abschließend, dass ich der Aktion allesdichtmachen wohlwollend gegenüberstehe, obwohl nicht alle Beiträge von gleicher Qualität waren. Satire war es allemal.
Was den Vorwurf an die Akteure von #allesdichtmachen angeht, dass sie in die Ecke der Verschwörungstheoretiker, „Querdenker“ und Rechten gehörten, möchte ich an einen bemerkenswerten Satz erinnern, der Stephan Pulitzer zugeschrieben wird: „Eine Nachricht ist erst dann eine Nachricht, wenn der zweite Blick den ersten Blick bestätigt.“
Wenn dieser Grundsatz für Nachrichten und für geäußerte Meinungen immer angewandt würde, wäre das ein wesentlicher Bestandteil auch für einen kritischen Diskurs.
Danke an Bronski, dass er den Kommentar von Stefan Briem vom 18. Mai gelöscht hat.