Rosenkrieg an der Förde

Wenn der Bär ein Kieler wäre, dann würde er jetzt steppen. Denn an der Förde da oben geht es rund. Der schleswig-holsteinische Brummbär-MP Carstensen lässt die Koalition mit der SPD platzen und setzt die SPD-Minister vor die Tür, ohne dass es eine ordentliche Amtsübergabe an die Interims-Minister gibt. Das ist sicher im Interesse der Menschen. Doch so ist das, wenn labile Beziehungen, die über Gebühr lange zusammengehalten werden, mit einem Ruck zerbrechen: Dann werden die Rechnungen präsentiert, dann herrscht Rosenkrieg. So wie zwischen Carstensen und seinem Widersacher und Herausforderer Stegner von der SPD, der auch mal Minister war. 

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die Landesbank dort im Norden, die HSH, die von den Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg vor dem Kollaps bewahrt worden war, und die Bonus-Millionen für HSH-Chef Nonnenmacher. Wer wusste wann was über die Bewilligung dieser Millionenzahlungen? Die CDU behauptet, die SPD habe zugestimmt. Tatsächlich hatte Finanzminister Wiegard (CDU) am 23. Juni in einem kurzen Telefonat mit Innenminister Hay (SPD) eine Reihe von fünf Punkten angesprochen, darunter an vierter Stelle die Sonderzahlung für den Bankchef. Nach eigenen Angaben erklärte sich Hay damit „grundsätzlich einverstanden“, weil diese Lösung günstiger gewesen sei als eine mögliche Kündigung Nonnenmachers. SPD-Frontmann Stegner behauptet trotzdem, dass die SPD nicht zugestimmt habe, und geht in die Offensive: Carstensen habe gelogen; er hatte in einem Brief an den Kieler Landtag vom 10. Juli behautet, die Spitzen beider Koalitionsfraktionen hätten der Angelegenheit zugestimmt. Es geht um 2,9 Millionen Euro, die Nonnenmacher vertragsgerecht zustehen, obwohl das Gehalt von Managern einer Bank, die Staatshilfe erhält, auf jährlich 500.000 Euro gedeckelt wird.

Und es geht natürlich um Neuwahlen. Möglichst am Tag der Bundestagswahl, wenn es nach Carstensen geht. Was er sich davon wohl verspricht? FR-Leser Albert Alten aus Wernigerode hat ein klares Bild:

„Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) bleibt ein politischer Trickser in der unrühmlichen Tradition seines CDU-Vorgängers Uwe Barschel: Er nutzt die Gunst der Stunde und das SPD-Umfragetief, um zeitgleich zur Bundestagswahl im September den Kieler Landtag neu wählen zu lassen,
um mit der FDP eine neue Koaltion eingehen zu können. Seine verbalen Querschüsse und seine Blockadepolitik auf die Frage, wer wann was von der 2,9-Millionen-Bonuszahlung an den HSH-Nordbankchef wusste, sind kein gutes Omen für die politische Kultur in Schleswig-Holstein.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg meint:

„Die SPD kann aus der Entscheidung von Ministerpräsident Carstensen, alle SPD-Minister der Regierung in Schleswig-Holstein zu entlassen nur einen einzigen Schluß ziehen: sie muß in den Bundestagswahlkampf mit dem erklärten Ziel ziehen, auf keinen Fall – wie auch immer das Ergebnis der Bundestagswahl sein wird – eine erneute Große Koalition mit der CDU zu schließen. Die Wähler müssen klar vor Augen haben, dass sie eine eindeutige Richtung vorgeben müssen. Entweder schwarz/gelb oder rot/grün. Im Interesse ihrer eigenen Existenz darf die SPD sich nicht an ein Regierungsmandat klammern sondern muß sich – ggf. durch sich einen scharfen Kurs – in der Opposition regenerieren. Die Union ist vor allem an ihrer Schwachstelle anzugreifen. Diese Schwachstelle besteht darin, dass CDU/CSU letztlich dem Neoliberalismus eben doch nicht abgeschworen haben und das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes im Grunde aushebeln wollen.“

Rasmus Ph. Helt aus Hamburg:

„Ralf Stegner schätzt die Lage richtig ein. Die Sozialdemokraten sitzen beim Termin von Neuwahlen am kürzeren Hebel und müssen sich deshalb auf eine sachpolitische Auseinandersetzung konzentrieren. Ein Klartext-, anstatt eines Personenwahlkampfes, der die unterschiedlichen Positionen auf den Punkt bringt und die einzelnen Haltungen hinterfragt. Denn nur so wird es gelingen, den bisherigen Ministerpräsidenten, der wie ein Fels in der Brandung steht, zu Fall zu bringen. Eine Ausgangssituation wie im Bund, wo Angela Merkels Achillesferse vor allem ihre Inhalte sind!“

Michael Gerke aus Dortmund:

„Die zurzeit von schleswig-holsteinischer Regierungsseite inszenierte Komödie vom Schlagen und Vertragen mal beiseite: Übrig bleiben die Fragen nach vernachlässigter Aufsichtspflicht gegenüber dem Kernkraftwerksbetreiber Vattenfall und der Genehmigung von ‚Sonderzahlungen‘ an einen Landesbankchef.
Ersteres dürfte ohne Zweifel für die Verdächtigen ausgehen, da die Unzuverlässigkeit Vattenfalls sich erst erweist, wenn mal wieder geschlampt worden ist und keine Regierung einen Betreiber auf Verdacht sanktionieren darf. Letzteres allerdings dürfte die dritte Gewalt ins Spiel bringen: Erfüllt die von Regierungschef Carstensen genehmigte ‚Sonderzahlung‘ an Landesbankchef Nonnenmacher den Tatbestand des Betruges oder, falls SoFin-Gelder verwendet werden, sogar des Subventionsbetruges, jeweils in einem besonders schweren Fall? Wurde vielleicht sogar im Amt das Recht gebeugt? – Fragen, die über das Land hinausgehen und sicher nicht hinreichend in einem (politischen) Untersuchungsausschuss geklärt werden können.“

Joachim Bovier aus Frankfurt sieht die ganze Sache anders:

„Der Ministerpräsident Carstensen ist ein aufrechter Mann klarer Positionen. Mit der Entlassung der SPD Minister aus der Landesregierung hat er eine logische, fast zwangsläufige Konsequenz gezogen. Wer wie die SPD im Landtag gemeinsamen Vereinbarungen mit der CDU zwar formal zustimmt, diese aber gleichzeitig außerhalb öffentlich bekämpft, kann an einer Fortsetzung der Koalitions-Regierung kein Interesse haben. Hinzu kommt das permanent impertinente Verhalten des SPD Partei- und Fraktionsvorsitzenden Stegner. Man kann den Ministerpräsidenten nur beglückwünschen, sich nicht weiter von anmassenden Sozis auf der Nase herumtanzen zu lassen. Schon der Respekt vor dem Amt, insbesondere aber persönliche Ehre und Selbstachtung geboten so zu handeln. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Verwunderlich ist doch nur, dass so viele inzwischen offenbar ein Politikerbild verinnerlicht haben, dem die weichgespülten Gesichter des Berliner Politikbetriebs, die eigene Positionen zur Unkenntlichkeit verleugnen können, offenbar normal erscheinen.

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4 Kommentare zu “Rosenkrieg an der Förde

  1. Pack häscht sich, Pack verträscht sich

    Auf Platz 14 der heute beliebtesten News in DE steht:
    SPD-Chef Stegner schließt Neuauflage der Koalition nicht aus

    Ich habe das ja nur am Rande verfolgt, die Posse im Norden. Trost ist: Wir in Hessen sind wenigstens nicht einzigen verdummtbohnerten Bewohner in Deutschland. Jetzt rennt der SPD-Heinzel rum und sinniert wieder über eine Ehe nach der Wahl mit der CDU, die er tags zuvor noch für alle Lebenslagen disqualifiziert hat. Dabei wird es so sein, daß Guido mit seiner Ehrlichkeit sie alle überholt. Aber man weiß es ja nicht wirklich, DE guckt ja auch immer noch das Liebesleben in Container in der wievielten Auflage?
    Morgen wird in den TopNews sein, daß Frau v.d.L. den Benimmcodex für das Internet fordert. Die Frauen in Berlin gehen da mächtig zu Werke, damit wenigstens einer in Deutschland anständig und zum Vorbild für Welt wird.

    PS: Die Medienmarke FR taucht leider nicht in beliebtesten News auf Seite 1 auf, da muß was gemacht werden, lieber Geschäftsführer der FR. Klickfänger alleine sind es nicht, die es richten.

  2. versteinerte mienen sagen eigentlich alles. vor allem die von stegner. der hat ja die mundwinkel runtergezogen, als wär er eine art sozi-merkel. der weiß jetzt schon, dass das in die hose geht und dass er sich dann einen neuen job suchen muss. es ist wirklich eine schande, wirklich wirklich. der ist ja anscheinend doch ein intelligenter mann, aber er hat sich verrannt. hat sich verbissen in diesen eider-sturkopf an dem er sich nun misst

  3. Ob die geneigte Deutsche Öfentlichkeit sich irgendwann auch wieder Sachfragen zuwendet? Ich denke spätestens wieder 2013.

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