Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 110

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Liebe Leserinnen, liebe Leser, wir können uns schon mal drauf einstellen: Das Homeoffice wird noch ein paar Tage dauern. Vielleicht so viele Tage, dass wir im nächsten Jahr ankommen, weil es wohl erst dann einen Impfstoff geben wird. Homeoffice bleibt für mich persönlich ehrlich gesagt gewöhnungsbedürftig. Aber zum Glück gibt es viele Wege der Kommunikation. Außer dem klassischen Leserbrief, natürlich.

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 110
Samstag, 4. Juli 2020

Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um FR-Leserin Anja Röder nochmals zu danken. Sie war so freundlich, mir zwei Päckchen Trockenbackhefe zu schicken, siehe Foto rechts. Offenbar hat sie damit auf einen Eintrag in meinem Homeoffice-Tagebuch im FR-Blog reagiert, in dem ich darüber berichtet habe, dass es in Offenbacher Supermärkten keine Hefe mehr gab. Weder Frisch- noch Trockenhefe. Es wird wohl der Eintrag vom 7. April gewesen sein. Diese Leserinpost hat mich sehr gefreut!
Frau Röder hat Ihre Vorratskammer geplündert, um mir zu helfen.

In meiner Kolumne in der FR schreibe ich heute, dass ich daher eine Anja-Röder-Pizza backen werde, und zwar mit der Hefe, die mir geschickt wurde. Jetzt haben mein Mann und ich jedoch umdisponiert, so dass die Pizza trotz der Ankündigung noch warten muss.

Der Grund ist folgender: Vor zwei Wochen ist einer meiner beiden Nymphensittiche gestorben. Wir haben ungefähr neun Jahre zusammengelebt. Ich bin sehr traurig über den Verlust, aber meine Trauer ist offenkundig nichts gegen die des verbliebenen Vogels, der den ganzen Tag nach seinem Kumpel ruft. Ach was, er ruft nicht, er schreit. Was dazu führt, dass ich im Homeoffice mit Kopfhörer am Rechner sitze, um mich halbwegs konzentrieren zu können, während ich die Leserbriefseiten baue, und meine Ohren vor den schrillen Schreien zu schützen.

Für diesen unhaltbaren Zustand hat sich gestern Abend, also lange, nachdem ich meinen Text für die Zeitung geschrieben hatte, der heute im Print zu lesen ist, unerwartet eine Lösung gefunden. Nach dem Tod des Vogels, dem ich auf meiner Webseite Ybersinn.de ein kleines Denkmal gesetzt habe, war mir klar, dass der verbliebene Vogel – ich nenne ihn Paul – und ich, wir zwei, nur zwei Optionen miteinander haben. Entweder wird ein weiterer Sittich angeschafft – denn diese Tiere brauchen Gesellschaft, sie leben in der Freiheit in riesigen Schwärmen -, oder wir zwei freunden uns so an, dass er mich als seine Gesellschaft akzeptiert. Offenbar bin ich jedoch als Gesellschafter für ihn ungenießbar und als Freund inkzeptabel. Oder der Vogel war durch den Verlust des anderen traumatisiert und noch nicht drüber hinweg. Dieser Zustand war für uns beide nicht zuträglich. Seine Nerven haben darunter sicher nicht weniger gelitten als meine.

Links: Max (†), rechts Paul. Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Da hat es sich nun kurzfristig ergeben, dass wir übers Netz auf ein ähnliches Schicksal gestoßen sind: In der Nähe von Heilbronn ist ebenfalls ein Nymphensittich gestorben, und auch dort gibt es einen hinterbliebenen Vogel, der steinerweichend laut trauert, wie am Telefon deutlich zu hören war. Dorthin wollen wir Paul heute bringen, um zu versuchen, ihm neue Gesellschaft zu verschaffen. Kein einfaches Experiment, aber ich hoffe, dass die Tiere sich so weit anfreunden, dass sie wieder Freude am Leben finden. Da wird es dann natürlich Hackereien geben, die werden eine Rangordnung ausfechten. Das ist ja überall so. Auch Hunde fühlen sich nur dann wohl, wenn sie genau wissen, wo ihr Platz im Rudel ist. Und ehrlich gesagt: Bei uns Menschen ist das auch nicht viel anders. Aber Hauptsache, dass sich Paul dann wieder halbwegs wohl fühlt.

Eine absolut alltägliche Geschichte, die so oder so ähnlich in Deutschland  tausendfach passiert. Menschen sterben, die uns nahe sind. Und Tiere. Auch die können uns nahe sein. In Sachen Tier und Mensch ging es in diesem Blog zuletzt vor allem um Tönnies und Schlachtvieh. Auch Schlachtvieh ist Tier und uns nahe, da wir es essen – jedenfalls dann, wenn wir keine Vegetarier sind. Doch heute will ich mich um ein Tier kümmern, mit dem ich mehr als acht Jahre zusammengelebt habe. Ich bitte daher um Verständnis dafür, dass ich heute keinen Bericht übers Pizzabacken bringen werde, auch wenn das in der Zeitung angekündigt wurde, sondern dass ich mich darum kümmere, dass Paul ein neues Zuhause bekommt. Die Sache mit der Pizza verschieben wir einfach, okay? Da hat sicher niemand was dagegen.

Naoned!

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Worldometer  +++ SafetyDetectives

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5 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 110

  1. Lieber Bronski,

    viel Erfolg beim Suchen eines neuen Partners für Paul! Hoffentlich stimmt die Chemie. Die Pizza kann warten, Paul’s einsames Herz nicht.

    Liebe Grüße

    Anja Röder

  2. Lieber Bronski,

    denke, dass Paul und der neue Kollege sich zusammenraufen werden.
    Auch diese Geschichten müssen ihren Platz im Autoren-Leben finden.

    Schönen Grüß
    Jürgen Malyssek

  3. Paul, der Nymphensittich, der neun Jahre bei mir lebte, hat ein neues Zuhause gefunden, und er scheint sich dort wohlzufühlen. Er ist zu einem anderen einsamen Nymphensittich umgezogen. Ich bin sehr erleichtert über diese Lösung. Er hat es jetzt besser. Seine frühere Volière in meinem Arbeitszimmer wurde bereits abgebaut, der Platz zu einer Sitzecke umgewidmet, und künftig werde ich sagen, wenn ich mich dorthin zurückziehe: Ich setz‘ mich in den Vogelkäfig. Der wurde gestern mit Sekt und ein paar leckeren Sachen vom Offenbacher Wochenmarkt eingeweiht.

  4. Glückwunsch!
    Und: Aus dem Vogelkäfig heraus hat man auch einen ganz anderen Blick.

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