Zum 40. Geburtstag der Zeitschrift „Emma“ hat FR-Chefredakteurin Bascha Mika einen großen Artikel über das komplizierte Verhältnis der Frauenbewegung zu „Emma“-Gründerin Alice Schwarzer geschrieben. Online-Überschrift: „Das System Alice Schwarzer“ , im Print hieß derselbe Text „Es war einmal eine Königin …“. Sie schreibt u.a.:
„Trotz aller Unkenrufe in der Medienbranche und Skepsis im feministischen Umfeld – ‚Emma‘ ist spektakulär gestartet. Vergessen scheint, dass sie aus heftigem Streit in der Frauenbewegung hervorgegangen ist, dass Alice Schwarzer vorgeworfen wurde, sich auf Kosten anderer als Speerspitze des Feminismus aufzuspielen, sich mit dem Heft dem Markt anzudienen und die Bewegung zu verraten. Doch es ist nicht vergessen. Interner Streit, skrupelloses Schwarzersches Machtregime, Abschottung nach außen, Herabsetzung von Andersdenkenden und unendlich viele vergrätzte Autorinnen und Sympathisantinnen gehören von nun an zur Geschichte der ‚Emma‘. Jede Zeitung, jede Zeitschrift, die mit Haltung und Herzblut gemacht wird, hat eine Seele. Und die der ‚Emma‘ ist von Anbeginn beschädigt.“
Bascha Mika, selbst Autorin eines Buchs über Schwarzer (Alice Schwarzer, Rowohlt-Verlag 1998), findet also klare Worte. Logisch, dass dies nicht jeder gefällt, denn für viele ist Alice Schwarzer eine Ikone, und an Ikonen, so heißt es, kratzt frau nicht. Oder? Warum eigentlich nicht? Manche Zuschrift, die ich bekam, klang fast so, als habe sich Bascha Mika eines Sakrilegs schuldig gemacht. Eine kritische Würdigung des Werks und der Person der Frau Schwarzer war wohl überfällig. Als Reaktion darauf kam unter anderem dieser lange Leserinbrief von Frederike Frei aus Berlin, den ich im Print-Leserforum aus Platzgründen nur um etwa die Hälfte gekürzt veröffentlichen konnte. Doch wir haben ja die schöne Sitte, solche Zuschriften in voller Länge hier im FR-Blog als Gastbeitrag zu veröffentlichen:
Frauenwiderstand ist ein Dornengebüsch
Von Frederike Frei
.
Mich wundert, dass eine frauenbewegte Frau so spät noch über die Personality von Alice Schwarzer schreibt. Der Artikel brachte mir bis auf ein Datum und den Wortlaut eines Namens nichts Neues. Vielleicht ist das noch für die Männer interessant. Die FR ist ja eher eine Männerzeitung, die ich aber durchaus gerne lese, weil auch ich wie Alice Schwarzer und übrigens auch Bascha Mika selbst gut mit Männern kann. Das muss man niemandem und niemander ankreiden.
Der Artikel vertieft eher den Graben zu Alice Schwarzer. Damit ist der Frauenbewegung aber weniger gedient. Jetzt wäre eigentlich interessanter, uns alle, die Frauen der Frauenbewegung, einschließlich Alice, zu fragen, wie wir diese Bewegung heute sehen, wie sehr sie uns nützte und wie sehr auch schadete, statt Frau Schwarzer den Streit mit den Jungen zu überlassen. Ich seh uns noch beim ersten Treffen schreibender Frauen zusammen sitzen, u.a. Alice Schwarzer dabei, Hilke Holinka, Ruth Geiger, Sigrid Weigel. Damals galt es, frauensolidarisch zu sein. Diese Solidarität ist mir immer noch wichtig. Und diese kann man auch Frau Schwarzer gegenüber beibehalten, finde ich.
Mich würde also eher ein Gespräch zwischen Alice Schwarzer und Sibylle Plogstedt interessieren. Letztere ist die „Chefin“ der „Courage“ gewesen, eine bundesweit gelesene Frauenzeitung damals, in der wir gerne öffentlich nachdachten und unzensiert nachdenken durften, die aber einging, als Alice Schwarzer mit der „Emma““ begann. Dies scheint das Argument von Bascha Mika zu stützen, dass „Emma“ mit ihrem unbestreitbar „intellektuell schlichten Feminismus eine fatale Rolle spielte in der frauenpolitischen Debatte“. Doch wer ist Alice Schwarzer, dass sie einer ganzen Frauenbewegung soviel Schaden zufügen kann?
Erst nach Jahren erfuhr ich, dass „Courage“ nicht wegen „Emma“ einging, wie wir Autorinnen annahmen, auch nicht wegen mangelnder Qualität, sondern um ihrer selbst willen, wegen der Arbeitszeiten und -strukturen der Frauen, die die Zeitung machten, die nicht unter einen Hut zu bringen waren. Das wäre auch mit „Emma“ geschehen, wenn da nicht eine Führungsfigur ihr Leben hineingegeben hätte. Alice Schwarzer ist beim Thema Frau gelieben, hat sich damit weiterhin herumgeschlagen, die anderen Frauen der Debatte sind abgewandert zu anderen Themen wie Medien, Forschung, -Gender, Soziales, Künste, brachten dort das Thema „Frau“ ein. Schon aus diesem Grunde hat sich die Debatte verändert. Solo ist das Thema „Frau“ nun mal wenig differenziert, letztlich einseitig.
Der Artikel von Bascha Mika über Alice Schwarzer heißt „Es war einmal eine Königin …“ Er ist aber so geschrieben, wie wenn es hieße: „Es war einmal (und ist immer noch) eine Herrscherin …“ Für die „Königin“ hätte der Satz von Bascha Mika „Vielleicht hat Alice Schwarzer der Sache der Frauen tatsächlich genutzt“ zu einer längeren Passage ausgebaut werden mögen zusammen mit einer Stellungnahme, die den Tenor des Artikels u. U. relativiert hätte. Denn dass frau despotisch oder autoritär wird, wenn sie so einen Laden stemmt, ist mir selber passiert, als ich nur die regionale Literaturpost e.V. gründete mit einer Mehrheit von Frauen und als Literaturlabor e.V. leitete. Wie muss es erst einer gehen, die eine bundesweite Zeitung für Frauen initiiert und das durchhält mit diesem schwarzen, weißen Thema.
Meine ganze Lebenserfahrung hätte mich veranlasst, niemals wie Lisa Ortgies – selbst wenn Alice mir gut zugeredet hätte – deren Rolle in der „Emma“ zu Lebzeiten zu übernehmen. Wie kann frau so naiv sein und glauben, der Widerstand von Frauen sei so exakt zu berechnen wie bei Männern, die wie spitze Zaunpfähle dastehen, einer neben dem anderen, also durchaus Lücken lassen. Frauenwiderstand ist ein Dornengebüsch. Da kommst du nicht ohne weiteres durch. Das muss man einfach wissen. Da kann sich doch Frau Lisa Ortgies nicht drüber wundern, dass Alice sich widersprüchlich verhält, dass Alice an ihrem „Kind“ dranbleibt, wenn sich jemand damit zeigt oder es herumreicht. Soviel Lebenserfahrung sollte frau haben, wenn sie eine Zeitung übernimmt. Der Klatsch, dass Alice die Brille herunterfiel in der Wut, gehört eher in den Schreibstil einer anderen Art von Zeitung.
Beim oben erwähnten Treffen schreibender Frauen – ich war damals Auftragsdichterin bei der Documenta und schrieb u.a. Augengedichte, – war die Stimmung locker genug, dass ich auch ein Augengedicht über Alice Schwarzer schrieb, die ich sonst nicht weiter kannte. Dafür muss man einander ein, zwei Minuten in die Augen sehn. Ich schrieb damals:
Du darfst nicht weinen/ wenn du dich versteckst/ sonst findet man dich.// Du darfst dich nicht verstecken/ wenn du weinst/ sonst findet man dich nicht.
Ich wünsche mir Berichte über uns frauenbewegte Frauen von damals bis heute. Was der Feminismus wirklich bräuchte, wäre Solidarität auf allen Ebenen. Vielleicht also eher ein Gespräch mit Alice Schwarzer über das Damals und das Heute. Oder eine Tagung. Oder eine Streitschrift. Nachfragen, bevor man die alten Antworten auftischt. Tiefer schürfen. Das Spannende ist doch die Zeit, die vergangen ist. Was bewirkt sie? Wenn Sie, Bascha Mika, in Ihrer Position sich für den Beginn einer Debatte in dieser Richtung einsetzen könnten, das fände ich gut.“
Mich hat der Artikel von Bascha Mika ein wenig befremdet. Er klingt mir zu sehr nach persönlicher Abrechnung. Welche Leserin, welchen Leser interessieren die Rivalitäten unter den Mitarbeiterinnen der „Emma“? Hier wird schmutzige Wäsche gewaschen, was unter der Würde einer ernstzunehmenden Journalistin sein sollte, zumal sich Frau Mika ihrerseits über Schwarzers „intellektuell schlichten Feminismus“ mokiert.
Falsch ist der Vorwurf, Alice Schwarzer bezeichne alle Afrikaner pauschal als Vergewaltiger. In dem schmalen Büchlein, das sie zu den Vorfällen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015 (der Titel ist mir entfallen, ich habe das Buch verliehen) herausgegeben hat, wendet sie sich gegen diejenigen, die Frauen sexuell attackieren, und betont ausdrücklich, dass sie viele Männer aus diesem Kulturkreis kenne, die Frauen jederzeit respektvoll gegenüberträten.
Ich persönlich sehe Alice Schwarzer als Person an, die wichtige Denkanstöße für die Frauenbefreiung gegeben hat, auch wenn frau nicht immer mit ihr einer Meinung sein muss(te). Ich selbst fühlte mich mit meinen Interessen aber nur zum Teil von Frau Schwarzer repräsentiert, weil sie den für mich problematischsten Aspekt des Frauenlebens, nämlich die Schwierigkeit, Mutterschaft und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen und den Kindsvater zu partnerschaftlicher Teilhabe an der Betreuung des Nachwuchses zu bewegen, nicht am eigenen Leib erfuhr/erfahren hatte. Auf diesem Gebiet hat sich Manuela Schwesig meiner Ansicht nach größere Verdienste errungen.
Ich habe vor einiger Zeit auch das Buch von Frau Mika über Alice Schwarzer gelesen. Mir selber hat diese Frau derzeit zu Beginn der Frauenbewegung geholfen, die Augen auf zu machen. Aber danach ist sie abgehoben und es war mir zunehmend unangenehmer, dass sie sogar noch von der Bildzeitung als unsere Superfeministin gefeiert wurde und wird – wenn ich mich an das Kachelmanndesaster erinnere. Auch ihre gräßlichen selbstdarstellerischen, einseitigen, mediengeilen Auftritte in allen möglichen Formaten waren und sind mir zuwider. Erinnert sich noch wer an die Diskussion mit Frau Feldbusch? Das ist doch alles nur noch das abstoßend und keineswegs erhellend!
Um kurz auf den blog „Frauenwiderstand ist ein Dornengebüsch“ einzugehen:
Ich war lange Zeit EMMA-Abonnentin, hatte allerdings die Nase voll, in dieser Zeitschrift als damaligen CDU-Wählerin als nicht zurechnungsfähig betitelt zu werden.
Mein Abo hatte ich daraufhin gekündigt.
Zur Erläuterung:
Bekanntermaßen bin ich eine Befürworterin der Kernenergie (hier jetzt ohne weitere Ausführung) und fühlte mich zu dieser Zeit in dieser Hinsicht noch von der CDU vertreten.
@ Katja Wolf
Interessant ist das ja in dem Zusammenhang, dass Alice Schwarzer für die heutige Bundespräsidentenwahl von der CDU in die Bundesversammlung entsandt wurde.
@ Brigitte Ernst: Stimmt!
Mir ist es heute sehr wichtig, Bascha Mika zu diesem Anlass für ihren wunderbaren Artikel über Alice Schwarzer zu gratulieren.
Ich bin Jahrgang 1949 und habe die spießigen 50er überstanden, weil ich schon früh auf das schaute und horchte, was aus Amerika herüberschwappte. Besonders auf diese neuen, weichen Männer wie James Dean, aber auch auf die wilde Musik.
Dann begannen die wilden 60er und die Musik wurde zum bestimmenden Element meiner Generation. Rebellion und Aufbruch wären ohne diese aufrührerische Musik wohl nicht möglich gewesen.
Der Beginn der 70er war bitter, da ein kleiner Teil meiner Generation in den Terrorismus abdriftete. Da waren wir nicht mehr dabei. Umso glücklicher waren wir über die beginnende Befreiung der Frau, an der Alice Schwarzer sehr großen Anteil hatte und hat.
Irgendwann begannen die 80er und die 90er. Viele der befreiten Frauen waren inzwischen selber in Leitungsfunktionen, in denen sie begannen, nun ihrerseits Frauen zu unterdrücken, damit diese nicht mehr neben ihnen hochkommen konnten. Ich habe in meinem langen und bunten Berufsleben eine Menge dieser Spezies kennengelernt. Auch an diesem Verhalten der Frauen hat Alice Schwarzer durch ihr Vorbild sehr großen Anteil. Dass sie das gesehen und auch den Mut hatte, es zu benennen, dafür danke ich Bascha Mika persönlich.
Nun haben wir ein neues Jahrhundert und viele der Frauenthemen wirken heute seltsam angestaubt. Das muss sich aber dringend wieder ändern, denn meine Generation ist jetzt gerade in Rente gegangen und stellt fest, dass wir Frauen auch da noch lange nicht wirklich gleichberechtigt sind.
Aber wir sind ja auf einem guten Weg und ja, das verdanken wir zum Teil Alice Schwarzer. Aber zum Glück verdanken wir es zum überwiegenden Teil einer starken Generation von Millionen Frauen, die sich unverdrossen auf einen langen Weg gemacht haben und noch immer nicht wirklich am Ziel angekommen sind. Solche Ziele können wir Frauen nicht gegeneinander schaffen, sondern nur miteinander. Bascha Mika hat das verstanden, Alice Schwarzer wohl nicht.
Frau-sein alleine hilft aber nicht!Die Interessen liegen eben je nach politischer/gesellschaftlicher Einstellung auch meilenweit auseinander. Man denke nur an Frau Petry – aber sie ist ja nur ein besonders krasses Beispiel. Borniertheit gibt es quer durch alle Lager. Aber ich würde mir auch wünschen, dass es wieder ein gemeinsames feministisches Projekt gibt, für das sich viele einsetzen können. Zuletzt war das – glaube ich – bei der Frage des Rechtes auf einen Schwangerschaftsabbruch der Fall.