Diktatur in Venezuela?

Der venezuelanische Präsident Huge Chávez hat dem populären TV-Sender RCTV die Sendelizenz entzogen – ein Vorgang, der von Stephan Hebel in der FR mit dem Fazit kommentiert wurde: „Der Populist im Präsidentenamt brüstet sich gern damit, ‚das Volk‘ auf seiner Seite zu haben. Wenn es so wäre – hätte er die Maulkörbe gegen seine Gegner, nicht nur die im Fernsehen, dann nötig?“

Und damit nicht genug: Auch einem weiteren Sender, der sich in Opposition zu ihm befindet, droht Chávez ganz unerhohlen. Ist das eine Tendenz, wie es in Venezuela weitergeht? FR-Leser sind unterschiedlicher Meinung.

Sebastian Chwala aus Marburg schreibt mir:

„Schön, Herr Hebel, dass sie darauf hinweisen, dass RCTV kein Ort ist, wo auf journalistische Qualität wertgelegt wird. Ich teile Ihre Schlussfolgerung aus zweierlei Gründen nicht:

1. Eine Nichterteilung einer staatlichen Fernsehlizenz tut schon allein aus kartellrechtlichen Gründen Not. Es kann nicht sein, dass der Fernsehkonzern, zu dem auch auch RCTV gehört, ungehindert über 80 % des gesamten venezeulanischen Fernsehens kontrollieren kann. Dieses Monopol gehört zerschlagen. Dabei geht Venezuela mit der Schaffung eines öffentlich-rechtlichen und von Basisdemokratischen Gruppen getragen Fernsehsenders anstelle eines profitorientierten Privatsenders einen vernünftigen Weg.

2. Muss es sich eine demokratisch legitimierte Regierung bieten lassen, sich ständig mit Putsch- und sogar Mordaufrufen bedroht zu sehen? Ich denke nein. Ich denke mal, auch Sie, Herr Hebel, würden für eine Schließung von RTL pädieren, wenn dieser TV-Sender zum gewaltsamen Sturz von Frau Merkel aufrufen würde. Die venezuelanische Regierung hat aber gar nicht die Absicht RCTV zu schliessen, im Gegenteil, der Sender kann unbehindert weiter im Kabel-und Satelittennetz senden.“

Ganz anders Michael Schöfer aus Mannheim:

„Im Gegensatz zu Stephan Hebel sehe ich im Lizenzentzug für den venezuelanischen Sender RCTV Anzeichen für eine beginnende Diktatur. RCTV habe zum Putsch gegen Chávez aufgefordert, heißt es. Der Vorwurf ist bemerkenswert, hat doch Chávez einst selbst einen Putschversuch unternommen (1992). Und wer sich gegen Chávez ausspricht, ist nicht gleich für einen Rückfall in frühere Zeiten.

Einem Sender die Lizenz zu entziehen, ist zweifellos Zensur. Wenn die Beiträge des Senders angeblich gegen Gesetze verstoßen haben, kann man ja vor Gericht gehen. In einem Rechtsstaat wäre das der ordentliche Weg – vorausgesetzt, die Richter sind wirklich unabhängig. Doch gerade daran gibt es berechtigte Zweifel: Unlängst nämlich ließ sich Chávez vom Parlament Sondervollmachten genehmigen, dadurch ist in Venezuela die Gewaltenteilung faktisch aufgehoben. Der Präsident regiert durch Dekrete.

Hugo Chávez wäre der erste Politiker der Weltgeschichte, der solche Machtbefugnisse nicht missbrauchen würde. Was aus der Weltgeschichte zu lernen ist: Macht braucht Kontrolle – durch Institutionen (Gewaltenteilung) und ungehemmte Presse- und Meinungsfreiheit. Ein neuer Hitler ist Chávez kaum, doch vielleicht ein neuer Castro. Das reicht schon, ihn zu kritisieren.“

Beide kritisieren also Stephan Hebel – und haben doch entgegengesetzte Positionen.

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13 Kommentare zu “Diktatur in Venezuela?

  1. Viele Deutsche scheinen nur sehr schlecht über die tatsächlichen Vorkommnisse in Venezuela informiert zu sein. Ich selbst blicke auf mehrere Aufenthalte in verschiedenen Regionen Venezuelas seit 1998 zurück.
    1998 gab es in Venezuela noch eine relativ große Mittelschicht, die verglichen mit anderen lateinamerikanischen Staaten sehr gut lebte. In Armut lebten ca. 30% der Bevölkerung.
    Man schaue sich die Verteilung heute an! Eine Mittelschicht ist kaum noch vorhanden und ca. 70% der Menschen leben am Existenzminimum. Die Einnahmen des Landes (die zu 70% aus dem Ölsektor stammen) haben sich seit Regierungsantritt von Chavez versechsfacht. Wo sind diese Mehreinnahmen geblieben? Chavez finanziert damit die regierungstreuen Circulos Bolivarianos, eine Gruppe von ungebildeten, hochgradig gewaltbereiten Slumbewohnern. Diese und deren Angehörigen singen dann auch im Fernsehen Lobeshymnen auf die angebliche Hilfe, die die arme Bevölkerung unter der Diktatur Chavez erfährt. Seit ca. 6 Jahren werden diese Gruppen finanziert und drangsalieren 80% der venozolanischen Bevölkerung (die der Regierung kritisch gegenüber steht). Die friedlichen Proteste der Regierungskritiker werden von diesen Leuten infiltriert und radikalisiert. Darüber hinaus werden ganze Familien, die sich kritisch äußern aus ihren Häusern geprügelt, welche später in Flammen aufgehen. Die Circulos Bolivarianos sind vergleichbar mit Guerillatruppen im benachbarten Kolumbien und wohlgemerkt alle vom Staat finanziert. Die letzten Wahlen konnte Chavez auch nur noch mit Hilfe dieser gewinnen. Regierungsgegner wurden massiv eingeschüchtert und da eine Großzahl der Unternehmen schon verstaatlicht wurde mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bedroht, sollten sie gegen Chavez stimmen. Der Entzug der Sendelizenz von RCTV ist nur die Spitze des Eisberges in einem Land, welches sich schon komplett in eine Diktatur verwandelt hat.
    Man Vergleiche Venezuela mit den ehemals kommunistischen Diktaturen Osteuropas. Die Reisefreiheit wurde aufgehoben, da die Regierung keine neuen Pässe mehr ausstellt. Unternehmen werden verstaatlicht, die Bevölkerung eingeschüchtert und die Rede- und Pressefreiheit mit Füßen getreten. Die Gründung einer südamerikanischen Zollunion die Chavez anstrebt ist nicht etwa ein Schritt zur Unabhängigkeit vom Welthandel, sondern dient dazu sich so viele Regierungen wie möglich mit den sprudelnden Erdöleinnahmen gefügig zu machen. Durch den Rückzug aus der globalisierten Welt hat Venezuela es geschafft viele Investoren aus dem Land zu vertreiben, die Arbeitslosigkeit massiv erhöht und so 40% der Bevölkerung in die Armut zu führen.
    Warum hört man eigentlich von der Bundesregierung kein Wort bezüglich der Einschränkung der Pressefreiheit in Venezuela?

  2. @Richard Burkhardt:
    So, den Menschen geht`s also schlecht in Venezuela ?
    Komisch nur, das Chavez jede Wahl höher gewinnt, obwohl doch immer noch ein Grossteil Medien der sogenannten „Opposition“ gehören.
    Sie sollten hier aufhören, solche verbitterte bürgerliche Propaganda zu verbreiten.Es gibt auch dmeokratischere alternative Gesellschaftmodelle auf dieser Welt, als das bürgerlich-kapitalistische System. Als wirklich interessante Informationsquelle empfehle ich: http://www.www.venezuelanalysis.com

  3. zu #2
    „Komisch nur, das Chavez jede Wahl höher gewinnt […]“

    Ja in der Tat komisch, aber warum nur?!

    Wegen einer Politk, die das Allgemeinwohl im Blick hat

  4. Venezuela war das typische Land für die Ausbeutung durch die Oberschicht: diese Oberschicht hat nicht nur die Macht im ganzen Lande inngehabt, alle Ressourcen, allen Besitz, das Bildungssystem, das Rechtssystem (die „ordentlichen Gerichte“), sondern – selbstverständlich! – auch die Medien. Alles zusammen, einschl. TV, wurde rücksichtslos im Interesse der kleinen Oberschicht eingesetzt.
    Ohne Chavez wären auch die Öleinnahmen auschließlich in den Taschen der Oberschicht gelandet – auf ausländischen Konten, völlig unproduktiv für das Land selbst und seine Menschen.
    Das Auslaufenlassen der TV-Lizenz für einen Putsch-Sender, der darüberhinaus jeden Tag in übelster Weise gegen „alle anderen“ einschl. demokratischer Regierung gehetzt hat, ist eine harmlose Sache – geboten im Interesse der demokratischen Entwicklung. (Nicht ganz am Rande: auch in anderen lateinamerikanischen Ländern wird mit Direktiven der Regierung gearbeitet – das ist eben nichts „Typisches“ für Chavez.)
    Die Medien des „freien Westens“ teilen aber nahezu ohne Ausnahme die Interessen der Oberschicht – leider auch die FR, die durch ihre Korrespondenten keine Gelegenheit ausläßt, Kuba, Venezuela und Bolivien am Zeuge zu flicken – wenig demokratisch, wenig informierend, Des-Information in Reinkultur.
    Auch dies ein Beispiel für das Gewesene, das Vergangene: das Links-Liberale des FR-Anspruchs aus einem anderen Jahrhundert.

  5. @Herbert Steffes
    Zitat: „Die Medien des „freien Westens“ teilen aber nahezu ohne Ausnahme die Interessen der Oberschicht – leider auch die FR, die durch ihre Korrespondenten keine Gelegenheit ausläßt, Kuba, Venezuela und Bolivien am Zeuge zu flicken – wenig demokratisch, wenig informierend, Des-Information in Reinkultur.“

    Nehmen wir einmal das große Vorbild von Hugo Chavez: Fidel Castro
    Oppositionelle in Castros Reich müssen für ihre Regimekritik mit jahrzehntelangen Haftstrafen rechnen, die Meinungsfreiheit ist auf der Zuckerinsel faktisch außer Kraft gesetzt. Schriftsteller und Journalisten leben in ständiger Angst vor Verhaftungen. Und wie die Volksrepublik China, Vietnam und Nordkorea will der Maximo Lider die totale Kontrolle über die Informationen ausüben, die seine Untertanen zu Gesicht bekommen sollen respektive verbreiten dürfen. So wird beispielsweise jeglicher Internetverkehr über zwei kubanische Zentralserver gelenkt und streng überwacht. Die Zensur ist rigoros. Meinungsfreiheit via Weblogs, bei uns selbstverständlich, davon können Kubaner folglich nur träumen.

    „Im Schatten des Irakkriegs im März 2003 wurden bei der größten Verhaftungswelle seit Beginn der kubanischen Revolution im Jahr 1959 75 Frauen und Männer festgenommen und zu bis zu 28 Jahren Haft verurteilt, einzig weil sie von ihrem Recht auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Gebrauch gemacht hatten. Vorgeworfen wurde ihnen auch, sich Informationen aus dem Ausland beschafft zu haben. Unter ihnen waren Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Schriftsteller, Lehrer, Buchhändler und Angehörige oppositioneller Demokratiebewegungen. Sie hatten sich für Wahlen ausgesprochen, Flugblätter vorbereitet oder sich zu Gesprächen getroffen.“ [Quelle: amnesty international, November 2006]

    Was ist daran Desinformation?

  6. Nehmen wir einmal das große Vorbild von Hugo Chavez: Fidel Castro

    Um Gottes willen… Wir reden hier über Venezuela und nicht über Kuba und Castro.

  7. Wie groß war die Empörung als Berlusconi die Medien manipulierte. Als er missliebige Journalisten entließ und versuchte, auch noch die letzten unabhängigen Sender und Zeitungen zu “kaufen“. “Keine Pressekonzentration, keine derartige Machfülle“ hieß es aus intellektuellen Kreisen.

    “Enteignet Springer“ hieß es mal, weil man die Gefahr der Gleichschaltung für die Zeitungslandschaft hierzulande herannahen sah.

    Und nun versucht ein südamerikanischer Präsident dies umzusetzen. Weniger (Medienmacht) sollte doch auch hier mehr sein.

  8. @Sebastian Chwala

    1. Herbert Steffes hat in seinem Kommentar (Nr. 5) Kuba aufgegriffen, ich bin lediglich darauf eingegangen.

    2. Hugo Chaves‘ großes Vorbild ist bekanntlich Fidel Castro. Es liegt also nahe, dass er eine entsprechende Politik beabsichtigt. Die Anfänge sind ja bereits gemacht. Warten wir es ab, wo es hinführt.

  9. Die Nennung der Inhaftierten auf Cuba vergißt die Alternative zu Chavez und Castro:
    Guantanamo.

  10. @ walthor

    aber genau dieser medienmacht versucht doch chavez mit der schliessung der sender entgegenzutreten.
    den anders als bei uns gibt es sozusagen noch kein öffentlich rechtliches fernsehen und dem geschlossenen sender obliegt es, ähnlich wie bei uns kabel eins, eben über kabel und satelit weiterzusenden.
    die sendelizenz über äther wurde also nur entzogen um dert medienmacht ala berlusconi entegenzutreten.
    ausserdem, welcher sender würde es überleben, wenn er öffentlich zum putsch von merkel aufruft?
    chavez hat zwar ein ermächtigungsgesetz erlassen, aber er hat auch eingeführt alle zwei ajhre direkte wahlen durchzuführen.
    er hat den mindestlohn und die renten erhöht, nur mal soviel dazu, wohin das geld der verstaatlichung der ölkonzerne fliesst….
    ein staat hat eben in gewisserweise immer eien art gewaltmonopol, was man bei uns in rostock ja auch gut sehen konnte.

  11. @ 12. Kommentar von karsten

    Huch, ich vermute, ich wurde nicht ganz oder falsch verstanden ? Mein letzter Satz („Weniger (Medienmacht) sollte doch auch hier mehr sein.“) sollte das eigentlich deutlich werden lassen, wobei ich zugeben muss, dass die vorangegehenden Passagen wirklich etwas wirr klingen. Sorry.

    Ich kann eine solche Aktion wie Chavez sie veranlasste durchaus rechtfertigen, ja sogar nachvollziehen. Er muss sich rechtzeitig wehren, damit es ihm nicht ergeht wie anderen Präsidenten im “Hinterhof der USA“ (Beispiel Allende).

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