Nun ist sie also im Bundestag, diese Partei, die sich selbst als „Alternative für Deutschland“ bezeichnet. Es ist schon viel darüber geschrieben worden, dass sie in Wahrheit eigentlich keine Alternative bietet, aber wir werden nun nicht mehr darum herumkommen, uns damit zu beschäftigen, was die AfD politisch auftischt. Jedenfalls dann nicht, wenn sie im Bundestag versuchen sollte, ernsthafte politische Arbeit abzuliefern. Das lassen wir mal auf uns zukommen. Ehrlich gesagt: Ich hatte mit einem wesentlich deutlicheren Ergebnis für die AfD gerechnet. Jene 12,6 Prozent sind nicht allzu viel angesichts des Feuerwerks an Provokationen, das die Protagonisten der Partei vor der Wahl abgebrannt haben – vom kalkulierten Eklat bei einer Vorwahl-Diskussion bis zu Gaulands „Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Von „Bernd“ Höckes Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Kehrtwende um 180 Grad“ ganz zu schweigen. Kann mir jemand sagen, was eine Kehrtwende anderes sein sollte als eine Wende um 180 Grad?
Es sind Debatten von gestern, die die AfD einsetzt, um heute zu provozieren. Debatten, die längst abgeschlossen sind und die niemanden mehr interessieren außer (vorwiegend) Männer in Ostdeutschland, die anscheinend von der Angst vor Identitätsverlust getrieben werden. Über die Verbrechen der Wehrmacht ist seit der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944″ und ihrer Fortsetzung alles gesagt. Sollte es noch Klärungsbedarf geben, dann unter Historikern. Debatten wie diese taugen heute nicht mehr zur Profilierung, außer in den Köpfen einiger Ewiggestriger. Zum Wahlerfolg der AfD dürften sie wenig beigetragen haben. Nachwahlanalysen der ARD haben ergeben, dass 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler, die AfD gewählt haben, von ihrer Enttäuschung über andere Parteien, vor allem der CDU, dazu motiviert worden waren, ihr Kreuzchen ebenda zu machen. Das heißt, dass der harte Kern der AfD-Wählerschaft derzeit bei gerade mal fünf Prozent liegt.
Immerhin, fünf Prozent plus der Stimmen der Enttäuschten macht 93 Abgeordnete. Ursprünglich waren es mal 94, aber die Parteichefin Frauke Petry trat am Tag nach der Wahl aus der sich eben konstituierenden AfD-Fraktion aus und hat inzwischen auch die Partei verlassen. Sie will ihr Mandat als fraktionslose Abgeordnete wahrnehmen. Vielleicht bekommt sie noch Verstärkung. Sie hatte schon im Vorfeld Verständnis dafür erkennen lassen, dass bürgerliche Wähler sich unter anderem wegen Gaulands Wehrmachtsgeschwurbel von der AfD abwenden könnten. Petry hat einst von Parteigründer Bernd Lucke eine nationalkonservative AfD übernommen, doch das ist die Partei heute in weiten Teilen nicht mehr.
Ob diese 93 AfDler wohl in der Lage sind, vom Bundestag aus etwas gegen die von ihnen so empfundene Islamisierung Deutschlands zu unternehmen? „Wir holen uns unser Land und unser Volk zurück!“, hatte Gauland am Wahlabend versprochen. „Unser Volk“? Von wem sprach er da? „Unser Land“? Mit Verlaub, da hätte ich ein Wörtchen mitzureden, denn Deutschland ist auch mein Land. Falls Gauland Deutschland gemeint hat. Man weiß ja nie. Vielleicht hat er auch Gauland gemeint.
Trotzdem steht die Frage im Raum: Wie soll man nun mit dieser AfD umgehen? Einfach hoffen, dass sie sich selbst zerlegt? Doch wenn sie uns diesen Gefallen nicht tut? Es wird wohl durchaus eine Auseinandersetzung stattfinden müssen, irgendwie. Möglicherweise hat der ehrwürdige Bundestag ja eine zivilisierende Wirkung auf die Radaubrüder, die sprachlich gern hart hinlangen. Darüber hinaus könnte ich mir vorstellen, dass jener Weg der richtige ist, der im westfälischen Münster gegangen wurde. Der Wahlkreis 129 ist der einzige bundesweit, in dem die AfD unter fünf Prozent geblieben ist. Warum, dazu hat Holger Voss aus Münster im dritten der nun folgenden Leserbriefe eine Theorie, die recht überzeugend klingt.
Bernhard Erkelenz aus Solingen meint:
„Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen“ – so Alexander Gauland (AfD) mit Blick auf die NS-Zeit. Vor 35 Jahren, als Gauland noch hessisches CDU-Mitglied war, vertrat Alfred Dregger (seit 1940 NSDAP-Mitglied, nach 1945 zahlreiche politische Ämter, u.a. hessischer CDU-Vorsitzender, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag) eine weitgehend deckungsgleiche Position: „Ich rufe alle Deutschen auf, aus dem Schatten Hitlers herauszutreten – wir müssen normal werden. […] – die Geschichte unseres Volkes hat nicht nur zwölf, sie hat 1200 Jahre betragen. […] Die Zukunft ist offen, und wir sind frei.“ (Frankfurter Rundschau 26.2. 1982)
Vor diesem Hintergrund hat Theodor W. Adornos mahnendes Wort aus dem Jahr 1966 seine Geltung nicht verloren: „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ Ich wünsche mir, dass sich alle Demokraten an diesem Wort orientieren, und zwar als ethische Basis politischen Handelns. Dazu gehört auch eine Stärkung der historischen, politischen, ethischen und religiösen Bildung. Diesbezüglichen Nachholbedarf haben auch und vor allen AfD & Co., die sich als Verteidiger des „christlichen Abendlands“ (eine Chimäre laut Prof. Manfred Becker-Huberti) gerieren, weil sie ausblenden, dass die jüdisch-christliche Tradition nicht nur die Gottes- und Nächstenliebe, sondern im Kontext der Nächstenliebe auch die Fremden- und Feindesliebe fordert.“
Peter Heine aus Saalfeld sieht das Ganze nicht so dramatisch:
„Viele Zeitungen titeln jetzt ‚Das Land rückt nach rechts‘. Nehmen wir die Behauptung unter die Lupe. Forderung 1 der neuen Partei ist die Sicherung der Grenzen. Wie leicht nachzuprüfen ist, haben die DDR und die Sowjetunion ihre Grenzen weit aufwändiger geschützt als Deutschland. AfD-Forderung Nr. 1 ist also eher richtungsneutral. Weder links noch rechts. Zweitens will die AfD aufhören mit den Geldtransfers an südeuropäische Staaten, denn dort hat sich bekanntermaßen trotz Ankunft von Hunderten Milliarden kein selbsttragender Aufschwung ereignet. 20 Jahre Geldverschwendung. Die zu stoppen wäre einfach nur Haushaltsdisziplin. Wieder kein rechts oder links.“
Holger Voss aus Münster:
„Nützt es der AfD nicht, wenn man sie bekämpft? Weil sie damit wichtiger gemacht wird, als sie ist? Oder weil sie sich als Opfer des politischen Mainstreams darstellen kann? – Das wurde in den vergangenen Jahren immer wieder gefragt. Die Erfahrung aus Münster zeigt: Nein, im Gegenteil.
Die AfD ist in Münster auf massive Gegenwehr gestoßen. Sie musste zwei geplante Veranstaltungen mit Frauke Petry absagen, weil Gastwirte nach deutlichen Protesten ihre Räume nicht mehr zur Verfügung stellen wollten (Januar und November 2016). Die Veranstaltungen, für die die AfD sich öffentliche Räume eingeklagt hatte, wurden von massiven Protesten begleitet: mehr als 8.000 GegendemonstrantInnen im Februar 2017 in der Innenstadt, laute und entschlossene Gegendemos auch bei AfD-Veranstaltungen in den Stadtteilen Gievenbeck (Mai 2017) und Hiltrup (August 2017). Der Propaganda-Stand der AfD in der Innenstadt wurde massiv gestört (September 2017).
Die antifaschistischen Proteste haben sich offenbar ausgezahlt: Münster ist bundesweit der einzige Wahlkreis, in dem die AfD unter fünf Prozent geblieben ist!
Es ist wichtig, menschenverachtende Meinungen zu bekämpfen, ohne sie zu verbieten. Das scheint in Münster erfolgreich gelungen zu sein. Auch in geheimer Wahl haben sich in Münster so wenige Menschen für die Rechtsextremen ausgesprochen, wie nirgendwo sonst.
Auch die bürgerlichen Parteien in Münster haben geholfen, die völkisch-nationalistische AfD klein zu halten: Während sich CDU und SPD auf Bundesebene gestritten haben, wer Flüchtlinge schneller abschiebt, wer Fluchthilfe („Schlepperei“) energischer bekämpft und wer die Mauer um Europa noch undurchlässiger macht, gab es in Münster auch aus den Reihen von CDU und SPD kritische Worte gegen Abschiebungen. – Auch das hat nicht (wie teilweise befürchtet) dazu geführt, dass mehr Menschen rechts-außen wählen. Auch das hat dazu beigetragen, dass in der öffentlichen Debatte in Münster Flüchtlinge nicht in erster Linie als Problem, sondern in erster Linie als Menschen wahrgenommen werden, die Hilfe und Solidarität brauchen.
Der Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl ist katastrophal. Aber das relativ schlechte Abschneiden der AfD in Münster macht deutlich: Es hilft gegen Rassismus, wenn Menschen sich an antifaschistischen Protesten beteiligen. Und es hilft gegen Rassismus, wenn die etablierten Parteien sich nicht die Inhalte der Rechtsextremen zu eigen machen, wie das auf Bundesebene regelmäßig passiert, sondern wenn sie bestrebt sind, alle Menschen als gleichberechtigt zu behandeln.“
Auf die Vorhaltung, Stolz auf die „Leistungen“ der deutschen Wehrmacht im Weltkrieg II zu sein, haben die Vertreter der AfD Meuthen und Gauland wortgleich reagiert mit der aberwitzigen Replik „Franciose Mitterrand“ habe dasselbe gesagt. Man muss es wiederholen „dasselbe“ – nicht etwa „Franciose Mitterrand hat Vergleichbares gesagt über die Rolle der französischen Armee im Kampf gegen Nazideutschland“.
Bei Porf. Dr. Jörg HuberT Meuthen, Jahrgang 1961, und dem 1941 geborenen Juristen Dr. Alexander Gauland darf und muß unterstellt werden, dass diese Wortwahl wohl kalkuliert ist und keinen einfachen lapsus linguae darstellt.
Mit dieser offensichtlichen Sprachregelung in der AfD wird die Verteidigung und Befreiung des französischen Vaterlands mit der Agression durch Nazideutschland gleichgesetzt.
Der berechtigte Stolz der Franzosen und der Allierten auf die Verteibung und letzendliche Vernichtung der großdeutschen Wehrmacht sollte uns Deutsche mit Scham erfüllen über die Schande, die die Nazis und mit ihnen die willfährige Wehrmacht über Deutschland gebracht haben.
Mein Vater, der mit 20 Jahren zur Wehrmacht eingezogen worden ist und als kleiner Landser erst 4 Jahre an der Ostfront eingesetzt war und am Ende in Norwegen in britische Kriegefangenschaft geriet, ist einfach nur froh gewesen, mit halbwegs heiler Haut aus dieser (Originalton) „Scheiße“ herausgekommen zu sein.
Als ihm und den Kameraden seiner Einheit in Bremerhaven bei der Übergabe durch die Briten an die US-Armee angeboten worden war, die zerlumpten Wehrmachtsuniformen gegen neue amerikanische Unformen einzutauschen und im Pazifik weiter zu kämpfen, war keiner von ihnen stolz und hat eingewilligt. Sie sind nach den Erfahrungen der letzten Jahre in ihren zerschlißenen Lumpen ist zerstörte Deutschland zurück gekehrt. Und das nicht aus Solidarität mit dem Ex-Verbündeten Japan.
Stellen wir uns eine Person vor, nennen wir sie Frau Schreier, die ein berechtigtes Anliegen hat. Sie ist aber nicht in der Lage, das, worum es ihr geht, in Worte zu fassen. Folglich sind ihre Versuche, Menschen zu finden, die sich des Problems annehmen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Bei einer Demonstration trifft Frau Schreier auf Menschen, denen es ähnlich geht wie ihr. Dabei erlebt sie, zumindest in ihrer subjektiven Wahrnehmung, dass sie sich durch Schreie und Pfiffe bei „denen da oben“ Gehör verschafft.
Herr Herl (Link zu einem pdf-Dokument von der Meinungsseite der FR vom 26.9., Anm. Bronski) kann mit Recht einwenden, dass diese Vorstellung in wesentlichen Punkten atypisch ist. Viele Anliegen von AFD-Anhängern sind alles andere als berechtigt. Das gilt insbesondere für Wortführer bei Demonstrationen, vor allem für die bekennenden Faschisten unter ihnen. Diese Wortführer sind sehr wohl in der Lage, sich verbal zu artikulieren. Und wie berechtigt Frau Schreiers Anliegen auch immer sein mag: Man kann es auf keinen Fall moralisch rechtfertigen, sich mit Faschisten zu verbünden.
Das alles ist richtig. Aber nehmen wir an, Frau Schreier gehört zu den Menschen, die Herr Herl als „Dummbeutel“ bezeichnet, und ihr Anliegen ist tatsächlich berechtigt. Sollen wir uns dann wirklich ihr gegenüber passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, ob sie „geläutert … zurück[kehrt]“ oder auf einem „braunen Misthaufen sitzen“ bleibt? Ich glaube, man muss diese Frage für jeden Einzelfall prüfen.
Wenn man mit Menschen wie Frau Schreier spricht, braucht man viel Einfühlungsvermögen, um ihr Anliegen zu erforschen. Man darf aber dabei nicht den Eindruck erwecken, man billige die Mittel, mit denen sie ihr Problem lösen wollen. Man muss im Gegenteil klarstellen, warum man ein solches Handeln als unmoralisch missbilligt. Das ist mühsam. Aber wenn die Aussicht besteht, eine Anhängerin oder einen Anhänger der AFD zu „läutern“, sollte man diese Mühe nicht scheuen.
Vielleicht hat Herr Herl Recht, wenn er Deutschland als „ein ganz normales Land mit einem ganz normalen Anteil an Rassisten und Rechtsnationalisten“ ansieht. Ich fühle mich aber wohler und sicherer, wenn wir den Anteil der AFD-Wähler so weit wie möglich verringern. Bin ich ein realitätsfremder Optimist, wenn ich dabei ein Ziel von „5 % – x“ anpeile?
Nun haben wir also nach über 50 Jahren wieder eine braune Partei im Bundestag. Und was macht die Union? Sie plappert den rassistischen und menschenverachtenden Unfug nach. Zuwanderung begrenzen, konsequenter abschieben, wir können nicht jeden bei uns aufnehmen. Leitkultur de Maiziere log etwas von 30 % der Syrer die gar keine Syrer seien. In einem Punkt hatte er Recht. Es war ein neofaschistischer Bundeswehroffizier. Gauland ist stolz auf die Wehrmacht und die CDU findet bis heute den seinem Führer treu ergebenen und bis zum Schluß für den Endsieg kämpfenden Offizier Dregger ein Vorbild. Im Wahlkampf habe ich fünf CDU-Leute nach den Unterschieden zwischen CDU und AfD gefragt; eine Antwort konnte mir keiner geben.
Also die Union liefert eine Steilvorlage nach der anderen für die Hetzparolen der „Ansammlung faschistischer Demagogen (AfD) und „wundert“ sich über deren Erstarken.
Ich finde, es ist allerhöchste Zeit, endlich konsequent gegen den Rassismus vorzugehen. Und das heißt von allen Parteien, die sich demokratisch nennen das Asylrecht wieder herzustellen und Menschen, die vor Terror, Krieg, Unterdrückung und Not fliehen aufzunehmen und nicht im Mittelmeer umkommen zu lassen.
Die Warnung von Reinhold Hinzmann kann nicht ernst genug genommen werden.
Der französische Autor und Soziologe Didier Eribon warnte bereits: „Wenn man die Sprache des Feindes spricht, hat der Feind gewonnen.“
Zunächst: Ich finde die Gegenwehr gegen Rechtsradikale im Münsterland durchaus beieindruckend.
Ebenso halte ich die – von fast allen Parteivertretern unmittelbar nach der Wahl geäußerte – Erwartung für blauäugig, man würde diese Wähler kurzfristig wieder „zurückgewinnen“ können.
Was jetzt ansteht, sind nicht Bekundungen und Versprechungen, sondern klare Analysen, aus denen sich Handlungsoptionen ableiten lassen.
1. Wähleranalyse:
Über 87 % haben die AfD nicht gewählt. Jetzt eine Art Staatskrise auszurufen wäre nicht nur unangemessen, es wäre auch Wasser auf deren Mühlen.
Dazu haben (laut Wahlanalyse) lediglich 31 % der AfD-Wähler sie aus Überzeugung gewählt. Das macht (bei 12,6 %) gerade mal 3,9 %.
2. Moralisch-kultureller Aspekt:
Unter diesem Aspekt kann zwischen den Wahlmotiven nicht unterschieden werden. Die pausenlosen Provokationen führender AfD-Vertreter waren so eindeutig, dass sie keiner überhören konnte. Auch wer den „etablierten Parteien nur einen Denkzettel verpassen“ wollte, nahm, um seiner „Wut“ Ausdruck zu verleihen, die Stärkung neonazistischer Tendenzen in Kauf. Er/sie ist damit für sie auch mit verantwortlich.
Dies rechtfertigt Aktionen wie im Münsterland gegen die AfD als solche.
3. Politisch-diskursiver Aspekt:
Für den Umgang mit den verschiedenen AfD-Wählergruppen spielt diese Unterscheidung dennoch eine wichtige Rolle.
„Überzeugte“ Neonazis sind argumentativ gar nicht erreichbar. Für eine Veränderung dieser Haltung bedarf es in der Regel schon einer Katastrophe wie die Kapitulation Hitler-Deutschlands. (Geschildert z.B. von Erich Loest in „Pistole mit 16“).
Für „Protestwähler“ ist die moralische Mitverantwortung dafür, dass neonazistische Äußerungen hoffähig werden, zumindest unterschwellig ein Problem. Das kann man an Verdrängungsversuchen erkennen. Etwa der Behauptung der „Dämonisierung“ der AfD oder dass diese als Nazis „verleumdet“ würden. Solche Äußerungen zielen nicht darauf, andere zu „überzeugen“, sondern auf sich selbst: unbewusste Gefühle der eigenen Widersprüchlichkeit, die man nicht wahr haben will, eben zurückzudrängen.
Für diese Gruppe ist die AfD nur so lange attraktiv, solange sie als erfolgreiche Protestpartei daherkommen kann.
Um sie zu erreichen, erscheint es wichtig, den Nimbus der „Protestprtei“ als hohlen Schaum zu entlarven, die Unfähigkeit und Lächerlichkeit ihrer Vertreter aufzuzeigen, die keinerlei Perspektive aufzeigen können. Dazu gehört auch, neonazistische Tendenzen nachzuweisen – freilich immer konkret und begründet-
4. Pauschalisierend die AfD als „Nazitruppe“ zu bezeichnen, ist dagegen kontraproduktiv. Es steigert gerade deren Attraktivität und stützt deren „Opfer“-Masche. Zumindest im Bewusstsein dieser „Nicht-Überzeugten“, und das ist entscheidend.
Pubertäres Verhalten von Schülern ist z.B. durch Suche nach Schimpfwörtern gekennzeichnet, die maximales Erschrecken auslösen und so eine gewisse Genugtuung verschaffen. Nicht anders sehe ich das Verhalten von „Wutbürgern“ oder Hassbotschaften im Internet. Als „Nazis“ bezeichnet zu werden, ist für sie gerade Bestätigung und Rechtfertigung für ihre Wut.
Fazit: Man tut gut daran, sich auf eine längere Auseinandersetzung mit der AfD einzustellen.
Die Protestaktionen gegen die AfD in Münster liefen unter dem Motto „Keinen Meter den Nazis“. Das ist genau die Verallgemeinerung, die es zu vermeiden gilt. Ausserdem habe ich Probleme mit Aktionen, bei denen selbsternannte ‚Gute‘ die ‚Bösen‘ durch grössere Lautstärke übertönen und Ihnen damit den Mund verbieten wollen. Solange kein Gericht sie einer Straftat überführt und sie gerichtlich die Genehmigung zur Versammlung haben, verlangen es die demokratischen Grundsätze, dass sich auch solche Leute äussern dürfen. Statt ihnen physisch auf den Leib zu rücken, muss man sich überzeugendere Strategien ausdenken. Eingebunden in das politische Alltagsgeschäft wird die AfD den Protestwählern ohnehin bald zeigen, dass sie für die Probleme der modernen Gesellschaft aber auch rein gar keine Lösungen zu bieten hat. Ausserdem zerlegt die sich gerade selbst.
@ Werner Engelmann
„Man tut gut daran, sich auf eine längere Auseinandersetzung mit der AfD einzustellen“
Zustimmung! Die bleiben uns noch lange erhalten. Ich erinnere auch an die Hydra.
Ob sie sich gerade „zerlegt“ (Brigitte Ernst), spielt für die Anhänger und „Wutbürger“ keine große Rolle.
Das ist zwar ganz tröstlich, dass 87 Prozent keine AfD gewählt haben. Aber neben der AfD haben wir in Deutschland noch ganz andere rechte Kaliber. Und der Rechtsruck bzw. rechte Bodensatz ist hinsichtlich der besonderen deutschen Geschichte alles andere als Randständigkeit und Normalität!