Franz Müntefering scheint daran zu liegen, die Mauer um die Linkspartei langsam abzutragen. Der Stratege weiß: Ohne die Linke wird das linke Lager künftig kaum an die Regierung gelangen. Darum plädiert er dafür, die Linkspartei nicht auf Dauer an der DDR-Vergangenheit zu messen. Es stehe außer Frage, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei, doch müsse „die Stunde kommen, wo man die Linke nicht mehr daran misst“. Großes Gezeter natürlich gleich aus der CDU: Die SPD sei nicht glaubwürdig, wenn sie behaupte, sie wolle nach der Wahl mit der Linkspartei nicht koalieren. Das betonte Müntefering aber weiterhin: Auf der Bundesebene soll es keine Zusammenarbeit geben.
Müntefering wollte ein Signal der Normalisierung geben, meint Stephan Hebel im FR-Leitartikel: „Der SPD-Vorsitzende macht damit den gleichen Fehler wie die konservativen Rote-Socken-Bekämpfer, nur umgekehrt. Man kann eine Partei, die aus der SED entstand und doch im demokratischen Spektrum ankommt, nicht 20 Jahre danach für alles DDR-Unrecht in Haftung nehmen. Aber man kann auch nicht an ihrer Geschichte vorbei argumentieren. Die Lehre, dass Versuche der Vergangenheits-Entsorgung einer Gesellschaft schaden, gilt für alle Epochen.“
Dazu Peter Gronau aus Hildesheim:
„Ihre Müntefering-Kritik ist m. E. nur bedingt gerechtfertigt. Wenn es um das Hochhalten von Prinzipien geht, sollte man die Psychologie, aber auch eine selbstkritische Fairness nicht außen vor lassen. Der permanente Druck nachkartender Diskriminierung vor allem seitens der CDU zielt wohl darauf ab, die – ja nur partielle – Nachfolgepartei der SED von der Teilhabe an unserer demokratischen Willensbildung fernzuhalten.
Die deutsche Nachkriegsgesellschaft, besonders soweit sie mit nationalistischer Tradition konservativ geprägt war, hat es bis auf den heutigen Tag, (siehe Steinbach-Syndrom) durchaus an einer zureichenden Ernsthaftigkeit fehlen lassen, ihr nationalsozialistisches Erbe wirklich aufzuarbeiten. Aber am Exempel der Linkspartei soll das nun nachgeholt werden. Die jedenfalls gehört auf die Couch und dauerhaft an den Pranger, die soll sich ihrer Vergangenheit stellen und öffentlich Buße tun. Ich vermute da die Projektion eines schlechten Gewissens. Heuchelei könnte man es auch nennen, allerdings wohl keine bewusste.
Und was den psychologischen Aspekt betrifft: Um die eigene private und politisch öffentliche Biographie fundamental kritisch zu hinterfragen, bedarf es schon eines gewissen Maßes an Souveränität. Und die wird durch äußeren Druck in Form eines permanenten Appells, besonders wenn er moralisch erhaben und hochnäsig daherkommt, ganz gewiss nicht gefördert.“
Bill George aus Minden:
„Wenn man sich von der Regierung Schröder betrogen fühlte, ist man Lafontaine in die WASG gefolgt. Nach wie vor wird er als Verräter dargestellt, obwohl nachher deutlich wurde, wer die SPD wirklich betrogen hat. Dann wurden Ost- und West-Linke zu einer Partei: Der Name „Die Linke“ ist an sich bereits ein deutliches Bekenntnis. Dessen muss man sich keinesfalls schämen – vor allem nicht angesichts der völligen Diskreditierung der angeblichen Liberalen und der Konservativen. Die Linke soll sich nicht beirren lassen: Wie viele ihrer Mitglieder waren 1989 volljährig? Wie haben die West-Mitglieder zur SED-Herrschaft beigetragen?“
Gunther Schirmer aus Leipzig:
„Sehr gut Herr Hebel, die meisten Abgeordneten der Linkspartei im Bundestag sind Kinder der SED und allem was damit zusammenhängt. Seit der Wende lebe ich hier in Leipzig und bin inzwischen vertraut mit der Geschichte der DDR und ihrer Un-Demokratie.
Es ist für mich unvorstellbar, die Partei DIE LINKE – ehemals SED/PDS – in einem Atemzug mit der SPD zu nennen.
Was ist das für ein Vorsitzender der SPD, der dauernd mehr oder weniger ‚vernuschelt‘ von seinem Traum schwadroniert, mit der Linken eine Koalition einzugehen. Ich bin sogar der Meinung, dass er meint, die SPD in die Linke einzubringen. Was ist nur mit diesem Mann los. Es war keine gute Idee ihn vom Altenteil zurückzuholen. Die Fantasien eines alten Mannes tun der SPD nicht gut. Man kann nur wünschen, dass die Wähler die entsprechende Antwort geben und die SPD aufwacht und sich von Franz Müntefering als Vorsitzenden endgültig befreit.“