„So viel Theater um einen Kanaken“

Immer wieder erreichen mich Beschwerden über unsere Polizei. Der nachfolgende Leserbrief, der ein wenig gekürzt auch im Print-Leserforum der FR erschienen ist, macht dies erneut zum Thema – vor dem Hintergrund der Vorfälle bei der Frankfurter Polizei. Da wurde eine Rechtsanwältin offenbar aus der Polizei heraus bedroht, möglicherweise mit rassistischem Hintergrund. Erwiesen ist dies bisher nicht. Die Linke-Politikern Pearl Hahn sagt im FR-Interview, es handle sich nicht nur um Einzelfälle. Über „Alltagsrassismus“ haben wir uns hier im FR-Blog schon vor Jahren unterhalten. Ergebnis: Man kann diese Beobachtungen auch überbewerten und kommt dann zu einem verzerrten Bild. Möglicherweise fühlt sich dieses verzerrte Bild etwas anders an, wenn man selbst davon betroffen ist so wie der Autor des folgenden Leserbriefs.

„So viel Theater um einen Kanaken“

Von Reinhold Hinzmann

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Ich bin sehr froh, dass aus Anlass der Drohungen gegen die Anwältin Basay-Yildiz das Thema „Rassismus in der Polizei“ breit thematisiert wird. Doch das ist kein neues Thema. Nachfolgend einige, sehr wenige, persönliche Erfahrungen: Anfang der achtziger Jahre war ich ehrenamtlich im Rettungsdienst in Wiesbaden tätig. Bei der Versorgung einer jungen Frau in ihrer Wohnung war auch die Polizei anwesend. Einer der Beamten sagte zu seinem Kollegen: „Ich verstehe gar nicht, warum man um einen Kanaken so ein Theater veranstaltet.“ Sein Kollege nickte zustimmend.

Als die faschistischen Vorläufer der AfD – Republikaner – in viele Parlamente gewählt wurden, ergab eine Analyse, dass ca. 30 Prozent der Polizeibeamten in Baden-Württemberg Sympathien für diese Partei hegten.

Viele Jahre pendelte ich mit der Bahn in die Schweiz. Wenn es zu Kontrollen der Fahrgäste durch die Bundespolizei kam, waren fast ausschließlich dunkelhäutige oder „ausländisch aussehende“ Menschen betroffen. Dabei wurden „Personendaten“ über die Diensthandys in aller Öffentlichkeit abgefragt. Also Name, Geburtsdatum, Wohnort. Der Umgangston läßt sich am besten als respektloses Anblaffen beschreiben. „Ausweis! Koffer öffnen!“ und so weiter. Mehrfach kam es zu Protesten nicht nur durch mich, sondern auch durch andere Fahrgäste.

Letztes Beispiel: Ebenfalls in der Bahn: Ich unterhielt mich mit einem Italiener auf italienisch. Quizfrage: Was passierte? Genau, auch ich wurde angeblafft und nach dem Ausweis gefragt. Nachdem ich meinen (deutschen) Personalausweis gezeigt hatte, war die Kontrolle beendet. Ich will damit sagen: Rassismus ist kein Frankfurter Polizeiproblem, sondern Rassismus ist breit etabliert. Da helfen keine Beschönigungen oder Verharmlosungen. Das Thema muss endlich in konkretes Regierungshandeln münden.
Ein erster Schritt wäre es, endlich polizeiunabhängige Instanzen mit umfassenden Kompetenzen einzurichten. Es kann nicht sein, dass Polizeibeamten – zu Recht – Respekt einfordern, diesen aber den Bürgern verweigern. Faschisten und Rassisten haben in der Polizei nichts verloren; sie müssen umgehend entlassen werden.

Es kann nicht sein, dass Polizeigewalt fast nie strafrechtliche Konsequenzen hat. Die Beispiele von Polizeigewalt machen Angst. Jeder Bürger kann davon betroffen sein. Und die neuen Polizei-Aufgaben-Gesetze stellen eine ernsthafte Bedrohung der Freiheit jedes Bürgers dar.

Das in Bayern „Gefährder“ ohne richterliche Kontrolle auf Monate im Knast landen können, erinnert fatal an die „Schutzhaft“ des Hitler-Faschismus. Zur Erklärung: Ein Gefährder ist ein Mensch, von dem ein Polizeibeamter glaubt, er könnte eventuell irgendwann in der Zukunft vielleicht eine Straftat begehen. Bisher war es so, dass einem Menschen eine Straftat nachgewiesen werden muss, und er bis zum rechtskräftigen Urteil als unschuldig zu gelten hat. Aber eben BISHER.
Und abschließend eine Prognose: In einigen Monaten werden die Ermittlungen gegen die Beamten des 1. Reviers eingestellt. Spannend ist nur die Frage, mit welcher Begründung.

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4 Kommentare zu “„So viel Theater um einen Kanaken“

  1. Der Begriff faschistisch wird im Leserbrief von Herrn Hinzmann stark überstrapaziert. Ich nehme an, Herr Hinzmann hatte keine Probleme mit der totalitären DDR, sonst würde er die Republikaner bzw. deren Gründung nicht in diesem Licht sehen.

  2. Hallo, „Deutscher Michel“
    Ihr Beitrag ruft bei mir Jugenderinnerungen wach:
    Wenn immer ich mit anderen,zum Beispiel in der Gewerkschaftsjugend,an irgendwelchen Sachen Kritik übte, war die reflextorische Antwort einiger weniger Menschen: Wenn es dir nicht passt, dann geh doch in die Ostzone.
    Aber mir geht es um Rassismus und Menschenverachtung, nicht nur in der Polizei, sondern auch in rechten, faschistischen Parteien. Meine Haltung zur DDR ist in diesem Zusammenhang irrelevant.

  3. @ Reinhold Hinzmann,
    dann bitte ich Sie, mir darzulegen, was aus Ihrer Sicht an den Republikanern faschistisch war.

  4. @ Reinhold Hinzmann:
    Den Satz geh doch rüber habe ich auch selbst oft genug von Verwandten gehört. Im Nachhinein muss ich sagen: in Ansätzen zu Recht.

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