Frankfurter Rundschau Projekt

Ich war kein Revoluzzer

Von Peter Fröhlich

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1968 war ich Maschinenbaustudent im 4. Semester an der TH Darmstadt (heute TU). Ich hatte 1966 mit 18 Jahren in Neu-Isenburg Abitur gemacht und nach einem halbjährigen Praktikum mein Studium begonnen. Es lief alles ganz normal, gute bis durchschnittliche Leistungen, Interesse an Sport und an Freizeit mit meinen Kumpels und meiner Freundin. Es gab ziemlich viel zu lernen, die Vorlesungen und Übungen im Frontalunterricht, studienbezogene Besprechungen höchstens mit den Assistenten. Die Professoren sah man in den Hörsälen mit bis zu 600 Studenten (die männliche Form ist hier angebracht, denn die Anzahl weiblicher Studentinnen lag im 5%-Bereich) nur von Weitem.
Jüngere Leute, die die damaligen Zeiten nicht miterlebt haben, könnten den Eindruck bekommen, alle Studenten hätten aufbegehrt und wären aktiv in der APO gewesen. Das war natürlich nicht so. An der größten technischen Universität Hessens war die Situation bei weitem nicht so aufgeheizt wie im nur 30 km entfernten Frankfurt. Das lag sicher auch an den eher unpolitisch angelegten Studiengängen wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder Bauwesen. Auch gab es hier weniger „Muff unter den Talaren“ – einen Talar habe ich während meiner gesamten Studienzeit nicht gesehen.
Wenn eine Vorlesung vom ziemlich braven ASTA „gesprengt“ wurde, sah das so aus: Die Aktivisten kamen mitten in die Vorlesung und erklärten, dass sie brisante Themen diskutieren wollten. Der Prof. gab ihnen das Wort, und es entspann sich eine etwas lahme Diskussion. Nach 10 Minuten war die Sache erledigt, und die Vorlesung ging weiter. Das Interesse der Studenten für die nächste Klausur war einfach größer.
Das, was man von der Frankfurter und Berliner Revolte mitbekam, machte einem eher misstrauisch. Und das, obwohl ich weit entfernt von den Ansichten des RCDS war und mich eher linksliberal einordnete. Aber wieso durfte man „Gewalt gegen Sachen“ anwenden? Auf der anderen Seite hatte ich durchaus Sympathien für die Hausbesetzer. Das manchmal harte Vorgehen der Polizei (zumindest das, was man im Fernsehen sah) war natürlich nicht in Ordnung. Auf der anderen Seite gab es die prügelnden und Steine werfenden Studenten.
Ein Grund für das mangelnde politische Interesse der meisten Technikstudenten lag auch sicher an dem abgehobenen „Polit-Sprech“ der Studentenführer wie Rudi Dutschke oder Daniel Cohn-Bendit. Wie wollten die denn damit die Arbeiterklasse erreichen und mobilisieren?
Wie weit ich selbst vom Revoluzzer und von politischen Themen entfernt war, kann man an folgendem Ereignis sehen: Bei der einzigen politischen Demonstration, an der ich in dieser Zeit teilnahm, kam bei mir ein stolzes Hochgefühl auf, als unser Demonstrationszug bei „Rot“ unerlaubt – und von keiner Polizei zurechtgewiesen – über eine große Kreuzung ging – Wahnsinn!
Wie langsam sich die Dinge an der Darmstädter Hochschule änderten, kann man daran sehen, dass es 1971, als ich meine mündlichen Diplomprüfungen ablegte, noch üblich war, zur Prüfung mit dunklem Anzug und silbergrauer Krawatte zu erscheinen!
Mein Berufsleben lief am Anfang seinen geregelten Gang. Bei meinem Diplomabschluss im Jahr 1971 konnte man sich aus mehreren Stellenangeboten das beste heraus suchen. Meine Arbeit als Jung- und Projektingenieur war sehr interessant, in den Entwicklungsabteilungen gab es große Freiräume für kreatives Arbeiten. Nach etlichen Jahren in der Industrie kehrte ich aber noch einmal an die Universität zurück (in diesem Fall Uni Frankfurt), weil mich inzwischen der Lehrberuf interessierte. Ich wurde Lehrer an einer Technikerschule und erhielt dann 1985 einen Ruf als Professor an die Fachhochschule Wiesbaden (heute Hochschule RheinMain).
Aus der Rückschau bin ich heute sehr dankbar, dass die aktiven Studierenden damals auch für uns neue Rechte erkämpft haben. Wer weiß, wie unser Staat sich entwickelt hätte, wären nicht durch die „68-er“ alte und sehr einschränkende Regeln und Institutionen aufgebrochen worden. Eigentlich müsste ich mich schämen, damals politisch nicht aktiv gewesen zu sein. Aber alles hat seine Zeit, und jede persönliche Entwicklung ist nun einmal verschieden.

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FröhlichDer Autor

Peter Fröhlich, geb. 1947 in Neu-Isenburg. Abitur, ab 1966 Studium des Maschinenbaus an der TH Darmstadt. Zwölf Jahre Entwicklungsingenieur in Firmen der Luft- und Raumfahrtbranche. 1983 Zweitstudium zum Berufsschullehrer, Lehrer an der Technikerschule Weilburg. Ab 1985 bis zur Pensionierung Professor für Konstruktionslehre an der FH Wiesbaden (heute HS RheinMain). Gründer mehrerer berufsbegleitender Studiengänge.

Bild: privat

 

 

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