Lufthansa: Staatshilfen, aber keine Klimaauflagen

Der deutsche Staat nimmt viel Geld in die Hand, um die Folgen der Corona-Pandemie für die Wirtschaft abzufedern. So hilft er auch der Lufthansa, einem der Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft, mit insgesamt neun Milliarden Euro. Doch selbst diese enorme Summe wird nicht dazu führen, dass in Kürze wieder Normalbetrieb in der Luftfahrt herrschen wird – was übrigens ohnehin nicht wünschenswert ist, wenn man an die Belastung für das Klima denken.

LufthansaNein, noch ist die Welt weit vom Normalbetrieb entfernt. Innerhalb von Euro ist das Reisen zwar weitgehend wieder möglich, und allmählich wächst das Flugangebot bereits wieder, aber für Destinationen in Übersee gilt das Gegenteil: In Ländern wie den USA und Brasilien steigen die Zahlen der Infizierten und der Todesopfer weiter. Und auch wir in Deutschland sollten uns nicht auf der sicheren Seite wähnen: Eine Analyse der Oxford-Universität deutet darauf hin, dass uns eine zweite Welle droht.

Was sagt das über die Zukunft eines Unternehmens wie der Lufthansa, das von den globalen Verkehrsströmen lebt? Vor der Krise stand die Lufthansa gut da, obwohl sie auf einem Markt agierte, dem Billigflieger wie Ryanair ihren Stempel aufzudrücken verstanden. Zweifellos ist es gut, dass der Lufthansa geholfen wurde. Damit wurden unter anderem auch unzählige soziale Härten abgemildert; bei der Lufthansa sind mehr als 130.000 Menschen beschäftigt. Aber wie wird sich die Luftfahrt künftig noch betreiben lassen? Ist dies nicht eine der Fragen, die von der Pandemie aufgeworfen wurde und die mit anderen folgendermaßen zusammengefasst werden kann: Wie wollen wir künftig leben, wie können wir künftig leben, ohne diesen Planeten zu überlasten und das Klima ingroßem Stil zu verändern? Die Lufthansa ist – wie auch die deutschen Autobauer bisherigen Zuschnitts – ein Unternehmen der Fossilwirtschaft: Es geht bisher nicht ohne Verbrenner, und es ist bisher nicht absehbar, wie der Luftverkehr bisherigen Zuschnitts mit den Paradigmen jener Klimapolitik zur Deckung gebracht werden könnte, die wir brauchen werden. Da wird selbst das Gezerre mit dem Großaktionär Thiele um die künftige Richtung zur Fußnote.

fr-debatteVielleicht sollte Thiele enteignet werden?

Das seit Monaten andauernde Gezerre um die Lufthansa geht in unverhältnismäßiger Weise zu Lasten von Kunden und Mitarbeitern der Lufthansa und der zahlreichen Unternehmen, die der Lufthansa zuarbeiten. Hier geraten sehr viele Arbeitsplätze in Gefahr.
Es war und ist gut, dass der Bund einen Weg zur Rettung der Lufthansa ausverhandelt hat. Unabhängig davon, wie man zur Luftfahrt steht, kommt man nicht an der Tatsache vorbei, dass hier ein Unternehmen auf dem Spiel steht, das für hohe Sicherheitsstandards steht, tariftreu ist und ausbildet. Wenn die Lufthansa in die Insolvenz geschickt wird, und am Ende nur Billiganbieter übrig bleiben, ist niemandem geholfen, weder dem Luftverkehr noch der Umwelt und auch nicht den Sozialstandards in unserem Land.
Dass nun mit Herrn Thiele ein einzelner Großaktionär damit droht, das ausverhandelte Rettungspaket zu blockieren, gleichgültig ob aus anlagestrategischen Gründen oder als Ausdruck der Eitelkeit eines alternden Autokraten, das wirft die Frage auf, ob hier nicht der Artikel 14 unserer Verfassung Anwendung finden muss. Dieser Artikel sagt unter anderem, dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Und dieser Artikel erlaubt ausdrücklich auch die Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit.

Tilmann Stoodt, Königstein

fr-debatteUnd das nennt sich „Herzmuskel der Region“

Wenn LH dauerhaft viele Maschinen stilllegen will oder muss, wie passt das zur Arbeitsplatzgarantie bei nicht vorhandener Arbeit? Die Aufteilung des verbliebenen Arbeitsbedarfs auf zu viele Köpfe geht wirtschaftlich nur mit massiver Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, also Hartz-IV-Aufstocker wie schon jetzt viele der Fraport-Billiglöhner. Und das nennt sich „Herzmuskel der Region“. Wenn LH-Spohr oder FRA-Schulte auf die Hälfte ihres Einkommens verzichten, sind das immer noch Millionen, bei Normalos ist das Verelendung.

Hartmut Willibald Rencker, Mainz

fr-debatteDie Gewinnerwartung eines Spekulanten

Der Bericht über die Probleme bei der Lufthansa gibt einen sehr guten Überblick über die verschiedenen beteiligten Interessen vor der Aktionärsversammlung. Und dabei kann einem bewusst werden, was shareholder-value in der Realität bedeutet: Da ist auf der einen Seite ein wichtiges deutsches Unternehmen mit 138 000 Arbeitsplätzen, das durch Corona unverschuldet in eine nicht vorhersehbare Krise geraten ist. Bei den notwendigen Sanierungsgesprächen sind die Arbeitnehmer/innen sogar bereit, auf bis zu 45 % ihres Gehalts zu verzichten, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchten, aber auch, weil sie sich dem Unternehmen Lufthansa persönlich verbunden fühlen. Auf der anderen Seite ist da ein deutscher Milliardär, der von Corona höchstens bei seinem wöchentlichen Einkauf bei ALDI betroffen ist und der einfach die Gelegenheit nutzt, hier einen flotten Euro zu machen: Er kauft durch die Krise billige Lufthansaaktien, sichert sich mit 15 % Anteil ein Vetorecht in der Aktionärsversammlung und spekuliert darauf, dass nach der Krise seine Aktien kräftig ansteigen. Voraussetzung dafür ist allerdings ein einschneidendes Sparprogramm, das viele Arbeitsplätze kosten und die Lufthansa zu einer weiteren Billigfluglinie machen würde. Erfahrungsgemäß lässt so etwas die Aktien an der Börse nach oben gehen. Und da möchte er die Bundesregierung nicht mit an Bord haben, denn die könnte ja aus politischer Rücksichtnahme diese Sparpolitik zumindest begrenzen. Was ist also wichtiger, zehntausende Arbeitsplätze oder die Gewinnerwartung eines Spekulanten, der soviel Geld hat, dass er es gar nicht ausgeben kann? Mit sozialer Marktwirtschaft hat das sicher nichts zu tun. Dabei geht es hier sicherlich rechtlich korrekt zu, aber wieder einmal dient das Coronavirus auch dazu, Missstände, an die wir uns längst gewöhnt haben, wie unter dem Brennglas deutlich werden zu lassen.

Hans-Hermann Büchsel, Heidelberg

fr-debatteErkenntnisse der Krise werden nicht angewandt

Warum keine Klima-Auflagen bei Milliarden-Subventionen? Dass – wie Frank-Thomas Wenzel in seinem Leitartikel zum „Experiment Lufthansa“ meint, „die Klimaziele bald angestoßen werden müssen“ ist richtig festgestellt. Aber warum so unverbindlich, wenn mit Milliarden von Steuergeldern der Wirtschaft wieder auf die Beine geholfen wird und damit auch Auflagen im Sinne der Klimapolitik verbunden werden könnten? Und dann bitte gleich noch Auflagen zur Förderung nachhaltigen und sozialen Wirtschaftens überhaupt. Und natürlich auch für die Gelder, die von der EU locker gemacht werden und die unbedingt mit dem „green deal“ verknüpft werden müssen. Und zwar nicht irgendwann, sondern sofort.
In der Artikelserie „Die Welt nach Corona“ werden diese Forderungen erhoben. Warum wird dies dann nicht auf die tatsächliche „Politik nach Corona“ angewandt.

Kornelia Dahlhausen, Frankfurt

fr-debatteFür welches System ist die Lufthansa relevant?

Neun Milliarden. auf Kosten der Steuerzahler für Lufthansa, weil „systemrelevant“: „Systemrelevant“ ähnlich wie „alternativlos“ ein Begriff, der quasi „ex cathedra“ Hinterfragen und Diskussion abwürgen soll. Ärzte, Krankenschwestern, Müllmänner etc. werden zu recht als systemrelevante Berufe bezeichnet, weil sie der Gesundheit, der Daseinsvorsorge dienen. Da ist bis heute nicht klar, wer den versprochenen bescheidenen Einmal-Bonus von „bis zu“ 1500 Euro bezahlt.
Lufthansa systemrelevant für wen? Für Großaktionäre wie H. Thiele, der als 22-facher Milliardär sich zu Dumpingpreisen bei totalem Aktientiefstand 15 Prozent der Lufthansa sichert? Für alle LH-Aktionäre, die sich allein 2018 über 2,8 Mrd. Gewinn freuten und noch 2019 Dividendenausschüttungen von 380 Mio. erhalten?
Aber da will die Regierung aus „marktwirtschaftlichen Gründen“ dem Monopolisten Lufthansa nicht reinreden. Ein Teilnehmer der Verhandlungen: „Die Lufthansa hingegen will die Gelegenheit nutzen, um Arbeitsplätze abzubauen und sich insgesamt als Konzern zu konsolidieren.“
Hat Ryan-Air-Chef O’Leary da so unrecht, wenn er sagt Lufthansa würden „die Covid-Krise nutzen, um sich mit unglaublich hohen Summen vom Staat zu bereichern“?

Peter Dressler, Frankfurt

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Ein Kommentar zu “Lufthansa: Staatshilfen, aber keine Klimaauflagen

  1. Es ist nicht so, dass es nicht genug mahnende Statements, Berichte oder Forderungen gäbe, wie bei der Förderung der Wirtschaft in und nach der Corona-Krise der Klimaschutz berücksichtigt werden muss. Um nur auf einige Beispiele hinzuweisen:
    Interview mit Prof Grieshaber (FR 27.4), Bericht zu Petersberger Gespräche (Fr. 27.4.); darin die Kanzlerin: „Klimafragen werden wir genauso auf der Tagesordnung haben wie Gesundheitsfragen“. Äußerung der Umweltministerin Schultze (FR 24.4.) zu Abwrackprämie: „Falsch wäre es, jetzt Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und hohem CO2-Ausstoß zu fördern. und nicht zuletzt auch die Forderungen von „Fridays for Future“ und selbst von 68 Unternehmen Ambitionierte Klimapolitik gefordert (FR 28.4.).
    Was lesen wir aber in der gleichen Ausgabe (FR 28.4.): Condor in der Luft halten. Die Übernahme ist gescheitert. Warum das so ist, erschließt sich vielleicht auch aus den Positionen des Lufthansa-Chefs Carsten Spohr in einem Spiegel-Interview (28.3.). Er sieht keine kurzfristige Erholung der Luftfahrt nach der Überwindung der derzeitigen Corona–Krise: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Rückkehr zur Normalität sehr, sehr lange dauern wird.“
    Es wäre auch nicht erstrebenswert, genau an dem Stand wieder weiterzumachen, wo die Luftfahrt vor Corona stand. Nehmen wir den Kredit von 550 Mill €, der nun an Condor fließt und für den Bund und Land Hessen bürgen. Dividieren wir diese Summe durch die 4900 betroffenen Beschäftigten, dann kommen wir ins Staunen.
    Das sind 112.000€ Kredit pro Arbeitsplatz für nicht nachhaltiges Wirtschaften, abgesichert durch Bund und Land. Fliegen muss aber teurer werden (CO2-Steuer) weil es gerade nicht mehr so weitergehen kann. Bei der Planung eines Urlaubs darf nicht zwingend die Option Fliegen im Vordergrund stehen. Erholung, Entspannung und Kulturerlebnisse sind auch ohne Flugreise möglich. Auch Condor sollte die Zwangspause jetzt dazu nutzen darüber nachzudenken, wie der Betrieb auf ein gesundes Maß geschrumpft werden kann.
    Die Politik muss nicht nur Sonntagsreden halten und andererseits hektisch mit Millionen um sich werfen, sondern muss klare Rahmenbedingungen schaffen die mit dem Gedanken des Klimaschutzes verträglich sind. Wie hoch sind denn die durchschnittlichen Hilfen für das Tourismus- und Gaststättengewerbe pro Arbeitsplatz? Wo werden die Weichen gestellt für neue stabile, wirtschaftliche und nachhaltige Arbeitsplätze beim Ausbau der erneuerbaren Energien, von Speichertechniken, dem Ausbau des Ladenetzes und und und – was investiert hier Bund und Land?

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