„Die katalanische Kultur ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse“, heißt aus auf dem offiziellen Online-Portal der Buchmesse. Da merkt man ihn schon, den Eiertanz, den die Verantwortlichen dieses Jahr aufführen mussten, um alle politischen Klippen zu umschiffen. Den „Trick mit der Kultur“ nannte Ina Hartwig dies in ihrem FR-Leitartikel. Letztes Jahr hieß es noch: „Indien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse 2006“. Nicht die indische Kultur. Geschweige denn eine der zahllosen regionalen Kulturen Indiens. Ist Katalonien also kein Land?
Diese Debatte um den Vormarsch der spanischen Regionen ist aggressiv aufgeladen. Das merkt man auch an den Leserbriefen, die mich zu diesem Thema erreichten. So schreibt mir Roman Urbaner aus Graz:
„Weder ist das Katalanische eine Mundart, sondern eine eigenständige Sprache mit langer Literaturtradition (ein Vergleich mit deutschen Mundartautoren lässt sich nur als Geringschätzung der katalanischen Sprache verstehen; Francos Sprachfaschismus argumentierte genauso), noch stimmt es, dass die Einladungspolitik der Messeveranstalter eine Diskriminierung der Castellano schreibenden Autoren Kataloniens bedeutet. Diese Gruppe von Schriftstellern war bereits vor einigen Jahren in Frankfurt zahlreich repräsentiert! Spanien hatte als Gastland der Messe Gelegenheit, seine Literatur in Frankfurt ins beste Licht zu rücken. Und Madrid verstand darunter damals fast ausschließlich Autoren, die auf Castellano schreiben (darunter auch jene aus Katalonien). Für Spaniens Minderheitensprachen zeigte man damals keinerlei Interesse – die mussten bis 2007 warten. Im übrigen war die spanischsprachige Literatur bei der Buchmesse sogar noch zwei weitere Male vertreten: unter den Schwerpunkten „Mexiko“ und “ Lateinamerika“.
So wichtig ein Bekenntnis zum (sprachlichen) Pluralismus Kataloniens auch ist, so sehr verstehe ich, wenn angesichts dieser Vorgeschichte diesmal die Präsentation der bisher übergangenen Sprache und ihrer Literatur als vorrangiges Ziel erachtet wurde. Das ist weder nationalistisch noch provinziell, sondern das Recht einer – wie man sieht: bis heute angefeindeten – Minderheitensprache.“
Letzteren Aspekt greift Gerardo S. Barcala aus Huntlosen auf:
„Es sprechen keine sechs Millionen Katalanisch, sondern Katalonien hat eine Bevölkerungsgröße von etwas mehr als sechs Millionen. Die größte Bevölkerungsgruppe kommt aus Andalusien (ca. 2,7 Mio.), dann Galicien, Kastilien, Estremadura. Diese Bevölkerungsgruppen machen ca. 90 Prozent der Bevölkerung Kataloniens aus. In Katalonien spricht man spanisch und eine kleine Zahl Katalanisch, so wie in Norddeutschland das Plattdeutsch! Auch wenn die Landesregierung diese künstliche Sprache zur Pflicht gemacht hat und als einzige Region der westlichen Welt unter Strafe stellt, wenn nicht z.B. auf öffentlichen Plätzen Katalanisch ausgeschildert wird.
Auch ist Katalonien nicht 800 Jahre alt, es hat kein Staatsgebilde Katalonien in dieser Zeit gegeben und auch kein Gründungsdokument wie z.B. das des Freistaates Bayern. Auch war Katalonien nie Königreich. Barcelona wurde im 16. Jahrhundert zur Grafschaft geadelt, nachdem die Mauren diese verlassen haben.“
Wie man es macht, macht man es in diesem Falle falsch. Katalonien ist eindeutig und zweifellos kein Land und war es auch nie. Die Einladung Kataloniens als Ehrengast der Buchmesse bedeutet eine unnötige Aufwertung dieser Comunidad (so heißen die spanischen „Bundesländer“) und ist gegenüber Spanien eher als Brüskierung anzusehen. Führe man dieses Kurs weiter, müsste man als nächstes das Baskenland einladen (das über diese Entscheidung sicher alles andere als „amused“ war), dann Galizien. Zweifellos würde man auch hier eine reichhaltige Kultur wiederfinden, die es wert wäre, repräsentiert zu werden.
Wenn sich die spanische Regierung entschieden hat, nur castellano schreibende Autoren für repräsentativ zu halten, so hat sie damit sicher auch einen Fehler gemacht. Spanien ist eben mehr als castellano. Genauso ist aber auch Katalonien mehr als catalan und die Entscheidung, nur catalan schreibende Autoren einzuladen, damit ebenso falsch.
Diesem Dilemma könnte man entgehen, in dem man im nächsten Jahr wieder ein Land zum Ehrengast macht. Das macht vieles einfacher. Und wenn man sich eines Tages mal wieder für Spanien entscheidet, muss man zur Bedingung machen, dass auch die Minderheitensprachen entsprechend vertreten sind.
na man stelle sich vor die biederen messeveranstlter hätten gar gleich die basken eingeladen und im jahr drauf die franken 🙂
Mit der gleichen Begründung, mit der man die Katalanen einlädt, kann man auch die Basken einladen. Der Vergleich mit den Franken hinkt von vorne bis hinten. Um Regionalia und Dialekte (nicht: Sprachen!) geht es bei der Diskussion genau nicht!
natürlich geht es nicht um dialekte, dennoch wäre eine einladung baskenlandes ein eindeutigires votum für ein europa der regionen gewesen. denn bayern, dass sich immer als region bezeichnet ist ja eben doch nur ein aussageloser regierungsbezirk. die basken sind die speerspitze wenn sie so wollen für ein völlig regionalisiertes europa, bei dem es dann nicht mehr nur um eine völlig eigene sprache geht, sondern um kulturelle eigenheiten und identitäten. eine nette zersplitterung und eine nette vorstellung, ein europäsischer rt mit regionalen politvertretern.
Ich möchte wiessen wo der Herrn Gerardo S. Barcala gelernt hat das die Katalanische Sprache eine kunstliche sparache ist.
In Katalonien wurde schon katalanisch, von Amtswegen ,gesprochen als in Kastillien noch Galicisch oder lateinisch gesprochen wurde.
Diesen Herrn sollte sich vielmehr die Geschichte Kataloniens lesen bevor dies schreib was er geschrieben hat.
Er vergiest sich sichert das der Zentrum des Imperium(Aragon,Valencia,Reino de Mallorca,Rosellon,Neapeln,Sicilien und Sardinien)mit dem der Köningsreich Aragon gennant wurde,die Stadt Barcelona war, und das der Graf von Barcelona, ein unhabhängig graf, mit dem titel von König von Aragon war.
Er sollte auch wiesen das der König Ferran ll, auch könig von Kastillien ist gewesen und damit war, was heute Spanien heisst,der Königreich Aragon mit der Graf von Barcelona als König.
Als antword auf die Behauptung des herrn Gerardo S.Barcala über die 2,6 millionen andalusiers und anderen die heute in Katalonien wohnen, kannt ich nur sagen das in Deutschland nennt man die heutige Bewohners einfach deutsche und nicht polen,tschekoslowaken,hungaren,etc.etc.etc.
Ich habe selten so viele Falschinformationen gelesen wie im Beitrag von Gerardo S. Barcala: Zunächst zur Bevölkerung: Der Leserbriefautor behauptet doch allen Ernstes 10% der Katalanen wären nicht zur innerspanischen Arbeitsmigration zu zählen und es würden also nur 10% Katalanisch sprechen. Völliger Unsinn: 84,75 aller Erwachsenen (über 15 Jahre) gibt an, Katalanisch zu sprechen (Katalonien); 57,5% in Valencia, 74,6% auf den Balearen, 78,9% in Andorra. (Daten 2004/2004). Als Hauptsprache sind es (2003) 48,8% in Katalonien, 5,2 % geben an, zwei Hauptsprachen zu verwenden, 44,3% geben Castellano als Hauptsprache an, 1,7% sontige Sprachen. Wenn man bedenkt, dass der Raum Barcelona (wo das Catellano mit 55% etwas überwiegt) mit 4,8 Mio. Einwohnern 2/3 der Landesbevölkerung ausmacht (übrigens 7,1 Mio, nicht 6 wie Leserbriefauto meint), sieht man, dass außerhalb der Hauptstadt das Katalanische als Muttersprache weitaus überwiegt. Außerdem scheint der Leserbiefautor nicht verstanden zu haben, dass Katalanisch auch außerhalb der comunidad autónoma gesprochen wird. So erweitert sich die Gesamtsprecherzahl auf 9,5 Mio.
Zu den falschen Geschichtsangaben, die – was das Königreich von Aragón und Cataluña betrifft – bereits von einem Poster korrigiert wurden, noch eine kleine Ergänzung: Das Condado de Barcelona wurde im Jahr 801 gegündet (nicht im 16. Jah. wie behauptet!); die Mauren waren – unte Al-Hurr – auch nur kurz im 8. Jh. (und nicht bis zum 16. Jh.) dort.
Recht viele Verzerrungen und Falschangaben für einen einzigen Leserbrief. Aber genau so läuft leider die postfranquistische Manipulation.
Noch eine weitere Korrektur einer falschen Angabe des Leserbriefschreibers Gerardo Señoráns Barcala: Der Bevölkerungsanteil der andalusischen Immigranten in Cataluña beträgt nicht 2,7 Mio., wie von Gerardo Señoráns Barcala mit dem Brustton der überzeugung vorgebracht, sondern lediglich 957.157.
Diese Zahlenangabe habe ich folgender Studie entnommen: Isabel Aguilar Majarón, Universidad de Sevilla: La identidad cultural andaluza en Catalunya, in: Revista HMiC (2005).
Die Tatsache, dass so gut wie alle Personen, die in Katalonien leben, auch das Kastilische beherrschen, steht in keinem Widerspruch dazu, dass das Katalanische dort als Amtssprache verfassungsmäßig verankert ist. Nebenbei bemerkt: die „spanische“ Sprache als solche gibt es gar nicht, sondern vielmehr laut Verfassung des spanischen Staates vier offizielle Sprachen, nämlich Baskisch, Gallizisch, Kastilisch und Katalanisch, je nach Region.
Außerdem: eines der ersten Wörterbücher Europas, nämlich Katalanisch-Deutsch bzw. umgekehrt, erschien im Zuge des Fugger-Handelsverkehrs bereits im Jahre 1502 !
Im Übrigen: Seit wann gibt es Deutschland und das Hochdeutsche als Amtssprache? Wie war und ist die deutsche Nation definiert, unabhängig von den Staatsgrenzen?
Katalonien besteht schon seit dem frühen Mittelalter als Nation weiter, wenn auch ohne Staatsgebilde.
@ 8, Sabine Gihr
Da hier sonst niemand antwortet
(Liest überhaupt jemand meine ausführlichen Beiträge, wenn sie schon nicht diskutiert werden, oder kann ich mir die ebenso gut sparen?):
Die „deutsche Nation“ lässt sich ebenso wenig wie die katalanische überhistorisch „definieren“.
In diesem Sinne ist der Satz „Katalonien besteht schon seit dem frühen Mittelalter als Nation weiter, wenn auch ohne Staatsgebilde.“ ein Anachronismus. Man wird den Herrschaftsbereich des Grafen von Barcelona, erst recht den vorherigen der Westgoten, eines germanischen Stammes, schwerlich als „katalanische Nation“ bezeichnen können.
Falls sie aber zum Ausdruck bringen wollen, Katalonien sei älter als Deutschland: Was man irgendwie so nennen kann, entsteht beides etwa zeitgleich nach der Aufteilung des Frankenreichs Karls des Großen zu Beginn des 10. Jhdts, dort mit der Herrschaft des Grafen von Barcelona unter Oberherrschaft der westfränkischen Könige, der Vorfahren der französischen, hier, indem die ostfränkischen Könige sich „deutsche Könige“ und großenteils in der Nachfolge Karls „Römische Kaiser“ nennen.
Das „Hochdeutsche“ entsteht, grob, auch zu dieser Zeit, bedeutet aber nicht etwa „gehobenes“ Deutsch, sondern „Oberdeutsch“, im Ggs. zu „Niederdeutsch“ (= „Plattdeutsch“) in den höheren Lagen Süddeutschlands gesprochen. Im Grunde ist es ein sprachwissenschaftliches Konstrukt. Die einzelnen Stammessprachen, Fränkisch, Sächsisch, Bairisch, Alemannisch, waren so unterschiedlich, dass die jeweiligen Sprachteilnehmer sich kaum gegenseitig verstanden.
Eine allgemein verständliche hochdeutsche Literatursprache gibt es im Grunde erst seit etwa 1500, bahnbrechend hierfür sind die Luthersche Bibelübersetzung und der Buchdruck. „Amtssprache“, wenn überhaupt davon die Rede sein kann, ist das Latein, die Sprache des gebildeten Klerus, Behörden gab es nicht, Gerichtsprozesse und Kirchenbuch-Eintragungen erfolgten in der jeweiligen Sprache, die die Leute verstanden.
Das alte Kaiserreich war keine Nation in unserem Verständnis, sondern ein Verbund von geistlichen und weltlichen Fürstentümern, die ab dem 17. Jhd. nahezu souverän waren. An den absolutistischen Höfen bildete sich das Französische als „Amtssprache“ heraus.
Seitdem Friedrich der II. von Preußen, der sog. Große, sich mit der Zarin Katharina von Russland und Joseph II. von Österreich den polnischen Nationalkuchen aufgeteilt hatte, gab es über dri Millionen Polen in Preußen und also Polnisch als zweite Amtssprache und in der Provinz Posen Unterrichts und Verkehrssprache.
Zur Zeit der Napoleonischen Herrschaft über Europa hörte das alte Reich auf zu existieren, danach gab es noch einen losen Zusammenhang der GTerritorialstaaten als „Deutscher Bund“. Zu dieser Zeit bildete sich, wie überall in Europa, ein völkisch-nationalistischer Nationenbegriff heraus. die entsprechende politische Bewegung mündete in das zweite, preußisch dominierte Kaiserreich.
Hier wurde, im Gegensatz zu Österreich, gegenüber der polnischen Bevölkerung des Ostens (zumal in Posen) eine rigide Germanisierungs- und Akkulturalisierungs-Politik betrieben, wohl ähnlich der unter Franko gegenüber den Katalonen.
Es gab und gibt noch andere damals und zur NS-Zeit unterdrückte sprachliche Minderheiten, die Dänen in die Nordfriesen in Schleswig-Holstein, die Sorben in der Lausitz und die Romanes-sprechenden Sinti und Roma, die seit 600 Jahren in Deutschland leben und deren Angehörige von den Nazis unter fröhlichem und Gemeinschaftsgefühl-bildendem Absingen von „Lustig ist das Zigeunerleben“ in die Vernichtungslager deportiert wurden.
Seit 1999 sind, europäisch, wahrscheinlich u.a. von Katalonen, angeregt, deren Sprachen in Deutschland bzw. den entsprechenden Regionen als zweite Amtssprache anerkannt.
Die werden insgesamt von etwa 200 000 Leuten gesprochen, die auch alle Hochdeutsch können, deren „Recht auf den Gebrauch der eigenen Muttersprache vor Gericht und gegenüber der Verwaltung garantiert“ wird.
Meine ernsthafte Frage: Ist das nicht völkisch-nationaler bzw. folkloristischer Unfug, wo sechs oder sieben Millionen Einwanderern, der deutschen Sprache zum Teil nicht mächtig, die entsprechende Möglichkeit nicht geboten wird?
Zu Ihrem letzten Satz: Das Ausspielen von allochthonen und autochthonen Gruppen basiert gerade auf jenem fatalen völkischen Denken, das Sie vorher zu Recht kritisch benannt haben. Ich gebe Ihnen Recht, was den Konstruktcharakter jeder(!!) Nation betrifft. Genau deshalb ist der Vorwurf (siehe dazu als Bsp. auch den 2. Leserbrief von Gerado S. Barcala), Katalonien dürfe sich nicht als Nation definieren, weil es K. als Staat nie gegeben hätte, dumme Propaganda. Sie geht völlig unreflektiert davon aus, dass es gottgewollte, quasi biologische, natürliche Nationen gäbe. Es gibt aber nur eine gültige Definition: Nation ist, was sich als Nation sieht. Und 90% der in Katalonien gewählten Angeordneten sehen Katalonien als Nation. (Allein eine einzige Zwergfraktion lehnt diese Defintion ab: der katalanische PP). Sie irren aber, falls Sie meinen, jeder Nationalsimsus müsse zwangsläufig in die deutsche Falle einer völkischen Definition tappen. Das mag fast immer so sein bzw. letztlich darauf hinauslaufen, bei der vielgescholtenen katalanischen Esquerra Republicana ebenso wie bei Teilen der nationalen Linken im Baskenland spielen völkisch-ethnische Elemente traditionellerweise kaum eine Rolle.
Ich versuche im Wesentlichen eine Antwort auf die Frage nach der deutschen Sprache und Nation zu geben, nebst notwendiger Reflexion der Begriffe. Die konkreten Hintergründe Katalonien betreffend bin ich begierig von kundigeren Leuten wie ihnen zu erfahren.
Unter dieser Einschränkung folgende Antwort, da ich mich weder in ihrer Zustimmung noch in ihrem Widerspruch wiederfinde: Eine Nation ist weder ein reines theoretisches Konstrukt noch bloß eine rein subjektive Bestimmung („… was sich als Nation sieht.“).
Die Begriffe „Volk“ und „Nation“ beschreiben Formen von größeren menschlichen Gesellungseinheiten und deren politische Organisationsformen und unterliegen, da ihr Gegenstand historischer Wandlung unterworfen ist, selber einem historischen Bedeutungswandel.
Dem Begriff der „Volkssouveränität“ aus der Zeit der Aufklärung liegt ein vertikaler Volksbegriff zugrunde: Das „Volk“ (gr. Demos) fordert seine Rechte gegenüber dem absolutistischen Fürsten und dem Adel ein. Der Idee nach ist es interessenmäßig eine Einheit und setzt seine Ziele durch die bürgerliche Revolutionen durch.
Nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg, als sowohl Präsident Wilson als Lenin das Postulat des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“ erhoben, das dann Eingang sowohl in die Grundsätze des Völkerbunds als auch nach dem 2. Weltkrieg in die UN-Charta gefunden hat, ging es horizontal um das Volk (gr. Ethnos) im Sinne der Nation („the right of the self-determination of nations“), das nicht von anderen Völkern/Nationen unterdrückt werden darf.
In der Verbindung des Nation-Begriffs, der z.B. noch von Herder und Goethe im Sinne von „Kulturnation“ begriffen wird, mit einem Staat als Nationalstaat einer Staatsnation wird offenbar, welchen politischen Sprengstoff das Postulat der „Selbstbestimmung“ für das Völkerrecht hat, da es vielfältig von nationalen Gruppen nicht nur als Legitimation für eine kulturelle Autonomie, sondern sezessionistisch als Recht auf eigenstaatliche Souveränität gedeutet wird.
Die Beispiele und entsprechenden nationalen Konflikte sind bekannt.
In diesem Zusammenhang ist mir der Streit um „Nation“ vs. „Nationalität“ bezüglich der Katalanen bzw. Kataloniens durchaus unklar.
Mein Thema sind nicht Volksgruppenrechte, sondern individuelle (Menschen-) Rechte. Deshalb meine kritischen Hinweise zur „Amtssprache“, wozu hier neben den von mir aufgezählten z.B. auch das Niederdeutsche (Platt) als Regionalsprache gehört. Hier kommt eindeutig, da die in ihren Heimatvereinen Platt-Sprechenden auch Hochdeutsch sprechen und verstehen, eine nach meiner Befürchtung in Europa auf dem Vormarsch befindliche völlig unangemessene völkisch motivierte Ungleichbehandlung gegenüber „allochthonen“ Immigranten zum Ausdruck, die ihre amtlichen Eingaben übersetzen lassen müssen und deren Kindern man in bayerischen Schulen nach einem Vorstoß des CSU-Generalsekretärs erst einmal das Absingen der deutschen Nationalhymne abverlangen will.
Damit will ich keinesfalls einen Automatismus Nationalismus = völkische Gesinnung behaupten.
Wie stehen sie dazu, und was ist dran an den Berichten, dass die katalanische Kulturhoheit in Katalonien z.T. dazu führe, dass z.B. aus anderen spanischen Landesteilen zugezogene Familien Schwierigkeiten hätten, für ihre Kinder Schulen mit Unterricht in spanischer (sorry, ich bleibe bei der international gebräuchlichen Bezeichnung) Sprache zu finden?
@ Eva Valls Marai
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich meine natürlich im ersten Satz „… bin ich begierig von kundigeren Leuten, wie sie es sind, zu erfahren“, nicht etwa, wie man missverstehen könnte, obwohl es sprachlich inkorrekt wäre, „…von kundigeren Leuten a l s ihnen…“.
Grüße
heinrich
Die Katalanen müssen selbst entscheiden, ob sie sich als Nation mit einer eigenen Sprache sehen!
Der Hintergrund dieses Konfliktes ist die bis heute andauernde Diskriminierung der Katalanen in Spanien. Dies können wir Deutsche kaum nachvollziehen, was dies bedeutet.
In Spanien werden ständig fiese Bemerkungen über die Katalanen gemacht. Dies nicht nur im Suff von Betrunkenen, sondern so mal nebenbei von Lehrern in der Schule, von Vorgesetzten in der Verwaltung oder von Politikern bei Gesprächen.
Da wird das Katalanische mal eben als Sprache von Schweinen bezeichnet, mal eben erklärt das Katalonien ganz schön wäre, wenn es doch keine Katalanen gäbe oder behauptet die katalanische Kultur sei nach dem Tode Francos von Katalanisten erfunden worden.
Das Schlimme dabei ist, daß viele Spanier diese dummdreisten Lügen für wirkliche Tatsachen halten.
Auch als vor einigen Jahren das Spanische Militär den Einmarsch in Katalonien forderte, wurde dies von zu vielen Spaniern in Spanien und hier in Deutschland befürwortet.
Soll das etwa heißen, daß wir in Europa unsere Konflikte wieder mit Krieg lösen?
„Die Katalanen müssen selbst entscheiden, ob sie sich als Nation mit einer eigenen Sprache sehen!“
– ob sie sich als solche sehen, ist die eine Sache. Die andere ist, welche Ansprüche daraus auf den Status des Landes bzw. der Provinz abgeleitet werden und inwieweit diese Ansprüche mit der Zentralgewalt harmonieren oder kollidieren.
Eine Bewegung, die im heutigen Westeuropa auf staatliche Abtrennung orientiert ist und 15 % der Bevölkerung repräsentiert, ist m.E. politisches Abenteurertum.
Dann ist die Frage, ob antikatalonische Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft und zentralstaatlich-hoheitliche Eingriffe die Ursachen oder die Folgen der Konfliktlage sind.
Ich finde es bemerkenswert, dass die Freunde Kataloniens hier mit Zahlenhuberei und gewagten Definitionen aufwarten, der Diskussion dieser substanziellen Fragen aber offenkundig ausweichen.
Katalonien ist eine Nation
Katalonien hat eine lange Geschichte!
Schon seit dem 9. Jahrhundert hat Katalonien eine eigene Herrschaft gebildet, mit eigenen Institutionen, eigener Sprache und Kultur.
Ab dem 13. Jahrhundert wurde die katalanische Kultur ins ganze Mittelmeer getragen. Dies war nur aufgrund einer schon gefestigten Kultur möglich.
Diese Kultur war in der Krone von Aragon organisiert, die Mallora, Sizilien, Sardinien und Griechenland erobert hat; dabei verbreitete sich auch die katalanische Sprache und Kultur.
Erst im 18. Jahrhundert konnte sich die spanische Kultur nach der Eroberung von Barcelona 1714 als Sprache von Militär und Verwaltung durchsetzen. Die Bevölkerung sprach weiter Katalanisch.
Während der napoleonischen Krieg wurde Barcelona wieder von Spanien erobert. Doch im 19. Jahrhundert bildete sich in Katalonien eine Kultur auf gleichem Niveau wie in den Nachbarländern. Die Gebildeten in Madrid waren darüber so neidisch, daß sie versucht haben diese katalanische Kultur zu verbieten, was schließlich Franco ab 1939 tat, dabei hat er mehr als 100000 Katalanen ermorden lassen.
Heute haben sich die Katalanen von neuem organisiert. Eigentlich sollte das demokratische Spanien die Aufarbeitung der Vergangenheit fördern und die Geschichte offen aufarbeiten, doch darauf läßt sich leider noch warten.
@ 15 Jürgen
Zielgerichteter kann man überhaupt nicht aneinander vorbeireden.
Sie haben es hier nicht mit Siebenjährigen zu tun, denen sie in deren Verstehenshorizont Unterricht in Nationalismus zu geben haben: „Wir sind eine Nation, und die anderen sind neidisch und machen fiese Bemerkungen.“
Die Herausbildung von nationaler, d.h. sprachlicher, kultureller, ethnischer und politischer Identität und Nicht-Identität in einem Zeitraum von tausend Jahren, wie er sich ähnlich in ganz Europa abspielt, ist ja doch wohl ein etwas komplexerer Prozess, dessen Widersprüchlichkeit ich versucht habe exemplarisch zu umreißen, und es bleibt unklar, was sie mit ihrer grobschlächtigen und z.T. fragwürdigen geschichtliche Auflistung politisch eigentlich meinen begründen zu können.
Dieser komplexe Prozess hat im Ergebnis zu einem System von staatlichen Gebilden geführt, in welchen unterschiedliche nationale Mehrheiten und Minderheiten unter Respektierung der gegenseitigen kulturellen (!) Besonderheiten und Interessen friedlich miteinander zu leben haben und an dem weder die Katalanen oder Basken noch die Nordiren noch die Südtiroler etwas ändern werden. Nationalismen haben da keinen Platz. Was im 19. Jhd. bedingt fortschrittlich war, kann heute reaktionäres politisches Abenteurertum sein.
Der Nationen-Begriff hat heute nicht mehr eine bloß lexikalische, sondern eine völkerrechtliche Dimension.
Ich finde es vergleichsweise unwichtig, ob katalanische Dichter in Frankfurt Lesungen halten. Wichtiger finde ich, dass in Europa die Politiker sich um die Rechte und kulturellen und sozialen Interessen der Individuen kümmern, statt um partikulare, kulturell verbrämte „nationale“ Interessen, die bei näherem Hinsehen, ähnlich wie in Norditalien, zu nicht geringen Teilen ökonomische Verteilungskämpfe zwischen reicheren und ärmeren Landes- und Bevölkerungsteilen sind.
Der Dreh und Angelpunkt der Diskussion ist die Frage, wie es in Katalonien um die kulturellen Interessen der Kastellanisch- als auch der Katalanisch-sprechenden Bevölkerung und die berechtigten Belange der spanischen Gesamtbevölkerung steht. Wenn Leute, die aus anderen Landesteilen zuziehen, katalanisch lernen sollen, und ihre Kinder das mangels kastellanisch-sprachigen Unterrichts müssen, ist das keine berechtigte Aufhebung von Diskriminierung, sondern eine umgekehrte Diskriminierung.
Eine eigene katalonische Polizei, die sie ja schon haben, kann sinnvoll sein angesichts der Ressentiments der nationalen Mehrheit, eine eigene Finanzhoheit des prosperierendsten Landesteils wäre seitens des spanischen Staates ebensowenig hinnehmbar wie erst recht eine staatliche Abtrennung, die auch die internationale Völkergemeinschaft auf den Plan rufen würde.
Das würde auch die Bundesrepublik den Bayern nicht durchgehen lassen.