Die „Frauenbeauftragte“ des „Islamischen Zentralrats Schweiz“, der bei moderaten Muslimen in der Schweiz als verpönt gilt, hatte einen großen Auftritt in der Talkshow von Anne Will, der für verbreitetes Aufsehen sorgte — unter anderem, weil sie ihn vollverschleiert bestritt: Nora Illi saß im Niqab in der Runde, d.h. es waren von ihr nur Augen und Hände zu sehen. Diese provozierende Selbstausgrenzung wurde ihr von den Diskussionspartnern, insbesondere von Ahmad Mansour und Wolfgang Bosbach, kritisch entgegen gehalten, doch sie blieb unbeeindruckt: Der Niqab bedeute für sie Selbstbestimmung und Freiheit. Sie sei ein Teil der Gesellschaft und möchte diese auch aktiv mitgestalten. Der Niqab sei eine „normative Option“, die sie freiwillig gewählt habe. (Hier ein Zusammenschnitt ihrer Äußerungen in der Sendung in einem Youtube-Video.) Ahmad Mansour hingegen nannte die Dinge beim Namen: Das sei nichts anderes als Propaganda.
Illi versuchte, als Grund für die Radikalisierung mancher Muslime die „islamophoben Angriffe“ hinzustellen, denen diese ausgesetzt seien, und drehte damit die kausale Kette um. Das wurde ihr in der Sendung auch problemlos nachgewiesen. Der haarige Höhepunkt kam jedoch erst, als Illi den Weg junger Muslime und Konvertiten in den Krieg nach Syrien und anderswo als „Langzeitprüfungen mit ständigen Hochs und Tiefs“ beschrieb und dies als eine andere Art von Zivilcourage bezeichnete. So etwas hat man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen tatsächlich selten gehört: Krieg als „Prüfung“? Anne Will hielt Illi entgegen, dass dies wohl kaum als eindeutige Distanzierung von Gewalt oder auch nur als Warnung vor dem Krieg betrachtet werden könne. Die Moderatorin wirkte in diesem Moment der Sendung sonderbar schwach, denn „Prüfung“ kann in dem Kontext, in den dieser Begriff dort eingebettet war, eigentlich nur als Herausforderung verstanden werden, der sich die jungen Radikalisierten bitteschön zu stellen haben.
FR-Autor Harry Nutt charakterisiert Wills Auftreten in seinem Kommentar mit den Worten: „Nun gehört es zu den Aufgaben von Journalisten, ein Bild davon zu vermitteln, was Islamismus ist. Anne Will aber erweckte den Eindruck, ihrem Gast nur indifferent und staunend gegenüberzusitzen.“
Ich saß staunend vor dem Fernseher und verfolgte diesen denkwürdigen Auftritt, mit dem Nora Illi den Muslimen in Deutschland ganz sicher keinen Gefallen getan hat. Aber dass sie in der Sendung saß, war natürlich nicht ihr eigenes Verdienst. Sie war schließlich von der Redaktion ausgewählt worden. Ich habe meine Zweifel, ob ein solches Talk-Format der richtige Rahmen ist, sich mit solchen Personen auseinanderzusetzen – und das auch noch live. Dann hätte Anne Will auch gleich den Islamisten und Hassprediger Pierre Vogel einladen können, denn der dürfte zum Thema der Sendung — Radikalisierung von jungen Muslimen — einen täglichen Beitrag leisten. Auch er ist übrigens, wie Nora Illi, ein Konvertit. Solche Leute scheinen besonders hell für die Ideen zu brennen, zu denen sie sich bekennen, und scheinen das Bekenntnis dazu auch besonders provokant vor sich hertragen zu müssen.
Leserbriefe
Werner Engelmann aus Frankreich meint:
„So makaber der Auftritt der schweizerischen Niqab-Trägerin bei „Anne Will“ anmutet, vielleicht könnte er, insbesondere aufgrund der qualifizierten Ausführungen des Psychologen Ahmad Mansour, doch etwas beitragen zur Klärung dieser Frage. Vorausgesetzt, diese Gesellschaft ist nicht länger bereit, sich von Menschen, die ihre Selbstbestätigung in Selbstausgrenzung suchen, sich mit wehleidigen Sprüchen von Ausgegrenzt-Sein an der Nase herum führen zu lassen. Die von anderen die Toleranz einfordern, die sie selbst ihnen prinzipiell verweigern. Ahmad Mansour hat es auf den Punkt gebracht: Natürlich geht es nicht um religiöses Selbstverständnis, das den Schutz der Religionsfreiheit einfordern könnte, sondern um das Erlebnis eines Machtgefühls auf Kosten anderer. Eine voyeuristische Perspektive in die Öffentlichkeit zu tragen, sich selbst zu verbergen, um dabei andere sehen und anklagen zu können, hat mit Karnevals-Vermummung nichts zu tun. Es ist ein aggressiver Akt in zweifacher Hinsicht: gegenüber ehrlichen Muslimen, deren religiöse Gefühle missbraucht und verletzt werden, wie gegen alle anderen, denen der Vermummungs-Akt zu angeblichem Selbstschutz pauschal unterstellt, jedes weibliche Wesen nur als Sexobjekt wahrnehmen zu können. Er ist nicht einzuordnen in das Fach „religiöse Überzeugungen“, sondern in das der sexuellen Obsessionen oder Perversionen. Auch das Ausleben sexueller Perversionen, Dominas und Selbstunterwerfungspraktiken muss eine freiheitliche Gesellschaft ertragen – solange dies in einem privaten Bereich stattfindet, der andere nicht beeinträchtigt. Die Niqab-bewaffnete schweizerische „Frauenbeauftragte“ (welche Verhöhnung von Frauen!) möge also ihre Niqab-geschützten Machtinstinkte in ihren vier Wänden ausleben, solange sie lustig ist. Anders, wenn sie diese in die Öffentlichkeit trägt. Und die Grenzen des Erträglichen sind spätestens dann überschritten, wenn dies, wie bei „Anne Will“, mit einem nur mühsam verschleierten Aufruf an labile Jugendliche verbunden wird, in den „heiligen Krieg“ gegen die ach so korrupten „Ungläubigen“ in den westlichen Demokratien zu ziehen. Die Erregung von Wolfgang Bosbach oder Ahmad Mansour ist also sehr verständlich. Die sollte hoffentlich nicht folgenlos bleiben.“
Hans-Jürgen Bryant aus Weimar/Lahn:
„Der Auftritt der vollverschleierten Muslimin, Nora Illi, in Anne Wills Polit Show vom 6. November spricht Bände nicht nur über die herrschende geistige Verfassung der Quotenjäger im Medienbetrieb, sondern über den derzeitigen beängstigenden Zustand des Rechtsstaates selbst. Wie kann es sonst sein, dass eine Nora Illi im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ungestraft die Vorzüge des Djihad rechtfertigen und preisen darf? Die Studiogäste begegneten alledem lediglich mit einer lauen, pseudo-akademischen Diskussion und einigen unglaubwürdigen, gutgemeinten Ratschlägen, diese Propaganda doch bitte zu unterlassen. Dies dürfte Frau Illi und besonders ihre Mitstreiter zu Hause sehr wenig beeindruckt haben. Offensichtlich haben Studiogäste und Zuschauer vergessen, worum es sich bei Frau Illis Auslassungen tatsächlich handelt; dies waren eindeutig Aufrufe zu und Billigung von Gewalt! Diese sind strafbar nach StGB § 91 „Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, § 111 „Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“, § 130a „Anleitung zu Straftaten“ und § 140 „Belohnung und Billigung von Straftaten“, um nur die wichtigsten zu nennen. Wird es gegen Frau Illi und ihre Vereinigung strafrechtliche Ermittlungen geben? Wohl kaum!
In diesem Zusammenhang ist daher eine Aussage aktueller denn je, die auf der Europa Synode der Religionen in Rom, 1999, durch den Imam von Izmir gefallen ist: „Dank eurer demokratischen Gesetze werden wir euch überwältigen, dank eurer religiösen Gesetze werden wir euch beherrschen.“(Welt.de)
P.S. Ob Sie dies nun wahrhaben wollen oder nicht, ob Sie dies zensieren oder nicht, ob Sie dies veröffentlichen oder nicht, spielt für die Feinde unserer Demokratie keine Rolle. Während wir endlose demokratische Diskussionen führen, nutzen diese Leute die Schwächen des Rechtsstaates gnadenlos für ihre Zwecke aus. Wer diese Feinde sind, darüber besteht immer weniger Zweifel. Es sind auf jeden Fall nicht die Bürger, welche Leute vom Schlage einer Nora Illi kritisieren. Dies wird trotz oder gerade wegen aller gegenteiligen Behauptungen immer mehr Menschen bewusst. Insofern hatte der Auftritt von Frau Illi durchaus etwas Positives.“
Merve Hölter aus Frankfurt:
„Nach meinem ursprünglichen Aufschrei finde ich es gut, dass die blauäugige schweizerische Niqab-Mumie bei Anne Will gehört, aber auch ignoriert wurde. Die Schweizer sind immer schon gut gewesen für Extremes. Wer hat’s erfunden? Das „Gesicht verlieren“ ist nur der verhangenen Dame vorbehalten. Next exit China.“
Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:
„Anne Wills sonntagabendliche Talkshow fällt immer mal wieder durch ein Übermaß an unreflektiertem TV-Populismus und einem Defizit an inhaltlicher Kenntnis auf – sowohl bei den Gästen als auch bei der Redaktion. In den letzten Monaten wurde insbesondere Vertretern der AfD ein Forum für nationalistische und rassistische Phrasen geboten. Jetzt war anscheinend gemäß einem internen Proporz (oder einem missverstandenen Pluralismus) die andere Seite der Extremismus-Medaille an der Reihe: Nämlich der Islamismus in Gestalt einer vollverschleierten Frau.
Was die Schweizerin Nora Illi dabei zu Sache äußerte, war nicht authentisch, sondern erschöpfte sich im dümmlichen Nachplappern politisch-religiöser Glaubenssätze einer Weltanschauung, die sämtliche Religionen nachhaltig diskreditiert. Eben weil sie ein Glaubensverständnis propagiert, dem es ganz offensichtlich an humaner Ethik mangelt. Ja, die solche durch bedingungslose Unterordnung ersetzt. Interessant und lehrreich war lediglich, wie andere Muslime in der Runde darauf reagierten. Der Imam einer Berliner Moschee hatte ein Problem damit, sich eindeutig zu distanzieren, während der Psychologe vehement die Positionen einer aufgeklärten Gesellschaft vertrat.
Seriöser Journalismus muss in der Lage sein, Berichterstattung und Meinung auch abstrahiert darzustellen. Gerade in einer Welt der manipulierten Bilder und der vereinfachten Schlagzeilen ist das nötiger denn je. Dazu wäre in dieser Anne-Will-Sendung Gelegenheit gewesen, doch sie wurde leider verpasst.
Jetzt frage ich mich, was mir die NDR-Chefredaktion in dieser Talkshow künftig noch alles zumutet. Vielleicht plaudert bald ein Vergewaltiger aus dem Nähkästchen und macht die Details seiner Leidenschaft öffentlich? Oder ein Neonazi-Rabauke schildert seine Empfindungen, wenn er Fremde niederschlägt und deren Unterkünfte in Brand setzt?“
@Merve Hölter
„Die Schweizer sind immer schon gut gewesen für Extremes.“ Was wollen Sie uns mit dieser Aussage sagen?
Wie viel qualifizierte Leserbriefe sind inzwischen bei FR –Leserforum zu diesem wichtigen Thema eingegangen, zuletzt heute, 10.11.2016? Aus allen geht eindeutig , unverkennbar und folgerichtig hervor, dass die engagierten Menschen in Deutschland ein „generelles Verschleierungsverbot“ verlangen, und zwar durch ein wohl durchdachtes Gesetz. Das Gesicht muss für alle Menschen in der Öffentlichkeit, wie auch immer diese definiert wird, eindeutig zu erkennen sein. Eine Zuwiderhandlung muss angemessen sanktioniert werden können. Es darf nicht weiter „endlos demokratisch diskutiert“ werden. Ein Auftritt einer Muslima im Deutschen Fernsehen wie bei Anne Will darf es einfach nicht mehr geben. Menschen wie Frau Illi nutzen solche Gelegenheiten schamlos aus, um für den radikalen Islamismus Reklame zu machen. Dabei werden Begriffe wie Rechtsstaat, Meinungs- und Glaubensfreiheit und Recht auf individuelles Wohlbefinden gezielt missbraucht. Vollverschleierte Menschen, besonders aber Muslime, sind für unsere freiheitliche und emanzipierte Gesellschaft eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Mit Blick auf den Zugang weiterer Menschen aus aller Welt muss der Staat jetzt handeln.
Unglaublich, dass ich einmal Herrn Engelmanns Ansicht uneingeschränkt teile.
Auch von mir uneingeschränkte Zustimmung zum Leserbrief von Werner Engelmann.
Dank für die Zustimmung und die Offenheit an deutscher Michel und JaM. Ich sehe das auch als Bestätigung dafür, dass es sinnvoll ist, sich statt auf Spekulationen über die Person auf Argumentation zur Sache zu konzentrieren. Was hier freilich nicht weiter ausgeführt werden muss.
Wichtiger ist, die Andeutung in meinem Leserbrief zu begründen, die in der gebotenen Kürze nicht ausgeführt werden konnte: Inwiefern der „makabre Auftritt“ bei Anne Will zur Klärung des Verhaltens zu Niqab- und Burka-Trägerinnen beitragen kann.
Zunächst ist bemerkenswert, dass Frau Illi nicht einmal ansatzweise eine religiöse Begründung versuchte, sondern sich in lächerliche ideologische Phrasen von „Ausgegrenztsein“ und „Freiheit“ flüchtete. Ein Hinweis darauf, dass das – an sich problematische – Kopftuchurteil des BVerfG (das subjektivistische Religionsauffassung als Entscheidungskriterium nimmt) hier nicht greift. Noch weniger gilt dies für oberflächliche „Argumente“ im öffentlichen Diskurs wie die Gleichsetzung mit „Karnevals-Vermummung“ oder die Behauptung, ein Verbot käme einer Einführung einer mittelalterlichen Kleiderordnung gleich. Pseudoliberale „Argumente“, die sich erkennbar nicht auf tiefergehende inhaltliche Zusammenhänge einlassen wollen und daher auch keine Beachtung verdienen.
Mein Leserbrief soll einen öffentlichen Diskurs erst eröffnen. Er will nicht eine administrative Maßnahme wie ein Verbot präjudizieren. Insofern, als die Verfassungswidrigkeit mit diesem Auftritt noch nicht erwiesen ist. Wenn Frau Illi – berechtigter Weise – strafrechtlich belangt werden sollte, dann nicht wegen Tragens des Niqabs, sondern wegen Aufrufs zum „Heiligen Krieg“.
Dennoch ergeben sich relevante Indizien in dreifacher Hinsicht:
1. Dieser Auftritt begründet den Verdacht eines untrennbaren Zusammenhangs eines verfassungswidrigen Aufrufs zum „Djihad“ oder zumindest dessen Rechtfertigung mit dem Tragen von Niqab oder Burka als äußerem Symbol einer Bereitschaft zum Kampf gegen die freiheitliche Rechtsordnung. Ein Verdacht, der nur durch sehr starke und zu belegende, z.B. religiöse Gegenargumente entkräftet werden könnte, die nicht erkennbar sind und offenbar auch nicht existieren.
2. Zu meinem Hinweis auf „Voyeurismus“ bzw. „sexuelle Obsessionen“, ein Argument, das m.E. viel zu wenig beachtet wird:
Exhibitionismus ist ein Straftatbestand und stellt (nach Wikipedia) „das Gegenstück zum Voyeurismus dar“. „Täter einer Straftat“, die nicht in den Bereich „sexueller Missbrauch an Kindern“ fällt, kann nach §183 StGB nur ein Mann sein, mit der seltsamen Begründung, „dass exhibitionistische Handlungen von Frauen extrem selten seien“. Strafbarkeit einer Frau ist aber nach § 183a für Frauen unter dem Aspekt „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ möglich. „Elementar für den Straftatbestand ist die Belästigung einer anderen Person durch die exhibitionistische Handlung.“
Dass dieser Strafrechtsartikel herangezogen werden könnte, ergibt sich m.E. zum Einen aus dem Zusammenhang mit „Voyeurismus“. Der öffentliche Auftritt in Niqab kann so als Form des Exihibitionismus angesehen werden. Die psychologische Analyse, dass hierbei auch öffentlich Machtinstinkte ausgelebt werden, kommt hinzu, ist aber nicht entscheidend. Zum Andern liegt „Belästigung“ in nicht unerheblicher Weise vor, indem (wie im Leserbrief ausgeführt), neben dem Missbrauch religiöser Gefühle, generell und demonstrativ Männern qua Geschlecht unterstellt wird, Frauen nur als Sexobjekt wahrnehmen zu können. Entscheidend ist die Tatache, dass jeder öffentliche Auftritt per se den Willen zu sehen und gesehen zu werden enthält, hier aber in der pervertertierten voyeuristischen Form, die dem anderen ein Gegenübertreten von gleich zu gleich verwehrt und keine Ausweichmöglichkeit lässt. Nur im Zusammenhang einer solch gezielten Provokation ergibt die Behauptung vom „Schutz der Fraulichkeit“ überhaupt einen Sinn.
Nicht weniger aggressiv die Strategie gegenüber Frauen: Niqab und Burka stellen die zum Symbol gewordene verallgemeinerte Anklage dar, dass Frauen, die nicht gewillt sind, sich dem Diktat einer perversen, durch und durch sexualisierten fundamentalistisch-islamistischen Weltsicht zu beugen, sich als sexuelles Freiwild – auf Deutsch also Hure – anbieten würden und als solche behandelt werden. Eine gezielte Demütigung, die nicht wenige Frauen und Mädchen bis hin zu Schulhöfen zu spüren bekommen. Die mit Sicherheit auch bei den Ereignissen der Kölner Silvsternacht eine Rolle gespielt hat.
3. Das Unwohlsein an der Verbotsdiskussion ergibt sich aus dem Zusammenhang mit einem patriarchalen Weltbild, wobei Niqab- und Burkaträgerinnen zunächst als „Opfer“ erscheinen. Nun kann dies bei Frau Illi kaum angenommen werden. Dieser Auftritt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen war nicht nur eine gezielte Demonstration patriarchaler Weltsicht, sondern auch ein bewusster Verstoß gegen das verfassungs- und menschenrechtlich abgesicherte Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau. Die Behauptung der „Freiwilligkeit“ soll lediglich von diesem Sachverhalt ablenken. Staatliche Behörden haben sich aber an Fakten zu halten. Es ist nicht ihre Aufgabe, innere Befindlichkeiten nachzuweisen oder zu widerlegen.
In Fällen von „Ehrenmorden“ ist es längst zur juristischen Praxis geworden, nicht nur den – gezielt ausgewählten, oft minderjährigen – Täter zur Rechenschaft heranzuziehen, sondern alle im Zusammenhang mit der Tat Stehenden, insbesondere die in der Familie/ dem Clan bestimmenden Personen. Es ist nicht einzusehen, warum diese Rechtspraxis nicht auch bei Niqab- und Burkaträgerinnen in der Öffentlichkeit Gültigkeit haben sollte.
So gesehen, erscheint der Selbstschutz einer Gesellschaft vor Provokationen der genannten Art nicht nur als ihr legitimes Recht, sondern auch als Verpflichtung. Auch politisch ist dies in hohem Maße geboten, um der zunehmenden Tendenz entgegen zu wirken, Bedrohungsgefühle auf Fremde und Unbeteiligte zu projizieren und daraus entstandene Hassgefühle in Formen von Selbstjustiz auszuleben.
Frau Illi provoziert… bei mir nur ein herzhaftes Lachen.
Nehmen wir mal an Burka- und Niqab-Tragen wird verboten. Wie soll das dann vonstatten gehen? Werden die Frauen festgenommen und gewaltsam entschleiert?
Ein mir nahestehender Polizist sagt, dass er sich um die kümmert, nachdem er mit den Rauchern in den Nichtraucherlokalen fertig ist und bei denen hat er noch gar nicht angefangen.
Hier ein Link für Interessierte, wie die Frankfurt University of Applied Sciences mit der Vollverschleierung umgeht. Ich finde das bemerkenswert:
http://www.frankfurt-university.de/aktuelles/religionsausuebung-und-gesichtsverhuellung.html
Es ist schon viel über die Sendung geschrieben worden. Die Redaktion betont den Erkenntnisgewinn, den die Talkshow mit sich gebracht habe. Ich habe es sehr bedauert, dass Anne Will nicht konkret nach dem Verhalten von Nora Ill, ihrer Intention und dem Lustgewinn gefragt hat.
1. Warum begrenzt sie die Möglichkeiten von Anderen, mit ihr in Kontakt zu treten?
Sie schränkt durch die Vollverschleierung bewusst und mit dem Wissen um die verschiedenen Wege der Kommunikation das Erkennen ihres Ausdrucks ein. Der Mensch ihr gegenüber kann Mimik und Mundbewegungen gar nicht und den Augenausdruck nur beschränkt sehen. Auch die Körperbewegungen bleiben unter der schwarzen zelthaften Bekleidung verborgen. Sie zeigt sich nicht und beschränkt ihre Individualität auf das Minimalste, die Stimme: die Situation des Telefonierens als Dauerzustand für die Menschen, die mit ihr kommunizieren. Sie selbst behält den Luxus, Mimik, Gestik und Bewegungen anderer beobachten zu können.
2. Warum begrenzt sie ihre Bewegungsmöglichkeiten?
Sie hat sich für eine Einschränkung des Gesichtsfeldes und der Beweglichkeit entschieden, verbunden mit allen damit einhergehenden Gefahren, z. B. im Straßenverkehr oder für ihre Gesundheut aufgrund von Licht- und Bewegungsmangel (kein Wandern, Joggen, Radfahrern …).
3. Wie fühlt sie sich in diesem Ungleichgewicht des Sehens und Nicht-gesehen-werdens?
Genießt sie die selbstgewählte Asymmetrie der Kommunikation und des Kontakts:
– den kindlichen Traum des Unsichtbar-seins oder
– den des Voyeurs: Andere beobachten ohne selbst hinter der schwarzen Hülle gesehen werden zu können,
– die Freiheit eines Narrs, wie bei einer endlosen alemannischen Fastnacht, dem Grenzverletzungen und wüste Scherze nicht persönlich zugeordnet werden können,
– das Gefühl der Macht und der potentiellen Gefährdung anderer, vergleichbar eines Mitglieds des Klu Klux Klans, einer Terroristin oder Bankräuberin …
– die Freiheit, eine Doppelgängerin oder einen Doppelgänger einzusetzen mit ähnlicher Augenpartie und Talent zur Stimmenanimation,
– die Chance auch im Schlafanzug oder sogar unter dem Zelt nackt auf die Straße zu gehen,
Freut sie sich an:
– der Aufmerksamkeit, die sie als Frau erhält, die sich auf der einen Seite freiwillig versteckt und auf der anderen Seite massiv in die Öffentlichkeit (und nicht in ein Kloster) geht,
– den Reaktionen der anderen, wie Neugier, Irritation, Ablehnung, Empörung … und
– der Möglichkeit, die Verantwortung für die selbstgewählte Kontaktstörung dem Gegenüber anzulasten, in dem sie so tut, als würde sie ausgegrenzt,
– der Sicherheit, in diese Verkleidung zu schlüpfen mit dem Wissen, sie jeder Zeit wieder, auch auf Dauer, abstreifen zu können
4. Welche psychischen und physischen Veränderungen beobachten sie an sich im Lauf der Metamorphose?
Es bedeutet für mich eine angenehme Überraschung, dass nach dem Auftritt von Frau Illi nun auch bisher der Vollverschleierung recht indifferent gegenüberstehenden Männer, die diese öffentliche Selbstdarstellung als gesellschaftlich unerhebliche Randerscheinung abgetan haben (z.B. Bronski himself), sich nun doch ein wenig alarmiert zeigen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf meinen Beitrag vom 26. Oktober zum Thema „Burka“ hinweisen. Für mich ist offensichtlich, dass Frauen wie Nora Illi – in einer anderen Talkshow im vergangenen Sommer gab es schon einmal den Auftritt einer Vollverschleierten, ebenfalls einer Konvertitin – die Vorteile einer Gesellschaft für sich ausnutzen, die, würden sich alle Mitmenschen genauso verhalten wie sie, nicht funktionieren könnte. Würden sich alle, Männer und Frauen, derart verhüllen, kämen freie Kommunikation und Bewegung zum Erliegen und die Wirtschaft bräche zusammen. Die betreffenden Frauen nehmen sich also etwas heraus, das, würde es zur gesellschaftlichen Norm erhoben, sich auch gegen sie selbst richten würde.
Ich selbst habe immer für ein Teilverbot plädiert, ähnlich wie es in der Hausordnung der Frankfurter Fachhochschule (University of Applied Sciences) formuliert wurde. Danke für den Hinweis, Napez!
@Brigitte Ernst und andere Burka-Verbieter
Merken Sie denn nicht, dass Sie von Frau Illi und ihrem Umfeld vorgeführt werden?
Wer agiert hier und wer reagiert? Wer zieht an der Leine und wer ist der Hampelmann?
Auch Frau Illi ist natürlich insgeheim für ein Verbot. Am liebsten wäre ihr sicherlich eine Polizei-Aktion mit SEK-Einsatz und Bericht in der Tagesschau. Was diese Leute wollen ist, das Opfer spielen zu können und damit in die Medien zu kommen und wir tun ihnen auch noch den Gefallen. (Ich habe mir die Sendung nicht angeschaut.)
@ Henning Flessner
Was ist denn gegen eine Regelung wie die an der Frankfurter Fachhochschule einzuwenden? Irgendwie muss ja rein praktisch und möglichst unaufgeregt mit den Nora Illis in unseren westlichen Ländern umgegangen werden. Und wen stört es, wenn sie dann von Diskriminierung faseln?
Ich stimme, ohne alle hier aufgeführten Argumente nochmals zu wiederholen Werner Engelmann (Ausleben von Machtgefühlen, Voyeurismus, Demonstration von Ausgrenztssein …), Klaus Philipp Mertens (TV-Populismus, mißverstanderer Pluralismus …) und Uwe Thoms (Auftritt einer Muslima im Deutschen Fernsehen darf es nicht geben …)ganz klar zu. Die Fragen an die NDR-Redaktion, was uns in Zukunft noch alles zugemutet werden soll (Mertens), sind mehr als notwendig. Ich halte Anne Will und ihre sonntägliche Talkshow inzwischen für reine Selbstinszenierung und Quotenfängerei: Spektakel bringen, Exklusivität ohne wirkliche aufklärerische Qualitäten. Auf diese Weise hat auch die AfD profitiert und ist zum Will-kommenen Gast der Talkshows geworden. Der Welt des Irrsinns mit einem Dauerlächeln begegnen. So einfach ist das alles geworden.
@ Susanne Heynen
Ihr detaillierter und durchdachter Fragenkatalog ist durchaus aufschlussreich. Nicht dass zu erwarten wäre, ein solcher käme in der Talkshow wie der von Anne Will zur Anwendung. Und noch weniger, dass es darauf ehrliche Antworten gäbe. Doch er weist m.E. in die richtige Richtung, wie das Problem einzuordnen ist.
Vermutlich treffen mehrere der unter 3) aufgeführten Möglichkeiten zu, die unter dem Stichwort „gezielte Provokation“ subsummiert werden könnten. Dazu gibt es auch eindeutige Hinweise. So, wenn eine Islamismusforscherin bei Maischberger auf Korrespondenzen in islamistischen Kreisen verweist, in denen solche Auftritte – etwa einer pubertären „Mutprobe“ gleich – beglückwünscht werden.
Entscheidend scheint mir zu sein, dass die von Ihnen aufgeführten Aspekte dazu beitragen, sich nicht mit pseudoreligiösen Begründungen oder Verweisen auf „Entscheidungsfeiheit“ an der Nase herumführen zu lassen. Mit der Konsequenz, dass Provokationen solcher Art hoffähig werden.
@ Brigitte Ernst, 19. November 2016 um 2:52
„Würden sich alle, Männer und Frauen, derart verhüllen, kämen freie Kommunikation und Bewegung zum Erliegen und die Wirtschaft bräche zusammen.“
Man kann wohl unterstellen, dass Ähnliches (wie von Frau Illi ziemlich eindeutig bestätigt) durchaus Zweck der Übung ist.
Den letzten Zusammenhang verstehe ich allerdings nicht ganz. Ich denke da eher an Sicherheitsaspekte angesichts der unbeschränkten Möglichkeiten, was man da unter einer Vollverschleierung so alles anstellen könnte. Sollten also, um denen nicht zu nahe zu treten, die ein solches „Bedürfnis“ haben, Überwachunganlagen (etwa in Kaufhäusern) künftig besser mit Nacktscannern ausgerüstet werden?
Erstaunlich auch, dass keiner von denen, die das in Zusammenhang mit „Frauenrechten“ bringen, niemand auf die Idee kommt, das gleiche „Recht“ auf Vollverschleierung auch für Männer einzufordern. (Was jetzt nicht heißt, dass ich das unbedingt ausprobieren möchte.)
Noch etwas zum praktischen Aspekt: Ich nehme an, dass Sie auch über administrative Maßnahmen wie einem „Verbot“ oder „Teilverbot“ nicht unbedingt glücklich sind. Doch wäre, wer dies als „repressiv gegen Frauen“ ablehnt, in der Pflicht, aufzuzeigen, wie anders man an die – in der Regel verantwortlichen – Paschas hinter ihnen herankommen sollte.
Um es am Beispiel der Sondergenehmigung des niedersächischen Kultusministeriums für eine Niqab-tragende Schülerin (nachweislich von den Eltern verlangt) aufzuzeigen: Wie wäre es, wenn das Kultusministerium statt dessen bei den Eltern vorstellig geworden wäre, um diese unmissverständlich auf Schulpflicht und geltendes Schulrecht hinzuweisen, das durchaus auch Maßnahmen gegen Erziehungsberechtigte vorsieht? – M.E. war das nichts anderes als ein Akt der Feigheit, sich auf einen solchen Konflikt einzulassen, weshalb man lieber einen Präzedenzfall schuf, der natürlich von Islamisten weidlich ausgenutzt werden wird.
@ Werner Engelmann
Leider habe ich es immer noch nicht gelernt, Links einzurichten, sonst könnten ich Sie einfach zu meinen Beitrag vom 26. Oktober leiten.
Ich ging dort von Kants kategorischem Imperativ aus und habe – in absichtlich überspitzter Weise – eine (hypothetische) Gesellschaft entworfen, in der sich alle nur noch gesichtslos und in konturlosen Wallegewändern fortbewegen, was den Straßenverkehr zum Erliegen brächte und die Identifizierung aller am Funktionieren des Zusammenlebens und der Wirtschaft Beteiligten unmöglich machen würde.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Illi und Konsorten in einem solchen Staat leben wollten. Das heißt für mich, dass sie unsere freie Gesellschaft einseitig ausnutzen und froh sind, dass sich die Mehrheit ihrer Mitmenschen nicht wie sie verhalten.
Mich erinnert das an die in Israel kritisierten ultra-orthodoxen Juden, die sich nur deshalb das Recht herausnehmen können, keiner produktiven Arbeit nachzugehen, weil es andere gibt, die für sie mitarbeiten. Oder an diejenigen, die zwar selbst am Sabbat keinen längeren Weg zu Fuß oder am Steuer eines Autos zurücklegen, sich dann aber arabischer Taxifahrer bedienen.
Ich nenne so etwas Heuchelei.
Bezüglich des Falls der Schülerin, die von ihren Eltern zur Vollverschleierung gezwungen wird/wurde, gebe ich Ihnen recht. Die in unserer Verfassung verankerte Freiheit der Religionsausübung wird leider meist mit der Vorstellung vermischt, Kinder seien das Eigentum ihrer Eltern und diese dürften ihren Sprösslingen entsprechend der eigenen religiösen Überzeugung die körperliche Unversehrtheit und die Chancen auf eine freie Entwicklung ihrer Persönlichkeit nehmen. Diese Handhabung der Religionsfreiheit entspricht meiner Ansicht nach nicht dem Geist des Grundgesetzes, und dem müsste ein solches Gerichtsurteil Rechnung tragen.
@ Brigitte Ernst
Betr.: Link setzen:
Ist ganz einfach: Im Archiv (nach Datum oder Kategorie) den Titel des entsprechenden Threads suchen und anklicken. In dem entsprechenden Thread den eigenen Beitrag suchen und anklicken. So wird oben links in der Anzeige der „Comment“ hinzugefügt. Den Link mit der linken Maustaste anklicken und mit ctrl + c speichern, mit ctrl + v in den Text einfügen. In dem Fall erscheint: http://frblog.de/burka-macht-selbst-konservative-zu-frauenrechtlern-na-endlich/#comment-42238
– Ich schreibe den Text sowieso immer erst auf ein word-Dokument und füge ihn in gleicher Weise (markieren, speichern, einfügen) ins Kommentar-Feld. Auch dann passiert es immer noch häufig genug, dass ich Fehler (meist Tippfehler, die ich optisch nicht wahrnehme) überlese. Zur Schrift: Ich benutze in der Regel „Calibri“, eine Schrift, die sich besser lesen lässt als etwa „Times“.
Zur Sache:
Zustimmung zu Ihren Ausführungen. Die Idee mit Gedankenspiel gefällt mir. Auch Thomas Morus hat mit „Utopia“ ja sehr effektiv Sozialkritik „verkauft“ (etwa am Privateigentum). In der Verallgemeinerung lässt sich auch sehr gut die Absurdität von (z.B. religiösen) absolut gesetzten Vorschriften aufzeigen.
Ähnlich z.B. Vorschriften zu Ramadan: Nach fundamentalistischer Lesart auch absolut einzuhalten z.B. in nördlichen Regionen, wo die Sonne im Sommer kaum untergeht. Dass dies nicht als Problem erscheint, liegt wohl daran, dass der Islam noch nicht in solche Regionen vorgedrungen ist. Eine Extrapolation der Ansprüche einer „Weltreligion“ über die Ursprungsbedingungen hinaus macht dies aber deutlich.
Oder, relevant etwa beim iranisch-irakischen Krieg: Töten ist erlaubt, essen nicht.
Das Problem dabei scheint mir zu sein, dass darüber, was „Religion“ eigentlich ist, schwer diskutiert werden kann, weil das, was es für den einzelnen bedeutet, für einen Außenstehenden kaum zu fassen ist.
Beispiel: Schweinefleisch. Einer meiner türkischen Schüler (eigentlich ein netter Kerl) brachte zur Klassenreise seinen Plastikteller mit. Um – wie er mir sagte – sicher zu gehen, dass niemals Schweinefleisch darauf gelegen hat. – Welchen Sinn hätte es gehabt, zu erklären, dass ein ursprünglich sinnvolles Verbot (vor allem in den heißen Regionen der Sahel-Zone) unter anderen Bedingungen sinnlos werden kann, nachdem „ein Religionsstifter“ dies „als Gebot deklariert“ hat, unumstößlich und unter allen Bedingungen einzuhalten? Natürlich habe ich dies unterlassen.
In meiner jetzigen Theater-AG ist ein junger Iraner, der mit Freunden ein Rauschmittel (mir unbekannt) versucht und und Intentionen des Übertritts zum Christentum angedeutet hatte (jetzt vollzogen). Er ist Hals über Kopf geflohen, nachdem einige seiner Freunde festgenommen worden waren. Der sieht das sicher anders, konnte es hier in Frankeich nicht mehr ertragen, wenn Zimmergenossen ständig ihre Gebete verrichteten. Da hilft es nicht, „Toleranz“ zu predigen. Auch das sind tief im Unbewussten verankerte Erfahrungen, an die man rational nicht herankommt.
Fazit:
Auf einer „religiösen Schiene“ kommt man wohl nicht weiter, weder im Sinne von Ausgrenzung und von Verboten noch von falsch verstandener „Toleranz“.
Sinnvoller ist sicher der Weg, klar zu definieren, was – ungeachtet religiöser Überzeugungen – zum Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft an Verhaltensweisen vorausgesetzt werden muss, was zu tolerieren ist und wo die Grenzen der Toleranz liegen. In dieserHinsicht erscheinen mir auch solche Geankenexperimente sinnvoll.
@ Werner Engelmann
Vielen Dank, dass Sie sich meiner Unkenntnis erbarmt haben! Die Söhne, die mir früher bei solchen Fragen zur Seite standen, sind mittlerweile in der Welt verstreut, und der Ehemann hat noch weniger Ahnung als ich.
Auch ich frage mich, wie Muslime in Skandinavien mit dem Ramadan zurechtkommen. Vor einigen Jahren habe ich im Rahmen eines Schüleraustauschs eine Schwedin kennengelernt (mittlerweile Schulleiterin in Stockholm), die wegen eines Mannes zum Islam übergetreten ist. Der Mann hätte sie sonst nicht geheiratet, weil seine Familie keine Nicht-Muslimin als Schwiegertochter akzeptiert hätte. Man kann kaum glauben, dass sich eine gebildete Frau derart verbiegt.
In diesen Breiten sind im Sommer die Tage ja noch länger als bei uns, und wo meine Toleranz dann wirklich auf eine harte Probe gestellt wird, ist, wenn Kinder ab der Pubertät oder gar in noch jüngerem Alter dazu angehalten werden, 20 Stunden und mehr auf jegliche Flüssigkeit zu verzichten. Regelrecht empörend finde ich das Schweigen muslimischer Mediziner angesichts eines derart gesundheitsschädlichen Zwanges.
@Brigitte Ernst
„Auch ich frage mich, wie Muslime in Skandinavien mit dem Ramadan zurechtkommen.“ Indem sie sich z. B. nach dem Sonnenaufgang und Sonnenuntergang in Mekka richten.
Wenn ein Mediziner (es muss kein muslimischer sein) vom Fasten aus medizinischen Gründen abrät, muss nicht gefastet werden.
Was halten Sie denn vom inzwischen wohl sehr beliebten Heilfasten zur Entschlackung des Körpers?
@ Henning Flessner
Sie scheinen nur aufgeklärte Muslime zu kennen. Strenge, konservative Muslime richten sich im Ramadan nach dem Sonnenuntergang in dem Land, in dem sie leben.
Ihnen scheinen die Probleme, die in deutschen Schulen wegen des Fastens während des Ramadan auftreten, unbekannt zu sein. Da kommt es vor, dass Kinder in großer Hitze Schwächeanfälle erleiden und sich dennoch weigern, auch nur einen Schluck Wasser zu sich zu nehmen.
Zum „Heilfasten“:
1. Es gibt viele Mediziner, z.B. Eckhard von Hirschhausen, die das „Entschlacken“ für Unsinn halten, weil es im menschlichen Körper gar keine Schlacken gebe.
2. Beim Heilfasten wird, im Gegensatz zum Fasten im Islam, besonderer Wert auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr gelegt.
3. würde man eine solch radikale Fastenkur keinen Kindern und Jugendlichen empfehlen.
@ Henning Flessner
Ergänzung:
Die Art und Weise, wie das Fasten während des Ramadan von den meisten Muslimen gehandhabt wird. hat mit einer gesunden Einschränkung der Nahrungszufuhr aber auch gar nichts zu tun. Da isst und trinkt man (im schlimmsten Fall in Deutschland) 18 Stunden lang gar nichts, um sich dann, sobald die Sonne untergegangen ist, den Bauch so voll zu schlagen wie möglich. Das führt zu Verdauungsstörungen und, weil sich die Familie ja nachts zum Essen trifft, zu massivem Schlafmangel bei Kindern und Jugendlichen. In den Herkunftsländern stellt sich die ganze Gesellschaft einen Monat lang auf diese Lebensweise ein. Zumindest unsere Schulen werden teilweise dazu gezwungen, das auch zu tun (z.B. bei der Terminierung von Sportfesten oder Klassenfahrten). Es stellt sich die Frage, ob das zu begrüßen ist.