Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Auswahl von Leserbriefen zur Veröffentlichung ist alles andere als ein leichtes Werk. Das sage ich nicht, um mein Licht auf den Scheffel zu stellen, sondern um meine Arbeit und ihre Probleme darzustellen. Zum eigentlichen Anlass komme ich gleich.

Ich möchte im Print-Leserforum so viele verschiedene LeserInnenbriefe wie möglich veröffentlichen, denn es sollen so viele LeserInnenstimmen wie möglich zu Wort kommen.

Das Äußerste an Platz im Print-Leserforum, den ich einer einzelnen LeserInzuschrift einräumen möchte, ist dieser hier: ein Zweispalter von 2500 bis höchstens 2800 Zeichen. Sie sehen hier rechts einen Screenshot direkt aus dem Redaktionssystem, mit dem Ihre FR produziert wird.

Nun werden Sie vielleicht sagen: Das ist aber viel Platz für einen einzelnen Leserbrief. Irrtum! 2500 bis 2800 Zeichen sind überhaupt nicht viel Platz, wenn ein Leser oder eine Leserin ausgreifend argumentiert. Im Fall des hier abgebildeten Leserbriefs kam es dennoch zu einer Veröffentlichung im Print-Leserforum und dann auch, wie ich es in solchen Fällen handhabe, zu einer Veröffentlichung des ungekürzten Leserbriefs als Gastbeitrag hier im FR-Blog.

Dennoch möchte ich anhand des nächsten Screenshots – gleich hier links zu sehen – einmal kenntlich machen, wie lang der ungekürzte Leserbrief im Vergleich zur äußersten zur Verfügung stehenden Länge gewesen ist. Im Blog-Gastbeitrag merkt man das kaum, aber im Print würde ein solcher Beitrag, der über mindestens vier Spalten gelaufen wäre, sicher für tränende Augen sorgen, ganz abgesehen von dem Platz, den er anderen Leserbriefen genommen hätte. Was unten rot rausläuft, muss um diesen Platz gekürzt werden. Keine leichte Aufgabe, wenn man dem Inhalt eines Leserbriefs dennoch gerecht zu werden versucht. Der Leserbrief, der hier in Rede steht, war rund doppelt so lang, wie mir im äußersten Fall Platz für einen einzelnen Leserbrief zur Verfügung steht.

Ich schreibe das nicht, um Ihr Mitgefühl zu ergattern. Solche Zuschriften so zu gewichten, dass daraus etwas Interessantes für die gesamte LeserInnenschaft der FR entsteht, ist mein Job. Ich schreibe das nur, um bei jenen, die sich nicht kurz fassen wollen, Verständnis zu erregen – und vielleicht die Lust ein bisschen  zu stimulieren, sich beim nächsten Mal kürzer, prägnanter, pointierter und damit wahrscheinlich auch provozierender auszudrücken.

Prägnanter, pointierter, provozierender

Das hat natürlich einen gewissen Witz. Ausgerechnet ich, der sich selbst nicht kurzfassen kann, ruft Sie dazu auf, sich kürzer zu fassen? Nein, das ist nicht mein Impuls. Ich rufe Sie lediglich dazu auf, sich in meine Situation zu versetzen, ehe Sie mir einen langen LeserInbrief schicken. Sie wissen: Es gibt den Kürzungsvorbehalt. Das FR-Leserforum behält sich vor, Leserzuschriften auf die zur Verfügung stehende Länge zu kürzen. Wenn Sie mir einen langen LeserInbrief schicken, dann tun Sie das im Bewusstsein, dass ich etwas damit mache, was Sie vielleicht nichts übers Herz bringen, was vielen dieser Zuschriften aber dennoch guttut.

Kleine Anekdote am Rande: Der Verleger meiner frühen Romane verzweifelte beinahe an mir. Ich sei nicht in der Lage, mich kurzzufassen. Ich gab zurück: Es ist nicht meine Aufgabe, mich kurzzufassen, sondern es ist meine Aufgabe, Geschichten zu entfalten, und das braucht eben manchmal Platz. Darauf mein Verleger: Ich hab keinen Platz. Platz kostet Geld. Aber noch heute kann ich mich nicht kurzfassen. Mein Romanzyklus „Virenkrieg“ wird kaum kürzer als 2000 Buchseiten werden.

gratz 1Hier rechts ein noch extremeres Beispiel eines Leserbriefes. Der Autor fragte ein paar Tage nach der Einsendung bei mir nach, warum der Leserbrief noch nicht veröffentlicht sei. Die Antwort könnte er sich eigentlich selbst geben. Leserbriefe wie dieser können nicht mehr veröffentlicht werden. Der Screenshot unten tut kund, was äußerstenfalls dringewesen wäre.

gratz 2Man muss sich vergegenwärtigen: Leserbriefe sind urheberrechtlich geschützte Dokumente. Kürzungsvorbehalt hin oder her: Tiefschneidende Kürzungen sind nicht möglich, ohne den Sinn einer solchen Zuschrift zu entstellen. Das bedeutet: Je länger ein Leserbrief ist, desto größer sind die Herausforderungen, vor die er mich und meine Vertretungen in der Leserforumredaktion stellt. Ab einer bestimmten Länge fasse ich solche Zuschriften nur ein einziges Mal an: wenn ich sie mit der Maus in der Ordner verschiebe, der die Aufschrift trägt: „Unmöglich zu veröffentlichen“. Inhaltlich darf ich wegen des Urheberschutzes nicht eingreifen, Kürzen geht nur in begrenztem Maß.

Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Wollen Sie Gehör finden? Wollen Sie gelesen werden? Dann fassen Sie sich bitte bitte bitte möglichst kurz. Orientieren Sie sich an den drei Ps:

  • prägnant
  • pointiert
  • provozierend

Sonst kann es Ihrer Zuschrift gehen wie dieser hier rechts: Sie haben sich viel Arbeit gemacht, doch die Frucht Ihrer Mühen wird nie veröffentlicht.

Daher:

Spitzen Sie Ihre Zuschriften bitte im Sinne der drei Ps zu!

Nicht nur Lutz „Bronski“ Büge von der Leserbriefredaktion und nicht nur die FR danken Ihnen dies, sondern auch die Debatte, die Sie anfeuern wollen, und die Menschen, die Ihre Beiträge dann sicher sehr gern lesen.

Beste Grüße an Sie alle

Lutz „Bronski“ Büge
FR-Leserforum
frblog.de

PS: Dies war der 2500. Artikel der auf dem FR-Blog veröffentlicht wurde. Seit dem 5.9.2005 blogge ich hier für Sie. Das musste noch gesagt werden.

 

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9 Kommentare zu “Bronskis tägliche Qual

  1. Zwar habe ich schon seit Jahren keinen Leserbrief mehr an die Frankfurter Rundschau geschrieben. Aber auch die Gefahr, ausufernde Beiträge hier im Blog zu verfassen, besteht zumindest von meiner Seite aus nicht. Aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung lässt meine Konzentrationsfähigkeit schlicht zu wünschen übrig. Erstreckt sich ein Beitrag über vier bis fünf Sätze, bin ich bereit, mich darauf einzulassen. Alles, was darüber hinausgeht, erreicht mich nicht.

  2. Mir sei noch ergänzend zu meinem jüngsten Kommentar die Anmerkung erlaubt, dass für mich im Unterschied zu Bronski weniger die schiere Länge eines Leserbriefs eine „unnennbare ewige Qual“ (Horkheimer/Adorno, 2016: 87) bedeutet als vielmehr Praktiken, die gesellschaftlich einen Mechanismus in Gang setzen, der meine Auffassungsgabe extrem einschnürt. Mir wäre daher am ehesten geholfen, wenn sich jene Dritten endlich dazu entschließen könnten, notwendig Verzicht zu üben, indem sie mir schleunigst ihren Unfug ersparen. Manche Soziologen wie Dörre und Lessenich mögen darin eine Nähe zu neoliberalen Ideologien erkennen und solch ein Innehalten öffentlich kritisieren. Von meinem Standpunkt aus betrachtet, handelt es sich jedoch bloß um eine Strategie des nackten Überlebens.

  3. Lieber Bronski,
    Ein schönes Beispiel für sich kurz zu fassen! Macht aber Spass ihre Texte zu lesen.
    Licht auf den Scheffel stellen kenne ich nicht, nur unter.

  4. @ Anna Hartl

    Ich sagte ja, dass ich mich selbst ebenfalls nicht kurzfassen kann. Hier im Blog ist das auch nicht nötig. Im gedruckten Produkt aber leider eben doch. Kürzen tut weh!

    Wenn man ein Licht unter den Scheffel stellen kann, dann ist es gewiss auch möglich, es darauf zu stellen, auch wenn das Bild es nicht vorsieht – oder?

  5. @Bronski
    Okay, okay, dann stellen sie ihr Licht halt auf den Scheffel, oh Verzeihung, sie sagten ja „gewiss nicht auf den Scheffel“. Das ist dann eine Bronski-Neuschoepfung!

  6. @ Anna Hartl

    Ein(e) Schriftsteller(in) lebt doch von der Schöpfung neuer Wörter und Bilder. Sie zeugen von Kreativität.
    Das finden wir schon bei Goethe. Die „Knabenmorgen-Blütenträume“ aus dem Gedicht „Prometheus“ kannte vorher auch noch keiner.

  7. Habe Lust bekommen, auch mal durch andere Threads zu „schlendern“.
    Das mit den Wort- und Bildschöpfungen ist interessant.
    Bronskis Kreation „Licht auf den Scheffel stellen“ ist folgerichtig, wenn man bedenkt, dass man es normalerweise nur unter den Scheffel stellt (von Anna Hartl bereits erwähnt).
    Ähnlich geht es mir, wenn ich ungewollt jemand verunglimpft habe.
    Kann ich auch wieder verglimpfen?

    Ein Nachteil in einem Blog ist häufig das kleine Eingabefeld für den Text, besonders bei Gebrauch eines iPads oder Androids.
    Schreibfehler werden leider leicht übersehen und die Argumentationsstruktur kann gelegentlich durcheinandergeraten.
    Dann wirkt so ein Kommentar, als sei man beim Schreiben auf irgendeine Weise verwirrt gewesen….

    Das sind dann die Probleme, mit denen sich die Kommentierenden rumschlagen müssen.

    Und, im Netz gibt’s keinen Radiergummi, wenn ein Text mal abgeschickt wurde?.
    So, jetzt kann ich wieder schlafen

  8. Sehr schön, Herr Büge! Sie machen keine Vorrfe, sondern stellen Ihr Dilemma mit den langen Texten dar. Die Einschränkung auf Leserbriefe ist aber in meinen Augen unberechtigt. Auch in Blogs finde ich es äußerst mühsam, endlosen Beiträgen zu folgen. Es sollen doch Diskussionen sein und keine Vorlesungen! Wenn ich lange Texte lesen muss, dann drücke ich sie mir lieber aus – nach Möglichkeit. Bei fast 200 Seiten zögere ich dann aber auch. So bei dem Bericht der unabhängigen Experten zum Antisemitismis in Deutschland.
    Also jedenfalls bei Blogs bitte ebenfalls die drei p beachten!! Sonst fühle ich mich an die alten linken Zirkel meiner Unizeit erinnert, wo es meist im,er dieselben waren, die endlos und meist redundant alle anderen zum Einschlafen brachten.

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