Reden wir mal über die „Alternative für Deutschland“, kurz AfD. Der Name an sich muss allen sauer aufstoßen, die es mit Angela „Mutti“ Merkel (CDU) halten, unserer Bundeskanzlerin, die sich in der Vergangenheit mehrfach hingestellt und behauptet hat, dies und das sei alternativlos. Die „Bankenrettung“ zum Beispiel, die zur Staatsschuldenkrise wurde. Auch Merkel hat inzwischen gemerkt, dass es nicht besonders gut ankommt, wenn man dauernd das Tina-Syndrom für sich einzuspannen versucht. Tina, das geht auf Maggie Thatcher zurück und steht für: There is no alternative. Heute drückt Merkel sich anders aus, heute sagt sie: „Wir schaffen das.“ Das ist im Prinzip dennoch nichts anderes, es ist nur weicher und empatischer formuliert. Sie wollte damit vielleicht nur sagen: So wie wir damals die Banken retten mussten, müssen wir heute die Flüchtlinge retten bzw. versorgen.
Damit wird die Kanzlerin allen humanitären und rechtlichen Werten Europas und des Westens gerecht. Dazu soll es also eine Alternative geben? Moment — der Name dieser Partei stammt noch aus Zeiten, als Bernd Lucke, der politisch ungeschickte Professor, der Euro-Politik des (alternativlosen?) Mainstreams etwas entgegenzusetzen versuchte. Die AfD wurde in der Euro-Krise geboren. Jetzt hingegen positioniert sie sich vorwiegend in der Flüchtlingspolitik und versucht, dem französischen Front National nacheifernd, die bundesdeutsche Politik von rechts aufzumischen. Bernd Lucke ist auf dem letzten Bundesparteitag abserviert worden, Frauke Petry hat ihn an der Parteiführung abgelöst. Die FR hat ein Interview mit ihr geführt, über das wir mal reden sollten. Dazu zwei Leserstimmen.
Brigitte Heinzmann aus Frankfurt meint dazu:
„Klar darf jede ihre Position darlegen, auch eine Vertreterin einer kleinen, reaktionären, nationalistischen Branstifterpartei. Aber manchmal frage ich mich, ob die FR eigentlich noch eine klare Position bezieht, wenn Sie dieser fast eine ganze Seite im Politikteil überlässt. Ich halte das für ein Signal, das sich mit linksliberalen Ideen nicht vereinbaren lässt.“
Manfred Kirsch aus Neuwied hingegen:
„Schon die Überschrift des FR-Interviews mit der AfD-Chefin Frauke Petry („Wir müssen Grenzen schließen“) wirft ein Schlaglicht auf die gefährlichen und absurden Vorstellungen, mit denen die AfD dem Schicksal von Menschen in Deutschland gerecht werden will. Abschottung, Grenzzäune und physische Gewalt sollen nach dem Willen von Pegida und AfD – denn beide gehören praktisch zusammen – Menschen, die traumatisiert, krank, alt oder Kinder sind, davon abhalten, in der Bundesrepublik Hilfe und Perspektive zu erhalten. Und wenn Frauke Petry davon spricht, dass es Ängste bei Menschen gebe, die sich zur AfD bekennen, dann schlägt das dem Faß den Boden aus.
Tatsache ist doch, dass Flüchtlinge, Ausländer, Juden, Muslime, Demokraten und Homosexuelle inzwischen Angst haben müssen, wenn sie sich zu ihrer Herkunft, Persönlichkeit oder ihrer politischen Orientierung bekennen. Der Vorwurf Frauke Petrys etwa an die Adresse der SPD, sie bezeichne das eigene Volk als „Pack“, suggeriert doch, dass die Mehrheit des deutschen Volkes bräunlich gefärbt sei. Hier zeigt sich das mangelnde Differenzierungsvermögen, das in erster Linie bei den Rechten mit deren einfachen Antworten zu beobachten ist. Schlagwörter wie „Lügenpresse“, neuerdings von Petry als „Pinocchio-Presse“ beschimpft, und „Asylchaos“ machen den Charakter der AfD deutlich. Es wäre interessant gewesen, von Frauke Petry eine Stellungnahme zu den leider in der deutschen Gesellschaft zu beobachtenden gefährlichen Enttabuisierungen zu erhalten. Zurückgewiesen werden muss auch die Forderung der AfD nach „Asyl nur für politisch Verfolgte und Einwanderung für unsere Interessen“, die AfD-Funktionäre des Öfteren formulieren.
Hier werden Denkstrukturen offenbar, die vom kalten Herzen zeugen. Es ist zynisch, eine Bedrohung durch sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge herbeizureden. Die Beurteilung von Menschen nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen oder Schaden widerspricht sowohl christlichen als auch humanitären Grundsätzen und vergiftet das politische Klima. Der hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen hat wiederholt deutlich gemacht, dass die zu uns kommenden Flüchtlinge oft unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sind. Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry hat durch ihr Gespräch mit der FR ihre Partei ein weiteres Stück selbstentlarvt. Nach ihren Vorstellungen sollen Freiheitsrechte in erster Linie für die Rechten in diesem Land gelten und Demokraten und Minderheiten vorenthalten werden.“
Ich befürchte, das es die AfD 2017 schafft, ein zweistelliges Wahlergebnis zu erreichen, vielleicht sogar an die 15%. Dies hat nichts mit evtl. vorhandenen Symphatien zu tun, sondern mit meinen Befürchtungen bezüglich der die Uninformiertheit, oder sagen wir, Blödheit, der Wähler.
Ich mache dies an Folgendem fest:
1. Es gibt in der AfD eindeutig rechtsradikale Typen, wie Höcke, die mehr als einen Sockenschuß haben. Und diese locken auch NPD-Wähler an, vor allem nach einem Verbot durch den BGH.
2. Die AfD sagt zwar, wogegen sie ist, aber nicht, wofür. Und vor allem nicht, womit sie dies, wofür sie ist, erreichen will. Gibt es Aussagen zu einer gerechteren Besteuerung, also Reiche mehr, wie zu Kohls Zeiten, und Arme weniger? Was ist mit den Flüchtlingen, die ganz Europa ja nicht haben will, wohin mit ihnen, und wer zahlt? Und vor allem, welche Vorschläge macht die AfD, damit diese Kriegs-, Armuts- und sonstigen Wanderungen unterbleiben? Stellt sie sich vor das Werktor von Heckler und Koch, und verhindert die Auslieferung deutscher Waffen? Sagt Sie, Erdogan, Du kannst uns mal, mit Deiner halb-faschistischen Islam-Politik, welche den IS unterstützt, und Öl vom IS kauft, uns Deutsche aber erpresst mit den Flüchtlingen in türkischen Lagern. Und Du willst in die EU? Du kannst uns mal!
3. Das Personal ist nicht eines, mit dem ich befreundet sein möchte oder gar einen Schoppen trinken gehen würde. Kürzlich gab es eine Talk-Runde mit Frauke Petry, und die Dame hat sich vor allem dadurch hervorgetan, das sie dauernd die anderen unterbrochen hat, ins Wort gefallen ist, nicht ausreden ließ, nur ihre eigene Meinung gelten ließ. So etwas hasse ich, weil dies allen demokratischen Regeln widerspricht. Da hätte ich, genauso wie beim Höcke, am liebsten ein paarmal „Halt’s Maul“ gerufen.
4. Wer A sagt, muß auch B sagen. Und auch da hapert es bei der AfD. Wie sieht es mit Vorschlägen zum Klimaschutz aus, wie mit Vorschlägen zu einer alternativen Energieerzeugung, zur Dekarbonisierung, zur Speicherung regenerativer Energien, zum Abschalten der Kohle-Kraftwerke, zu einem emissionsfreien Autoverkehr?
Wir haben nur die Chance in e i n e r Welt. Und das heißt für uns, verzichten, damit andere mehr Lebenssinn und Chancen gewinnen können. Und das heißt natürlich auch, das die Wohlhabenden bei uns dann stärker belastet werden, damit nicht der Hartz-IV-Empfänger, der Klein-Rentner oder die Altenpflegerin von ihren mageren Bezügen für den Reis-Bauern in Bangladesh zahlt, aber Graf von Koks nix. Wer sich heute seinen Sattel, in dem er sitzt, noch vergolden läßt, der könnte morgen schon mit von den Krummschwert-Fanatikern enthauptet werden.
Ich verstehe viele Menschen, weil diese weder Zeit noch Lust, und schon einmal gar nicht die historischen Informationen über Entwicklungen haben, um sich mit den komplizierten Zeitläuften bezüglich Ursache und Wirkung auseinander zu setzen, und dann den rechten Rattenfängern nachlaufen, wie jetzt wieder Madame Marine Le Pen in Frankreich. Und meine Kenntnisse der Historie zeigen, das es den Rechten, wie unter Hitler, und mit Abstufungen unter Franco und Mussolini, immer nur darum ging, mit Honig Wählerstimmen zu ergattern, um dann den Menschen den Stinkefinger zu zeigen. Hat Hitler die Großkopferten höher besteuert? Letztendlich wurde dieses Geschöpf AfD jahrelang an der Brust all der c h r i s t l i c h e n und „sozial“-demokratischen Regierungen genährt, welche sich mehr und mehr als neoliberal und nur noch marktkonform handelnd entpuppten. Fragt sich die SPD, wieviele durch Hartz IV und all die anderen „Reformen“ abgehängt und dauer-frustriert wurden? Weiter links wurden zumindest die richtigen Fragen nach Gerechtigkeit und Umverteilung gestellt, die Fragesteller aber verlacht als gestrig. So konnte das rechtsaußen-Wesen wachsen und gedeihen. Stalin und Konsorten waren keine Linken. Denn „links“ kann nur funktionieren, wenn es in eine Basis-Demokratie eingebettet ist. Eine Demokratie, welche das genaue Gegenteil der Merkel’schen „marktkonformen“ Demokratie ist, weil sich hinter dieser nichts anderes verbirgt als die Diktatur des Kapitals.
Wie wir die Woche bei MAISCHBERGER sehen und hören konnten, mit dem CSUler David Bendels, gibt es dort mehr als Symphatien für die AfD, sondern, was die Bereitschaft anbetraf, andere nicht ausreden zu lassen, auch Wahlverwandschaften. Bendels schloß nicht aus, das es mit der AfD zu einer Koalition kommen könnte, aber dann eher ohne Frau Merkel.
PS: Beim Wähler-Fischen, auch im linken Lager, geht Madame le Pen übrigens geschickter vor, wenn sie Mindestlöhne und Rente mit 60 fordert
Die AFd wird sehr stark werden in er nächsten Bundestagswahl. Das liegt aber nicht an ihr und ihrem Programm sondern daran das die etablierten Parteien nicht in der Lage sind Antworten zu geben auf offensichtlich vorhandene Fragen. Wolfgang Fladung hat einige genannt und der AFD vorgehalten das sie keine Antwort hat, aber das ist gar nicht entscheidend. Entscheidend ist das die Regierung auf diese Fragen auch keine Antwort hat. Man braucht sich doch nur diese inhaltsleeren Leserbriefe anzusehen die Bronski hier eingestellt hat. Es reicht nicht zu sagen das Asylchaos zynisch ist sondern man muss begründen warum das eine falsche Unterstellung ist und ein Konzept vorlegen wie man das problem angehen will.
Es ist zynisch, eine Bedrohung durch sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge herbeizureden.
Anstatt solcher nichtssagender Sätze sollte man einmal begründen warum man sich bei der ungebremsten Zuwanderung nicht vom IS bedroht fühlen sollte. Ich würde mich freuen wenn das jemand könnte. Mir fällt keine bessere Möglichkeit ein wie der IS größere Mengen an Kämpfer nach Europa bringen kann. Darauf hat dann auch wieder keiner eine Antwort? Da bleibt dann nur die Hoffnung das die zu doof sind und es zulassen das nur im Nahen Osten gekämpft wird.
# 3, Hans: Es hängt zwar alles mit allem zusammen, aber das Thema IS wird im Nachbarblog besser abgehandelt. Trotzdem eine kurze Antwort:
Die Pariser Attentäter waren gebürtige Franzosen und Belgier, und haben sich dann irgendwann radikalisiert. Hier wäre eher ein Ansatz zum Nachhaken, und Ursachen-Bekämpfung.
zu @ 4 Wolfgang Fladung
Es sind aber leider die nicht unbegründeten Bedenken und unbeantworteten Fragen die den AFD so stark machen. Die Regierung erweckt den Eindruck das sie die Situation überhaupt nicht in den Griff bekommt und drückt berechtigte Fragen in die Nazi Ecke weg. Dann wundert man sich darüber das Parteien wir der AFD davon profitieren. Ich glaube nicht das D. wirklich nach rechts rückt, aber wenn keine Antworten kommen werden auch eigentlich eher links stehende Menschen diese Partei wählen.
Wolfgang Fladung, #1
Ich stimme Ihnen in allen vier Punkten zu. Einige Anmerkungen erstmal zu drei Punkten:
Zu 4:
Ich nehme nicht an, dass Sie im Ernst von der AfD zu solchen Fragen Antworten erwarten. Die Erklärung dazu erscheint mir recht einfach: Mit ernsthaften Überlegungen, vor allem zu so komplexen und zukunftsorientierten Fragen lassen sich nun mal keine Emotionen schüren.
Zu 2:
In der Flüchtlingsfrage wird sie sich noch mehr hüten, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die sich nicht im Empörungs- oder Denunziationsgestus vortragen lassen.
Es geht wohl darum, eine „Lösung“ nach dem Motto vorzugaukeln:“Aus den Augen – aus dem Sinn“. So kann man erfolgreich verdrängen, dass es hier um Menschen geht und muss keine Rechenschaft über das „Wie“ abgeben.
Ein Beispiel:
Empörung gegen Merkel in der Flüchtlingsfrage wird vor allem mit dem Vorwurf „Verfassungsbruch!“ geschürt. Eine scheinlegalistische Ebene, mit der aus dem Bewusstsein verdrängt werden soll, dass (1) sich eine humanitäre Katastrophe abzeichnete, also dringender Handlungsbedarf bestand und (2) Dublin II schon längst zusammengebrochen war, von allen Ländern ignoriert und nicht einmal mehr Makulatur war.
Bei der Forderung nach Begrenzung oder gar Einreisestop für Asylbewerber interessiert die Tatsache, dass dies nichts anderes als Abschaffung des Asylrechts – nach AfD-Sprech also „Verfassungsbruch“ bedeutet – plötzlich gar nicht mehr.
Unter anderem an solchen Winkelzügen erkennt man Populismus.
Zu 3:
Ich halte Frau Petry sicher ebenso unerträglich wie Sie, und nicht nur in Hinblick auf ihr Verhalten. Doch muss man auch die Frage stellen, warum sie sich Derartiges erlauben kann:
Wozu gibt es eigentlich bei solchen Talkshows einen Diskussionsleiter, dessen Aufgabe es (u.a.) ist, solche Ungerhörigkeiten zu unterbinden? Und warum lassen die anderen Diskussionsteilnehmer (die ja sonst nicht auf den Mund gefallen sind) sich so etwas bieten?
Schlussfolgerung, die ein „normaler“ Zuschauer daraus ziehen kann: Man muss nur genügend unverschämt auftreten, muss nur genügend rechte Phrasen dreschen (und zugleich behaupten, dass man das alles nicht sagen dürfe) – und schon genießt man Sonderrechte. Heißt also: Man muss nicht unbedingt rechts außen angesiedelt sein, um Solches imponierend und nachahmenswert zu finden.
Neulich bekam ich Post aus Budapest. Eine Antwort auf einen Appell von Amnesty France betr. Maßnahmen gegen Flüchtlinge, den ich an Viktor Orban geschickt hatte. Amnesty-Appelle sind traditionell höflich formuliert. Das Schreiben kommt vom Bureau des ungarischen Premierministers, unterzeichnet von Csilla Kobza, Ressortchef. Eine Antwort, die Aufschluss gibt auf Denkweise von Orban-Bewunderern, die sich in sozialen Medien ja auch hierzulande zuhauf zu Wort melden.
In dem Schreiben heißt es (übersetzt aus dem Französischen):
„Hier in Ungarn beurteilen wir die schlechte europäische Politik so, dass sie dabei ist, diesen fantastischen Kontinent, genannt Europa, zu zerstören. Wir aber, wir Ungarn, verwenden uns dafür zu verhindern, dass Solches geschieht. Das ist unser Hauptanliegen. Europa kann nicht die ganze Welt bei sich aufnehmen, wir müssen also Migranten in die Flüchtlingscamps außerhalb Europas zurückschicken.“
„Die Türken vor Wien!“ So meine erste Reaktion. Zum Glück gibt es noch wackere Abendlandverteidiger, bereit, zu einer neuen Schlacht am Kahlenberg anzutreten!
Bis mir auffiel, dass in der Wahrnehmung des Verfassers einiges durcheinander geraten sein könnte. Dass er die gebeugten Rücken von Kindern auf den Schultern von Flüchtlingen vor ungarischen Grenzverhauen für angsteinflößende Krummschwerter gehalten haben könnte.
So ließe sich auch erklären, warum sich kein Hinweis darauf findet, wer denn die Aufnahme der „ganzen Welt“ hierzulande verlangt hat, wer die Rettungsaktion für den „fantastischen Kontinent“ Europa eingefordert hat, seit wann es Usus ist, dass ein Ressortchef einer Regierung nicht für diese spricht, sondern, im „wir“-Gefühl schwelgend, die Intentionen „der“ Ungarn in ihrer Totalität verkörpert. Warum man sich schließlich auch die Frage ersparen kann, wie denn legitimierte Vertreter „des“ Christentums – etwa der Papst – zu dieser sich selbst erteilten Mission zur Verteidigung der christlichen Botschaft mittels Stacheldrahtverhauen stehen.
Zum Vergleich:
Nach der Volkszählung in Ungarn 2011 bekannten sich gerade mal 39 Prozent der Bevölkerung zur römisch-katholischen und zur ungarischen griechisch-katholischen Kirche, 11,6 Prozent waren Calvinisten, 2,2 Prozent Lutheraner. Macht also ingesamt 52,8 % Menschen unterschiedlicher christlicher Glaubensrichtungen. Die Zahl der Muslime, welche das Schreckensszenario der „Islamisierung“ auslösen, betrug danach in Ungarn 3.201 oder 0,03 %. (Wikipedia: Ungarn)
Ich bin dem Herrn Ressortchef von Viktor Orban durchaus dankbar: Immerhin ein Dokument, das über Denkungsart und Realitätsbewusstsein von selbst ernannten „Realisten“ und „Abendland“-Verteidigern Aufschluss gibt. Und ich kann ihm bei so viel froher Botschaft nur ein besinnliches Weihnachtsfest wünschen.
zu @7 Werner Engelmann
So ließe sich auch erklären, warum sich kein Hinweis darauf findet, wer denn die Aufnahme der „ganzen Welt“ hierzulande verlangt hat
Ich habe auch noch niemanden, bei den Flüchtlingsbefürwortern, gehört der das ausgeschlossen hat, denn dann müsste er auch sagen wo die Grenze ist und immer wenn es konkret wird wird es auch still.
Schade, das wir bei diesem überaus wichtigen Blog-Thema nur zu dritt sind. Zu diesem Thema passen ja auch viele derzeit, nicht nur vom SPIEGEL, gestellte Fragen und Behauptungen. Z.B. die, das Deutschland seine politische Mitte verliert. Aber das konnten die Medien und auch all die Anhänger einfacher Behauptungen, und irgendwann dann gewordenen Fakten, schon immer gut: Ursache und Wirkung verwechseln bzw. vertauschen.
Wer sich erinnert, weiß, das es bis 1989 mit der DDR ein starkes Korrektiv für den ungehemmten Kapitalismus gab, Dem Staatssozialismus wurde die soziale Marktwirtschaft entgegen gestellt, und dies hat ja auch funktioniert. Aber dann, mit dem Wegfall der Mauer, konnte sich der kapitalistische, oder neudeutsch, neoliberale Virus so richtig ausbreiten und auch die Mittelschicht infizieren. Seinerzeit konnten sich noch Geißler, Baum, Hirsch, auch Kohl, mit Lafontaine und Fischer an einen Tisch setzen, und Konsens finden. Das wurde dann in den 90ern anders. Mit der dann wachsenden und sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit – warum wohl – wuchsen dann auch die neoliberalen Ideen, bald Postulate, zu denen es – angeblich – keine Alternativen gab. Eben „alternativlos“. Da die CDU zu feige war, und zu viel zu verlieren fürchtete, mußte dann erst rot-grün kommen. Jetzt galt es Volldampf rein in die marktkonforme Demokratie. Nur seltsam: gab es doch kein Dankeschön (zumindest nicht vom Deutschen Michel, von Springer, Bertelsmann & Co. sehr wohl) für Hartz-IV-Reformen, Billiglöhne, unsichere Arbeitsplätze, Renten-Kürzungen und dafür eine hochgelobte private Vorsorge (die sich dann als Flop erwies). Das scheint, wie der SPD-Parteitag, Gabriel allen voran, zeigte, keiner der restlichen „Getreuen“ verstanden zu haben. Die vom alten Schlage sind ja inzwischen verstorben, zur Linkspartei (wenige) oder in die Wahlenthaltung abgewandert.
Und jetzt zum Punkt: Was zu Kohls Zeiten noch funktionierte, eine Durchlässigkeit nach oben was den Aufstieg anbelangte; von der Unterschicht zur Mittelschicht und dann, mit etwas Glück, in die Oberschicht, funktioniert spätestens seit Schröder nicht mehr. Inzwischen sind die Schotten nach oben dicht, die Löcher nach unten jedoch größer geworden. Die oben haben, aufgrund internationaler Kapitalanlagen, ihr Schäfchen im Trockenen, und sind nicht mehr auf die Infustionen durch die Mittelschicht angewiesen. Aber die Mittelschicht wurde immer mehr belastet. Da die Oberschicht sich, dank guter Verbindungen in Regierungskreise, um nicht zu sagen, Korruption – äh, Verzeihung, Beziehungen und Überzeugungsarbeit, sich der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben und der Infrastruktur entziehen konnte, wurde eben die wehrlose Mittelschicht mehr ausgequetscht. Unten war ja nichts mehr zu holen.
Und jetzt wehrt sich diese Mittelschicht. Aber nicht gegen „oben“, nein, sie sucht in alter bürgerlicher Manier die Schuldigen woanders. Da sind immer noch die schmarotzenden Unterschichtler, und jetzt auch noch zuhauf die abkassieren wollenden Flüchtlinge und Migranten/Asylanten. Irgendwie doch verständlich, das man da Zorn bekommt, und sich abgrenzen will. Historisches Verständnis ist gut, nützt aber nichts bei Gegenwartsproblemen.
Also werden wir uns, wer auch immer dieses „wir“ ist, darauf einrichten müssen, ob „Querfront“-mäßig oder nicht, bald Verhältnisse wie in Frankreich, mit einem Schuß Polen, Ungarn, Österreich, Holland, Dänemark etc. pp., zu erhalten.
Schließlich wollen wir doch unsere einfachen Lösungen nicht mit der Komplexität der Verhältnisse zerstören, oder?
PS: Heute hatten wir in der Post den „Rheingau-Taunus Monats-Anzeiger“. Auf der ersten Seite groß: Flüchtlinge und Armutszuwanderung“. Donnerwetter, dachte ich, hat die AfD doch so viel Geld, um eigene Zeitungen heraus zu geben. Doch dann las ich: „Herausgeber Klaus-Peter Willsch“ (CDU).
Da überlege ich mir, dort mal anzufragen, ob diese klugen CDU-Küpfe sich schon einmal mit den Ursachen von „Armutswanderung“ befasst haben.
@9 Wolfgang Fladung
Ich wollte mich eigentlich nicht äussern, aber da Sie sich über mangelnde Resonanz beschweren, hier ein Beitrag:
Haben Sie sich schon mal überlegt, warum kaum jemand auf Ihre Beiträge antwortet.
Zuerst liefern Sie eine Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten 40 Jahre.
Was soll man darauf antworten? Mit Fakten wird man diese kaum wiederlegen können, denn Sie liefern ja auch keine. Also beschränke ich mich darauf, zu sagen, dass ich glaube, dass es nicht so einfach ist und damit ist die Diskussion auch schon zu Ende.
Ich stelle mal meine simple Analyse dagegen. Bei den Menschen, die mir persönlich bekannt sind und populistische Neigungen haben, stelle ich fest, dass diese Menschen mit ihrem Leben nicht zufrieden sind. Manchmal stecken gescheiterte Beziehungen dahinter, manchmal die Unfähigkeit tiefere Beziehungen einzugehen. Sie fühlen Sich nicht ernst genug genommen oder wissen einfach nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Als Resultat sitzen sie jeden Abend vor dem Fernseher und lassen sich alle Übel dieser Welt in Bildern servieren. An ihnen selber kann ihre Misere ja nicht liegen. Das würde ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein noch mehr beschädigen. Also muss es etwas Anderes sein. Erst war es der Euro, jetzt sind es die Flüchtlinge. Wenn die weg sind, findet sich schon was Anderes. Wie wäre es mit dem Klimawandel, der ist ja sonst schon fast an allem schuld?
Dann machen Sie noch eine Vorhersage. Die ist natürlich negativ. Das haben Vorhersagen seit 2500 Jahren so an sich. Ich stelle meine Vorhersage dagegen: «Ihre Vorhersage trifft nicht ein. » Da die meisten Vorhersagen nicht eintreffen, sind meine Chancen besser als Ihre. Leider ist damit die Diskussion schon wieder am Ende.
@ Henning Flessner
Soll das ein Witz sein? Alle Wähler von Le Pen sind also Ihrer Ansicht nach Leute, die an ihrer eigenen Unfähigkeit gescheitert und deshalb unzufrieden sind. Gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Zusammenhänge spielen da keine Rolle? Weil sich in unserem Europa jeder, der sich entsprechend anstrengt und sein Hirn einigermaßen beeinander hat, ein zufriedenes Leben einrichten kann?
Mir bleibt die Luft weg!
Nachtrag:
Ich habe auf Wolfgang Fladungs Beitrag nicht geantwortet, weil ich seiner Analyse zustimme.
Haben Sie, Herr Fladung, denn eine Idee, wie man der alarmierenden Bewegung nach rechts in Europa (die Entwicklung in Deutschland ist da ja noch harmlos) begegnen könnte? Allen Wählern von Le Pen, Orban, PIS sagen: „Ihr seid einfach zu blöd“?
Als Grund für einen von ihm diagnostizierten Rechtsruck nennt W. Fladung «Hartz-IV-Reformen, Billiglöhne, unsichere Arbeitsplätze, Renten-Kürzungen und dafür eine hochgelobte private Vorsorge (die sich dann als Flop erwies)».
Wenn dies der wirkliche und einzige Grund ist, müsste eine derartige Entwicklung in auch in Ungarn, Polen, der Schweiz, Österreich, Niederlande, Dänemark und Frankreich stattgefunden haben.
Alles dies hat es in der Schweiz nicht gegeben und trotzdem hat die Schweiz eine grosse rechtspopulistische Partei, die bei der letzten Wahl über ein Viertel der Stimmen erreichte und jetzt 2 von 7 Regierungsmitgliedern stellt.
Diejenigen auf die dies in Frankreich zutreffen könnte, sind die Einwanderer und ihre Nachkommen und das ist ja nicht gerade der Wählerstamm des FN.
Wenn W. Fladung mich mit seiner Analyse überzeugen will, müsste er noch etwas an Fakten nachlegen.
Mich beunruhigt der Leserbrief von Brigitte Heinzmann.
Sie ist der Meinung, dass in «ihrer» FR solch ein Interview, zu mindestens in dieser Länge, nicht abgedruckt werden soll.
Das ist nicht der erste Leserbrief in die Richtung: «Das möchte ich in meiner FR nicht lesen! ».
Ich finde es auch nicht gerade beruhigend, wenn sich Journalisten als Meinungsbildner definieren.
Wo soll das hinführen? Man liest nur noch die Zeitung, um sich seine vorgefasste Meinung bestätigen zu lassen? Wenn man keine Meinung zu einem Thema hat, lässt man sich seine Meinung durch seine Zeitung bilden?
Ich ärgere mich mindestens einmal pro Woche so richtig über einen Artikel. Wenn das mal nicht mehr der Fall sein sollte, bestelle ich die Zeitung ab.
@14 Henning Flessner
im gegensatz zu ihnen beunruhigt mich der leserbrief von brigitte heinzmann nicht. denn ich habe genau so reagiert. warum bekommt frau petry in der FR so viel (!) platz eingeräumt? ich hatte auch im gegensatz zu anderen lesern nicht den eindruck, dass sie sich in dem interview offensichtlich selbst entlarvt hätte, sondern zu viel aufmerksamkeit bekommen hat. mir geht ’s nicht um bestätigung vorgefasster meinungen (die ich hinsichtlich afd nun mal habe), sondern um die gewichtung. warum bekommt die afd in diesen zeiten so viel aufmerksamkeit? wird sie dadurch nicht „gefährlicher“? werden dadurch nicht noch mehr protestwähler mobilisiert?
übrigens, auch ich stimme nicht immer mit allen beiträgen in der fr überein. dennoch würde ich sie nicht einfach abbestellen, wenn ich mich nicht mindestens 1 x pro woche ärgern könnte! da gibt ’s noch genügend medien, die diese drohung allemal eher verdienen…
In der Mathematik ist 1 + 1 = 2 und 2×2 = 4. Läßt sich aber nicht auf die Wirklichkeit übertragen, weil Menschen keine rein mathematischen Wesen sind, sondern zuvörderst von Gefühlen, Einstellungen, Befürchtungen, Wissen – und dessen Verarbeitung und Einordnung – bestimmt werden. Da spielen dann auch Fakten keine Rolle, weil sich auch diese definieren lassen.
Menschen haben eben Ängste und Befürchtungen, und fallen daher auf die Fallstricke, die Verlockungen und Versprechungen der rechten Rattenfänger rein.
Wenn ich Erwartungen habe, an das Land, in welchem ich lebe, oder in welches ich eingewandert bin, dann ist immer die Frage: wie realistisch sind diese? Was bin i c h bereit zu tun, damit diese meine, und die Erwartungen anderer, erfüllt werden? Wer erwirtschaftet was und wer profitiert von erwirtschafteten Profiten? Wie wird verteilt und von wem? Wie weit reicht der Einfluß der Wirtschaft und der dahinter steckenden Großvermögen und deren Inhaber darauf, nur nichts abgeben zu müssen? Eben wieder die alte Frage: Qui bonum?
Wenn ich einigermaßen mein Leben gestalten kann, mit dem, was ich und meine Frau an Einkommen haben, schaue ich natürlich argwöhnisch auf alle, die mehr haben, oder für vermeintliches Nichtstun das Gleiche.
Da ist es dann für die Politik, bis weit hinein in die linke Mitte, einfach, den Menschen weis zu machen, das es irgendwelche düsteren Mächte und Kräfte gibt, die mir all dies wegnehmen wollen. Es wird nicht geschaut, wer wann wieviel von was abkassiert. Es interessiert nicht, ob die großen Abkassierer, und Steuerhinterzieher, und – legalen – Steuervermeider (dank Verbindungen) irgend ein Verständnis für gerechte Verteilung gemeinschaftlich erwirtschaftetem (Volks-)Vermögens besitzen. Es gilt das alte Prinzip: Jeder ist sich selbst der Nächste. Und dabei helfen die gepflegten alten Vorurteile: Der Pöbel taugt nix, höchstens zum Stiefel-Lecken. Die Mehrheit des Volkes ist dumm geboren und hat nix hinzu gelernt, und verdient es nicht anders. Und die „Eliten“ sind eben all die, die clever genug waren, entweder durch Geburt oder die richtige Nase „abzugreifen“. Das adelt.
Vielleicht muß man die derzeitige Entwicklung auch als Pendel betrachten, mal in die gute, mal in die schlechte Richtung. Ich habe da keine Hoffnung mehr. Die heutige Meldung auf der T-Online-Homepage, das die Republikaner das, recht magere, Ergebnis der Pariser Klima-Konferenz bei einem Wahlsieg schreddern wollen, zeigt ja, wes Geistes Kind viele sind. Eine Menschheit, die sich in ihrer Dummheit suhlt, kann dann auch untergehen. Vielleicht gibt es ja irgendwo im All Lebewesen, die auf einem Planeten mit den prognostizierten Bedingungen wie Terra in 50 Jahren wunderbar existieren können. Da sollten wir Homo Sapiense nicht allzu überheblich sein.
@hans, #8
„…immer wenn es konkret wird wird es auch still.“
Wirklich?
Dann werde ich mal versuchen, konkret und laut genug zu sein. Was erfahrungsgemäßig auf wenig Gegenliebe stoßen wird. Schon weil politische Analysen sich nicht in drei Worten ausspucken lassen so wie Bekenntnisse.
Zunächst mal ist Ihr Hinweis auf „Flüchtlingsbefürworter“ der falsche Ausgangspunkt. Heißt, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen.
Positionen zu essentiellen politischen Fragen sind nicht Ursache, sondern Ergebnis mehrerer Faktoren, vor allem von ethischen und weltanschaulichen Grundhaltungen sowie politischen Analysen.
Letztere haben an Sachlagen anzusetzen und nicht an Einstellungen von Personen. Dass dies im politischen Diskurs ständig auf den Kopf gestellt wird, zeigt nur, wie weit der Prozess schon fortgeschritten ist, für den „Pegida“ und AfD ein Symptom darstellen.
Eine politische Analyse wäre mindestens auf drei Ebenen anzusetzen: auf ethisch-weltanschaulicher, auf juristisch-völkerrechtlicher und auf politischer Ebene (im engeren Sinn).
1. Ethisch-weltanschauliche Ebene:
Richtig an der Gegenüberstellung „Flüchtlingsbefürworter“ – „Gegner“ ist nur soviel, dass Entscheidungssituationen polarisierend wirken. Einen Flüchtling aufzunehmen oder nicht verlangt eine Entscheidung, die eine dritte Position kaum zulässt. Es ist zugleich eine Nagelprobe für weltanschauliche oder religiöse Bekenntnisse, welche die tatsächliche Einstellung sichtbar macht.
Dass der „Christ“ Viktor Orban etwa eine Auseinandersetzung mit der „christlichen Botschaft“ (so wie der Papst sie versteht) scheut wie der Teufel das Weihwasser, dass er statt dessen Geschichtsklitterung betreibt, sich in die Rolle des Retters von „1000 Jahren christliches Ungarn“ hineinsteigert, hat damit zu tun, dass er die Widersprüche chauvinistischen Denkens als geistiger Grundlage seiner Politik verschleiern muss. (Fremdenfeindlichkeit ist hierfür nur ein, allerdings wichtiges Merkmal.)
2. Juristisch-völkerrechtliche Ebene:
Stefan Briem hat im Thread „Das Virus des Islamismus…“ in #138 bereits eine Antwort gegeben, indem er auf (1) die Genfer Konventionen, (2) die Europäische Menschenrechtskonvention und (3) das Grundgesetz verweist.
Dies wäre hier lediglich zu präzisieren.
Gemeinsam ist allen der völkerrechtliche Charakter und der Bezug auf unteilbare Menschenrechte. Im gesellschaftlich-philosophischen Ansatz der Aufklärung verpflichtet, sind diese vor allem Resultat eines ungeheueren Blutzolls zweier Weltkriege auf europäischem Boden. Damit läuft jeder Versuch einer Abkehr von Menschenrechten oder Einschränkung derselben auf Leugnung dieser wohl wichtigsten Lehre aus der europäischen Geschichte hinaus.
„Unteilbarkeit“ von Menschenrechten bedeutet: „Menschenrechte müssen demnach stets in ihrer Gesamtheit verwirklicht sein.“ (Wikipedia). Was auch heißt: Jeder Versuch, ein einzelnes Menschenrecht, etwa Asylrecht, herauszubrechen, ist eine Verletzung der Menschenrechte in ihrer Gesamtheit.
Als individuelles, einklagbares Menschenrecht schließt das Asylrecht zugleich per definitionem die Festlegung einer „Obergrenze“ aus: Was für 1 Million Flüchtlinge gilt, muss auch für den Einmillionundersten gelten.
Dementsprechend heißt es in GG, Art 16a, unter Abs.(1), kurz und bündig: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Die 1993 hinzugefügten Absätze 2-5 betreffen Abwehr von Missbrauch und Durchführung, stellen keine Einschränkung des als „Individualrecht“ aufgefassten Asylrechts dar. Eine Abkehr von diesem Prinzip bedürfte demnach auch einer Grundgesetzänderung mit den dafür vorgesehenen Mehrheiten.
(Vgl. dazu: Hopfauf, Zur Umwandlung des Asylgrundrechts in eine objektive Gewährleistung, Zeitschrift für Rechtspolitik 2015, S. 226 ff)
3. Politische Ebene
Nach dem „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ gibt es in Art. 4 eine einzige Einschränkungsmöglichkeit für Menschenrechte durch Unterzeichnerstaaten, und das ist der „öffentliche Notstand“. (Wikipedia: Menschenrechte)
Solange dieser nicht erklärt, Seehofer und Co. keine nachvollziehbare Begründung dafür abzugeben vermögen, besteht nicht der geringste Anlass, sich an Versuchen zu beteiligen, Menschenrechte in parteipolitisch motivierte Manöver hineinzuzerren.
Sich nicht auf eine Scheindebatte über „Obergrenzen“ einzulassen, ist mitnichten Ausdruck fehlender Argumente. Es ist Ausdruck des Respekts vor Menschenrechten und dem Blutzoll derer, denen diese zu verdanken sind. Eines Respekts, der denen offensichtlich abgeht, die diese heuchlerische Debatte befeuern.
Eine Debatte, welche die Augen vor weltpolitisch bedingten Ursachen verschließt und die Illusion schürt, man könne sich vor deren Auswirkungen einfach so durch nationale Abschottung und Aufgabe grundsätzlicher Rechtsprinzipien „schützen“. Welche auch die Aufmerksamkeit abzieht vom einzig wirksamen Weg der Verhinderung von Massenflucht: deren politische Ursachen zu bekämpfen und seinen eigenen Beitrag dazu zu leisten.
@ Wolfgang Fladung, #16
Ihrer hier geäußerten Stellungnahme stimme ich voll zu.
@ Henning Flessner, #10, Brigitte Ernst, #11
Zunächst mal stelle ich ganz sachlich fest, dass Henning Flessner „populistische Neigungen“ von Menschen analysiert, „die mir persönlich bekannt sind“, was nach meinem Sprachverständnis nicht das Gleiche ist, was Brigitte Ernst als „alle Wähler von Le Pen“ in seinen Beitrag hineinliest.
Nun kann einem, was die Entwicklung des Front National angeht, in der Tat „die Luft weg“ bleiben.
Aber kein rational denkender Mensch würde ernsthaft bestreiten, dass dabei „gesellschaftliche Zusammenhänge“ (was immer man sich darunter vorstellt) eine Rolle spielen.
Daher etwas konkreter:
Von Nicolas Sarkozy, der 2005 als Innenminister angesichts der Jugendunruhen in „Banlieues“ versprach, diese „mit dem Kärcher“ zu beseitigen, ist nicht bekannt, dass er als Staatspräsident irgendwelche Schritte zur Förderung der Integration eingeleitet hätte. Sehr wohl aber, dass er teils mit ähnlichen Parolen wie der FN hausieren ging.
Der gleiche Sarkozy hat nun, nach dem 1. Wahlgang der Regionalwahlen, als Vorsitzender der „Republikaner“ jegliche Kooperation mit der Linken gegen den FN verweigert (in seiner eigenen Partei höchst umstritten).
Bei den Sozialisten, im 1. Wahlgang oft nur an 3. Position wegen der (ziemlich sektiererischen) Abspaltung der Kommunisten und eines Teils der Grünen (im 2. Wahlgang durchgehend als Einheitsliste), haben sich dagegen in 3 Regionen chancenlose sozialistische Kandidaten zugunsten der „Republikaner“ zurückgezogen. Verweigert hat dies allein Jean-Pierre Masseret im Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine (Wahlkreis meiner Frau), der uns so sicher einen FN-Regionalpräsidenten bescheren wird. (Vom Vorstand der Sozialisten wurde ihm die Vertretung der Partei entzogen.)
Beispiele dafür, was Franzosen mit „ras-le-bol“ („Schnauze voll“) quittieren.
Die Spekulationen eines einzig von persönlichem Machtkalkül getriebenen Sarkozy sind ziemlich offensichtlich: Die Übernahme von Regionen durch den FN zu ermöglichen, mit der Erwartung, nach deren „Entzauberung“ in untergeordneten Machtpositionen Wähler zurückzugewinnen.
Eine ziemlich riskante und m.E. auch kurzsichtige Spekulation, die nicht Vorstellungswelten und Gemütslagen von FN-Wählern ins Kalkül mit einbezieht.
Beispiele dazu finden sich zuhauf auf der Website von Marine LePen, aus dem ich einen typischen Beitrag herausgreife:
Hier postet ein Yann Cyriak, in grauenhaftem Französisch, u.a.:
„An die Urnen, Patrioten…gebt dem FN die Möglichkeit, ein seinem Namen würdiges Frankreich zu errichten, eine innere Sicherheit im Namen von Patrioten, die an unserer Geschichte, unserer Kultur und im tiefsten Sinn an unserem Land hängen!!! Jerome Monnot sie ganz recht, man muss die Grenzen schließen und alle Fremden RAUS!!!!!!!! Cedric Guilhot alles klar!!! Scheiß auf Migranten man leben muss an schönem Ort ganz sauber und reich!!!! Marine du bist unsere Retterin bis sehr bald und danke!!!“
Aufschlussreich für den Vorgang populistischer Enthemmung ist hier die Beschwörung werthaltiger Begriffe wie „Patrioten“, „Kultur“, „Würde“, „Sauberkeit“, deren Verständis sogleich durch ungezügelte Offenbarung eigener geistiger Verrohung, hasserfüllter und obszöner Gedanken entlarvt wird.
Ebenso charakteristisch der quasi religiöse Ruf nach „Errettung“, der – bisher oft als politisches Statement in Form von Toilettensprüchen – offenbar das Internet erobert hat.
Ein Bedürfnis, das eine Marine LePen im permananten Junglierten mit nationalen Symbolen und demonstrativer Jeanne-d’Arc-Attitüde ausgiebig befriedigt. (Ein ähnlicher Auftritt eines Herrn Höcke in einer deutschen Talk-Show nimmt sich demgegenüber wie ein billiger Abklatsch aus.)
Probleme dürfte es freilich dadurch geben, dass Marine LePen, nach juristischem Familienkrieg und Parteirauswurf des eigenen Vaters, nun eine weitere Konkurrenz in der eigenen Familie ins Haus steht: in Gestalt ihrer Nichte Marion Maréchal, die in Sachen zur Schau getragener Islamophobie den Spuren ihres Großvaters folgt, das Verschleierungskonzept ihrer Tante gelegentlich über den Haufen wirft.
Zwei Jeanne d’Arcs sind selbst für hartgesottene französische Nationalisten eine zuviel.
Wer allerdings meint, hierauf die Möglichkeit rationaler Aufklärung aufbauen zu können, hat die Rechnung ohne den Wirt – also die oben beschriebene typische Geisteshaltung von FN-Wählern – gemacht: Belege für kulturpolitischen Kahlschlag und für Korruption unter FN-Bürgermeistern (einer, in Hayange/Lothringen – Fabien Engelmann – der zu allem Überfluss auch noch meinen Namen trägt) gibt es bereits zu Genüge. Was allerdings nicht dazu beiträgt, ein festgefügtes Weltbild ins Wanken zu bringen: Korruption ist etwas, was man nur Andersdenkenden zuschreibt.
Zustimmung, Herr Engelmann, soweit es die von Ihnen aufgeführte Theorie anbetrifft. Doch leider funktionieren wir Menschen nicht in der Theorie, sondern in der Praxis. Und da kracht es dann zuhauf. Wir erleben es doch tagtäglich mit unseren Politikern, das diese zwar wohlfeil die Gesetze als Lippenbekenntnisse hegen und pflegen, aber dann in der Praxis nur noch populistische Platitüden abgeben, welche dann, was die Damen und Herren eigentlich wissen müßten, dem GG, dem Völkerrecht etc. nicht stand halten.
Selbst der wohlmeinendste Mensch, der alles 100% gut und richtig findet, hat dann Probleme, wenn bei ihm um die Ecke Migranten einquartiert werden sollen. Und dann überkommt es ihn, pegida- oder AfD-mäßig: „not in my backyard“.
Selbst Gesetzesänderungen werden hier nicht fruchten, sondern nur der für mich einzige Ausweg: verschafft den Flüchtlingen soviel Möglichkeiten, und HOffnung, das sie in ihrer eigenen Heimat bessere Chancen haben. D.h., das „bleiben“ besser ist als „gehen“. Aber dazu müßten viele Dinge, bezüglich Humanitas und Völkerrecht, wirklich wörtlich genommen werden. Solange wir ausschließlich monetär-fiskalisch-gewinnoptimierend handeln, werden wir die Probleme nur noch vergrößern, bestenfalls verschieben.
Vor Jahrzehnten las ich einmal: „Als Gott den Menschen erschuf, übte er nur“. Da ist immer noch was dran. Erkenntnis des Richtigen heißt eben noch lange nicht, auch konsequent und richtig zu handeln.
zu @17 Werner Engelmann
Wenn sie schon öfter Beiträge von mir gelesen haben dann könnte ihnen aufgefallen sein das ich mich versuche kurz zu fassen, weil ich sehr lange Beiträge oft selbst nicht lese. Wenn man das will muss man Schlagwörter benutzen die von Natur aus nicht immer exakt treffen. Klar zu sagen was ich mit Flüchtlingsbefürworter gemeint habe ist sehr einfach. Ich habe meinte Leute die so argumentieren wie sie. Sie haben wieder einen Roman geschrieben ohne etwas zu sagen. Was soll man denn von den 3 von ihnen genannten Punkten halten wenn D. das einzige Land auf der Welt ist das nach diesen Regeln lebt? Sagen sie mir doch noch ein Land das Millionen von Flüchtlingen über mehr als 1000 km Zuflucht gewährt. Sie haben ja sogar das Wort 100 Millionen in den Mund genommen. Was soll man denn von Völkerrecht halten an das sich die ganze Welt nicht hält? Das gilt für alle 3 Punkte die sie aufgeführt haben auch wenn es dem Pabst nicht gefällt. Für mich sind ihre Argumente damit Tod. Jetzt muss ich versuchen auch noch kurz zu begründen warum ich solche Beiträge wie der von Ihnen als relativ nichts sagend ansehe. Sie haben in ihrem Beitrag nur eine einzige Zahl drin. Das ist zwar lobenswert,denn meist ist auch das nicht der Fall, aber das reicht mir nicht. Was ich mir wünschen würde habe ich versucht im Beitrag 2 zu schreiben. Um wieder zum Thema zu kommen. Wenn man den AFD zurückdrängen will muss man klare durchgerechnete Konzepte vorlegen wie es weiter gehen soll und nicht irgendwelche moralisch oder völkerrechtlich abstrakte Begründungen für was weiß ich was. Ich habe vor einigen Wochen hier im Bloog mal einen Vergleich mit der Wiedervereinigung versucht und dann gefragt wer das bezahlen soll. Damit sind wir dann bei dem was Wofgang Fladung dankenswerter weise immer wieder anspricht. Solange da nicht klar gesagt wird wie man in den nächsten 5 Jahren vorgehen will haben viele Leute Angst das sie überproportional zur Bezahlung herangezogen werden und das auch noch mit Recht. Ich habe hier schon vor Monaten geschrieben das die Rechnung am Schluss die Sozialversicherungen in der Masse zahlen werden. Wer dann nicht zahlt ist auch klar. Genau so wie es bei der Wiedervereinigung war. Dieser Beitrag ist sicher der Längste den ich dieses Jahr geschrieben habe. Deshalb höre ich jetzt auf. Was ich für die richtige Vorgehensweise halten würde habe ich neben an bei Strategien gegen den IS angesprochen. Ob die mit dem Völkerrecht vereinbar sind weiß ich nicht und ist mir auch ziemlich egal. Es würde auf jeden Fall den Menschen helfen.
@ Henning Flessener #13
Einen einzigen Grund für den Rechtsruck in mehreren europäischen Ländern gibt es sicherlich nicht. Wie immer bei komplexen Vorgängen spielen auch hier mehrere Faktoren eine Rolle.
Auf Frankreich bezogen: Im Norden besteht die Wählerschaft des Front National nach meiner Information zum größten Teil aus der Gruppe der deklassierten und verarmten Bergleute und Industriearbeiter. Das passt sehr gut zu Wolfgang Fladungs Theorie.
Natürlich wählen die Einwanderer aus dem Maghreb nicht den Front National, eine Partei, die sich gegen sie selbst richtet. Einen Rechtsruck entdecke ich bei ihnen allerdings ebenfalls. Oder wie würden Sie die in den muslimischen Einwanderergesellschaften zu beobachtende Rückwärtswendung zu den eigenen (vermeintlich) traditionellen Werten denn nennen? Der Islamismus ist dann der brutale Auswuchs dieser Abschottung und Zuflucht in eine Gemeinschaft von „Rettern der Kultur“ im Kampf gegen die bedrohlichen Anderen, die „Ungläubigen“. Ich sehe das durchaus als (wenig taugliche) Gegenstrategie gegen soziale Benachteiligung.
@hans #25
Ich finde die 100 Millionen, die W. Engelmann angeblich in den Mund genommen hat, nicht.
Sie fragen, warum Sie etwas Gutes tun sollen, wenn andere es auch nicht tun? Ich würde sagen: gerade deshalb!
M. E. fallen Sie auf die Argumentation der AfD wegen der Kosten herein.
Glauben Sie denn wirklich, dass aus diesen Fremdenfeinden plötzlich Fremdenfreunde werden, wenn man ihnen zusichern würde, dass sie für die Kosten nicht aufkommen müssen.
Das Argument ist doch nur vorgeschoben.
So einfach können Sie das gefestigte Weltbild dieser Leute nicht erschüttern.
zu @ 22
Ich finde die 100 Millionen, die W. Engelmann angeblich in den Mund genommen hat, nicht
Das stützt meine Theorie das zu lange Beiträge nicht gelesen werden. Wenn ich nicht persönlich angesprochen gewesen wäre hätte ich das wohl auch überlesen. Es steht schriftlich im Beitrag 17, Punkt 2, Ende vorletzter Absatz.
Ich glaube auch nicht das man die wirklich Rechten also den harten Kern der AFD mit dem Thema Konzept und Kosten umstimmen kann, aber auf den Normalbürger hat eine Regierung die klar sagt wo es hin geht und das Heft in der Hand hält das Volk fast von selbst in diesem Fall auf seiner Seite hat. Sofern sie vorhat ausgewogen und gerecht zu agieren. Es gibt nicht umsonst den Spruch das nicht die Opposition eine Wahl gewinnt sondern eine Regierung eine Wahl verliert.
zu @ 22
Noch ein Nachtrag zu ihrem Einwand das wir ja besser sein können als der Rest der Welt. Mir Fällt da ein Beispiel ein aus einem völlig anderem Bereich. Ich war einige Jahre Betriebsratsmitglied in einem metallverarbeitendem Unternehmen. In diesem Betrieb waren einige Leiharbeiter beschäftigt. Mir als BR Mitglied wurde vorgeworfen das der BR und die IGM Leiharbeit nicht verhindert. Im Betriebsverfassungsgesetz steht irgendwo( ich habe jetzt keine Lust das raus zu suchen) das der BR vom Ausleihendem Unternehmen die Leiharbeiter mit vertreten muss. Das haben wir dann versucht. Das Ergebnis war das die Verleihfirma ihr ganzes Personal abgezogen hat und es 2 Leiharbeitern ihren Arbeitsplatz gekostet hat . Wir als BR hatten genau das Gegenteil erreicht von dem was wir wollten. Warum ist das so ausgegangen und warum schafft es die IGM nicht Leiharbeit zu unterbinden? Das lässt sich aus BR Sicht einfach erklären. Der BR ist eine Interessenvertretung der Stammbelegschaft und nur stark wenn diese ihn unterstützt. Diese sieht in diesem Fall dafür aber keinen ausreichenden Grund. Bei der IGM ist es das selbe. Der BR von D. ist der Bundestag, die Flüchtlinge sind die Leiharbeiter, und das Betriebsverfassungsgesetz ist das Völker oder Asylrecht. Da es in ganz D. sehr viel Leiharbeit gibt halte ich das von mir geschilderte Beispiel für normal. Diesem Volk das keine Probleme hat Leihsklaven ( der Begriff ist nicht von mir und hätte eine eigene Geschichte)zu akzeptieren soll man jetzt beibringen menschenfreundlicher und weniger egoistisch zu sein als andere Völker? Dazu sagt man noch nicht was der Einzelne zahlen soll. Man möchte einen Blankoscheck haben weil man sich nicht traut mit offenen Karten zu spielen. Wobei das die einzige Chance wäre Akzeptanz zu bekommenen. So jetzt habe ich schon wieder zu viel geschrieben. Eigentlich müsste man noch darüber schreiben wie moralisch es ist nur Menschen zu helfen die genug Geld haben sich die Reise leisten zu können und die wirklich Armen in den betroffenen Ländern verhungern zu lassen.
Falls es niemanden aufgefallen ist war in meinem Vergleich nie von Ausländern die Rede. Deshalb halte ich die derzeitige Ablehnung der Flüchtlinge auch nicht für Ausländerfeindlichkeit sondern als Ausdruck das viele Menschen ihre Besitzstände bedroht sehen. Da ist es egal ob von Aus oder Innländern das wird immer Wiederstand hervorrufen.
hans, #20,23
Hier nochmal der Satz aus meinem Beitrag #17, der Sie so aus dem Häuschen bringt, damit sie Sie sich nicht die Augen an Romanen wundlesen müssen und dennoch nicht auf das Geheimnis der wundersamen Zahlenvermehrung kommen:
„Was für 1 Million Flüchtlinge gilt, muss auch für den Einmillionundersten gelten.“
Kleine Nachlese zu den Wahlen in Frankreich:
@ Brigitte Ernst, #21
„Auf Frankreich bezogen: Im Norden besteht die Wählerschaft des Front National nach meiner Information zum größten Teil aus der Gruppe der deklassierten und verarmten Bergleute und Industriearbeiter.“
@ Wolfgang Fladung. #9
„Und jetzt wehrt sich diese Mittelschicht. Aber nicht gegen „oben“, nein, sie sucht in alter bürgerlicher Manier die Schuldigen woanders. Da sind immer noch die schmarotzenden Unterschichtler, und jetzt auch noch zuhauf die abkassieren wollenden Flüchtlinge und Migranten/Asylanten.“
Ich kenne noch keine genauere Analyse der Wahlen. Nach den von „Le Monde“ veröffentlichten differenzierten Ergebnissen lässt sich aber Folgendes sagen:
(/ http://www.lemonde.fr/les-decodeurs/article/2015/12/14/elections-regionales-quelle-liste-est-arrivee-en-tete-dans-votre-commune-au-second-tour_4831192_4355770.html)
Die von Brigitte Ernst geäußerte Einschätzung lässt sich nicht bestätigen, die von Wolfgang Fladung schon eher.
Sicher ist, dass die Hochburgen des Front National gerade nicht in Industriegebieten, auch nicht vorwiegend in Gegenden sozialer Deklassierung liegen, sondern auf dem flachen Land.
Beispiele: (Prozentzahlen auf-/abgerundet)
Centre (um Orléans, Bourges, ländlich): 30 %, Champagne-Ardennes (sehr ländlich): 39 %, teilweise über 50 %. Selbst das Industriegebiet in Lothringen liegt mit 36,5 % darunter.
Rhône-Alpes (mit Industriegebiet Lyon): nur 23 %, Ile de France (sehr industriell): nur 14 %. In keiner einzigen Stadt in der Pariser „Banlieue“ gibt es eine FN-Mehrheit (meistens sozialistisch).
FN-Hochburgen im Norden (insgesamt 42 %):
Die Gebiete mit über 50 % liegen nicht in den ehemaligen Bergbauregionen an der belgischen Grenze und auch nicht um Lille, sondern weiter südlich in ländlicheren Gegenden. Selbst „Pas-de-Calais“ (mit Flüchtlingslagern um Calais) liegt mit 41 % lange nicht an der Spitze.
FN-Hochburgen im Süden (insgesamt 45 %):
Die Hochburgen (über 50%) liegen in den touristischen, wenig industrialisierten Gebieten der Provence (nördlich Toulon) sowie am Küstenstreifen Languedoc-Roussillon (bis spanische Grenze).
Zusammenhänge mit sozialen Problemen lassen sich weniger erkennen, viel mehr mit dezidierter EU-Feindlichkeit, etwa im Zusammenhang mit der Agrarpolitik.
Eine Hauptursache scheint eher im ideologischen Bereich, etwa in allgemeinem Politikverdruss zu liegen, vor allem bei jüngeren Menschen (überdurchschnittlicher FN-Anteil).
Hinweise ergeben sich am ehesten aus Wahlkampfaussagen des FN und aus Reaktionen bzw. Erwartungshaltungen, etwa im Internet (vgl. #18). Die kreisten am meisten um die Fragen „innere Sicherheit“ und „Flüchtlinge/Migranten“. So etwa Streichung jeglicher Unterstützung für Migranten (obwohl nur zum geringen Teil Angelegenheit der Regionen): Auch das verfängt (wie in Deutschland) am meisten in Gegenden (wie unserer), wo es praktisch keine Flüchtlinge gibt.
Ebenso Hassabfuhr in der Attitüde der aufrechten Kämpferin gegen eine rundum verderbte Welt. Dazu einzelne Stichworte aus der Stellungnahme Marine LePens zur Wahl (wörtlich übersetzt):
„Eine Kampagne der Verleumdung und der Diffamation“, „Einschüchterung, Infantilisierung und Manipulation“, „totale Ausrottung der sozialistischen Partei“. – Alles, versteht sich, ohne einen einzigen Beleg oder ein Beispiel.
Es gibt ja inzwischen vermeintlich Wohlmeinende, die vorschlagen, doch Einwanderungs-Kontingente zu schaffen. Die würden dann für alle Migranten gelten, welche dann von und in ihrem Land gut ausgebildet wurden, Deutsch sprechen, und hier dann sofort und gleich für ’n Appel und ’n Ei als Krankenhaus-Assistenzarzt u. dgl. anfangen könnten. Arbeitskräfte-Mangel? Nicht bei uns?
Das man damit den Ländern, aus denen diese Menschen kommen, noch mehr den Boden unter den Füßen wegzieht, weil nur die gutausgebildeten, die im Lande bleiben (und dies dann auch kräftig gefördert werden müßte) am Aufbau mitwirken können, wird in dieser menschenverachtenden neoliberalen und zutiefst neokolonialistischen Forderung wohl bewußt übersehen.
Aber im Zweifelsfall geht der Kapitalismus auch über Leichen. Er zieht sich nur vorher schon den passenden Anzug an.
Gestern Abend bei Sandra Maischberger:
Daniel Cohn-Bendit äußert sich angesichts der Ängste und Zweifel, die durch den Flüchtlingsansturm ausgelöst werden, völlig verständnislos und behauptet, die Flüchtlinge nähmen keinem bisherigen Einwohner Deutschlands etwas weg.
Das halte ich dann doch für reichlich naiv, ja fast zynisch angesichts der Tatsache, dass nun plötzlich Geld aufgewendet wird, das bisher für Ausgaben im sozialen Bereich angeblich fehlte.
Und die ohnehin angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt in den Ballungszentren wird weiter verschärft, weil zur Unterbringung von Flüchtlingen horrende Summen an Vermieter bezahlt werden (s. FR vom 14.12., S. F12). Das bedeutet natürlich, dass die unteren Einkommensgruppen noch weniger Chancen auf angemessenen Wohnraum haben als bisher.
Klar, für Politiker, die sich im Frankfurter Westend eine teure Wohnung leisten können und am Ort ihres Parlaments ebenfalls, bedeuten die Flüchtlinge tatsächlich keine Bedrohung. Deshalb sollten sie sich bei der Beurteilung der Ängste Anderer lieber zurückhalten.
Ich hatte ja schon mal die Befürchtung geäußert, dass das untere Drittel schließlich die Hauptlast der Kosten zu tragen hat.
Das wäre mal eine schöne Aufgabe für die Experten, nach einem gewissen Zeitablauf, die gesamten Kosten zu benennen und aufzugliedern. Oder es erscheint besser, solche Zahlen gar nicht zu ermitteln ?
Bei der deutschen Wiedervereinigung gab es Zahlen – aber auch einen Solidaritätszuschlag, der meines Wissens sogar heute noch erhoben wird…
Bedauerlich, dass zum „Solidaritätszuschlag“ hier niemandem etwas einfällt…?
# 30, werner.h: Falls Sie sich auch im Nachbar-Blog zur SPD tummeln, da habe ich unter # 17 Folgendes geschrieben:
„Jetzt bin ich nur gespannt, wie es mit dem Soli weitergeht. Soll ja eigentlich bis 2029 auslaufen. Interessant, das bei der Besteuerung der Großverdiener, siehe Vermögens- oder Erbschaftssteuer, es immer mit der Abschaffung ganz schnell geht. Warum nicht ein Soli erst ab einem Jahreseinkommen von, sagen wir, 100.000 Euro?
Aber da ist ja die alte „Arbeiterpartei“ SPD auch immer schnell dabei, wenn es um Kürzungen bei Hartzern, Rentnern, Geringverdienern etc. geht. Und die Kosten für Flüchtlinge gehen Großverdiener ja nix an. Genauso ist es unzumutbar, die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge paritätisch auf Arbeitnehmer u n d Arbeitgeber zu verteilen,oder? Na denn mal viel Vergnügen, Frau Malu Dreyer.“
Das ist ja das Schöne an den bürgerlichen Parteien, das „Solidarität“ immer nur für unten und Mitte gilt, aber die „Leistungsträger“ oben davon verschont bleiben.
Der Kommentar #31 ist ein schönes Beispiel für Vorurteile und politische Raserei ohne Substanz.
Die SPD ist „… auch immer schnell dabei, wenn es um Kürzungen bei Hartzern, Rentnern, Geringverdienern etc. geht“. Was für ein Unsinn! Die SPD macht vieles falsch, das ist schon richtig. Aber Kürzungen bei Hartzern? Die Grundsicherung wurde erhöht. Ebenso die Renten. Die Mütterrente wurde deutlich aufgewertet. Dass Renten besteuert werden, ist nicht das „Verdienst“ der SPD. Und wo hat die SPD bei Geringverdienern gekürzt? Das Gegenteil ist richtig: Dank SPD haben wir jetzt einen Mindestlohn.
Man merkt schon, dass Sie eine ultralinke Brille auf der Nase haben, Herr Fladung, aber das berechtigt Sie nicht dazu, die Unwahrheit zu schreiben.
# 32, Stefan Briem: Da scheine ich mich bezüglich „ultralinke Brille“ in guter Gesellschaft zu befinden, wenn ich andere Kommentare im Nachbarblog lese. Auch Menschen wie Jakob Augstein, siehe hier: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sigmar-gabriels-leere-versprechen-wozu-spd-kolumne-a-1067674.html, scheinen diese auf zu haben. Mir, und anderen Freunden und Nachbarn, ist da eine „ultralinke“ Brille, mit welcher man scharf sieht, immmer noch lieber, als eine einseitige, mit abgedecktem oder defektem Glas.
So meldet die ARD heute auf Textseite 130, das immer mehr ältere Arbeitslose auf Hartz IV angewiesen sind, und die Zahl derer über 55 von rund 257.000 im Jahr 2010 um + 24% auf 318.000 im Jahr 2015 gestiegen ist. Also alles Gewinner? Haben Sie einmal versucht, mit dem derzeitigen Mindestlohn zu leben und in Ballungsräumen eine Familie einigermaßen gut über die Runden zu bringen? Demnächst dann Zuzahlungen für die GKV, aber ohne Erhöhung des Mindestlohnes! Falls Sie eine Brille tragen, würde ich diese einmal putzen und vielleicht auch zum Optiker bzw. Augenarzt gehen – vielleicht stimmt die Stärke nicht mehr.
Herr Fladung,
Sie haben geschrieben, dass die SPD die Hartz-Beträge und die Renten gekürzt hätte und bei den Geringverdienern spart. Nichts von dem ist wahr. Dass mehr ältere Arbeitslose auf Hartz IV angewiesen sind, hat mit meiner Antwort auf Ihre Behauptungen überhaupt nichts zu tun.
zu @ 30 Werner H.
Warum soll einem dazu was einfallen. Es geht bei dem Soli nur um einen sehr kleinen Anteil der Wiedervereinigungskosten. Es wird keinesfalls reichen um so eine Lösung für die Flüchtlingskosten darzustellen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kosten_der_deutschen_Einheit
# 35, Hans,
Oh doch,sollen die Kosten wirklich gerecht verteilt werden, Wäre so ein „Soli“ durchaus in Erwägung zu ziehen. Und zwar so, dass er auf a l l e Einkommen erhoben würde.
Also auch auf Aktiengewinne u.ä.
Da unsere „Portokasse“ und auch die diesjährigen Überschüsse nicht ausreichen dürften, muss das Geld ja irgendwo beschafft werden. Die Last und den Ärger haben sowieso das „untere Drittel“.
Nach Information der FAZ hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages „erhebliche Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit von Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen“.
Ein Gutachten der Parlamentsexperten stellt fest, dass das EU-Asyl- und Flüchtlingsrecht keine Regelungen enthalte, „die eine zahlenmäßige Begrenzung der Aufnahme von international Schutzsuchenden vorsehen. Sie verweisen darauf, die EU-rechtlichen Vorgaben maßgeblich sind und das nationale Recht „überwölben“.
(http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/fluechtlingskrise-gutachten-haelt-obergrenze-fuer-hoechst-problematisch-13977825.html)
Dieses Gutachten bestätigt meine in #17 dargelegte Analyse.