Es will einfach kein Schwung in den Wahlkampf der SPD kommen. Dabei dürfte das nunmehr erklärte erste Wahlziel, Schwarz-Gelb zu verhindern, doch eigentlich erreichbar sein, auch wenn die SPD nach dem letzten Deutschlandtrend, was die Kanzlerschaft betrifft, chancenlos abgeschlagen ist. Das so genannte „bürgerliche“ Lager liegt bei 50 Prozent (CDU 36, FDP 14), während die SPD zusammen mit Grünen und der Linken 47 Prozent (SPD 24, Grüne 13, Linke 10) der Stimmen bekommen hätte, wenn am vergangenen Sonntag Wahl gewesen wäre. Natürlich sind solche Umfragewerte mit Vorsicht zu genießen, aber sie zeigen deutlich, dass Schwarz-Gelb verhindert werden kann, wenn, ja wenn die SPD endlich loslegen würde, den Wählerinnen und Wählern zu erklären, wofür sie steht und was sie wollen würde, wenn sie den Kanzler stellen würde.
Doch genau hier liegt der Hund begraben, denn die Menschen nehmen der SPD anscheinend nicht ab, dass sie wirklich umsteuern würde. Schließlich ist sie seit elf Jahren in der Regierung. Kanzlerkandidat Steinmeier muss also gewissermaßen Wahlkampf gegen sich selbst machen. Kurz: Die SPD hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Doch statt sich diesem Problem zu stellen, flüchtet sie sich in die Autosuggestion, wie Steffen Hebestreit im FR-Leitartikel feststellt. Auch Brigitte Fehrle analysiert in ihrer Kolumne das Misstrauen der „kleinen Leute“.
Rasmus Ph. Helt aus Hamburg schreibt:
„Der Kommentar bringt es gut auf den Punkt. Die Zugpferde der SPD lahmen, weil es ihnen vor allem an einer klaren politischen Botschaft fehlt. Eine Folge des dominierenden Pragmatismus, der für Visionen der Marke Barack Obama keine Chance lässt, sondern lieber auf halbherzige Kompromisse setzt. Dies kratzt erheblich an der Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten, für Reformen einzutreten, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute kommen. Bestes Beispiel hierfür ist die Ersetzung einer Vermögens- durch eine Reichensteuer, um den oberen Zehntausend nicht zu sehr auf die Füße zu treten. Dabei ließen sich die Einnahmen für eine Bildungsoffensive nutzen, die sämtliche bisherigen Programme in den Schatten stellt!“
Manfred Kirsch aus Neuwied:
„Ich habe die Partei bereits 1994 verlassen, in tiefer Bitternis über die sich damals schon abzeichnende Entwicklung nach rechts. 1993 stimmte die SPD nach harten innerparteilichen Auseinandersetzungen der faktischen Abschaffung einer Perle unserer Verfassung zu, des Grundrechts auf Asyl. Führende Politiker der Partei meinten damals, dem Zeitgeist folgen zu müssen und es zulassen zu können, dass die Asylbewerber in diesem Land noch mehr als schon geschehen diskriminiert werden durften. Gleichzeitig war das sozialdemokratische Parteileben durch eine zunehmende Zahl jener Vertreter einer aalglatten Technokratengeneration geprägt, die Karriere als Selbstzweck und keinesfalls leidenschaftliches Engagement für die sozialdemokratische Idee im Mittelpunkt sah. Genau jene Besitzer eines SPD-Migliedsbuchs waren es, die später dafür gesorgt haben, dass die Partei den verhängnisvollen Weg einschlug, der mit Schröders und Steinmeiers Agenda 2010 in der Katastrophe für die SPD endete. Denn die Diskriminierung von Minderheiten wurde in der rot-grünen Ära von den Flüchtlingen auf die Arbeitslosen und sozial Schwachen ausgedehnt.
Ich fühle mich nach wie vor eng mit der Sozialdemokratie verbunden, und mich packt nach wie vor die rote Wut, wenn neoliberale Zeitgenossen wie Herr Westerwelle über die SPD schwadronieren und in ‚Bild‘ gehetzt wird. Deshalb möchte ich es als konstruktive Kritik verstanden wissen, wenn ich der Partei um ihrer Identität und der Republik willen rate, sich auf ihre Rolle als Oppositionspartei nach dem 27. September einzustellen und dies als große Chance zu begreifen, um eine vollständige inhaltliche und personelle Erneuerung durchzuführen. Das jetzt vorgestellte Kompetenzteam ist ein sicherlich gut gemeinter, aber wahrscheinlich zum Scheitern verurteilter Versuch, den Gang in die Opposition zu verhindern. Doch die SPD wird nur dann Zukunft haben – und das muss sie –, wenn sie wieder glaubwürdig ihre Kompetenz in Fragen der sozialen Gerechtigkeit, Sicherung von Bürgerrechten und gesellschaftlicher Demokratio vermitteln kann. Solidarität und das Streben nach einer Gesellschaft des demokratischen Sozialismus müssen wieder das deutlich wahrnehmbare Markenzeichen der SPD werden.“
Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:
„Wie viele Kommentatoren eilt auch Steffen Hebestreit ans Krankenbett der SPD … und verschreibt als Medizin für einen erfolgreichen Wahlkampf vor allem Aufrichtigkeit. Es bringe nichts, sich auf einen ‚Lager-Wahlkampf‘ gegen das Gespenst von Schwarz-Gelb einzulassen, sondern es gelte, die Stärken der SPD im Umgang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise und die Schwächen der Union mit ihrem langweiligen Wertepalaver herauszustellen.
Was Hebestreit den ihm notwendig erscheinenden ‚Zumutungswahlkampf‘ nennt, hat nur den Haken, dass ‚Blut, Schweiß und Tränen‘ beim Wahlvolk gar nicht gut ankommen. Eher wohl kommen die Sprüche von FDP, CSU und Teilen der CDU in Sachen „aberwitziger Steuersenkungsversprechen“ an, auch wenn viele Mitbürger an deren Finanzierbarkeit nicht glauben. Das Thema Schuldenabbau eignet sich leider auch nicht dazu, der SPD geneigte Wähler an die Urne zu locken, und der Umbau des Finanz- und Wirtschaftssystems in Richtung auf mehr Stabilität ist ein Makrothema, das sich ebenfalls nicht für flotte Wahlkampfsprüche eignet. Was aber das Wahlvolk wirklich interessiert, ist, was diese Partei konkret unter „sozialer Gerechtigkeit“ und Solidarität versteht. Denn das Verfolgen dieses gesellschaftspolitischen Oberziels unterscheidet die SPD nach wie vor maßgeblich von CDU/CSU und FDP.“
Rudi Brenzinger aus Böbingen:
„Die Art der Umfragen zu den Befindlichkeiten und der Beliebtheit der Parteien zeigt auch bei Redakteuren der FR ihre Wirkung. So schreibt Steffen Hebestreit in seinem Leitartikel: ‚Dabei wäre frisches Blut und ein Aufbruchsignal so wichtig für eine Partei, zu der sich inzwischen in Umfragen bestenfalls jeder vierte Deutsche noch bekennt. Darf man eigentlich dann noch von der Volkspartei SPD sprechen?‘
Geht man von allen (wahlberechtigten!) Deutschen aus, entsteht ein anderes, nämlich ein realitätsgerechteres Ergebnis. Die Europawahl mit ihren 57 Prozent Nichtwählern brachte für die SPD ein Resultat von unter neun Prozent aller Wahlberechtigten. Damit hat sich nicht mal jeder zehnte Deutsche zu dieser Partei bekannt. Deshalb ist die rhetorische Frage, ob man bei der SPD noch von einer Volkspartei sprechen könne, eindeutig zu beantworten: Nein!“
Jürgen W. Fritz aus Frankfurt:
„Dieser Betrachtung kann ich gut zustimmen. Wie wahr der Satz ist: ‚Niemand hat die SPD dazu gezwungen, sich so zu benehmen, dass die kleinen Leute das Gefühl bekommen mussten, es wäre ihrer Partei wichtiger, am Tisch der Reichen willkommen zu sein als in ihren Wohnstuben.‘
Nehmen wir als Beispiel die neue Forderung, den Spitzensteuersatz von 45 auf 47 Prozent zu erhöhen, wie gerade jetzt wieder der sozialdemokratisch Finanzminister forderte. Da setzt die SPD mal wieder auf das kurze Gedächtnis ihrer Wähler. In den siebziger Jahren unter Brandt und Schmidt lag der Spitzensteuersatz noch bei 56 Prozent! Und beim Amtsantritt des Genossen Schröder bei 53 Prozent, dann ging’s locker nach unten, zum Januar 2005 senkten die Sozialdemokraten zusammen mit den Grünen den Satz gar auf 42 Prozent. Da kann man jetzt leicht wieder mal – zur Beruhigung seiner Wähler – eine Erhöhung fordern.
Wer wundert sich da noch, dass die ‚kleinen Leute‘ dieser Partei mit Misstrauen begegnen, ihr den Rücken drehen oder einfach ganz zu Hause bleiben?“
Peter Furlbach aus Dortmund: “
Ich beobachte mit Erschrecken die Entwicklung der SPD. Ich habe auch Funktionsträger darauf hingewiesen, dass ein weiterer wichtiger Aspekt demnächst wie ein Bumerang auf die Partei zurückschlägt.: die Überalterung und die Nichtbeteiligung junger Menschen. Versuche, dem zu begegnen, sind (endlich) im Gange, doch werden sie offenbar nur zäh angenommen. Der Grund: die Glaubwürdigkeitskrise.
Besuchen Sie mal SPD-Ortsvereine. Der Normalzustand scheint zu sein, dass ein Haufen alter, dickbäuchiger Schrebergärtner (95 Prozent Männer) mit Bratwurstgeruch beim Pils zusammensitzen und in Hinterzimmern über die eigene Hilflosigkeit, das Unrecht der kapitalistischen Entwicklung sowie die Anschaffung und Farbe neuer Pflanzkübel vor dem Gemeindehaus debattiert.
Mit dieser Partei ist – leider – kein Staat mehr zu machen. Sie muss sich von ganz unten reformieren oder auf das Scheitern der anderen hoffen. Letzteres scheint der derzeitige Weg der Hoffnung dieser Führungsriege zu sein. Es ist ein Jammer, dass die SPD bei einer so schlechten Alternative, wie Schwarz-Gelb sie uns verheißt, keine Menschen bewegt.
Mein Vorschlag zur Lösung der Glaubwürdigkeitskrise: Die komplette Erneuerung der gesamten Führungsriege der SPD sowie die Neugestaltung und Öffnung der Strukturen an der Basis, um Bürger zur Mitwirkung zu bewegen. Eigentlich müsste man diese Partei neu erfinden/gründen.
Ich wünsche, dass Sie weiter arbeiten, um die SPD aufzuwecken.“
Traurig! Das mit der Volkspartei geht bei der SPD wahrscheinlich zu Ende. Dabei könnte gerade sie in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise neuen Schwung holen und die Richtung weisen. Aber anscheinend hat sie die falschen Protagonisten, denen man einen solch neuen Aufbruch nicht abnimmt. Wie auch? Sind Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat doch immer noch zu sehr mit der Agenda 2010 verbunden. Diese Partei lässt sich von der CDU, insbesondere von einer Frau Merkel den Schneid abkaufen. Wer hätte das vor vier Jahren gedacht?
Habe die SPD im vorigen Jahr nach 28 Jahren Mitgliedschaft verlassen. Diese Partei geht von ihrer geistigen Substanz her schon lange in Auflösung über. An der Basis eine Rentnerpartei, die der guten alten Zeit (60er/70er Jahre) nachtrauert, während die Funktionärsebene von vielen Karrieristen durchsetzt ist. Die heutigen Jusos sind angepaßt und jämmerlich.
Und die „Spitzen“-Mannschaft ? Sie wissen nicht, was sie tun sollen, und haben ein Gespür dafür, immer genau das falsche zu tun.
Beispiel: Vor der Europawahl will man sich als Arbeitsplatz-Retter aufspielen, indem man maroden Großkonzernen Milliarden Steuergelder hinterherwirft, und verkauft dies als zukunftsweisende Politik. Das resignierte Kopfschütteln vieler Wähler ist von Münte & Co. immer noch nicht wahrgenommen worden, stattdessen meint man, das alles nur nicht richtig „vermittelt“ wurde.
Aufgrund der Duckmäuser-Diskussionskultur in der SPD ist dieses Verhalten aber nicht überraschend. Schade, dabei liegen die Themen auf der Hand: Bildungsoffensive, Mindestlohn, Banken an die Kandarre nehmen – warum fordert kein Sozialdemokrat die Verstaatlichung der Banken ? Und der Umweltschutz (Klimawandel) ? Kein Interesse bei der SPD, man muß ja Autokonzerne retten.
So geht es weiter bergab mit der SPD, schade…
„Besuchen Sie mal SPD-Ortsvereine. Der Normalzustand scheint zu sein, dass ein Haufen alter, dickbäuchiger Schrebergärtner (95 Prozent Männer) mit Bratwurstgeruch beim Pils zusammensitzen und in Hinterzimmern über die eigene Hilflosigkeit, das Unrecht der kapitalistischen Entwicklung sowie die Anschaffung und Farbe neuer Pflanzkübel vor dem Gemeindehaus debattiert.“
Der Dortmunder Schreiber hat ja so Recht! Kann diese Inhaltslosigkeit in den SPD-Ortsvereinen leider nur bestätigen. So wird das nichts! Aber man sollte nicht vergessen, wer für diese „Hilflosigkeit“ auch zuständig war/ist.
Das sind die Vorsitzenden in den diversen Gremien der vergangenen Jahre. Sie dachten nur an ihre eigene sichere gutbezahlte Position nebst Pensionsanspruch, die sie erreichen wollten. Die war aber nur zu bekommen, wenn man sich überall mit „Jubelpersern“ umgab.
Kreative und ehrliche Genossinnen und Genossen waren nicht gefragt, ja sie wurden weg-/raus-geekelt. Sie hätten nämlich unter Umständen den angestrebten Posten im öffentlichen Dienst gefährden können!
Mit dem alten „Personal“ wird’s nicht mehr aufwärts gehen können. Und das neue ist noch weit entfernt, sich in einer absteigenden Partei zu engagieren. Die mögen nämlich gar keinen „Bratwurstgeruch“ sondern kreative, ehrliche und zielorientierte Taten – und die sind derzeit (noch) nicht gefragt: sondern immer noch nur taktische Spielchen für ein paar Prozentchen mehr bei der Wahl.
„Besuchen Sie mal SPD-Ortsvereine. Der Normalzustand scheint zu sein, dass ein Haufen alter, dickbäuchiger Schrebergärtner (95 Prozent Männer) mit Bratwurstgeruch beim Pils zusammensitzen und in Hinterzimmern über die eigene Hilflosigkeit, das Unrecht der kapitalistischen Entwicklung sowie die Anschaffung und Farbe neuer Pflanzkübel vor dem Gemeindehaus debattiert.“
Der Dortmunder Schreiber hat ja so Recht! Kann diese Inhaltslosigkeit in den SPD-Ortsvereinen leider nur bestätigen. So wird das nichts! Aber man sollte nicht vergessen, wer für diese „Hilflosigkeit“ auch zuständig war/ist.
Das sind die Vorsitzenden in den diversen Gremien der vergangenen Jahre. Sie dachten nur an ihre eigene sichere gutbezahlte Position nebst Pensionsanspruch, die sie erreichen wollten. Das war aber nur zu bekommen, wenn man sich überall mit „Jubelpersern“ umgab.
Kreative und ehrliche Genossinnen und Genossen waren nicht gefragt, ja sie wurden weg-/raus-geekelt. Sie hätten nämlich unter Umständen den angestrebten Posten im öffentlichen Dienst gefährden können!
Mit dem alten „Personal“ wird’s nicht mehr aufwärts gehen können. Und das neue ist noch weit entfernt, sich in einer absteigenden Partei zu engagieren. Die mögen nämlich gar keinen „Bratwurstgeruch“ sondern kreative, ehrliche und zielorientierte Taten – und die sind derzeit (noch) nicht gefragt: sondern immer noch nur taktische Spielchen für ein paar Prozentchen mehr bei der Wahl.
Hier scheint sich der Fanclub von Petra Mies (FR-Autorin) eingefunden zu haben, die dickbäuchige Männer voll nervig findet (Artikel in der FR).
Mal von den miesmachenden Ansichten weg…
Das schrieb am 06.08. Bettina Winsemann in telepolis.
Und wenn man nur das von heute zum Frühstück nimmt, was so aus den Riehen der SPD an Wortmeldungen zu lesen ist – bei heise folgten daraufhin schon 700 Wortmeldungen -, es gibt nur einen Grund sich bei der SPD ein Fähnchen abzuholen – sie ist eine 08/15-Partei (Sinnspiel mit einer Werbung).
In Oberrad werden sie wieder in einem Hinterhof sitzen und Klagelieder anstimmen.
(rü am 09.03.2007)