Ein paar Schreibtipps für Ihren 68er-Bericht

Es gibt eine erfreuliche Resonanz auf unser Projekt „Wie war Ihr 1968?“ Ein knappes Dutzend Beiträge sind bereits eingetroffen, die hier im Blog geposteten mitgezählt. Das freut mich deswegen sehr, weil es natürlich eine Menge Arbeit für Sie bedeutet, sich hinzusetzen und diese Dinge aufzuschreiben. Zudem ist es damit allein nicht getan. Ich kann mir vorstellen, wie es so Mancher und so Manchem unter Ihnen geht, sobald Sie am Schreibtisch sitzen: Wo soll ich anfangen mit dem Erzählen? 1968 war für manche sicherlich ein Jahr voller prägender Erlebnisse.

Hinzu kommt noch etwas anderes: Vermutlich werden Sie sich auch fragen, wie Sie Ihren Text kompatibel für die Veröffentlichung in der gedruckten FR machen. Das fängt bei der Platzfrage an. Tatsächlich: Fürs gedruckte Leserforum liegt die Obergrenze bei 4500 bis 5000 Zeichen. Das ist nicht viel, wenn die ganze Erinnerung Platz finden soll. Daher mein erster Tipp:

  • Nehmen Sie nicht das Print-Leserforum als Maßstab, sondern das FR-Blog!

Die Veröffentlichung Ihrer Erinnerung in der gedruckten Zeitung ist natürlich eine schöne Sache, aber Ihr Text wird mehr sein als „nur“ Ihre Erinnerung: Er wird ein Zeitzeugenbericht sein. Und der ist im FR-Blog bestens aufgehoben, denn hier ist er quasi für die Ewigkeit konserviert. Na gut, ich übertreibe ein wenig, aber nur um zu zeigen, dass die Gesetze einer Print-Veröffentlichung für Ihren Bericht nicht gelten müssen. Hier im FR-Blog ist Platz, durchaus auch für umfangreiche Texte. Für das gedruckte Leserforum wähle ich gern einen geeigneten Auszug aus, der dann mit dem dazugehörigen Link veröffentlicht wird. Und wenn die Leserinnen und Leser die Tageszeitung am nächsten Tag ins Altpapier geben, steht Ihr Bericht trotzdem noch im world wide web.

Nun zum Schreiben selbst. Vielleicht kann ich als Romanautor Ihnen ein paar Tipps geben. Ich kenne mich recht gut aus mit dem Organisieren umfangreichen Materials. Auch aktuell sitze ich wieder vor einem solchen Haufen, denn ich habe gerade begonnen, an meinem Roman Evan – Virenkrieg IV zu arbeiten, in dem Schicksale des Jahres 2025 mit dem Attentat auf John F. Kennedy verwoben werden. Wie bei den Vorgängerromanen des Virenkrieg-Zyklus weiß ich momentan auch diesmal wieder nicht, wo mir gerade der Kopf steht. Aber ich weiß, dass ich das alles bewältigen werde, wenn ich so vorgehe, wie ich es hier auch Ihnen nahelege. Es kann sein, dass meine Ratschläge für Sie nicht praktikabel sind, aber versuchen können wir es ja mal.

Wenn ich vor einem Materialberg sitze und nicht weiß, wo ich ansetzen soll, dann mache ich Folgendes: Ich nehme die drängendste Szene – in Ihrem Fall vielleicht gleichzusetzen mit der wichtigsten 68er-Erinnerung – und beginne, darüber zu schreiben. Ich fange einfach an. Also:

  • Schieben Sie alle Bedenken beiseite und legen Sie mit dem los, was Ihnen am Wichtigsten erscheint!

Es wird sich vermutlich um irgendein Erlebnis mittendrin handeln. Dann kommt der Gestaltungsprozess möglicherweise von ganz allein in Gang. Jede Szene, jede Erinnerung ist die Folge von Entwicklungen, die vorher stattgefunden haben. Das heißt, Sie fangen an, sich in die Schichten Ihrer Erinnerung zu graben, ähnlich wie ein Archäologe. Die Folge ist, dass Sie den Text später werden überarbeiten müssen. Trotzdem:

  • Fangen Sie nicht mit dem Anfang an, sondern mit etwas Konkretem, auch wenn es mittendrin ist!

Und gleich der nächste Tipp hinterher:

  • Denken Sie beim Schreiben nicht an Ihre Leser, sondern nur daran, was Ihnen wichtig ist!

Dieser innere Zensor – die Leser oder was man dafür hält – kann beim Erschaffen solcher Texte ausgesprochen störend sein. Und nichts anderes ist das, was Sie da vorhaben: ein Schöpfungsprozess. Dabei lässt man sich nicht über die Schulter gucken. Später aber, wenn Sie meinen, alles Wichtige aufgeschrieben zu haben, sollten Sie Ihren Text überarbeiten. Und jetzt, aber erst jetzt fragen sie sich nach der Wirkung auf die Leserschaft. Vielleicht sind ja Erinnerungen dabei, die so nicht in die Öffentlichkeit sollten?

An diesem Punkt des Prozesses komme ich ins Spiel, denn vor der Veröffentlichung im Blog und Leserforum schaue ich mir Ihren Text natürlich an, so wie ich das auch mit Leserbriefen mache. Und dann bekommen Sie möglicherweise Feedback. Es kann sein, dass ich Ihnen durchgebe: Dies und das geht so nicht.

Aber: Ich bin kein Lektor! Ich werde nicht mit Ihren Texten arbeiten, wie Verlage das vor Veröffentlichungen machen. Ihr Bericht ist für mich ein urheberrechtlich geschütztes Dokument, genauso wie jeder Leserbrief. Ich darf einen Auszug wählen und für die Veröffentlichung zurechtkürzen, das ist alles.

Einen Anspruch auf Veröffentlichung gibt es übrigens nicht. Ich muss die Veröffentlichung jederzeit vor meiner Chefredaktion vertreten können, die immerhin presserechtlich dafür verantwortlich ist, was in der Zeitung und den anderen Publikationen der FR erscheint. Das heißt: Es kann passieren, dass ich eine Veröffentlichung ablehne. Das kommt bei Leserbriefen und Blog-Kommentaren durchaus vor. Aber ich glaube nicht, dass wir solche Probleme bekommen. Ich spreche diesen Punkt nur für alle Fälle an.

SC UllrichNun sind wir mit dem Text fertig, und es geht ans Gestalten. Hier rechts sehen Sie einen Screenshot von der Leserforum-Seite vom 19. Dezember 2015 mit dem Beitrag von Josef Ullrich zum FR-Projekt „Ankunft nach Flucht“ (draufklicken vergrößert). Inzwischen hat die FR ein neues Layout, aber bestimmte Prinzipien für eine solche Veröffentlichung gelten auch weiterhin. Ich brauche außer Ihrem Text

  • ein Bild von Ihrer Person (wenn ich es nicht schon habe)
  • Angaben zu Ihrer Person für die Infobox
  • und, am wichtigsten, ein Hinguckerbild

Dabei sollte es sich um ein Bild handeln, das mit dem Inhalt Ihres Textes in Beziehung steht. Also um ein Bild aus Ihrem Fundus, das Sie uns für die Veröffentlichung im Print und Blog und zur Illustrierung Ihres Artikels honorarfrei zur Verfügung stellen. Für die Illustrierung längerer Texte hier im FR-Blog dürfen es gern mehrere Bilder sein. Es kommen aber auch andere grafische Elemente infrage, etwa Scans von Flugblättern, die Sie vielleicht einmal verteilt haben. Das hängt davon ab, was Sie von damals noch besitzen.

Wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstellen, werden wir im Jahr 2018 regelmäßig Zeitzeugenberichte aus dem Kreis unserer Leserinnen und Leser im Leserforum veröffentlichen, die belegen, wie wichtig und umwälzend das Jahr 1968 war. Darauf freue ich mich sehr.

Bitte mailen Sie mir Ihre Texte an die Mail-Adressen, die täglich im Print-Leserforum veröffentlicht werden!

  • Ich hoffe auf rege Teilnahme!

Ihr Lutz „Bronski“ Büge

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