Privatstädte: Mit eigenem Recht für die Reichen und Superreichen

Libertäre Unternehmen wollen den Staat aus der Stadt verbannen und einer ausgewählten Kundschaft rechtliche Privilegien bieten. Der Markt soll alles regeln – im Interesse des Profits. In solchen Privatstädten – ihre Fürsprecher nennen sie „Sonderentwicklungszonen“ – sollen eigene Regeln anstelle der Gesetze der „Gastländer“ gelten. Mehrere dieser Städte für die Reichen und Superreichen sind bereits im Bau, etwa in Honduras, und es wird eifrig für diese Investitionen geworben. Die Reichen wollen mit den Armen, auf deren Rücken ihr Wohlstand jedoch erst gedieh, nichts mehr zu tun haben. Die FR berichtete über diese „wegweisende“ Konzept in ihrem Tagesthema vom 2. Februar.

fr-debatteEine zweite Welt soll entstehen

Es wird ja immer schlimmer auf dieser unseren Welt. Wenn man ein bisschen vom Jenseits eine Ahnung erfühlt, könnte man meinen, dass wir alle von Corona noch nicht gestresst genug sind. Jetzt kommen die kapitalistischen Profiteure noch auf immer absurdere Ideen. Und das im Rahmen von Globalisierung, es soll eine zweite Welt entstehen, Welt der Reichen, exklusiv und undemokratisch. Herr der Welten, schütze uns vor diesen Menschenverächtern, die den Armen- vorwiegend erst entstanden durch der Reichen Mentalität -in ihren kranken Hirnen deren demokratische Rechte verweigern wollen, indem die reichen Fuzzies meinen, wer vom Staat finanziell unterstützt wird, soll nicht mehr wählen dürfen, soll kein Wahlkreuz weiterhin machen dürfen, Herr Gott, in welcher Form von „westlicher“ Wertegemeinschaft leben wir denn, Herr aller Welten verschone uns vor diesem Ansinnen, da wir schon genug Weltprobleme vor uns hertragen, z. B. unsere Osteuropäer, die (für Russland) in provokanter Weise in die Nato wollen, weil sie mit Recht Angst vor Putin haben, der wiederum so schnur stracks mal eben eine Krim Insel völkerrechtlich annektiert hat und mit Militäraufmärschen eine Drohkulisse aufbaut. Außerdem haben wir es mit unmenschlichen Militärdiktaturen, wie z. B. Mianmar und auch Ägypten zu tun, hier kann die Weltgemeinschaft kaum Regelungen finden, obwohl Demokratien zunichte geschossen wurden und werden. Die Weltgemeinschaft findet einfach keine Möglichkeit einzugreifen, sondert produziert eifrig Waffen, Waffen, Waffen.

Oskar Voigt, Frankfurt

fr-debatteMehr als eine groteske Verschwörungstheorie

Im Jahr 1930 verständigten sich der General von Schleicher, die rechten Parteien sowie Kreise der Wirtschaft auf das Ziel, die Reichsregierung von Entscheidungen des Parlaments, d.h. von der Zustimmung der SPD, unabhängig zu machen. Die Folge war die „Präsidialdiktatur“ Hindenburg – Brüning, der es gelang, durch Missbrauch des Art. 48 WV mit sog. Notverordnungen zu regieren. Da aber die SPD hierauf einen indirekten Einfluss nahm, musste Brüning ersetzt werden, beim dritten Anlauf durch Adolf Hitler, der mit dem „Ermächtigungsgesetz“ genau dieses Ziel erfüllte. Daran musste ich denken, als ich in der wichtigen FR-Recherche las, dass die Betreiber des Private-Städte-Projekts eine „andere Gesellschaft wollen“, in der Menschen, die Geld von Staat erhalten, kein Wahlrecht sowie Mieter und Arbeiter keine Rechte mehr haben sollen. „Beyond democracy“, ein Ende des Wohlfahrtstaates und der Demokratie des GGes. Und die Herrschaften, die ihre unsäglichen Milliarden auf Kosten der Mehrheit der Menschen, besonders in den armen Ländern des Südens, und auf Kosten der Umwelt gescheffelt haben, wollen es sich in gated communities „entre nous“ gutgehen lassen, und das noch im Angesicht und auf Kosten der kleinsten und schwächsten Staaten der Welt, die sie juristisch in die Zwickmühle nehmen (nach dem Kir-Royal-Zitat „Isch scheiß dich sowat von zu mit meinem Geld, dass de keine ruhige Minute mehr hast“). Und der deutsche Botschafter macht dabei „wertvolle Erfahrungen“.
Man könnte dies für eine groteske Verschwörungserzählung halten, aber leider ist es wahr und journalistisch belegt. Eine solche „konkrete Utopie“ der mächtigsten Egomanen der Welt bzw. derer, die dadurch reicher werden wollen, bar jeglichen Versuchs irgendeiner Rechtfertigung ist eine geplanter Staatsstreich sowie eine Provokation der Weltgemeinschaft mit unabsehbaren Folgen (man denke allein an den militärischen Schutz der privaten Städte gegen Anschläge) und lässt einen sprachlos zurück, darum ein zweites Zitat (von Max Liebermann): „Ick kann gar nicht so viel fressen, wie ick kotzen möchte.“

Hans-Hermann Büchsel, Heidelberg

fr-debatteAußerhalb jeder demokratischen Verfasstheit

Das Vermögen der zehn reichsten Personen hat sich laut Oxfam seit Beginn der Pandemie von umgerechnet rund 125 Milliarden Euro auf etwa 223 Milliarden Euro gesteigert, wie es die Tagesschau berichtete. Und warum ist das so? „Für Milliardäre gleicht die Pandemie einem Goldrausch. Regierungen haben Milliarden in die Wirtschaft gepumpt, doch ein Großteil ist bei Menschen hängen geblieben, die von steigenden Aktienkursen besonders profitieren. Während ihr Vermögen so schnell wächst wie nie zuvor und einige von ihnen Ausflüge ins All unternehmen, hat die weltweite Armut drastisch zugenommen“, sagte Manuel Schmitt von Oxfam Deutschland.
Da muss es also schon vor der Pandemie exorbitanten Reichtum gegeben haben – und nicht nur bei den zehn Reichsten. Und das Geld muss ja schließlich irgendwo hin! Eine Möglichkeit dazu sind neue Ideen, die dann in sogenannten „Start-Ups“ münden. Die erfolgversprechendsten davon sammeln Geld von Investoren ein. Warum also nicht für „Private Städte“, das bietet sich doch an? Und wenn Peter Thiel („Wettbewerb ist für Verlierer!“) darin investiert, ist das sicher erfolgversprechend. Dabei hat sich Peter Thiel sein ganz eigenes Refugium in Neuseeland geschaffen, für den Notfall (Chaos, Revolten etc.). Er wurde dort binnen zwölf Tagen zum Staatsbürger. Begründung des damaligen Innenministers, er sei ein „großartiger Botschafter Neuseelands und ein großartiger Verkäufer“ (Hans-Peter Martin in „Game Over“). Viele, viele andere haben es ihm gleich gemacht. Haben ganze Inseln gekauft oder aufgelassene Militärstandorte in den USA, alte Raketensilos „aufgehübscht“, neue Bunkeranlagen erstellen lassen oder der gleichen. Die ganz Reichen benötigen also keine „privaten Städte“, es sei denn als Geldanlagen!
Diese Herren der Welt leben sowieso außerhalb jeder demokratischen Verfasstheit. Sie haben ihre Netzwerke so aufgebaut, dass sie die Politik am Gängelband haben (u.a. Angela Merkel, Cem Özdemir, Jens Spahn, Annalena Baerbock sind sogenannte „Young Global Leader“ des Weltwirtschaftsforums). Das einzige, was sie vielleicht wirklich „fürchten“, ist die schiere Masse der Armen und Rechtlosen.

Matthias Wooge, Neu-Isenburg

fr-debatteInseln der Glückseligkeit

Der FR bin ich für diesen Artikel sehr dankbar, denn seit Jahren frage ich mich, warum nicht mehr schlaue Reiche z.B. auf die Fragen der Ökologie reagieren, müssen sie doch auch atmen und Schadstoffe konsumieren. Die Untersuchung von Andreas Kemper bringt nun etwas Licht ins Dunkel: Es sind nicht nur die Städte der Reichen, die da geplant werden, sondern auch gleichzeitig der Rechten. Die Errungenschaften der Franz.Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, auch die Gewaltenteilung und die Souveränität von Staaten werden aufgehoben. Es entstehen Staaten in Staaten, die sich ihr eigenes Recht basteln. Nun wird klar, was diese Denkfabriken der Rechten eigentlich treiben, denn es gibt sie in Europa ja auch.
Wenn alle, die sich durch die Coronamaßnahmen schon in einer Diktatur wähnen, aufwachen und protestieren würden,… Denn die meisten von ihnen werden zu diesen „Inseln der Glückseligkeit“ nicht dürfen. Trotzdem müssen wir uns für den Erhalt unseres Staatswesens und unserer Demokratie einsetzen und aufmerksam verfolgen, von wo die eigentlichen Gefahren ausgehen.

Irmgard Heller-Braun, Reutlingen

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10 Kommentare zu “Privatstädte: Mit eigenem Recht für die Reichen und Superreichen

  1. Die Autorin stellt die Frage ob man die gesellschaftlichen Zerwürfnisse der Pandemie hätte vorausahnen können. Sie bezieht sich bei dem Versuch einer Antwort auf keinen Geringeren als Peter Sloterdijk, laut BILD-Zeitung einen „der klügsten Menschen der Welt und den wichtigsten Denker Deutschlands“. So wird denn Sloterdijk von der Autorin aufs Schild gehoben, „er weiß viel über Pandemisches“, „ist gedanklich hellwach“, sie konstatiert, „eine heitere Ironie schwingt mit bei dem streitbaren Denker“.
    Studnik ist also beeindruckt. Ihr sollte jedoch bekannt sein, dass Sloterdijk gesellschaftliche Missstände auf eine „ungesunde Kultur“ zurückführt. Als selbsternannter „Kulturarzt“ empfiehlt er Übungen, – „Du musst dein Leben ändern“ – und die Züchtung von „freiwillig lenkbaren Menschen“. Im Rahmen einer „Kunst der psychopolitischen Steuerung von Gemeinwesen“ können demnach die Übel behandelt werden. „Ko-Immunität“ als „Kraftakt“, erreichbar durch „stabile soziale Kohärenz“ wird dem Meister folgend, durch Studnik als Leitidee gepriesen. Kostümiert wird diese Idee als „gemeinschaftliche Solidarität“. Doch von welch einer Gemeinschaft ist bei Sloterdijk die Rede? Mit sozialer Analyse dessen, wer durch die Pandemie auf dem Platz der Gewinner und Verlierer landet, hat sein Denken nichts zu tun. Außerhalb dieser „Gemeinschaft“ werden auch durch Studnik pauschal „Pandemie-Leugner, Impfskeptiker und Corona Verharmloser geortet. Diese stehen in „westlichen Gesellschaften“, – so die Autorin -, dem Ziel einer, wie auch immer gearteten Kohärenz, entgegen. Wo aber ist der durch Sloterdijk abgegrenzte „Weltinnenraum“ jenseits westlicher Gesellschaften zu finden?
    In derselben Ausgabe der FR wird durch die Studie von Andrea Kemper „Exklusiv und antidemokratisch“ anschaulich die Praxis elitär begründeter stabiler Kohärenz vorgestellt. Die Initiatoren einer Privatstadt-Idee teilen die Verachtung von Demokratie als eines kollektivistischen Systems. Die neoliberale Schule von Friedmann, Thiel, Gebel u.a.m. propagieren wie Sloterdijk das euphemistische Selbstbild von „Leistungsträgern“ auf der einen und „ökonomisch Überflüssigen und sozial Unverwertbaren“ auf der anderen Seite.
    Das Werk von Peter Sloterdijk bildet aktuell im gerade veröffentlichten Band des Argument Verlags den Auftakt einer Reihe „Gestalten der Faschisierung“.

  2. @ Werner Kersting

    Ich möchte Ihnen jetzt einfach mit den Aussagen oben recht geben, auch wenn ich einen Peter Sloterdijk und seine elitäre Philosophie schon länger nicht mehr beachtet habe.
    Mich graust es inzwischen vor seinen „zeitgemäßen“ Einlassungen und seinem akademischen Karlsruher Umfeld bzw. seiner Anhängerschaft.
    Ich muss das nicht alles wiederholen, was sie anführen. Kann es so auch nicht. Aber eines möchte ich noch sagen:
    Wenn ich mich nur daran erinnere, wie sich Sloterdijk und diese „Mitglieder der Karlsruher Gelehrtenrepublik“ vor Jahren als Elite präsentierten (FAZ, 2. Dezember 2012: „Das neue Athen“), da ist mir schlecht geworden.
    Was ist nur aus dem Autor „Der Kritik der zynischen Vernunft“ geworden?
    Aber wahrscheinlich war es da schon eine Täuschung und der Zeit geschuldet, davon sich locken zu lassen.
    Danke, Herr Kersting, für den Hinweis aus dem Argument-Verlag!

  3. @ Jürgen Malyssek

    „Wenn ich mich nur daran erinnere, wie sich Sloterdijk und diese „Mitglieder der Karlsruher Gelehrtenrepublik“ vor Jahren als Elite präsentierten (FAZ, 2. Dezember 2012: „Das neue Athen“), da ist mir schlecht geworden.“

    Nun kenne ich Peter Sloterdijk zu wenig, um mich qualifiziert zu ihm zu äußern.
    Ihre Äußerung ruft bei mir aber Erinnerungen wach.
    So ging es mir nämlich, als ich mich (noch zur Studienzeit und danach) mit dem Bruderzwist zwischen Heinrich und Thomas Mann und dabei insbesondere mit Thomas Manns „Gedanken im Kriege“ von 1914 und „Betrachtungen eines Unpolitischen“ von 1918 befasste.
    Als Polemik gegen seinen älteren Bruder verfasst, wurde dies vor allem von Vertretern der „Konservativen Revolution“ aufgegriffen. Zentral ist hier der angebliche Gegensatz von (westlicher, insbesondere französischer) „Zivilisation“ (die Heinrich Mann schon im „Untertan“ vertrat) und deutscher „Kultur“. Eine Apologie des Krieges (ähnlich wie bei Ernst Jünger – einem Lieblingsautor von Helmut Kohl: „Ich hasse die Demokratie wie die Pest“) und demokratiefeindlicher Strömungen in Deutschland.

    Im Grunde will es mir heute noch nicht in den Kopf, wie Intellektuelle von solchem Niveau sich zu derartigem elitärem und reaktionärem Unfug verirren können.
    Ein regelrechter Kulturschock.

  4. @ Werner Engelmann

    Da gibt es zu den Einlassungen und dem elitären Gehabe aus akademischen Kreisen, neben Sloterdijk noch genug andere Beispiele in der Geschichte.
    Sloterdijk ist mir schon lange diesbezüglich unangenehm über den Weg gelaufen (da gibt es ja auch noch quere Verbindungen von Sloterdijk-Absolventen zu AfD-Kreisen oder die Geschichte mit „der gebenden Hand“ statt Sozialstaat(!) u.a.m.).

    Wenn es einem auch nicht in den Kopf will, dass hochgebildete Intellektuelle in solche reaktionären
    gesellschaftlichen Gefilde abdriften, so hat es immer auch mit einer frühen Verkennung dieser Prominenzen zu tun: Sie waren immer so! Man hat es nur nicht gemerkt, weil man sich selbst schon früh hat verführen lassen von der vermeintlichen Ausstrahlung dieser intellektuellen „Künstler“.
    Bei Sloterdijk ist mir das passiert und auch bei dem einen oder anderen Intellektuellen.
    Politisch ist es mir in der Pandemie-Hochphase mit Landeschef Söder passiert. Ich sagte das schon.
    So ist das.

  5. Warum in die Ferne schweifen wenn das Gute?? liegt so nah. Vor einigen Wochen habe ich in der FR gelesen das im neu im baubefindlichen Europaviertel in Frankfurt 12000 bis 14000 Euro/Quadratmeter gezahlt werden für Eigentumswohnungen. Die Nationalität der Käufer ist in der Hauptsache China. Das hätte ich mir nicht vorstellen können. Soll da ein Stadtviertel entstehen in dem niemand lebt? Warum lassen Gesetze in D. so etwas zu? Solche Art von Immobilienspekulation gehört doch verboten.

  6. @ Jürgen Malyssek,18. Februar 2022 um 16:27

    „Wenn es einem auch nicht in den Kopf will, dass hochgebildete Intellektuelle in solche reaktionären gesellschaftlichen Gefilde abdriften, so hat es immer auch mit einer frühen Verkennung dieser Prominenzen zu tun: Sie waren immer so!“

    Ich würde das in der Allgemeinheit nicht unterschreiben.
    Was Sloterdijk betrifft, weiß ich nicht, ob das zutrifft. Aber was Intellektuelle generell angeht, ist es wohl etwas komplizierter. Und vor allem ist zu bedenken: Wir gehören ja auch selbst dazu.

    Ich gehe mal zu Karl Marx zurück, der sein Misstrauen mit der unklaren „Klassenlage“ Intellektueller begründet. Das bezieht sich wohl auf das alte Klischee vom „Elfenbeinturm“. Ich übersetze das mal in aktuelle Sprache: Die Unklarheit der eigenen Zugehörigkeit macht es schwer, die Situation anderer nachzuvollziehen, die nicht in gleicher privilegierter Lage („Proletarier“) sind.
    Da hält man dann das Spannungsverhältnis zwischen „Kunst und Macht“ (bei Heinrich Mann stark thematisiert) oft nicht aus und biedert sich der letzteren an.

    Thomas Mann z.B., der mit „Buddenbrooks“ ja schon Weltruhm erlangt hatte, erlag 1914 der nationalistischen Versuchung, sich an die Spitze der „nationalen Bewegung“ stellen zu müssen.
    Ich kann aber nicht sehen, dass das in „Buddenbrooks“ schon zu erkennen gewesen wäre, wo er schonungslos den Niedergang des an Werten orientierten Bürgertums und den Aufstieg des brutalen Kapitalisten aufzeigt. Da war wohl eher die Illusion maßgebend, die „nationale Bewegung“ sei antikapitalistisch orientiert.
    Möglich, das bei Sloterdijk ähnliche Illusionen eine Rolle spielen.

    Ein Gegenbeispiel dazu ist Theodor Fontane.
    Der war in seinen politischen Anschauungen ein sehr konservativ denkender Mensch. Und dennoch schafft er es, in seiner fantastischen Beschreibung von Frauengestalten, die Brüche der Gesellschaft, entgegen seiner eigenen Weltanschauung, präzise aufzuzeigen. So, wenn er in „Effi Briest“ (bezogen auf das Duell) von einem „uns tyrannisierenden Gesellschafts-Etwas“ spricht, einem „Götzen, dem wir dienen müssen, solange der Götze gilt“.
    Die Präzision der Beobachtung hat eigene politische Blindheit aufgedeckt. Maßgebend dafür ist unbedingte Ehrlichkeit.

    Zwei Beispiele dafür, wie sehr politische Orientierung oder Selbsteinschätzung und tatsächliches Handeln auseinanderklaffen können. Weshalb man politische Verlautbarungen nicht zum Maßstab der Bewertung nehmen soll. Denn das Entscheidende für das Handeln läuft im Unterbewussten, oft Verdrängten ab.

    Das Gleiche zeigt sich übrigens (wie bei meinen Sprachanalysen breit ausgeführt) z.B. bei der Gendern-Bewegung, aber auch beim übergroßen Putin-Verständnis vermeintlich „Friedensbewegter“ im gegenwärtigen Ukraine-Konflikt. In beiden Fällen gefällt man sich in elitärer Abgrenzung von der „Menge“. Und in beiden Fällen ist die Neigung zu Anbiederung an die „Macht“ gewaltig (und sei es, wie bei letzteren, eine fremde Macht).
    Und auch das sind vorwiegend Intellektuelle – wie wir.

    Grund genug, den Maßstab, den man an andere anlegt, auch für sich selbst gelten zu lassen.

  7. @ Werner Engelmann

    Salut. Ich melde mich etwas später zum Thema zurück. Bin unterwegs.
    Auch zu „Empört Euch!“

  8. @ Werner Engelmann, Jürgen Malyssek,
    Generell habe ich ein Problem mit dem Begriff Intellektuelle. Im Leben werden die Menschen. in etwas hineingeboren, niemand kann sich etwas aussuchen. Menschen, die eine gute Bildung erhalten, sollen sich freuen, dass es so ist. Andere schaffen es gerade mal so überhaupt zu überleben. Man kann also immer nur das beste draus machen, wie man so schön sagt. In Anbetracht der Unfähigkeit des Menschen, klar zu denken ist da kein qualitativer Unterschied zu entdecken. Man sehe sich den Zustand der Welt an. Selbst wenn man voraussetzt, dass alle sich Mühe geben und das beste wollen, die Art und Weise, wie es geschieht ist jämmerlich, es ist aber offensichtlich das beste, was Mensch im Moment produzieren kann. Die ganze Intellektualität hilft da auch nicht weiter. Da geht Mensch über Leichen und glaubt sogar noch gute Gründe dafür zu haben. Diese selben Menschen sollen übrigens noch Umwelt und Klima und was noch alles retten, da ist im Moment aber keine Zeit.
    Zu Herrn Sloterdijk fällt mir nur ein, vor etwa drei Jahren oder so gab es in der FR ein Interview mit diesem Herrn, in dem er behauptete, Fische können keinen Orgasmus haben, oder so ähnlich. Der Zusammenhang ist mir entfallen Nun habe ich 40 Jahre meines Lebens mit der Zucht von Aquarienfischen verbracht und wenn mir eines aufgefallen war, dann dass Fische generell uns total überlegen sind, hinsichtlich Orgasmus. Ich will das gar nicht weiter ausführen. In meinen Leserbrief teilte ich das mit und habe die Frage gestellt, wenn etwas so bodenständiges wie der Orgasmus bei Fischen schon nicht stimme, was denn dann vom Rest zu halten sei. Leider bekam ich keine Antwort. War wohl zu impertinent, einfach über alle Klassen hinweg. Übrigens, früher, der Adel glaubte auch, er sei von Gottes Gnaden, dabei waren die meisten von allen guten Göttern(Geistern) verlassen. Manche glauben es immer noch.

  9. @ Werner Engelmann

    Sicher ist meine These, dass die „Intellektuellen“, die in die reaktionären Seiten abdriften, schon immer so waren, streitbar. Wobei ich auch nicht nur an Intellektuelle an sich denke, sondern überhaupt an Menschen, die in Wort und Tat großen Einfluss auf die Meinungsbildung in der Gesellschaft haben.

    Ich sage sowas auch aus meiner Lebens- und Berufserfahrung, die breit gefüllt sind mit diesen menschlichen Überraschungen. Mittelbar und unmittelbar. Und wenn ich so etwas sage, dann wird es sicherlich nicht auf alle Protagonisten zutreffen.
    Für mich hat es jedenfalls bei längerer Betrachtung der von mir aufs Korn genommenen „Intellektuellen“ oder anderer Größen des öffentlichen Interesses einen Erkenntnisgewinn gebracht.
    Außerdem ist es mir wichtig zu sagen, daß Sie, lieber Herr Engelmann, uns in dieser Kaste der Intellektuellen zu sehen.
    Ich habe mich nie als einen Intellektuellen gesehen. Das ist nicht mein Ort. Ich denke nach, interessiere mich für unterschiedliche Fachgebiete, mische mich ein bei sozialen Schieflagen usw. Ich arbeite und bewege mich in der Normalität des Alltags.
    Was Ihre anderen Beispiele geistiger Größen betrifft (Karl Marx, Theodor Fontane, Thomas Mann), so kann ich jetzt nicht widersprechen, wenn Sie hierbei die Unterschiede zwischen deren Denken und Handeln beschreiben. Karl Marx hatte ja wohl auch ein ganz besonderes Temperament und als Menschenfreund ist er auch nicht in allen Zeiten seines Tuns und Wirkens bekannt.

    Für mich ist jedenfalls Peter Sloterdijk als zeitgenössischer und populärer Philosoph nicht mehr relevant. Die Abneigung gegen dieses elitäre Gehabe in diesem akademischen Karlsruher Zirkel ist einfach zu groß.
    Zum Schluß: „Grund genug, den Maßstab, den man anderen anlegt, auch für sich gelten zu lassen.“

    Trotz oder auch wegen meiner Abneigung, sehe ich mich nicht zugehörig zu der Intellektuellenebene genannter oder anderer Personen, die beim Thema in der Kritik stehen. Spreche mich aber auch nicht frei von Widersprüchen.

  10. @ Jürgen H. Winter

    Habe wie Sie, Probleme mit dem Begriff Intellektuelle, wie Sie vielleicht aus dem vorher Gesagten erkennen können.
    Und wenn sich Sloterdijk auch noch Gedanken macht über den nicht vorhandenen Orgasmus von Fischen, dann mag das ja eine Möglichkeit der Beschäftigung mit dem Zustand der Welt sein.
    Da halte ich mich raus.

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