Wie mit der AfD umgehen? Diese Frage treibt uns hier im FR-Blog schon eine ganze Weile um. Das Spektrum der Vorschläge reicht von „Einfach nicht darüber berichten!“ bis „Klare Kante zurückkeilen“. Ich bin in dieser Angelegenheit zunehmend unlustig, weil ich den Eindruck habe, dass die AfD ganz einfach die Beschäftigung mit ihr nicht lohnt. Wir führen jetzt zwar Debatten, die wir früher nicht geführt hätten – aber bringt das was? Haben wir was davon, oder ist das nur Zeitverschwendung?
Beispiel: Auf Betreiben des AfD-Abgeordneten Gottfried Curio sollte der Bundestag die Bundesregierung auffordern, Artikel des freigelassenen deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel zu missbilligen, die dieser vor Jahren in der taz geschrieben hat. Dieser hatte im August 2011 eine Kolumne in der taz zum Thema Geburtenschwund geschrieben: „Super, Deutschland schafft sich ab!„, in der er Thilo Sarrazin aufs Korn nahm: „Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite.“ Eine lesenswerte Satire – jedoch scheinen die AfDler nicht bemerkt zu haben, dass es sich um eine solche handelt. In der folgenden Bundestagsdebatte mussten die Rechtsextremen ordentlich einstecken. Erst gab es die Belehrung, dass in Deutschland Pressefreiheit gilt, man erfuhr Aufklärung darüber, dass der Bundestag solche Satire nicht kommentiert, und Cem Özdemir redete sich in Rage (Video, sehenswert) und nannte die AfDler vor dem Plenum Rassisten. Aktueller Bezug war ein Auftritt von André Poggenburg beim politischen Aschermittwoch der Partei, der ebenfalls Satire gewesen sein soll. Das ist inhaltlich so dürftig, dass es hier nicht noch mal zitiert werden muss. Steht im verlinkten Bericht. Mal wieder ein Beispiel dafür, wie die AfD sich ins Gespräch bringt, ohne dass damit etwas erreicht wird. Nur Häme, Hass und Hetze, wüste Beschimpfungen – Özdemirs klare Worte waren mehr als berechtigt.
Bei der AfD gibt man nun vor, darüber verstimmt zu sein, und reicht Beschwerde beim Ältestenrat des Parlaments ein. Das Parlament hat man also beschäftigt, und es hat sich mit der AfD beschäftigt. Vergeudete Zeit. Wie weit die Grenzen in Sachen Meinungsfreiheit auch für Satire bei uns gesteckt sind, wissen wir nicht erst seit den Auseinandersetzungen über das Schmähgedicht Jan Böhmermanns: sehr weit. Müssen wir uns wirklich von Leuten, die offenbar keinerlei Textverständnis besitzen (wollen?), wirklich Debatten über solche Petitessen aufzwingen lassen? Mein Vorschlag: Beim nächsten Versuch dieser Art, sich aufzuspielen, setzt das Bundestagspräsidiums die Beratungszeit über den AfD-Antrag an den Schluss des Sitzungstages. Sobald er an der Reihe ist, verlassen alle Abgeordneter aller anderen Parteien das Plenum und machen Feierabend. Nur Cem Özdemir bleibt da und beantragt den Hammelsprung, um die Beschlussunfähigkeit des Hauses feststellen zu lassen. Wie wäre das?
Als Reaktion auf Poggenburgs Auslassungen habe ich erstmals in einer solchen Angelegenheit eine Zuschrift von einem Deutsch-Türken bekommen, der natürlich nicht mit Namen genannt werden wollte. Zu seiner Sicherheit habe ich die Zuschrift anonymisiert veröffentlicht. Sie folgt hier als erste. Ein Leserbrief von Manfred Kirsch zum selben Thema schließt sich an. Carsten D. Brink reagiert direkt auf die anonymisierte Zuschrift. Mit dem täglichen Rassismus und der Özdemir-Rede hat sich auch Anetta Kahane in ihrer Kolumne befasst, die ich unten verlinke. Dazu kam ein Leserbrief von Josef Freise herein, der wunderbar in dieser Debatte passt. Los geht’s.
War ich dafür mit dem Osten solidarisch?
„Hier ist ein Kameltreiber, der sich über die Wiedervereinigung gefreut hat, der seinen Beitrag als Solidaritätssteuer für den Osten, für den Wiederaufbau, geleistet hat, der weniger Rente bezieht, damit die vermeintlichen Arier im Osten auch Rente beziehen können.
Es wird immer wieder wiederholt, die Migranten sollen laut schreien gegen Hass und Terror. Ich vermisse die Solidarität meiner Mitmenschen, wenn es jetzt um diese braune Ausdrucksweise geht: „Kümmelhändler und Kameltreiber“. Niemand schreit, keiner sagt wirklich etwas, um dem zu entgegnen!
Ich muss zugeben, ich war über die Aschermittwoch-Ansprache der AfD und den Zuspruch des Publikums erschrocken. Dieser Auftritt lässt an Ähnlichkeit mit den 30er Jahren in diesem Land nichts vermissen. Wenn wir alle weiterhin nicht dagegenhalten, wird es uns wie dem lyrischen Ich in Martin Niemöllers Gedicht ergehen: „Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte“. Die Migranten haben sehr viel für den Wohlstand dieses Landes beigetragen.
Sehr geehrte Damen und Herren Politiker, hiermit beantrage ich die Erstattung meiner 25 Jahre lang bezahlten Beiträge für meine Solidarität mit und Aufbau Ostdeutschlands.“
Anonym (Verfasser ist der Redaktion bekannt)
Nahe an Dunkeldeutschland
„Das, was der rechtsnationale AfD-Spitzenfunktionär Andre Poggenburg unter dem Beifall eines braunen Mobs jetzt wieder von sich gegeben hat ,hat mit „zugespitzter Politsatire“ nichts aber mit brauner Demagogie umso mehr zu tun. Die Beleidigung von Deutschtürken als „heimat- und vaterlandsloses Gesindel“ ist nichts anderes als ein Beweis für die Verkommenheit und kriminelle Energie der AfD. Wenn man sich die volksverhetzende Sprache der AfD-Protagonisten, auch im Bundestag, anhört, dann wird deutlich wie weit es hierzulande schon wieder gekommen ist. Burkhard Lischka von der SPD weist zu Recht darauf hin, dass diesmal keiner sagen kann, er habe es nicht vorher gewusst. Der Hass, der hier gestreut wird, hat seine Vorbilder in der Zeit des Niedergangs der Weimarer Republik. Demokratinnen und Demokraten sind längst gefordert, kleinkarierten Streit um die Tagespolitik zugunsten eines gemeinsamen Auftretens und einer gemeinsamen Offensive gegen Rechts hintanzustellen. Das gespenstische Auftreten und Erstarken der Rechten zeigt auch, wie wichtig eine starke demokratische Opposition durch die SPD im Deutschen Bundestag wäre und wie ernst dieses Argument der Groko-Gegner eigentlich genommen werden müsste. Wir sind wieder näher an Dunkeldeutschland als manche es wahrhaben wollen.“
Manfred Kirsch, Neuwied
Unverbesserliche Gestrige
„Na, endlich! Ich hatte auch die Gedanken, die der anonyme Leser formuliert. Ich habe mir jedoch eine Leserzuschrift verkniffen, weil ich auf Reaktion der direkt Betroffenen hoffte. Der Leserbriefschreiber spricht mir aus der Seele und ich – ohne Migrationshintergrund – wollte vor Scham im Boden versinken, als ich las und dann hörte, welcher Schund mittlerweile in Deutschland hingenommen, ja sogar bejubelt wird. Leider paaren sich immer öfter der abgestandene Mief der DDR mit dem unverbesserlich Gestrigen. Wer wie Herr Poggenburg redet, dokumentiert nur zu gut, dass er keine Ahnung von den Menschen hat, über die er herzieht. Er möge mir doch einmal die „Lehmhütten“ etc. zeigen! Und zu behaupten, es sei eine Fastnachtsrede gewesen… allein der Hass in seiner Stimme verrät ihn! Dieser Mensch hat kein Ahnung, wovon er redet, der Hass steuert ihn, der seine Schulden schon lange nicht bezahlt. Die jubelnden und johlenden Zuhörer in den neuen Bundesländern sollten sich zum Vergleich die Rede von Göbbels im Sportpalast und diverse Reden aus DDR-Zeiten anhören, ich sehe und höre da Verwandtschaft! Somit hoffe ich, dass es die Staatsanwaltschaft nicht allein bei der Ankündigung einer Strafverfolgung belässt, auch hier ist Nachholbedarf.
Ich füge noch eine Frage an, das Land Hessen betreffend. Wann wird über die Entlassung von Herrn Höcke aus dem hessischen Beamtenstatus entschieden? Er ist der politische Zwillingsbruder von Herrn Poggenburg, dessen sofortige Entlassung aus dem Beamtenstatus ich verlange. Ich erinnere an „Berufsverbote“, die Alt-1968ern zuteil wurden, es wird Zeit, auch die Rechtsextremen aus dem Schuldienst zu entfernen… und zwar bevor sie eventuell von der Politik zurückkehren! Ich fühle mich auch dem langjährigen Direktor des Gymnasiums in Bad Sooden-Allendorf verpflichtet, den Herrn Höckes Reden entsetzen würden.“
Carsten Dietrich Brink, Gauting
Als Rassisten etikettiert
„Anetta Kahane bezieht sich in Ihrer Kolumne ‚Der tägliche Angriff auf die Würde‚ (Print: „Die Steine des Vorurteils“) auf die Bundestagsrede von Cem Özdemir, in der dieser „auf furiose und berührende Weise und im besten Sinne“ Heimat und Stolz zusammengebracht habe.
Cem Özdemir hat in der Tat sehr persönlich und bewegend auf verfassungsfeindliche Ausführungen von AfD-Vertretern bezüglich des Journalisten Deniz Yücel reagiert. Es gibt einen kritischen Aspekt in Bezug auf die gesamte Bundestagsdebatte, den ich an der ansonsten mutig-klaren Rede Özdemirs verdeutlichen will. Es geht um die pauschalen Vergleiche („Sie sind aus demselben Holz geschnitzt wie Erdogan“) und den direkten Vorwurf: „Sie sind Rassisten.“
Sachlich stimmt es, dass viele Denk- und Argumentationsweisen aus den Reihen der AfD rassistisch geprägt sind und denen des autoritären türkischen Ministerpräsidenten Erdogan ähneln. Aber es macht einen großen Unterschied, ob konkret einzelne Aussagen von Personen sachlich scharf kritisiert werden oder ob diese Personen als Rassisten bezeichnet werden. Die Etikettierung eines Menschen als Rassist wirkt wie das Schließen einer Schublade, in der dieser Mensch dann eingeschlossen ist. Die pauschale Etikettierung eines Menschen ist respektlos, weil sie den Menschen fixiert und ihm keine Chance auf Änderung lässt. Respektvoll einer Person zu begegnen, heißt, so mit ihr zu sprechen, dass ich ihr zutraue und zumute, sich zu ändern. Wenn ich den Vorwurf „Rassist“ erhebe, setze ich die Ausgrenzung fort, die ich bei eben dieser Person und ihren diskriminierenden Äußerungen und Verhaltensweisen kritisiere.
Wir müssen auch in hochemotionalen Situationen lernen, konkrete sachliche Aussagen zu treffen und pauschale Verurteilungen von Menschen zu vermeiden. Wir fördern ansonsten ein Klima gegenseitiger Vorwürfe und Feindbilder, das die AFD sich geradezu wünscht und in dem sie sich wohl fühlt.
Dieses Sich Wohlfühlen war an einer Aussage von Alexander Gauland nach der Bundestagsdebatte zu erkennen. Er freue sich, dass es im Bundestag wieder „lebendig“ zuginge und dies sei, so Gauland, das Verdienst der AfD. Die von ihm gelobte „Lebendigkeit“ ist aber letztlich ein Schlagabtausch, bei dem die AfD den Stil bestimmt. Wir dürfen das Spiel derer, die mit Feindbildern arbeiten, nicht mitspielen.
Ich hatte einmal eine heftige Auseinandersetzung mit einem „rechten“ Kollegen, der mich anschließend nicht mehr grüßte. Ich habe ihn weiter gegrüßt, denn mir wurde schnell deutlich, dass ansonsten er die Regeln bestimmt und dass menschlicher Umgangsstil verloren geht, wenn ich ihn auch nicht mehr grüße.
Ich wünsche uns allen im Umgang mit Personen, die diskriminierende Auffassungen und Verhaltensweisen vertreten, immer sachlich klar und deutlich zu protestieren und gleichzeitig den menschlichen Respekt im Umgang zu wahren.
„Wie mit der AfD umgehen?“
Diese eingangs von Bronski gestellte Frage treibt nicht nur die FR-Redaktion um. Dass diese Frage immer wieder gestellt wird, weist darauf hin, dass bisher keine konsistente Strategie erkennbar ist. Die Antworten gehen von „ignorieren“ bis zu „den Dialog führen“.
Dass letzteres gescheitert ist, hat selbst Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff jüngst eingestanden, der dies lange versucht hat. Und ersteres bedeutet schlicht, sich selbst über die Fakten hinwegzutäuschen, die Bastionen zu ignorieren, welche die AfD längst erobert hat (in Online-Foren, auf Straßen und Marktplätzen wie nun auch in Parlamenten), und ihr das Feld zu überlassen
Cem Özdemir hat eine andere Möglichkeit aufgezeigt, die mir als die wirkungsvollste erscheint: die der offensiven Auseinandersetzung mit dem Mittel der Entlarvung – hier durch den treffenden Vergleich mit dem „Geiste Erdogans“, der gerade von dieser Seite (in dem Fall zu Recht) massiv attackiert wird.
Falsch wäre es zu meinen, diese Auseinandersetzung könne man dem Parlament überlassen. Entscheidend ist, wie die Zivilgesellschaft damit umgeht.
Dazu bedarf es präziser Analysen, mit wem man es zu tun hat, was die „Denkart“ dieser Menschen prägt und welche Strategien vor allem die Führungsebene verfolgt.
Welche Reaktion als adäquat erscheint, hängt dann von der jeweiligen Situation ab sowie den Menschen, mit denen man es im Einzelfall zu tun hat.
In einem anderen Thread habe ich bereits eine Analyse betr. die Unterscheidung zwischen Führungsfiguren („Demagogen“) und „Zujublern“ vorgelegt (http://frblog.de/braunebrut-2/#comment-49290)
Hier sei, in Auseinandersetzung mit dem Leserbrief von Carsten Dietrich Brink (der sich am „Rassismus“-Vorwurf abarbeitet), eine weitere Analyse versucht.
Kernaussagen von Carsten Dietrich Brink: „Als Rassisten etikettiert“:
(1) „Wir müssen auch in hochemotionalen Situationen lernen, konkrete sachliche Aussagen zu treffen und pauschale Verurteilungen von Menschen zu vermeiden. Wir fördern ansonsten ein Klima gegenseitiger Vorwürfe und Feindbilder, das die AFD sich geradezu wünscht und in dem sie sich wohl fühlt.“
(2)“Die pauschale Etikettierung eines Menschen ist respektlos, weil sie den Menschen fixiert und ihm keine Chance auf Änderung lässt. Respektvoll einer Person zu begegnen, heißt, so mit ihr zu sprechen, dass ich ihr zutraue und zumute, sich zu ändern.“
Aussage (1) ist mit Sicherheit richtig und kann voll unterschrieben werden.
Aussage (2), die sich generell gegen Özdemirs Vorwurf des „Rassismus“ wendet, spiegelt dagegen reines Wunschdenken wider.
Zunächst ist die Aussage „Rassist“ durch Äußerungen Poggenburgs eindeutig belegt, die der „Rassismus“-Definition entsprechen: „Kümmelhändler“, „Kameltreiber“, “ vaterlandsloses Gesindel“. Der Vorwurf einer „pauschalen Etikettierung“ an Cem Özdemir ist also haltlos.
Wichtiger der zweite Irrtum von Herrn Brink:
Die als wünschenswert angesehene Veränderung von nationalistischen, von Feindbildern geprägten Denkweisen wird zur Strategie erklärt, ohne sich mit den Bedingungen zu befassen. Das eigene positive Menschenbild, das die Bereitschaft zu rational bestimmter Selbstveränderung einschließt, wird dabei auf die Zielgruppe übertragen, ohne zu überprüfen, ob diese Bereitschaft (also die Voraussetzung dafür) überhaupt vorhanden ist.
Wer sich das frenetische Gejohle bei dem (von Bronski verlinkten) Auftritt André Poggenburgs antut, das in der Tat an Goebbels‘ Sportpalastrede erinnert, der muss daran größte Zweifel haben.
Man kommt also nicht darum herum, sich zuerst mit solchem Verhalten anhand der historischen Zusammenhänge und Vorlagen für die von AfD-Führungsfiguren eingeschlagene Strategie auseinanderzusetzen, bevor man eigene Gegenstrategien meint entwickeln zu können.
Wunschdenken hilft da nicht weiter.
Dies werde ich in einem weiteren Beitrag versuchen.
@Werner Engelmann
Es wäre interessant zu wissen, welche Definition von Rassismus sie verwenden.
Ich habe im letzten Semester ein historisches Seminar zur Rassenkunde in der Moderne belegt und die wichtigsten Werke der Rassenkundler (Virchow, Ammon, Fischer, Ploetz, Schallmeyer, Galton, Lundborg, Binding, Hoche, Nachtsheim, Schwidetzki) gelesen. Nicht alle, aber viele der Rassenkundler waren Rassisten.
Die Definition für Rassisten, die wir benutzt haben, entspricht etwa dem, was man auch in Wikipedia findet. Ein Rassist behauptet, dass es menschliche Rassen gibt und das aus der Angehörigkeit zu einer Rasse auf die (charakterlichen) Eigenschaften eines Menschen geschlossen werden kann.
Ich habe den Eindruck, dass Ihr Begriff von Rassismus viel weitergeht. Eine Beleidigung einer Gruppe von Menschen scheint bei Ihnen bereits den Tatbestand des Rassismus zu erfüllen.
Ich befinde es zwar als beleidigend, wenn hier im Blog Behauptungen aufgestellt werden der Art «Alle Politiker sind korrupt.», aber Rassismus wäre das nach meiner Definition nicht. Nach Ihrer Definition scheint es aber zu mindestens nicht mehr weit weg zu sein.
Im Übrigen teile ich die Ansicht von Herrn Freise, den Sie in Ihrem Beitrag mit Herrn Brink verwechseln.
Als Rassisten etikettiert:
In der besagten Bundestagssitzung gab es eine gute Rede des Abg. der Linken, Jan Korte, der der AfD u.a. zum Schluss vorschlug, Erdogan als Ehrenmitglied auzunehmen, da sich die Ansichten der AfD und Erdogans decken.
Den Vorschlag, die AfD einfach zu ihnorieren, finde ich sehr gut, weil sie sich mit jedem Bericht über ihre Veranstaltungen, ob mit oder ohne Presse, bestätigt sieht, und diesen Gefallen sollte man ihr einfach nicht gewähren.
In meiner Göppinger Lokalzeitung „NWZ“ gibt es einige Dauerlserbriefschreiber der AfD mit den stets gleichen fremdenfeindlichen Inhalten. In einem Fall habe ich in einem Leserbrief heftig widersprochen und Gegenbeispiele zu Straftaten Rechter angeführt, auf den ich auch positive Rückmeldungen erhalten habe. Inzwischen bin ich mit einigen Bekannten einig, nicht mehr auf deren Schwachsinn zu reagieren mit dem Erfolg, dass diese Peronen sich inzwischen bedeckt halten, weil sie einfach ignoriert werden.
Dies sollte auch die Presse tun, indem nicht mehr über ihre Veranstaltungen und fremden feindlichen Anträge und Reden im Bundestag sowie in den Landesparlamenten berichtet wird.
Dies tut denen mehr weh, während sie sich mit jedem Bericht o.ä. als wichtig genommen fühlt.
Dass der Leserbriefschreiber anonym bleiben möchte ist ein Armutszeugnis dafür, wie Menschen, die sich kritisch äußern, oftmals ungeschützt bleiben in unserem Lande. Wieviele Politiker, Pfarrer und andere Menschenfreunde mussten in den letzten Jahren schon zurücktreten oder in anderer Weise weichen, weil sie aggressiv von Rassisten verfolgt wurden? Da sind wir alle aufgerufen, uns vor solche mutigen Menschen zu stellen und sie zu schützen vor den Angriffen, die von Mordrohungen über Autos anzünden und Brandsätzen auf Büros oder Privatwohnungen gehen. Insbesondere die Polizei ist da gefordert, Schutz zu gewähren und verschärfte Aufklärung zu leisten.
@Peter Boettel
Da sind wir uns mal total einig.
Lieber Anonymus,
meine Solidarität ist Ihnen sicher. Ich kann Ihren Ärger über dieses dumme, primitive Geschwätz verstehen. Am besten, Sie halten sich an den schönen Spruch (woher er ursprünglich stammt, weiß ich nicht, ich kenne ihn aus Walter Kempowskis Roman „Tadellöser und Wolff“: „Was kümmert es die stolze Eiche, wenn sich ein Borstenvieh dran wetzt?“ Und bedenken Sie bitte, dass nicht alle, für die Sie Solidaritätszuschlag bezahlt haben, den blöden Sprüchen der AfD zustimmen.
Cem Özdemir hat eine passende Antwort gefunden, auch wenn ich glaube, dass so viel „heiliger Zorn“, von dem seine Rede erfüllt war, Herrn Poggenberg viel zu viel Ehre erweist. Die AfDler fühlen sich dadurch nur ernstgenommen und aufgewertet. Da sie die Provokation lieben, werden sie durch solche Brandreden nur zu weiteren Ausfälligkeiten angestachelt. Eigentlich hätte eine kurze ironische Abfuhr gereicht.
Pauschale Begriffe wie „Rassismus“ und „Nazi“ versuche auch ich, wie Herr Flessner, zu vermeiden. Wenn man das zu eng fasst, müsste man auch Ostfriesenwitze rassistisch nennen. Es geht hier doch um ausgelutschte Klischees, um dümmliche Vorurteile, die eher den als primitiven Menschen brandmarken, der sie benutzt.
An dieser Stelle muss ich auch Bronski widersprechen, der Deniz Yücels „Satire“ als lesenswert empfiehlt. Ich persönlich finde, auch er reiht dort – zu einem Zweck, der sich mir nicht erschließt – uralte Klischees und Vorurteile aneinander, ohne sie wenigstens ironisch zu brechen. Das Ganze wirkt auf mich reichlich verbiestert. Meiner Ansicht nach gehört der Text nicht zu den Höhenflügen der Satirekunst.
Aber er fällt natürlich unter die Presse- und Meinungsfreiheit und gibt für mich keinen Anlass, mit geschwollenem Kamm auf den Autor loszugehen. Ganz abgesehen davon, dass die Regierung eines demokratischen Staates keine Zensur ausüben darf, wie es der AfD-Antrag verlangte.
Zunächst meine Entschuldigung an Herrn Brink. Ich habe in der Tat den über dem Leserbrief stehenden Namen dem Nachfolgenden zugeordnet. Der in meinem Beitrag in Auszügen zitierte Leserbrief stammt aber von Josef Freise.
@ Henning Flessner, 28. Februar 2018 um 15:49
„Es wäre interessant zu wissen, welche Definition von Rassismus sie verwenden.“ –
Das ist im Gegenteil reichlich uninteressant, da es für den angesprochenen Fall keine Rolle spielt (und ich zudem persönlich den Begriff fast nie verwende).
Weder ist Herr Özdemir „Rassenkundler“ noch ist anzunehmen, dass für Hörer einer Bundestagsdebatte eine Schulung in Rassenkunde vorauszusetzen ist. Ihre Frage geht also an der Sache vorbei.
„Rassismus“ ist ein abstrakter, zusammenfassender Oberbegriff, dem eine riesige Anzahl konkreter Einzelfälle zugeordnet werden kann. Insbesondere die Sprache der Politik benötigt solche abstrakten Begriffe, um – vor allem in kurzen, zusammenfassenden Darstellungen – Verständigung zu ermöglichen.
Ob die Verwendung eines solchen abstrakten Begriffs als korrekt angesehen werden kann, hängt (1) davon ab, ob diese Einzelfälle unter diesen Oberbegriff fallen, und (2), ob der Begriff den gebräuchlichen, im allgemeinen Sprachgebrauch üblichen Inhalten entspricht. Konkret: Ob die im Hörer erweckten Assoziationen in etwa ein korrektes Abbild des Geschehens erzeugen.
Dies ist im Fall der Rede von Cem Özdemir eindeutig der Fall, was auch durch international üblichen Sprachgebrauch belegt werden kann.
So etwa im „Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ (ICERD). Dieses “ unterscheidet nicht zwischen rassischer und ethnischer Diskriminierung“ (Wikipedia, „Rassismus“).
Unter den Fällen in der BRD seit 1945 wird u.a. aufgeführt:
„In den 1990er Jahren kam es in der Bundesrepublik Deutschland, vermehrt in den Neuen Bundesländern, zu rassistisch motivierten Pogromen und Anschlägen. (Mölln, Solingen, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda…) In den Jahren 2000 bis 2006 wurden vermutlich durch den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zahlreiche völkisch-rassistisch motivierte Morde und Bombenanschläge begangen.“
Auch bei der die ICERD-Rüge der Vereinten Nationen gegenüber Deutschand betr. „Thilo Sarrazin mit abwertenden Aussagen zu Türken und Arabern“ ist von einer „teilweise rassistisch geführten Migrationsdebatte“ die Rede.
Die Rede von André Poggenburg vor einem johlenden Publikum lediglich als für bestimmte Personen „beleidigend“ aufzufassen, stellt demgegenüber eine Verharmlosung dar. Dies unterschlägt, dass es nicht nur um „Vorurteile“ gegenüber Fremden geht, sondern dass zudem auch aufgrund ihrer Abstammung deutsche Staatsbürger als Hassobjekt stigmatisiert werden und ausgebürgert werden sollen.
Das entspricht z.B. faschistischen Praktiken.
@ Frau Ernst: oh doch, es gibt Rassisten! Un d die benenne ich auch so! Das sind die, die Menschen in Rassen einteilen und ihnen feste negative Eignschaften zuschreiben. Sie haben aber natürlich recht damit, dass der Begriff au h gelegentlich inflationär gebraucht wird – mit dem Ziel, andere zu diffamieren.
Die Satire von Deniz Yücel war eine Replik auf Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ – womit letzterer monatelang durch die Talkshows tingeln durfte und womit er Millionen verdient hat. Meiner Meinung nach ein direkter Vorläufer von Pegida und der jetzigen AFD. Und so jemand bei der SPD! Ich finde Deniz Yücels Satire absolut gelungen!
@ Barbara Eilers und Brigitte Ernst
Thilo Sarrazins Bücher und seine Tingeltouren durch Deutschland, haben viel Boden bereitet für einen immer stärker aufkommenden Rechtspopulismus und eine Fremdenfeindlichkeit in Deutschland.
Schlimm waren seine über die Jahre abfälligen Bemerkungen über die Hartz-IV-Empfänger.
Reichlich ideologischer Stoff für Pegida und die AfD, in diesem Morast weiter durchzustiefeln.
@ Barbara Eilers
Von einer Satire erwarte ich mehr Ironie und Wortwitz. Den Text von Yücel stufe ich eher als vordergründige Retourkutsche ein. Sarrazin bringt ausgelutschte Klischees über Türken, Yücel antwortet mit ausgelutschten Klischees über Deutsche. Nach meinem Geschmack etwas billig.
@ Henning Flessner:
Freut mich, vielen Dank.
@Werner Engelmann
Ich weiß jetzt, was Sie meinen, wenn Sie jemanden einen Rassisten nennen. Sie verwenden den erweiterten Begriff. Ich bin kein Freund dieser Erweiterung, weil sie in meinen Augen zu einer Mehrdeutigkeit führen kann.
Diese erweiterte Definition kann dann dazu führen, dass die AfDler mit solchen Leuten wie Himmler und Goebbels gleichgesetzt werden. Ich sehe hier die Gefahr einer Verharmlosung von Himmler und Goebbels.
Ich bin der Meinung, dass man beide Standpunkte (Ihren und meinen) vertreten kann, wenn man klarmacht, was man genau meint.
Es verwundert mich, wie jemand, der sich scheinbar mit Sprache beschäftigt, meine Äusserung «Es wäre interessant zu wissen, welche Definition von Rassismus sie verwenden.“ beantwortet.
Ihre Antwort ist: „Das ist im Gegenteil reichlich uninteressant,…“. Aber hier irren Sie. Es ist für mich interessant, weil ich sonst ihren Beitrag nicht richtig verstehe. Ich bin außerdem der Meinung, dass sie gar nicht wissen können, was ich interessant finde.
Dann schreiben Sie, dass Sie den Begriff „Rassismus“ bzw. „Rassist“ nicht verwenden. Meine Frage bezog sich aber u. a. auf Ihren Satz:
„Zunächst ist die Aussage „Rassist“ durch Äußerungen Poggenburgs eindeutig belegt, die der „Rassismus“-Definition entsprechen: „Kümmelhändler“, „Kameltreiber“, “ vaterlandsloses Gesindel“.
Wer also den Ausdruck „vaterlandsloses Gesindel“ benutzt, ist Rassist. Als Kriegsdienstverweigerer war ich diesem Vorwurf durchaus ausgesetzt, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass als eine rassistische Beleidigung zu betrachten und ich bin sicher, dass es auch so nicht gemeint war.
Mein Deutschlehrer sagte einmal: „Wenn ein Wort alles bedeutet, dann bedeutet es nichts.“
Ich komme zurück zu meiner eingangs geäußerten Ankündigung des Versuchs einer Analyse zur Entwicklung von Gegenstrategien (28. Februar 2018 um 13:17
Ich möchte dies an einem Vergleich von AfD-Praktiken zur Machteroberung mit denen im NS-System ausführen.
Ich habe bereits darauf verwiesen, dass ich verallgemeinernde Gleichsetzungen (wie ich sie z.B. auch in den Kommentaren auf FR.online finde) für kontraproduktiv halte.
Das gilt für den NS-Vorwurf ebenso wie für den „Rassismus“-Vorwurf. Wobei allerdings auch deutliche Unterschiede bestehen:
Der „Rassismus“-Begriff hat sich – nicht nur – im landläufigen Verständnis längst von der ursprünglichen Fixierung auf „Rasse“-Ideologie gelöst und damit ausgeweitet, ist demnach in seiner Unschärfe durchaus kritisierbar.
Beim Begriff „NS“ oder „Nazi“ ist eher das Gegenteil der Fall, eine Verengung der Bedeutung. Dieser Begriff ist im heutigen Bewusstsein untrennbar mit dessen schlimmsten Exzessen, insbesondere dem Holocaust verbunden. Dies wird bestimmt durch unsere Perspektive a posteriori und das dabei mitschwingende moralische Entsetzen.
Bei pauschaler Gleichsetzung der AfD damit wird dies notwendigerweise mit assoziiert. Wogegen sich die AfD in diesem Fall auch zu Recht wehrt.
Solche moralische Kategorisierung hat W.F.Haug einmal „hilflosen Antifaschismus“ genannt, der in der Tat wenig weiter hilft. Denn die notwendige Auseinandersetzung wird dabei nicht nur auf eine „hilflose“ moralische Ebene verkürzt, es werden dabei auch gerade die Aspekte verschüttet, die einen solchen Vergleich tatsächlich zulassen.
Dies erscheint im Vergleich zur Unschärfe des „Rassismus“-Vorwurfs erheblich bedeutsamer.
Die aggressive Ideologie war bei den Nazis zwar von Anfang an vorhanden, ihre mörderische Virulenz dagegen entfaltete sich erst im Zuge der absoluten Herrschaft.
Ein Vergleich hat also nicht an dem in unserem Bewusstsein dominierenden Ende anzusetzen. Er muss sich vielmehr mit der Entwicklung des NS-Systems aus den Anfängen heraus beschäftigen.
Eine korrekte Auseinandersetzung mit der AfD muss diese Berührungspunkte mit dem NS-System aufzeigen, insbesondere was die Techniken der Eroberung sowie des Erhalts der Macht betrifft.
Die Machteroberung des NS-Systems ist gekennzeichnet durch gleichzeitige Attacke auf den demokratischen Staat von innen und von außen:
(1) Unterwanderung des demokratischen Staats mit dem Ziel seiner Abschaffung: von der Bewerbung als „legaler“ Partei zur Abschaffung und dem Verbot aller anderen Parteien; Besetzung von Schlüsselpositionen innerhalb des parlamentarischen Systems.
(2) Kombination von legalen parlamentarischen Mitteln mit Methoden der Einschüchterung von außen (SA, später SS), später Terror.
(3) Massenpropaganda, insbesondere mit Hilfe der deutschnationalen Presse (Hugenberg) und dem neu aufgekommenen Rundfunk mit der ihm eigenen Faszination in der Hand exzellenter Demagogen wie Goebbels.
(4) Verschleierungstechniken.
Darunter sind vor allem sprachliche Pervertierungen und Umdeutungen zu verstehen, die vorhandene Aggressionen aufgreifen und ausweiten sowie extrem vereinfachende „Lösungen“ suggerieren (vgl. Sternberger-Storz-Süskind: „Wörterbuch des Unmenschen“). Aber auch Verschleierung der totalitären Machttechiken und Ziele (Bündnis mit der Industrie bei der „Harzburger Front“, Name: „National-Sozialismus“). „Völkische“ Organisation und Erziehung: Jugendorganisationen, soziale Einrichtungen (wie „Winterhilfswerk“, „Kraft durch Freude“), Sozialdarwinismus und Antisemitismus.
(5) Historische Voraussetzungen:
Dass diese Strategie der Machteroberung so rasend schnell zum Erfolg geführt hat, ist vor allem auf extrem „günstige“ Umstände zurückzuführen: So die katastrophale wirtschaftliche Entwicklung (Inflation, Arbeitslosigkeit) und Erfahrung nationaler Demütigung (Versailler Vertrag). Aber auch auf das Versagen der demokratischen Institutionen und Kräfte (Hindenburg, gegenseitiges Zerfleischen von KPD und SPD).
Der Vergleich der AfD-Techniken mit diesem System der Machteroberung lässt auf allen fünf Ebenen Analogien erkennen.
Zu (1):
Mit dem Einzug in den Bundestag und verschiedene Landesparlamente erweisen sich die Techniken der Lähmung der parlamentarischen Arbeit. Aber auch das prinzipielle In-Frage-Stellen des parlamentarischen Systems durch Propagierung „direkter Demokratie“ als angeblich einzig legitimer Form, Verschleierung der dieser innewohnenden totalitären Elemente (Abschaffung der Gewaltenteilung und des Minderheitenschutzes, Umschlag in Terror der „Straße“ wie nach der französischen Revolution).
Zu (2):
Eine ähnliche Doppelstrategie ist im Verhältnis der AfD zu „Pegida“ zu beobachten, das z.Zt. wieder belebt und intensiviert wird. Aber auch im ambivalenten Verhältnis zur Gewaltfrage, insbesondere bez. Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime.
Zu (3):
Der Faszination des Rundfunks im 3.Reich entspricht heute die Eroberung sozialer Medien durch rechtsradikale Kreise. Durch massive Präsenz einzelner, Trolle und „Social Bots“ wird eine „Mehrheitsmeinung“ vorgegaukelt, Hass und Misstrauen gegen demokratische Institutionen geschürt. Durch gezieltes Schaffen von „Informationsblasen“ wird ein in sich geschlossenes nationalistisches Weltbild gefördert, das weder zur Auseinandersetzung mit anderen Denkweisen noch zum kritischen Hinterfragen der eigenen Voraussetzungen bereit und in der Lage ist.
Zu (4):
Hier zeigen sich die deutlichsten Analogien zur NS-Ideologie, sowohl inhaltlich wie sprachlich:
Inhaltlich in der selektiven Geschichtsauswahl, der Übernahme von NS-Propaganda – etwa der „heroischen“ Rolle der Wehrmacht (Gauland) -, die vor allem jegliche Auseinandersetzung mit dem NS-System ausklammert und in aggressiver Weise attackiert (besonders Holocaust-Gedenken).
Sprachlich durch gezielte Anpassung an „völkische“ NS-Begrifflichkeit und den Mythos eines im engen Sinne ethnisch begriffen „Deutschtums“, Transport von Feindbildern durch hoch emotionale Hassbegriffe und Umwertung von Begriffen („political incorrect“).
Auch die Verschleierung der eigenen Ziele ist in der Behauptung von der „Partei der Benachteiligten“ angelegt.
Zu (5):
Anders als bei der NS-Machtergreifung sind die objektiven sozialen und ökonomischen Bedingungen heute ungleich besser. Umso stärker orientiert sich AfD-Hetze an Verunsicherung der Identität im Zuge von Globalisierung und „Flüchtlingskrise“ und (teils realen, teils eingebildeten) Abstiegsängsten und verstärkt Tendenzen der Abkapselung und panischer Abwehrreflexe.
Die deutlichste Analogie zu NS-Propaganda ist in der Schaffung des Feindbilds „Flüchtlinge“ und „Islam“ und die demagogische Umlenkung und Bündelung diffuser „Ängste“ auf dieses Feindbild hin zu erkennen.
Fazit:
Aus dem Vergleich ergibt sich, dass eine Abwehrstrategie gegen AfD-Demagogen recht genaue Kenntnisse gerade der jüngeren deutschen Geschichte voraussetzt. Der bewussten massiven Verdrängung ist demnach eine differenziertere Auseinandersetzung gerade mit dieser Zeit entgegen zu setzen.
Pauschale NS-Vergleiche befördern diesen Verdrängungsprozess, indem sie billigen Vorwand für „Opfer“-Strategien bieten, und sind daher kontraproduktiv.
Natürlich sind besonders die unter (4) und (5) genannten, moralisch besonders verwerflichen Elemente der AfD-Strategie in aller Klarheit zu benennen. Wobei aber nicht die moralische Empörung maßgebend sein soll, sondern das Aufzeigen der politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen:
Eine Partei, die sich der Hetze und den genannten demagogischen Strategien verschreibt, ist keine „normale Partei“ und als solche auch nicht zu akzeptieren.
@Juergen Engelmann
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das „Feindbild“ austauschbar.
Es kann ein Weg sein mit dieser Partei umzugehen ihnen aufzuzeigen, sowohl Anhängern als auch den Demagogen, welchen Weg sie hier beschreiten.
An die wo auch immer verankerte Ursache führt das meines Erachtens nicht heran.
Was ich wahrnehme, siehe der Antrag der AfD die Deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern, die Replik der Abgeordneten im Dialekt zu antworten, fand ich gut, ist dieses alles ablehnende, was in deren Augen nicht deutsch ist. Die damit einhergehende Herabwürdigung der Menschen, die in ihren Augen a) nicht das Recht haben sich Deutsch zu nennen und b) auch kein Recht haben sich hier aufzuhalten.
Was ist das? Erinnert mich an die Stammesfehden, bevor es Deutschland überhaupt gab. Etwas sehr altes, archaisches.
Die Angst vor der Auslöschung. Das zwanghafte Bewahren der einzigen Identität die man glaubt zu haben, der nationalen?
@ Anna Hartl
Dieser krampfhafte Zwang, sich in die eigene Kultur einzukapseln und die Angst, die eigene Identität zu verlieren, scheint mir aus tiefen Verunsicherungen und Selbstzweifeln zu erwachsen. Futterneid, im weitesten Sinne, spielt dabei natürlich auch eine Rolle sowie das Bedürfnis, sich in einer Gruppe zu bewegen, die einem selbst ähnlich ist und in der man sich folglich sicher und zu Hause fühlt. Offenbar wähnen sich viele Menschen, von Natur aus oder aufgrund der langen geschichtlichen Entwicklung ihrer Spezies in kleinen, homogenen und überschaubaren Gruppen sicherer als in einer kulturell heterogenen riesigen Masse. Aus einer Spezies, der es jahrtausendelang Vorteile gebracht hat, sich in kleinen Horden gegen mögliche Fressfeinde zu behaupten und ihren für diesen Kampf nötigen Zusammenhalt durch eine gemeinsame Kultur zu festigen, kann man wohl nicht so einfach rationale Wesen machen, die aus Einsicht in die Vorteile einer internationalen Zusammenarbeit zu Weltbürgern werden.
@ Anna Hartl
Einige gute Hinweise. Nur eine Korrektur: Ich heiße mit Vonamen Werner.
(1) Ist ein Feindbild austauschbar? – Ja.
„Typisch für ein Feindbild ist, dass im Anderen bzw. Fremden das Böse gesehen wird und diesem negativen Bild kontrastierend ein positives Selbstbild bzw. Freundbild gegenübergestellt wird.“ (Wikipedia)
Daraus geht hervor, dass sich ein Feindbild ex negativo bestimmt: Es soll Ersatz für (gefühltes) Fehlen eigener Identität schaffen. Was es natürlich nicht kann. Wenn das offensichtlich wird, muss es durch ein anderes Feindbild ersetzt werden (sofern der Betreffende nicht begreift, dass dies der falsche Weg ist).
Belege betr. AfD: Das erste Feindbild der AfD (Luckes) war der Euro, ergänzt durch das Feindbild „EU“. Beide Feindbilder spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle. (Die Forderung nach Abschaffung des Euro ist von Marine Le Pen sogar aufgegeben worden.) Sie
sind fast vollständig ersetzt durch das Feindbild „Flüchtlinge“ – von Gauland als „Geschenk des Himmels“ bezeichnet. Ein Hinweis darauf, dass der Kerl weiß, was er tut, also zu Recht „Demagoge“ zu nennen ist.
Zugleich bedeutet dies, dass der wohl entscheidende Beitrag dazu, die AfD überflüssig zu machen, die Lösung des Problems der Integration ist. Für mich als Aufforderung zu verstehen, nach allen mir selbst zur Verfügung stehenden Fähigkeiten und Kräften dazu beizutragen.
(2) Gründe für mangelnde „Identität“ und Suche nach Ersatz-„Identitäten“:
Dies ist natürlich im Zusammenhang mit „autoritärem Charakter“ resp. „Untertanenverhalten“ zu sehen.
Frau Ernst hat hierzu schon einen wichtigen Hinweis gegeben.
In der Tat ist der „krampfhafte Zwang, sich in die eigene Kultur einzukapseln“, wohl in erster Linie psychologisch bedingt – wenn es sicherlich auch objektive Faktoren gibt (Globalisierung u.a.), die diesen befördern.
Was zugleich bedeutet, dass ein Weg zu wirklicher Identität von außen nicht vorgegeben werden, sondern nur angeregt werden kann. Entscheidend sind dafür die Einsicht (und auch der Mut) des Betreffenden selbst, Fremdes nicht mehr als Bedrohung wahrzunehmen und sich auf neue, ungewohnte Situationen und offene Lösungen einzulassen.
Voraussetzungen dafür sind (a) die Einsicht, dass Feindbilder und Ersatz-Identitäten den falschen Weg weisen, (b) Erfahrungen derart, dass Bedrohungsgefühle gar nicht erst aufkommen müssen.
Beispiele:
– Unsere Kinder haben zwei Nationalitäten (meine Frau und ich nur eine). Die Frage einer „gespaltenen Identität“ oder „geteilten Loyalität“ (so Wolfgang Schäuble in einem Brief an mich) stellt sich für sie gar nicht. Franzose/Französin und Deutsche zu sein schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich, ist zudem integriert im Bewusstsein, „Europäer“ zu sein. Die Tatsache, dass z.B. an Klassentreffen mehrere Sprachen gesprochen werden, stellt keine Bedrohung dar, sondern im Gegenteil Bereicherung, die größere Flexibilität ermöglicht.
– Dass AfD-Anhänger z.B. besondere Aggressivität auf den „Doppelpass“ richten, erklärt sich daraus, dass sie dabei auf ihre eigenen Beschränktheiten (auch Minderwertigkeitskomplexe) gestoßen werden, die sie nicht wahr haben wollen.
Einen scheinbaren Ausweg stellt die Identifikation mit einer Person dar, die sie als „Autorität“ wahrnehmen, die aber zugleich ihren eigenen geistigen Horizont nicht überschreiten soll (Phänomen Trump). Dies vermittelt scheinbare Sicherheit und „Stärke“ (in der Masse), wird zugleich als „Befreiung“ erfahren, wenn dieses Idol Plumpheit vorlebt, zu der man sich nun selbst bekennen und dabei ungestraft atavistische Instinkte ausleben kann.
In diesem Sinn ist die Bezeichnung als „sehr altes, archaisches“ sicher richtig: die Rücknahme eines zivilisatorischen Prozesses.
Belege dafür sind archaische und mythische Begrifflichkeit (wie „Deutschtum“, „völkisch“ u.a.), die der Realität nicht standhält, sowie das Aufgreifen faschistischer Denk- und Sprechweisen, die ähnliche Tendenzen aufweisen.
(3) Konterkarierung solcher Tendenzen durch Phantasie, z.B. der Antwort des Abgeordnenten Saathoff im Bundestag auf Plattdeutsch:
Volle Zustimmung, eine prima Idee!
Ich halte überhaupt das Verfahren, die angemaßten Autoritäten mit ihren eigenen Begriffen ad absurdum zu führen, mit Humor zu entlarven und so dem „Respekt“, der ihnen entgegen gebracht wird, den Boden zu entziehen, für eine wichtige Strategie. Die sich natürlich weniger an AfD-Fans selbst richtet, als an mögliche Nachahmer, die sich durch deren Geschwätz beeindrucken lassen.
Natürlich gibt es (wie auch in der Islamisten-Szene) auch immer wieder „Aussteiger“. (Dazu etwa: http://www.fr.de/frankfurt/heidi-benneckenstein-neonazi-aussteigerin-besucht-juedische-gemeinde-a-1457679
Auf eine massenhafte Bewegung in dieser Weise zu hoffen, wäre aber wohl eine Illusion.
Es ist schon viel erreicht, wenn die weitere Verbreitung solchen – politisch gefährlichen – Unfugs verhindert wird.
Fazit:
Der Phantasie in der Abwehr von dumpfbackigem Nationalismus sollten keine Grenzen gesetzt werden, ist es doch gerade dies, woran es deren Vertretern besonders mangelt.
Was im Bundestag stattfindet, ist davon nur ein kleiner Teil. Das Entscheidende ist die Reaktion der Zivilgesellschaft.
Mit dem Argument der „Aufwertung“ eine Nicht-Reaktion, vor allem von der Presse zu fordern, also das Feld der AfD zu überlassen, wäre nach meiner Überzeugung gefährlich und auch verantwortungslos.
Es sollte nicht vergessen werden, dass der entscheidende „Test“ der Nazis in der „Reichsprogromnacht“ am 9./10. November 1938 stattfand (versuchsweise fand Ähnliches in einigen Städten schon eine Woche davor statt). Aus der Nicht-Reaktion der deutschen Bevölkerung zogen sie (leider zu recht) den Schluss, dass sie von nun an freie Hand haben würden.
@Werner Engelmann
Mea culpa Herr Engelmann.
Habe mit dem Gedanken gespielt was passiert, wenn der AfD ein Stück Land gegeben wird, auf dem sie eine Gesellschaft nach ihren Vorstellungen aufbauen können.
Herr Gauland wird zetern, ne will ich nicht, ich will mein Volk. Er wünscht sich ja ganz Deutschland, was nicht passieren wird.
Aber den Gedanken weitergesponnen, was passiert, wenn die AfD-Anhaenger und ihre Führungsriege unter sich sind? Implodiert das ganze? Zerfleischen sie sich gegenseitig?
Ihr Nährboden sind die „Andersdenkenden“.
Ihr Feind ist aussen.
Ihre Gedanken zum „Trump Phänomen“ sind interessant. Lässt bei den AfD Unterstützern auf einen gewaltigen Minderwertigkeitskomplex schließen. Der seine Ursachen worin hat?
Frau Ernst hat es anders formuliert, tiefe Verunsicherung und Selbstzweifel. Gefühle die den meisten Menschen wohl nicht fremd sind. Der Umgang damit schon. Das könnte ein Punkt sein, wo man ansetzen kann.
Zu Ihrem letzten Absatz, ich weiß nicht wie die Reaktion aussehen muss, damit sie dort auch ankommt.
@ Anna Hartl
– „Habe mit dem Gedanken gespielt was passiert, wenn der AfD ein Stück Land gegeben wird, auf dem sie eine Gesellschaft nach ihren Vorstellungen aufbauen können.“
– Prima Gedanke, gefällt mir.
Mit der kleinen Einwendung, dass das ja schon gibt, sowohl real wie metaphorisch.
Real: Die „national befreiten Zonen“ der Neonazis in Meck-Pom und Sachsen sind ja sowas. Nur, dass die ihnen nicht gegeben wurden. Sie haben sich die einfach genommen, indem sie – gelinde gesagt – andere Menschen weggeekelt haben, meistens schlimmer. Wo sie ihrem Germanenkult frönen u.a. Wenig erbaulich.
Metaphorisch durch Leben in „Informations-Blasen“, die von der Realität mindestens so weit abschirmen wie ein Meer.
Wie sowas endet? Die „Nacht der langen Messer“ 1934 (in der Hitler Röhm und andere konkurrierende „Genossen“ auf seine Art erledigen ließ) gibt darauf eine Antwort. Auch die AfD kennt ja Beispiele (Lucke, Petry); auch wenn es da nicht gleich der „langen Messer“ bedarf.
– „Lässt bei den AfD Unterstützern auf einen gewaltigen Minderwertigkeitskomplex schließen. Der seine Ursachen worin hat?“
– Natürlich kennt jeder „Verunsicherung und Selbstzweifel“. Die meisten aber lernen irgendwann, damit umzugehen, d.h. sie zu akzeptieren und Lösungswege zu suchen.
Nicht so, wer in nationalistischer Ideologie gefangen ist. Der sucht keine Lösungen, er meint sie ja schon zu haben. Verstrickt sich so, weil die Ursachen verdrängt werden, immer tiefer in seiner Ideologie, was nach Entladung ruft: durch Gewalt.
Der Weg von der Ideologie über Billigung der Gewalt (Rostock-Lichtenhagen u.a.) zur Ausübung von Gewalt ist zwangsläufig vorgezeichnet.
Bei Islamisten ist das ja ähnlich. Die haben sich lange (außer gelegentlich die „grauen Wölfe“) mit offenen Gewaltaktionen zurück gehalten – solange sie sich nicht im Besitz der Macht fühlten. Seit Erdogans Machtergreifung ist das anders, und Nicht-Anhänger in türkischen Gemeinden können ein Lied davon singen.
– „Ich weiß nicht wie die Reaktion aussehen muss, damit sie dort (bei Extremisten) auch ankommt.“
– Hier muss ich wiedersprechen. Die Antwort heißt – bezogen auf Extremisten: gar keine. Denn darauf kommt es nicht an.
Die Antwort haben Sie in Ihrem Gedankenexperiment anfangs im Prinzip schon gegeben:
Wer sich bewusst von der „Mehrheitsgesellschaft“ isoliert, der WILL keinen Kontakt, ist schon gar nicht zugänglich für Argumente.
Das kann man nur verstehen, wenn man – gedanklich – die (Gott sei dank!) „normale“ menschliche Ebene, die Empathie kennt, verlässt und sich auf Gedankenwelt des „Untertanen“ (darum handelt es sich im Prinzip) einlässt: Da gibt es nur ein „oben“ und ein „unten“. Wer nicht „unten“ bleiben will, muss sich mit denen „oben“ (den – wie er meint – „Mächtigen“ – siehe Trump) identifizieren und nach weiter „unten“ treten.
Wer da mit „Argumenten“ kommt, zeigt nach einem solchen Schema „Schwäche“, die es brutal auszunutzen gilt (was zugleich das eigene Ego scheinbar bestätigt).
Herrliche Szene dazu in Heinrich Manns „Untertan“ (erschienen 1914!):
„Denn Diederich war so beschaffen, dass (…) die Macht, die kalte Macht, an der er selbst, wenn auch nur leidend, teilhatte, sein Stolz war. Am Geburtstag des Ordinarius bekränzte man Katheder und Tafel. Diederich umwand sogar den Rohrstock. (…)
Denn recht geheuer und seiner Sache gewiss fühlte er sich nur, wenn er selbst die Prügel bekam.“ (dtv,1964, S.8)
Gegenhalten kann hier nur, wer nicht zu „überzeugen“ versucht, sondern als Gegenmacht auftritt, die – auf solche Menschen – durchaus einschüchternd wirkt und eben deshalb dem Untertanen erst „geheuer“ erscheint.
Das zu missachten ist der Grundfehler von denen, die meinen, im Dialog mit solchen Menschen etwas erreichen zu können (was ja auch gescheitert ist). Entscheidend ist, was dieser Machtkampf für andere, Außenstehende bewirkt. Die auch verunsichert werden, wenn die, denen sie vertraut hatten, sich nicht als mächtig und durchsetzungsstark genug erweisen. Oder die Prinzipien „verraten“, nach denen sie angetreten sind.
Exakt das Problem, vor dem die neue GroKo stehen wird.
Ich muss Cem Özdemir gegen die Kritik von Josef Freise, den ich übrigens sehr schätze, in Schutz nehmen. Gerade Cem Özdemir hat eine Biographie, in der er oft genug von Rassisten beleidigt und diffamiert wurde. Insofern sollte man sich zurückhalten, wenn man Cem Özdemir wegen dessen Rede gegen die AfD kritisiert. Was ist es anderes als Rassismus, wenn etwa unter dem skandierenden Beifall des rechten Mobs ausländische Menschen zur Rückkehr in ihre Heimat aufgefordert werden. Es ist die AfD, die Hass sät und ihre menschenverachtenden kruden Thesen bei jeder Gelegenheit unters Volk bringen will. Im Bundestag erleben wir seit der jüngsten Bundestagswahl die Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts durch die AfD. Deshalb muss gerade im Bundestag jenen Menschenverführern Paroli geboten werden. Die Lösung eines Problems beginnt damit, dass man das Problem beim Namen nennt. Der Rassismus, der im Parlament verbreitet wird, wird von der AfD zu verantworten sein und dieses Problem muss man benennen, wenn man gegen die Unmenschlichkeit des rassistischen Gedankenguts Stellung beziehen will.
Josef Freise weist in seinem Leserbrief darauf hin, dass Cem Özdemir in seiner Rede vor dem Bundestag AfDler als Rassisten bezeichnet hat. Laut Herrn Freise hätte er das nicht tun sollen. Dazu ist anzumerken: Eines der größten Privilegien, die Rassismus uns mit auf den Weg gegeben hat, ist, dass wir die Wahl haben, uns mit ihm zu beschäftigen oder nicht. Diese Wahlfreiheit haben von Rassismus Betroffene nicht, sie müssen sich ständig damit auseinandersetzen, ob sie wollen oder nicht. Es ist wohlfeil, wenn ein nicht Betroffener aus privilegierter Position heraus einem Betroffenen Ratschläge zu seiner Wortwahl erteilt.
Noah Sow, die in der FR als „die ideale Gegenspielerin zu Sarrazin“ bezeichnet wird, trägt in ihrem Buch „Deutschland Schwarz Weiß“ Substantielles zur Debatte bei: „Ich fordere, dass Rassismus künftig beim Namen genannt und aktiv bekämpft wird.“ Recht hat sie. Es ist nicht Fremdenfeindlichkeit, Ausländerhass oder was wir uns sonst noch an Begriffen ausgedacht haben, um das Wort Rassismus zu vermeiden. Es ist Rassismus, von dem wir hier reden. Sie empfiehlt Weißen, sich kritisch und lernend damit auseinanderzusetzen und das Gelernte in die Tat umzusetzen. Ihr Buches sei jedem empfohlen, der sich ernsthaft mit Rassismus beschäftigen möchte.
Zu Josef Freises Forderung nach einem respektvollen Umgang mit der AfD: Der Wunsch nach einer harmonischen Lösung für das Problem des Rechtsextremismus ist verständlich, aber unrealistisch. Die Ideologie der AfD-Anhänger ist in letzter Konsequenz tödlich. Wenn sie zum Beispiel eine hermetisch geschlossene Staatsgrenze fordern, so läuft dies letztlich darauf hinaus, dass auf Menschen, die diese illegal überqueren wollen, geschossen werden muss. Was sind AfDler anderes als Rassisten, Antisemiten und Rechtsextreme? Das muss immer wieder glasklar benannt werden. Selbstverständlich sollte ihnen der Handschlag verweigert werden, man sollte AfDler konsequent ausgrenzen. Oder wie soll ich meinen schwarzen Freunden erklären, dass ich Menschen, die diese am liebsten aus dem Land jagen würden, die Hand gebe, gar Smalltalk mit ihnen pflege?
Mein Mitgefühl und meine Solidarität gilt den Minderheiten, die von der AfD ausgegrenzt werden. Ewiggestrige haben die Möglichkeit, sich von ihrer menschenverachtenden Ideologie abzuwenden, aus der AfD auszutreten und sich z. B. in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Die Wortwahl von Herrn Özdemir schränkt niemanden in der Verwirklichung eines Änderungswunschs ein. Im Gegenteil: Wünschenswert ist, dass wir alle uns angewöhnen, Rassismus zu erkennen, ihn als solchen zu benennen und ihm entschieden entgegenzutreten.
Josef Freise schreibt Gedanken, die ich ethisch und menschlich für wichtig und bedenkenswert halte. Die furiose, exorbitante Rede von Cem Özdemir im Bundestag hat mich ebenfalls berührt. Im o.g. Leserbrief wird dazu kritisch und empathisch von dem Schreiber geantwortet. Herzlichen Glückwunsch!
Ich halte es ebenfalls für wichtig, dass ein Mensch niemals mit seinen Worten und Taten vollkommen identifiziert wird. Wenn ein Mitglied einer Partei im Bundestag rassistische Worte in einer Debatte benutzt, sollte der Kritiker den Redner dennoch nicht als Rassist bezeichnen. Der o. g. Autor des Leserbriefes hat Cem Özdemir diesbezüglich einen leisen Vorwurf gemacht. J. Freise zeigt vorsichtig auf, dass dadurch – wenn wir so reagieren – der Andere etikettiert d.h. in eine Schublade gesteckt wird. Dann führen wir selbst so die kritisierte Ausgrenzung weiter. Das ist nicht heilsam für einen friedlichen Umgang miteinander. Beispielhaft bezeugt der Schreiber, wie es besser geht. Dazu: Ein humanes Gericht verurteilt ebenso nicht den “ ganzen“ Menschen, sondern immer nur die Worte/Taten; denn kein Mensch ist durch und durch schuldig, böse oder schlecht. Dem Schreiber des o. g. Briefes stimme ich zu, wenn er dazu auffordert, stets den menschlichen Respekt, die Ehrfurcht vor der Andersartigkeit des Anderen im Umgang zu bewahren. In der christlich en Tradition heißt es: „Wir sind von Natur aus Menschen, die in sich gekrümmt sind. Dennoch: In jedem Menschen gibt es wenigstens einen Punkt, wo jeder Mensch dem Guten zugänglich ist.“
Es ist gut, dass wir über den Umgang mit Rassismus streiten. Ich stimme mit Manfred Kirsch überein, dass Rassismus beim Namen genannt und dass denen, die ihn vertreten, Paroli geboten werden muss. Das hat Cem Özdemir im Bundestag aus eigener Betroffenheit heraus getan und er auch mich damit berührt. Kritisiert habe ich nicht die Rede als ganze, wohl aber den einen Aspekt, Menschen als Rassisten zu bezeichnen. Wir haben gelernt, dass wir Menschen mit Behinderung nicht als Behinderte etikettieren, und ohne Behinderung und Rassismus gleichzusetzen will ich doch auch Menschen mit rassistischen Einstellungen nicht als Rassisten etikettieren oder gar beschimpfen. Ich will um sie kämpfen. Mit Simone Mertsch stimme ich überein, dass es für das Problem des Rechtsextremismus nicht realistisch ist, durch Gespräch eine harmonische Lösung zu finden. Aber mir geht es darum, nicht auf derselben Ebene wie rechtsextreme Menschen zu agieren. Wenn beim AfD- Aschermittwoch in Sachsen-Anhalt die Menge auf André Poggenburgs unsägliche Rede „abschieben“ grölt, antworte ich nicht mit „Nazis raus“. Das Nazidenken muss aus den Köpfen raus, aber wohin will ich die Nazis rausschicken und abschieben? Im Umgang mit Populismus und Rechtsextremismus brauchen wir einen doppelten Weg. Wir müssen klar protestieren und auch das Gespräch abbrechen, wenn Menschen wie bei Poggenburgs Rede rassistisch beleidigt werden, und wir brauchen zugleich einen ehrlichen offenen Dialog mit denen, die vielleicht noch eine gewisse Offenheit haben. Beim Kölner Domforum wurde einmal nach einem Vortrag über den Islam die Veranstaltung ohne Plenumsdiskussion beendet und stattdessen wurde dazu eingeladen, an Stehtischen zu diskutieren. Hintergrund war, dass man stadtbekannten rechtsextremen Teilnehmern keinen öffentlichen Raum für ihre Hetzparolen in der Plenumsdiskussion bieten wollte. Die rechtsextremen Wortführer verließen dann die Veranstaltung; an den Stehtischen wurde aber auch mit AfD-Anhängern intensiv diskutiert. „Was sind AfDler anderes als Rassisten, Antisemiten und Rechtsextreme?“ wurde gefragt. Meine Antwort: Sie sind Menschen und als solche mit der grundsätzlichen Fähigkeit ausgestattet, sich zu ändern. Dass eine Änderung bei möglichst vielen von ihnen geschieht, dazu können wir alle beitragen.
Mit Rechten reden, empfiehlt Josef Freise. „Mit Rechten reden“ lautet der Titel eines aktuellen Bestsellers und Leitfadens für den Umgang mit ebendiesen. Das Mantra vom Zuhören und Reden ist allerorten zu hören. Gebetsmühlenartig wird ein Diskurs mit Rechten eingefordert. Es ist kein Zufall, dass diese Forderung von weißen deutschen Männern kommt. Denn im Unterschied zu den betroffenen Minderheiten müssen sie sich vom Menschenhass der Rechten nicht angegriffen fühlen.
Welche These liegt dieser Forderung zugrunde? Man müsse nur mit Rechten reden, das bessere Argument vorbringen, und hernach ließen sie von ihren menschenverachtenden Einstellungen ab?
Seit Jahren erleben wir, dass Rechte nicht dialogbereit sind, sondern nur ihr krudes Gedankengut verbreiten wollen. Geschickt verstehen sie es, auf Podien ihre Ausgrenzungsphantasien zu inszenieren. Dabei machen sie sich einen Fehlschluss von Vertretern der deutschen Mehrheitsgesellschaft zunutze: Um jeden Preis müsse man reden und zuhören, das Reden an sich stelle einen Wert dar; diejenigen, die vor dem rassistischen und antidemokratischen Gedankengut der Rechten warnen und sich dem Gespräch mit Rechten verweigern, verhielten sich ihrerseits undemokratisch. Welch ein Irrtum. Denn Rechte sind keine diskussionsbereiten Gesprächspartner, und Gesprächsverweigerung gegenüber Einsichtsresistenten ist nicht undemokratisch.
„Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende“, vermeldet der Neu-Rechte Götz Kubitschek. Die jüngste Sitzung des Neuwieder Stadtrates verließ ein AfD-Ratsmitglied vorzeitig und wutentbrannt mit den Worten „Ihr werdet ohnehin verschwinden“. Leserbriefschreiber erhalten anonyme Drohbriefe und -anrufe aus dem AfD-Umfeld.
Warum nimmt man diese Warnungen nicht ernst? Was gibt es da zu reden? Welchen Erkenntnisgewinn soll ein „Diskurs“ mit solchen Leuten erbringen? Welche rechte These ist noch nicht hinlänglich bekannt?
Es ist ein merkwürdiger Impuls, mit Rechten reden zu wollen und nicht zuerst Solidarität mit den Betroffenen von Rassismus zu formulieren. Offensichtlich wird eine Menge Energie darauf verwendet, Rechte verstehen zu wollen. Es wäre viel gewonnen, wenn man sich stattdessen nur annähernd so intensiv darum bemühen würde, Rassismus zu bekämpfen und Gespräche mit denjenigen zu führen, die davon betroffen sind.
Ich plädiere dafür, nicht über jedes Stöckchen zu springen, das uns die AfD hinhält. Im Bundestag z.B. legen sie es doch nur darauf an, zu provozieren. Man sollte ihnen nicht den Gefallen tun, seinen Ärger zu deutlich zu offenbaren. Wenn es beleidigend wird, muss der/die Bundestagspräsident(in) eine Rüge erteilen und der/die nachfolgende Redner(in) kann eine ironische Bemerkung fallen lassen, damit vermeidet man das Aufsehen, um das es diesen Leuten doch zu tun ist.
Was ich für völlig überzogen halte, ist ein Aufgebot von 400 Antifa-Aktivisten, die sich in Hamburg jeden Montag dem mickrigen Aufgebot von 200 Merkel-muss-weg-Demonstranten entgegenstellen. Mit so viel Aufhebens tun man diesen schlichten Gemütern viel zu viel Ehre an. Und wenn einer der Rechten bei einem Gerangel verletzt wird, gelingt es ihnen auch noch, sich als Opfer zu stilisieren.
Guten Tag !
Ich würde Frau Ernst da schon zustimmen. Mir wird einfach zu viel Aufhebens um die AFD gemacht.
Auch innerhalb des Bundestags. Heute Morgen habe ich zufällig eine geschäftsordnungsdebatte auf Phoenix gesehen. Die AFD hatte einen Antrag eingebracht, geantwortet hat ein Abgeordneter der CSU. Nach gefühlt jedem zweiten Satz dieses Abgeordneten hat der gesamte Bundestag (außer natürlich der AFD) applaudiert.
Mir ist das „too much“. Wahrscheinlich ist das „Wir gegen die“ Gefühl schön heimelig (zumal man sich dann ja von ganz links (Die Linke) bis fast ganz rechts (CSU) auch noch einig darin sein dürfte, dass man ja zu den Guten/Edlen/Schönen gehört.
Ich will da mal eine Gegenthese aufstellen (vielleicht nicht wirklich mehrheitsfähig hier).
Das Verhalten im Bundestag heute (und dieses steht ja nur exemplarisch für das „klare Kante“ zeigen, das von einigen Bürgern im Land als Mittel zum Umgang mit der AFD anempfohlen wird) holt doch die Wähler der AFD nicht wieder zurück in die Mitte der anderen Parteien – ich bin zu 100% davon überzeugt, dass das genaue Gegenteil passiert.
Man macht es sich auch viel zu einfach, wenn man jeden, der nur die gleichen Fragen stellt, wie die AFD gleich unter Naziverdacht stellt. Das ist sowohl unpolitisch, weil nicht jedes Problem nur deshalb nicht existiert, nur weil es von der AFD adressiert wird und es ist zudem ahistorisch, weil zwischen der AFD von heute und den Nazis von 1933 schon noch Unterschiede bestehen.
Ob uns hier im FR-Forum das passt oder nicht: Es gibt durchaus einige Bürger, die Ausländer/Flüchtlinge (undifferenziert) als Bedrohung empfinden, die wollen, dass jeder „ausländische“ Ladendieb automatisch und ohne weiteres Verfahren dahin abgeschoben wird, wo er herkommt.
Es gibt eine nicht ganz unwesentliche Zahl von Bürgern, die mit den Diskussionen im Land, die von den Medien, von vielen Bürgern geführt werden, nicht mehr zurecht kommen und sich (mit Grausen) abwenden. Die (ich hatte das an anderer Stelle schon einmal geschrieben) nicht verstehen (wollen), dass der Klimawandel menschengemacht ist, die kein Interesse daran haben, fleischlos zu essen und dann auch noch zwischen vegan und vegetarisch zu unterscheiden, die kein Verständnis dafür aufbringen, dass Schwule heiraten dürfen, die es für falsch halten, dass Kinder in die Kita gehen, weil diese in deren Augen zur Mutter gehören die nicht verstehen, wie jemand von sich behaupten kann, weder Mann noch Frau zu sein, die die „Me too“ Debatte als Produkt eines hysterischen Feminismus ansehen, die Frauenquoten für verrückt halten, die keine Lust haben, den „faulen Griechen“ auch noch den Dauerurlaub unter der ständig scheinenden griechischen Sonne zu bezahlen (und auch nicht verstehen wollen, dass das Geld ja keineswegs an die Griechen sondern an die Banken gegangen ist), die glauben, dass „deutsch sein“ tatsächlich im Sinne einer deutschen Leitkultur gleichbedeutend ist mit fleißig, pünktlich, klug zu sein, die finden das Datenschutz gleich Täterschutz ist und die last but keineswegs least ausrechnen, dass zwar für die „Flüchtlinge“ Milliarden Euro zu Integrationszwecken freigeschaufelt werden, gleichzeitig aber erleben, dass Stadtteilbüchereien geschlossen werden und sie um jeden Cent „mehr Hartz IV“ kämpfen müssen und sich dafür dann auch noch einer als entwürdigend empfundenen Sozialbürokratie unterwerfen müssen.
Die sind doch von Argumenten wie die von Herrn Özdemir vorgetragenen nicht zu erreichen. Das ist genau die Art von „Philosophiequatsch“, den sie nicht mehr hören können und/oder wollen. Die wollen auf der einen Seite tatsächlich den etablierten Parteien (die ihnen dann auch noch den Gefallen tun, sich immer sehr einig zu sein, wenn es gegen die AFD geht, bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit) komplett an insgesamt die „rote Karte“ zeigen (und haben mit der AFD ein Ventil gefunden, mit dem sie das ganz hervorragend bewerkstelligen können).
Um diese Leute zurückzugewinnen, müsste man im Grunde ab sofort darauf bestehen, dass der Klimawandel eine reine Erfindung ist, um die deutsche Automobilindustrie zu knechten, man müsste den Feminismus wieder in die Mottenkiste der Geschichte entsorgen und man müsste die Homoehe wieder abschaffen etc. etc. etc. Das wird man aber sicher nicht machen (mMn auch aus guten Gründen:-).
Wenn es aber in der Sache kaum etwas gibt, das man machen kann (mMn übrigens außer in der Ausländerpolitik, wo man ja tatsächlich mindestens einmal darüber nachdenken sollte, ob es nicht tatsächlich eine Obergrenze für die Aufnahmefähigkeit eines Landes und einer Gesellschaft (selbst wenn diese willig wäre, was sie mMn nur in Grenzen ist) gibt, wo man tatsächlich darüber diskutieren sollte, wer genau denn die (notwendigen) finanziellen Lasten für eine möglichst gelingende Integration tragen soll, und wo man auch nicht verschweigen sollte, dass es nicht nur nette und integrationswillige ausländische Mitbürger gibt, die diese Gesellschaft sogar ohne Zweifel bereichern sondern dass es tatsächlich Menschen darunter gibt, die mit der Gesellschaftsstruktur und mit den Diskussionen die hier geführt werden (witzigerweise) genauso wenig am Hut haben, wie viele AFD Sympathisanten) dann kann man die Bedeutung der AFD nur dadurch schmälern, dass man tatsächlich nicht über jedes Stöckchen springt, was die AFD hin hält.
Einen Teil der Wähler kann man vielleicht durch eigene, ehrliche Konzepte zur „Ausländerproblematik“ (ich hoffe, es weiß jeder, wie der Begriff gemeint ist) einschließlich des Gefühls vieler Menschen in diesem land abgehängt zu sein und des daraus entstehenden Diskurses wieder einfangen. Ich persönlich halte in dem Zusammenhang die Vorschläge von Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine („Es gibt Grenzen der Aufnahmefähigkeit, dies entbindet uns aber nicht von der Aufgabe, sowohl Fluchtursachen zu bekämpfen als auch Hilfe vor Ort zu leisten und hier in Deutschland für eine gerechtere Lastenverteilung zu sorgen!“) für am erfolgversprechendsten.
Daneben sollte man die AFD programmatisch/inhaltlich stellen (die Steuerpolitik der AFD ist ja z.B. noch viel neoliberaler als die der FDP) und ansonsten ganz normal und unauffällig behandeln. Nicht jedesmal zu einem Aufschrei provozieren lassen, nur weil ein AFDler wieder einmal etwas erwartbar provokatives sagt. Nicht jedesmal die „Nazikeule“ rausholen und nicht jedesmal schon den Eimer bereitstellen und sich den Finger in den Hals stecken, wenn die AFD irgendein Problem benennt oder eine Frage stellt- nicht alles ist nur deshalb dumm und falsch, weil es von der AFD kommt.
Ein schönes Wochenende allerseits.
Ergänzung zu A.H.
Es gibt so ein schönes Prinzip in der Pädagogik: Man muss die Schüler da abholen, wo sie stehen.
Darüber, dass das für die neu Hinzugekommenen gelten muss, sind sich viele hier im Blog einig. Unter diesen gibt es nun mal Analphabeten und Leute, denen unsere Grundrechte fremd sind oder die sie gar ablehnen. Wir müssen das akzeptieren und versuchen, sie mit Geduld positiv zu beeinflussen.
Wenn das für Flüchtlinge gilt, warum nicht auch für alteingesessene Mitglieder unserer Gesellschaft?
@ A.H.
Man kann gar nicht genug Aufhebens um die AfD machen! Es ist fahrlässig, diese rechts liegen zu lassen.
@ Jürgen Malyssek
Man lässt die AfD nicht rechts liegen, wenn man sie mit offenen Augen beobachtet (über den Verfassungsschutz) und zur Rechenschaft zieht, wenn ihre Politiker gegen Gesetze verstoßen. Dabei ist es besser, dies mit kühlem Kopf zu tun und nicht bei jedem blöden Spruch gleich in Schnappatmung zu verfallen.
Das führt nämlich leicht zu Lächerlichkeiten, die eher kontraproduktiv wirken. So geschehen unlängst im Bundestag, als Wolfgang Kubicki sich über den Zwischenruf eines AfDlers während einer Rede von Claudia Roth echauffierte und mit Strafanzeige drohte, weil er, Kubicki, verstanden hatte: „Heul weiter!“, während der später konsultierte Tonmitschnitt bestätigte, dass er „Träum weiter!“ gerufen hatte. Kubicki musste sich daraufhin beim AfDler entschuldigen. So etwas sollte man vermeiden, es ist Wasser auf die Mühlen der AfD.
Auch genehmigte Demonstrationen von rechten Gruppierungen sollte man sich nicht körperlich in den Weg stellen. Dadurch setzt man sich nur ins Unrecht und sorgt für weiteren Zulauf bei denjenigen, die sich ohnehin für Verfolgte halten. In einem demokratischen Staat kämpft man mit Argumenten oder mithilfe der Justiz und nicht mit körperlicher Gewalt (auch nicht mit Niederschreien). Man will sich doch nicht auf eine Stufe mit Pegida stellen. Erfolgversprechender ist ein besonnenes Vorgehen allemal.
@ Brigitte Ernst
Bis der Staat reagiert, kann es oft zu spät sein.
Ich halte mich mit meinen persönlichen Erfahrungen mit Rechtsextremen und AfD-Konsorten hier zunächst mal zurück, aber Sie können mir vorläufig abnehmen, dass ich keinen Grund sehe, zurückhaltend gegenüber der AfD zu sein. Was übrigens auch die gefährlichen Äußerungen der AfD-Abgeordneten im Wiesbadener Stadtparlament für mic beweisen.
Das mit dem „kühlen Kopf“ ist gut gemeint, aber es gibt Zeiten, die die Konfrontation nötig machen. Und die sehe ich aktuell. Es sind eben nich nur „blöde Sprüche“, es sind eben auch rassistische und zumindest fremdenfeindliche.
Ich bleibe deshalb bei meiner Aussage, dass es fahrlässig ist, kein Aufhebens um die AfD zu machen.
Im Übrigen spreche ich gar nicht von körperlicher Gewalt bei Demonstrationen gegen Rechts, sondern von Widerstand. Rechtzeitig. Die Justiz muss ihre Aufgaben machen. Ich muss dagegen halten, wenn’s an der Zeit ist. „Besonnenes Vorgehen“ – was heisst das von Fall zu Fall? Mal geht es besonnen, mal geht es nicht.