Alle Briefe von Leserinnen und Lesern dieser Woche im Überblick nach ihren Erscheinungstagen und: Offene Diskussion! Lesen Sie in Ruhe oder suchen Sie Ihre Zuschrift gezielt mit der Tastenkombination STRG und F sowie dem Namen als Suchbegriff. Sie finden hier:
- eine Liste der Erscheinungstage einer Woche;
- pdf-Dokumente von den Forum-Zeitungsseiten (klicken Sie dazu bitte auf das „eins“ bzw. „zwei“ von „Seite eins“);
- alle Zuschriften des jeweiligen Erscheinungstags, die keiner hier im Blog laufenden Diskussion zugeordnet werden können;
- Links zu jenen Zuschriften, die einer hier im Blog laufenden Diskussion zugeordnet wurden;
- ganz unten das Kommentarfeld, über das Sie mitdiskutieren können.
Bitte stellen Sie ein Stichwort an den Anfang Ihres Kommentars, um anzuzeigen, welches Thema Sie ansprechen. Es gelten die Blog-Regeln – mit einer Ausnahme: Für die offenen Diskussionen ist der Teil der Regel Nr. 4 ausgesetzt, der sagt: Bleiben Sie beim Thema. Hier kann bunt diskutiert werden. Es ist keine Registrierung o.Ä. notwendig.
Im FR-Blog werden normalerweise die ungekürzten Originalversionen Ihrer Zuschriften veröffentlicht. Aktuell konnte dieser Service wegen Krankheit leider nicht geboten werden. Bronski bittet um Verständnis und Nachsicht!
Forum vom 7. Dezember
Seite eins
Zuschriften von Karsten Neumann, Merve Hölter, Annegret Benz, Siegfried Kowallek und Manfred Kirsch zur Regierungskrise in Magdeburg, weil Teile der CDU mit der AfD stimmen wollen (veröffentlicht hier), außerdem von Harald Brecht zur Abwanderung rumänischer Mediziner:innen in reichere EU-Länder und von Manfred Christmann zum Anschlag auf den iranischen Atomphysiker Fachrisadeh. Außerdem kommentiert Dietrich Klingmüller einen Gastbeitrag von Sahra Wagenknecht, und Brigitte Heinzmann würdigt Willy van Ooyen (diese alle gleich hier, siehe unten).
Befriedigung von egoistischen EU-Interessen
Abwanderung aus Rumänien: „Ärztlicher Aderlass“, FR-Politik vom 19. November
Ihr Beitrag über die Abwanderung medizinischen Personals aus Rumänien zeigt einmal mehr, in welche Falle osteuropäische Länder getappt sind, als sie auf die Einlösung des Freiheitsversprechens vertraut haben, das mit dem EU-Beitritt verbunden war. Dieses Versprechen war verknüpft mit der Erwartung, dass diese Länder im Hinblick auf Freiheit und Wohlstand allmählich zum Westen aufschließen. Nun aber scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Denn wenn es in Ihrem Beitrag heißt, westeuropäische Staaten „buhlten“ um das medizinische Personal, dann muss die EU als Selbstbedienungsladen zur Befriedigung egoistischer Interessen eben dieser westeuropäischen Staaten erscheinen. Und – gerade im Hinblick auf die Corona-Pandemie – drängt sich dann die Frage auf, weswegen die medizinischen und pflegerischen Berufe bei uns „systemrelevant“ sind, in Osteuropa aber offensichtlich nicht.
Zwar muss man die Entscheidung eines jeden Einzelnen, der sich zur Auswanderung entschließt, respektieren. Die Bereitschaft hierzu wäre aber – wie in Ihrem Beitag ebenfalls zu lesen ist – deutlich geringer, wenn es die krassen Einkommensunterschiede nicht gäbe. Um diese einzuebnen, müsste die EU einen Fonds schaffen, mit dem das Gehaltsniveau der besagten Berufe angehoben werden könnte. So etwas scheint es aber bisher nicht zu geben. Statt dessen fließen über die bestehenden EU-Struktur- und Kohäsionsfonds Milliarden in Infrastrukturprojekte für Straße, Schiene, Stadtsanierung und Digitalisierung, und man fragt sich, wer denn all diese schönen Dinge nutzen soll, wenn dort längerfristig niemand mehr lebt. Denn der Wegzug des qualifizierten Personals und die damit verbundene Verschlechterung der Lebensbedingungen breiter Bevölkerungskreise zieht zwangsläufig die Abwanderung der nächsten – geringer qualifizierten – Bevölkerungskohorte nach sich: So konnte man in der vergangenen Woche einem auf ARTE ausgestrahlten Bericht entnehmen, dass mittlerweile vier Millionen Rumänen im westlichen Ausland leben und arbeiten. Das ist etwa die Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung (man stelle sich vor, in Deutschland würden in kurzer Zeit 20 Millionen Arbeitnehmer fehlen!) – und es liegt auf der Hand, dass es vor allem die jungen, aktiven und gut Ausgebildeten sind, die gehen. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, woher eigentlich in diesen Ländern die Impulse für eine gedeihliche geesellschaftliche, politische und ökonomische Entwicklung kommen sollen. Und man sollte sich im Westen nicht wundern, wenn die dort „Zurückgebliebenen“ so reagieren. wie sie reagieren, nämlich mit einer Hinwendung zur Vergangenheit und zu neuem Nationalismus. Es gäbe also viel zu tun für die EU.
Harald Brecht, Hofheim a.Ts.
Kein Aufschrei
Anschlag auf Atomexperten: „Wohl von langer Hand geplant“, FR vom. 30. November
Bei dem jüngsten Anschlag im Iran wurde der Atomwissenschaftfler Fachrisadeh getötet. Es war der nächste Anschlag auf eine hochrangige Persönlichkeit im Nahen Osten. Als weitere Greueltaten bleiben der Mord an dem Journalisten Kashoggi in Saudiarabien in Erinnerung, sowie die Ermordung des iranischen Generals Soleiman durch eine Drohne der USA.
Erstaunt bin ich über die Reaktionen in der EU, insbesondere in Deutschland. Kein Aufschrei, Keiner unserer Politiker verurteilt diese Greueltaten oder lässt seine Abscheu erkennen. Sie mahnen zur Besonnenheit und warnen vor einer Eskalation. Keine Verurteilung der Täter, die in den USA bzw. Israel zu suchen sind, oder gar die Androhung von Sanktionen.
Im Gegensatz zu dem Attentat auf den russischen Oppositionpolitiker Nawalny. Hier waren sich alle einig, verurteilten Russland auf das Heftigste, drohten mit Sanktionen bzw. der Abkehr von Nord Stream 2. Eine verkehrte Welt, die zeigt, welche moralische „Gerechtigkeit“ wir von unseren führenden Persönlichkeiten erwarten können. Es gilt der Grundsatz: Verbündete Staaten verurteilt man nicht.
Manfred Christmann, Frankfurt
Zerschlagung der Kraken
Zu: „Kontrolle über unsere Daten“, FR-Wirtschaft vom 28. November
Sahra Wagenknecht stellt in ihrem Gastbeitrag die Macht der großen Datenmonopole sehr gut dar. Einen wichtigen Aspekt vermisse ich jedoch. Unsere persönlichsten Daten werden ausgewertet, unter anderem um bei Kaufentscheidungen zu helfen. Es ermöglicht aber auch, die Bevölkerung politisch zu beeinflussen und zu manipulieren – eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Zu Recht fordert Wagenknecht daher eine demokratische Kontrolle bzw. Zerschlagung der Datenkraken.
Dietrich Klingmüller, Bonn
Wir sind zuversichtlich
Zu: „Abrüsten statt aufrüsten“, FR-Meinung vom 3. Dezember
Welch ein Durchhaltevermögen hat Willi van Ooyen, den auch nach Jahrzehnten der Führung der Friedensbewegung noch nicht der Mut verlassen hat und der noch immer sagen kann: „Wir sind zuversichtlich“. Vielen Dank, Willi van Ooyen, fürs immer wieder aufstehen und ermutigen.
Brigitte Heinzmann, Frankfurt
Forum vom 8. Dezember
Seite eins
Zuschriften von Dr. Norbert Szép, Dr. Ingeborg Lickteig und Peter Dressler zu den angestrebten Lockerungen gegen den Corona-Teil-Lockdown zu Weihnachten (veröffentlicht hier), Utta Schüder zum Versuch der Bundesgrünen, ein Moratorium gegen die A49 zu erwirken (veröffentlicht hier), Karl Stengler zur Sozialpolitik der AfD (veröffentlicht hier), außerdem von Gerhard Jentzsch zu den Überprüfungen der Doktorinarbeit von Franziska Giffey sowie von Peter Schwick und Peter Anders zum Schweigen der Behörden zum Thema NSU 2.0 (die letzten drei gleich hier, siehe unten).
Das Versäumnis der Betreuer
Giffey: „Frau Doktor oder Frau SPD“, FR-Politik vom 27. November, und „Ohne Doktor nach Rom“, FR-Meinung vom 21.11
Mit großem Interesse habe ich die Diskussion um die Wertung der Promotion von Frau Giffey verfolgt, zumal bereits in der „Zeit“ vom 10. November ein umfangreicher Artikel erschienen war. Als pensionierter Professor für Geophysik habe ich vor vielen Jahren an der FU Berlin habilitiert.
Ich habe im Laufe meiner wissenschaftlichen Tätigkeiten an verschiedenen deutschen Universitäten etwa 100 Arbeiten betreut (Diplome, Dissertationen) und dabei erfahren, dass es z.T. sehr schwer sein kann, die Arbeiten der Kandidaten genau zu verfolgen und zu würdigen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem ständig gestiegenen Druck hinsichtlich der Einwerbung von Drittmitteln, den Notwendigkeiten der Erarbeitung und Publikation von Ergebnissen sowie der anspruchsvollen Lehre kann es durchaus vorkommen, dass man sich als Betreuer doch mehr auf die Leistung der Kandidaten verlässt, als angebracht. Dies kann aber nicht den Kandidaten angelastet werden, sondern ist immer ein Versäumnis der Betreuer.
Daher ist m.E. zunächst das Promotionsgremium zu kritisieren, vor allem wenn man der Kandidatin keine Absicht unterstellen kann. Insbesondere bei Fehlern in der Zitierweise wird dies deutlich: Hier müssen die Betreuer einfach sorgfältiger sein und sich den Text genau anschauen, wobei es hierbei lediglich um Formalia und noch gar nicht um Inhalte geht.
Ich würde daher dafür plädieren, Frau Giffey den Titel ohne weitere Prüfung zu belassen und eher der Doktormutter empfehlen, trotz ihrer vielen Forschungsarbeiten sich intensiver um die Doktoranden zu kümmern und damit das Entstehen der Dissertation besser zu begleiten.
Gerhard Jentzsch, Bonn
Unternehmen Sie jetzt endlich alles!
NSU 2.0: „Es ist unfassbar, und es hört einfach nicht auf“, FR vom 3.12.
Liebe FR, vielen Dank für Ihren Beitrag NSU 2.0. Ich bin zutiefst berührt, um nicht zu sagen erzürnt, über die offenkundigen Verfehlungen, die sich von offizieller Seite hinsichtlich einer Aufklärung dieser Causa ereignen. Da relativieren sich auch die betroffenen Worte von Herrn Ministerpräsident Volker Bouffier anlässlich der schrecklichen Ereignisse in Hanau in 2019.
Herr Bouffier, Herr Beuth, unternehmen Sie endlich alles um die Personen, die hinter NSU 2.0 stecken zur Rechenschaft zu ziehen. Damit könnten Sie ein Zeichen von Glaubwürdigkeit setzen, das Sie gegenwärtig leider vermissen lassen.
Peter Schwick, Frankfurt
Wohlwollendes Schweigen und Wegsehen
Wie lange es wohl dauern wird, bis die Polizeidienste rechtsradikal durchseucht sein werden –mit wohlwollendem Schweigen und Wegsehen von gewissen Ministern?
Peter Anders, Münzenberg
Forum vom 9. Dezember
Seite eins
Zuschriften von Armin Wambach, Harald Reinemer und Manfred Kramer zum „Querdenken“ (veröffentlicht ab hier), außerdem Friedhilde Scholl zur Entwicklung in Äthiopien, Hans-Jürgen Beck und Gerhard Oberlader zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Rolf Walze zum Anschlag auf den iranischen Atomphysiker Fachrisadeh und Sabine Hütwohl zu mehr Augenmaß bei den Corona-Hilfen (diese fünf gleich, siehe unten).
Die Ärmsten müssen zahlen
Tighray: „Sieg mit Fragezeichen“, FR-Politik vom 30.November
In Äthiopien, auch in der Provinz Tigray, leben zum überwiegenden Teil Bauern, die darauf hoffen, dass es ausreichend regnet, damit sie genug ernten können und nicht hungern müssen. Es ist geradezu fahrlässig, dass Journalisten uns glauben machen wollen, diese Menschen hätten ein Interesse daran, dass die selbsternannte Tigray-Volksbefreiungsfront einen Krieg vom Zaun bricht und gar den Flughafen im Nachbarland Eritrea bombardiert. Von wem oder was sollen oder wollen denn diese Bauern befreit werden? Diese Kämpfe dienen doch einem ganz anderen Zweck. Als der neue äthiopische Präsident Abiy Ahmend den Jahrzente währenden, völlig unlogischen und für die Bevölkerung beider Staaten unendlich teuren Krieg gegen Eritrea beendete, vermutete ich, dass das weder von den nun arbeitslosen Kriegern, noch von der Waffenindustrie goutiert würde. Denn an den Konflikten am Horn von Afrika haben auch die westlichen Volkswirtschaften durch Waffenverkäufe gut verdient. Ebenfalls profitiert hat eine kleine Tigrinische Führungselite, und die erzeugte politische Instabilität am Horn von Afrika sicherte dem Westen seine Einflussnahme. Nicht ganz so naheliegend, aber auch für Journalisten und Hilfsorganisationen sind Krisen Geschäft. Deshalb sollte die gegenwärtige Berichterstattung immer im Auge behalten, dass auch dieser Machtkampf gegen die Äthiopische Regierung wieder von den Ärmsten der Armen bezahlt werden muss.
Friedhilde Scholl, Frankfurt
Es gibt immer Alternativen
Zu: „Löw hat nur eine Chance“, FR-Sport vom 2. Dezember
Bei aller Wertschätzung für Herrn Löw und Herrn Bierhoff, die ja jeder für sich und den deutschen Fußball einiges geleistet haben (Bierhoff wurde Europameister, Löw Weltmeister). Aber muss man nicht auch beim DFB irgendwann einmal die Zeichen der Zeit erkennen?
Ein „Weiter so!“ ist gefährlich, das sagen nicht nur die sogenannten Insider wie etwa Lothar Matthäus oder Bastian Schweinsteiger oder Philip Lahm. Aber die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft jetzt auf Corona zu schieben, das funktioniert nicht. Denn wieso konnten die Spanier trotz Corona die Deutschen mit 6:0 besiegen? So weit ich weiß haben die genauso hohe Inzidenzwerte wie wir?
Und zu sagen, es gäbe keine Alternativen (für Jogi Löw), ist genauso weit hergeholt. Als Betriebswirt sollte der Manager wissen: Es gibt immer Alternativen, man muss sie nur suchen.
Hans Jürgen Beck, Frankfurt
Großes Vertrauen in die junge Generation
Ausgangslage vor dem Spiel gegen Spanien: „Ein Unentschieden reicht!“ Aussage Jogi Löw: „Wir wollen gewinnen!“ Damit hat er die Spanier motiviert, was ihm bei der eigenen Mannschaft in keiner Weise gelungen ist. Außerdem ist das ein weiteres Beispiel von (arrogantem) „Hochmut kommt vor dem (tiefen) Fall!“. Da kommt (Schaden-) Freude auf.
Es gilt aber auch langfristiges Denken, und das bedeutet großes Vertrauen in die zukunftsfähige junge Generation .Wo waren denn die „alten“ Führungsspieler Kroos, Neuer, Gündogan? Wo war der Wundersturm Gnabry, Werner Sané?
Und bitte nicht vergessen: Bei der höchstblamablen Weltmeisterschaft in Russland waren Hummels, Boateng und Müller mit dabei.
Gerhard Oberlader, Mössingen
Tiefes Schweigen
Fachrisadeh: „Wohl von langer Hand geplant“, FR-Tagesthema vom 30.11.
Hier wird wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen. Wenn die russische Regierung einen Regimegegner in Berlin ermorden lässt, ist der Aufschrei groß. Sofort wird nach Sanktionen gerufen. Wenn Israel einen Wissenschaftler – nach Absprache mit dem Mörderregime der Saudis und den USA – im Iran ermorden lässt, herrscht nur Schweigen, und die Hoffnung, dass die iranische Regierung besonnen bleibt. Diese Heuchelei zeigt die ganze Unglaubwürdigkeit unserer Politiker.
Rolf Walze, Daxberg
Wohlwollendes Schweigen und Wegsehen
Corona-Hilfen: „Mehr Augenmaß“, FR-Meinung vom 5. Dezember
Also, Herr Niesmann, geht’s noch? Bei Ihrer Begründung für die Aussetzung der Corona-Hilfen lassen Sie außer Acht, dass gerade die TUI-Gesellschaft zum dritten Mal bereits einen Millliardenkredit bekommen hat! Und dass, wo sich doch so langsam herumgesprochen hat, dass deren Aufgabengebiet, das Hin-und-Herfliegen, uns allen auf dieser Erde mehr schadet als nutzt. „Wir“ wollten doch „nach Corona“ etwas anders machen!… und das ist ja nur ein Beispiel.
Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie Künstler oder Gastronom wären, um Ihre Existenz bangen müssten und dann so etwas hören?
Meiner Ansicht nach ist das ein Tritt ins Gesicht der Branchen, die jetzt (trotz hervorragender teurer Hygienekonzepte) schließen müssen!
Sabine Hütwohl, Bielefeld
Forum vom 10. Dezember
Seite eins
Zuschriften von Elisabeth Baumann, Gregor Böckermann, Bertram Münzer und Matthias Rabbe zu den Folgen der Pandemie fürs Weihnachtsfest (veröffentlicht hier), Klaus Philipp Mertens zur Strategie der „Neuen Rechten“ (veröffentlicht hier), Emil Jacob zu Friedrich Merz (veröffentlicht hier), außerdem von Michael Dallapiazza zum Kniefall von Warschau (gleich hier, siehe unten).
Historische Geste
Kniefall von Warschau: „Wenn die Sprache versagt“, FR-Tagesthema vom 7.12.
Der Titel der FR vom 7.12. ließ anderes erwarten. Den Beitrag von Ulrich Krökel zum Kniefall in Warschau vor 50 Jahren begleitet dann aber ein irritierender Unterton. Dass sich Willy Brandt genau an diesem Ort zu dieser Geste entschied, hat schon damals viele gestört, aber wo um alles in der Welt hätte er es sonst machen sollen? Ihr Autor kritisiert, dass es nicht am Grabmal des unbekannten Soldaten geschehen sei.
Dass Deutschland für alle Verbrechen der Nazizeit die Verantwortung trägt – wer wollte das bestreiten! Dieser Geste aber heute, sozusagen mit historisierendem Argument, ihre Größe absprechen zu wollen, ist unverständlich. Relativierend zu schreiben, das Gedenken an die nichtjüdischen NS-Opfer habe in Deutschland unter der alles überwölbenden Erinnerung an den Holocaust gelitten, reiht sich in die zunehmend vernehmbaren Stimmen ein, dass es nun aber mal wirklich genug sei – ein Argument, das seit Jahrzehnten zu hören ist. Eine solche Geste, in einer damals zumindest antisemitischen geprägten politischen Stimmung in Polen, von der Krökel ja auch spricht, die allein der polnischen Opfer gedacht hätte, wäre eine Verhöhnung der Opfer im Ghetto gewesen, polnischer Juden, diesen hat Brandt damals seine Geste gewidmet!
Michael Dallapiazza, Prato/Bologna (I)
Forum vom 11. Dezember
Seite eins
Zuschriften von Jörg Kramer und Wulf Schmiedeknecht zum Verhältnis von CDU und AfD (veröffentlicht ab hier) und zum gleichen Thema Sigrid Rienäcker (kommentiert hier), Friedrich Gehring und Hermann Roth zum Lockdown (veröffentlicht ab hier), außerdem Hartwig Cordts zum Thema SPD und Gemeinnützigkeit von Attac u.a. und von Joachim Bohndorf zur Bilanz des ersten Amtsjahres der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (gleich hier, siehe unten).
Seite zwei
Zuschriften von Peter Hartwig, der meint, dass wir den Ostdeutschen zuhören sollten (veröffentlicht hier), außerdem von Dieter Hartwig zum Kniefall von Warschau und Sabine Reif zur Rolle der Kirchen in der Pandemie (beide gleich hier, siehe unten).
Ohne Wumms nix los
Zu: „Kaum noch Hoffnung für Attac & Co.“, FR-Politik vom 5. Dezember
Da sei nicht mehr viel „Wumms“ drin gewesen, in der GroKo, meint Saskia Esken, aber seit sie und W. Borjans die SPD führten, sei das anders geworden. Was mag sie bloß meinen? Das Home-office-Gesetz vielleicht? Also: Die Arbeitnehmer haben jetzt das Recht – nein, nicht auf Homeoffice, sondern darauf, mit dem Arbeitgeber mal drüber zu reden. Beim besten Willen, ich höre da keinen Wumms (höchstens, um im Bild zu bleiben, einen kleinen verklemmten F…).
Oder jetzt: Die SPD hat „durchgesetzt“, dass der Klimaschutz steuerlich als gemeinnützig anerkannt wird. Das ist ihr fast dreißig Jahre nach der historischen Konferenz von Rio eingefallen. Ein Wumms? Eher doch ein politisches Armutszeugnis, denn wenn Klimaschutz nicht gemeinnützig ist, was denn dann? Zudem gibt es dabei eine kleine Einschränkung. Die Gemeinnützigkeit gilt nur, wenn die Organisationen ihre Ziele nicht „überwiegend mit politischen Mitteln …oder Forderungen an die Regierung verfolgen“. Mit anderen Worten also, wenn sie nur mal so mit der Regierung drüber reden wollen.
Kurt Tucholsky hat 1930 den Grundcharakter der SPD satirisch so zusammengefasst: „Man tut wat für die Revoluzion und man weiß janz jenau, mit diese Partei kommt se bestimmt nich.“ Er hat immer noch recht.
Hartwig Cordts, Reinbek
Substanzlose Parolen
Zu: „Ein erstes Jahr unter besonders widrigen Umständen“, FR-Politik vom 1. Dezember
Das erste Jahr der EU-Kommissionspräsidentschaft Von der Leyens gleicht eher einer Nullnummer, und die läßt sich keinesfalls nur auf die widrigen Pandemie-Umstände schieben. Ihre vollmundige Ankündigung eines „Green Deal“ zum Beispiel ist eine substanzlose Parole geblieben. Wie und mit wem sie in der wachstumsfixierten Marktwirtschaft einen naturschonenden Pakt schmieden will, ist weiterhin ihr Geheimnis. Die einflußreichen Marktakteure jedenfalls ziehen schon jetzt gegen die bestehenden EU-Auflagen zum Schutz der natürlichen Ressourcen vehement zufelde und werden bei dem „Green Deal“ keineswegs aus freien Stücken mitmachen. Im Hinblick auf ihr Versprechen, der EU die „Sprache der Macht“ beizubringen, ist Von der Leyen bereits kläglich eingebrochen und läßt sich von den vertragsbrüchigen nationalegoistischen Regimen in Polen und Ungarn auf der Nase herumtanzen. Anstatt den erpresserischen Quertreibern in Warschau und Budapest konsequent die Stirn zu bieten und rigoros den EU-Geldhahn zuzudrehen, erschöft sie sich in typischer Merkelmanier in der Suche nach halbherzigen wie unterwürfigen Kompromissen. Die erste Bilanz läßt befürchten, daß sich daran auch in der Zukunft nichts ändern wird.
Joachim Bohndorf, Bensheim
Der Hass von CDU und CSU
Kniefall von Warschau: „Wenn die Sprache versagt“, FR-Thema vom 7.12.
Die damaligen Angriffe der Oposition, die ganz tief unter die Gürtellinie gingen, habe ich persönlich miterlebt, ich war damals 33 Jahre alt. Der Inhalt dieser Angriffe war in sehr vielen Fällen identisch mit den verbrecherischen Inhalten in den heutigen sogenannten sozialen Medien, und sie wurden sehr wohl befeuert durch einen großen Teil der damaligen Funktionäre von CDU und CSU und Vertriebenenfunktionären. Ich persönlich habe diesen Hass am eigenen Leib gespürt, denn ich hatte – und das ist bis heute geblieben – regelmäßig erklärt, dass ich Heimatgefühle von Menschen wirklich achte, diese haben aber nichts damit zu tun, welchem Staat die Heimat angehört.
Das sehe ich weltweit so. Im Laufe der Menschheitsgeschichte sind alle Staaten nicht gewachsen, sie sind vielmehr zusammengebracht worden entweder durch Eheschließungen des Adels oder durch kriegerische Verbrechen, ganz selten durch eine Volksabstimmung. Die Grenze Dänemark/Bundesrepublik kann für das Letztere ein vernünftiges Beispiel sein. Ob Pommern, Schlesien oder Ostpreußen nun polnisch oder deutsch sind, ist ohne Bedeutung. Die Hauptsache ist, dass wir alle dorthin reisen können, wohin wir wollen.
Gerhard Burmester, Lübeck
Wo sind die Kirchen?
Zu: „Anne-Sophie Mutter spielt im Dom“, FR-Regional vom 5. Dezember
Mit großem moralischem Beispiel, was es heißt, Verzicht zu üben in diesen Zeiten, könnten jetzt eigentlich die beiden großen Kirchen mit eigenem Beispiel vorangehen!! Aber wo sind Sie eigentlich in der ganzen Debatte? Feige abgetaucht, schielen sie ängstlich darauf, ob zu Weihnachten noch jemand in die Kirche kommt, wie kleine besorgte Einzelhändler!
Stattdessen könnten Sie den gläubigen Menschen Vorbild sein: sagen, dass man Gott auch in seinem stillsten Inneren findet, dass Verzicht auf so vieles in dieser Zeit, – auch zu Weihnachten – das Gebot der Stunde ist und Konsum nicht das Weltenheil…Nach dem Motto „Bleibt bitte alle zuhause!“ Aber die größten moralischen Instanzen in Deutschland neben der deutschen Ethikkommission schweigen oder verschaffen sich kein Gehör in der allgegenwärtigen Debatte: ein Armutszeugnis für die Kirchen!! Wieder ein Grund, nicht mehr hinzugehen…
Sabine Reif, Mülheim
Forum vom 12. Dezember
Seite eins
Zuschriften von Klaus Schnell, Dr. Andreas Fischer, Fritz Hahnkamp und Jochen Schimmelschmidt zum harten Lockdown (veröffentlicht ab hier), Jürgen Wunder und Gerhard Schlesinger zu den Rindfunkgebühren (veröffentlicht ab hier) sowie von Christina Romeis zur Verkehrspolitik der Grünen (veröffentlicht hier).
Ich wünsche mir: dass dieBalkengrafik mit den Zahlen der Coronaneuinfektionen 8 Tage umfassen, damit den Vergleich zum gleichen Wochentag der Vorwoche hat.
Die FR lässt den Kreissprecher Herrn Johannes Latsch zu Wort kommen und er erklärt uns den Unterschied zwischen Netto-Kalt Miete und Netto-Kalt Miete. Danke.
Thema waren die Regelsätze für die Kosten der Unterbringung von Hilfeempfängern. Seit zehn Jahren unverändert 7,50 € pro qm für Familien und 8,00€ für Einzelmieter.
Aber, so belehrt uns Herr Latsch, das sei nicht „das Einzige, was der Main-Taunus-Kreis bei der Berechnung der Wohnkosten zugrunde legt. Zusätzlich würden Betriebskosten und Heizkosten in tatsächlicher Höhe berücksichtigt. Nebenbei bemerkt, das zeichnet nicht den MTK aus, das ist bundesweit gesetzlich geregelt.
Was ist also falsch an der Darstellung in dem Artikel, wenn darauf hingewiesen wird, dass Immobilienportale zur Zeit einen Durchschnittspreis (Medianwert) von 10,00€ ausweisen. Und was ist daran falsch wenn das Immobilienportal „Immowelt“ explizit darauf hinweist, dass dieser Preis pro Quadratmeter Wohnfläche „Netto-Kalt“ und nicht Netto warm oder Brutto Warm oder sonstwas ausweist. Also, was will uns Herr Latsch erklären? Netto-Kalt im MTK ist nicht Netto Kalt.
Und was findet Herr Latsch noch erklärenswert? Dass in einschlägiger Internetportalen „Angebote nach unseren Sätzen zu finden sind“, also für 7,50 und 8,00€ pro Quadratmeter Wohnfläche. Mag sein, dass die Kreisverwaltung hin und wieder ein solches Angebot aufspürt. Nur wir sprechen bei Wohnungssuchenden im Kreis von weit über Tausend, die jetzt eine Wohnung suchen und den Ämtern als wohnungssuchend gemeldet sind. Die bezahlbaren vorhandenen Sozialwohnungen sind bewohnt, folglich bleibt den Wohnungssuchenden nur der freie Wohnungsmarkt.
Und da gibt es die Wohnungen ab 10,00 E aufwärts. Wohlgemerkt Netto-Kalt.
zum Artikel „Klare Regeln für Schulen verlangt“ vom 11.12.2020
Das Kultusministerium will uns für dumm verkaufen
Seit Wochen wird von den hessischen Schulbehörden die Ansteckungsgefahr für Covid 19 an Schulen geleugnet und heruntergespielt – und es wird stur am Präsenzunterricht mit voller Klassenstärke festgehalten.
Dies widerspricht eklatant den Fakten: es ist die Gruppe der 15-20jährigen, die überproportional mit Corona infiziert ist und die Corona-Inzidenz nach oben zieht. Es ist mittlerweile wissenschaftlicher Konsens, dass auch Schulen am Infektionsgeschehen in relevantem Ausmaß beteiligt sind – weshalb ja in dem aktuellen Appell der Leopoldina die Aufhebung der Schulpflicht ab 14.12. und zusätzlich die Einführung von intelligent organisiertem Wechsel- und Fernunterricht für ältere Schüler gefordert wird.
Besonders ärgerlich ist, wie seitens von Schulämtern und Gesundheitsämtern versucht wird, die Infektionszahlen durch eine restriktive Testung von Verdachtspersonen zu drücken, Kontaktpersonen nicht ernst zu nehmen und Informationen zum realen Infektionsgeschehen an Schulen zurück zu halten. Mein Eindruck ist, dass hier geschönt, getrickst und gelogen wird, um sich irgendwie in die Weihnachtsferien zu retten und dann zu hoffen, dass die Situation von allein besser wird! (Dazu eine politische Nebenbemerkung: Was machen eigentlich die Grünen in der Landesregierung? Haben die noch eine eigene Meinung in der Schulpolitik – oder haben sie sich völlig der CDU unterworfen?)
Mit dem Verhalten von Kultusminister Lorz wird Vertrauen in die notwendige und wichtige Arbeit der staatlichen Institutionen verspielt und damit indirekt unsachlichen Corona-Leugnern in die Hände gespielt. Gerade jetzt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme notwendig, um dann konstruktiv darüber zu streiten, was die besten Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung sind. Das krampfhafte Festhalten an Dogmen um jeden Preis hilft dabei nicht.
Martin Gülzow
In der Aufarbeitung und Auseinandersetzung der jüngsten Autounfälle mit Todesfolge für Fußgänger und Radfahrer (SUV-Tote in Trier, SUV-Tote in Ffm-Ostend) wird über die Trauer um die tragischen und willkürlichen Todesopfer ausführlich berichtet (vgl. auch Mahnwache). Zur Verhinderung weiterer Toter und Verletzter (von anderen schädlichem Verhalten zu Schweigen) werden jedoch von vielen Seiten Maßnahmen überlegt und besprochen, die den willkürlichen oder versehentlichen Gebrauch von hochmotorisierten Fahrzeugen als Waffe meines Erachtens nicht gerecht werden: Betonblöcke, versenkbare Poller, neue Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzung wie auch immer wieder der Ruf nach Strafverschärfungen für Amok- und Autorennen-Fahrer. Mir scheint, dass da das Pferd von hinten aufgezäumt wird: Warum werden die Hersteller solcher allgemeingefährlichen Geschosse nicht für den – doch nicht unerwünschten – Gebrauch solcher Produkte zur Verantwortung gezogen? Warum werden Autohersteller nicht dazu gebracht, den PS- und Beschleunigungswahn zu begrenzen, also zu reduzieren? Die Motorleistung sollte verpflichtend auf einen maximalen Oberwert gesetzlich festgelegt werden (wir haben doch einen Verkehrsminister, hahaha). Nein: da helfen keine neuen Schilder, keine versenkbaren Poller u.ä. mehr. Die Hersteller müssen zur Verantwortung gezogen werden!
Winfried Klinghammer, Frankfurt