Patriarchatskritik statt Feminismus – Der lange Weg zum Postpatriarchat

Gastbeitrag von Kirsten Armbruster aus Riedenburg

Liebesfilme aus den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts endeten immer mit der Ehe als Happy end. Im idyllischen Klischee dieser Zeit bekam die Frau nach der Hochzeit die Kinder und kümmerte sich aufopferungsvoll um diese und um ihren Ehemann. Der Mann war das Oberhaupt der Familie, weil Gott ihn dazu bestimmt hatte und weil der Mann das Geld verdiente. Die Frau, die praktischerweise theologisch als Gehilfin des Mannes definiert war und immer noch ist, hielt dem Mann den Rücken frei. Frauen lebten gesellschaftsgewollt in Abhängigkeit von ihrem Ehemann. Damit dies auch funktionierte, wurde es nicht für notwendig erachtet, dass Frauen eine akademische Ausbildung erhielten, da sie ja in den Augen der Gesellschaft nur minderwertige und untergeordnete Arbeiten verrichteten wie Hausarbeit, Erziehungsarbeit und Pflegearbeit. Ehe und Familie sind also von ihrem Ursprung her ein patriarchales Konstrukt.

Nun, 60 Jahre später, werden von der Politik neue gesellschaftliche Leitbilder festgelegt, da Frauen heute eine gute, häufig akademische Ausbildung haben und der Feminismus viel erreicht hat, bezüglich einer besseren Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Können wir also zufrieden sein mit dem bisher Erreichten? Hat sich der Feminismus überholt? Sind wir bereits in einer postpatriarchalen Gesellschaft angekommen?

Ein genauer Blick hinter die Kulissen zeigt, dass das Patriarchat noch lange nicht überwunden ist. Eine Patriarchatskritik ist also immer noch opportun. Der Begriff Patriarchatskritik erweist sich hierbei als zukunftsweisend, da bei dem Begriff Feminismus immer nur der gesellschaftsverändernde Kampf von Frauen gemeint ist, während die Männer sich gemütlich zurücklegen können und für sie bequemerweise  alles beim Alten bleiben kann. Der Weg in eine moderne postpatriarchale Gesellschaft ist aber nur mit einer gemeinsamen Anstrengung von Frauen und Männern, von Müttern und Vätern zu erreichen, und da gibt es noch viel zu tun.

Die Familienfalle ist eine Mütterfalle 

„Alles beim Alten: Mütter stellen Erwerbstätigkeit hinten an“. So lautet die Überschrift einer Studie des Statistischen Bundesamtes in Deutschland von 2008. In der Einführung dieser Studie ist zu lesen:

„Eine ausgewogene Teilhabe von Frauen und Männern am Berufs- und Familienleben zu erreichen, ist ausschlaggebend für die Gleichstellung der Geschlechter. Auch heutzutage gehen Mütter deutlich seltener einer Erwerbstätigkeit nach, als ihre Partner: 2008 waren rund sechs von zehn Frauen mit minderjährigen Kindern unter 15 Jahren erwerbstätig. Für Männer ist eine Familiengründung kaum mit einer beruflichen Veränderung verbunden“.

Weiter beschreibt die Studie, dass drei Viertel der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit arbeiten. Wörtlich ist dort geschrieben:

„So arbeiteten im Jahre 2008 insgesamt fast drei Viertel (73 %) der erwerbstätigen Mütter im Alter von 15 bis 64 Jahren auf Teilzeitbasis“ und …„Die Teilzeitquote der Väter lag – je nach Alter des jüngsten Kindes im Haushalt – zwischen 4% und 6%“.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass eine Teilzeitarbeit es vielen Frauen zwar ermöglicht, Beruf und Familie zeitlich besser zu vereinbaren. Teilzeitarbeit bedeute aber auch, auf Teile des Lohnes und der Altersvorsorge zu verzichten. Von einer Gleichstellung der Geschlechter sind wir also im Familienbereich noch weit entfernt.

Wenn in Deutschland zwei Menschen sich dazu entschließen, Kinder zu bekommen, so ergibt sich eine doppelte Diskrepanz. Die Anzahl der zu versorgenden Personen steigt, die zu verrichtende Arbeit steigt ebenfalls. Gleichzeitig sinkt das Einkommen. Menschen, die sich in unserer Gesellschaft für Kinder entscheiden, sind also automatisch mit einem, je nach Kinderzahl, hohen Wohlstandsverlust konfrontiert, kombiniert mit einer damit einhergehenden Zunahme an Arbeitsbelastung, die bis heute nicht als Arbeit definiert und anerkannt ist. Weil dies den meisten vor der Familienphase kaum bewusst ist, landen Familien in der doppelten Familienfalle. Und da die Teilzeitquote von Männern im Durchschnitt nur bei 5 % liegt, betrifft die Familienfalle zu 95 % Mütter und nicht Väter, so dass von einer Mütterfalle gesprochen werden muss. Mutterschaft in noch nicht postpatriarchalen Strukturen bedeutet in die Abhängigkeitsfalle, in die Doppelbelastungsfalle, in die angebliche Du-arbeitest-ja-nicht-Falle, in die Nicht-Anerkennungs-Falle, in die Nicht-mehr-wieder-Einsteigen-Können-Falle und dadurch in die Armutsfalle zu geraten, die weit über die aktive Familienphase hinausgeht. Mütter und der Umgang mit ihnen, ist also der Knackpunkt einer modernen postpatriarchalen Gesellschaft: Der Knackpunkt, an der bisher jede Gleichberechtigungspolitik scheitert,  weil der angestammte Arbeitsbereich der Mütter sich in den männlich definierten Arbeitsbereich einpressen lassen muss, weil die Arbeit, die Mütter seit Jahrhunderten leisten, als nicht geldwert und damit als unwert betrachtet wird, weil so getan wird, als ob Mütter nie gearbeitet hätten, nur weil das Patriarchat dies traditionsgemäß so definiert und erzwungen hat. Und in dieser Logik wird die Familienarbeit auch nicht ins Bruttoinlandsprodukt mit eingerechnet und von der sozialen Marktwirtschaft, die der ganze Stolz der Bundesrepublik ist, können Mütter auch nicht direkt profitieren, da für sie die beiden Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft nicht erreichbar sind: nämlich Freiheit und soziale Absicherung.

Mütter sind in unserer Gesellschaft die benachteiligste Bevölkerungsgruppe. Interessant dabei ist, dass im Statistischen Bundesamt auch auf Nachfrage niemand sagen kann, wie viele Mütter es in Deutschland tatsächlich gibt, Frauen, die also Kinder geboren haben und dadurch in die Mütterfalle geraten sind. Es gibt zwar eine Reihe von Daten. Diese sind aber so aufgeteilt, dass daraus nicht ohne weiteres auf die Gesamtzahl von Müttern zu schließen ist. Zahlenmäßig kann es keine gesellschaftliche Randgruppe sein, die Gesamtzahl liegt sicherlich im Millionenbereich, aber allein die Tatsache, dass hierzu kein klares Zahlenmaterial vorliegt, spricht Bände über die gesellschaftliche Vernachlässigung von Müttern, genauso wie die Tatsache, dass es in Deutschland keinen einzigen universitären Lehrstuhl zur Situation der Mütter gibt, anders als zum Beispiel in Kanada. Dies ist ein Hohn, da ja alle Politiker in das Horn blasen, dass Kinder unsere Zukunft wären, wobei die Kinderarmut, die ja eigentlich eine Mütterarmut ist, wesentlich mehr über den wahren Zustand unserer Gesellschaft aussagt, als die mantrahaften Beteuerungen von Politikern, die durch die Realität Lügen gestraft werden. Wären Kinder wirklich die Zukunft einer Gesellschaft, müssten Mütter, die bis heute über ein Geburtsmonopol verfügen, im Zentrum gesellschaftpolitischer Anstrengungen stehen.

Dass dies nicht der Fall ist, lässt sich auch auf der Website des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend besichtigen, denn dort kommt das Wort Mutter so gut wie gar nicht vor, sondern es ist immer von Familie oder Eltern die Rede, als ob es bereits eine gleichberechtigte Elternschaft geben würde! Dabei sind wir weit davon entfernt, und Mütter tragen bis heute den größten Teil des Elternrisikos. Sie tragen das Risiko finanziell abhängig zu werden, sie tragen das Risiko den größten Teil der Hausarbeit erledigen zu müssen, unabhängig davon, ob sie noch zusätzlich berufstätig sind, sie tragen das Risiko den größten Teil der Erziehungsarbeit leisten zu müssen, sie tragen das Risiko bei Problemen in familiären Alltagssituationen, die die Regel und nicht die Ausnahme sind, besonders häufig einspringen zu müssen. Dies ist der Fall, wenn Kinder krank werden, wenn Schul- oder Entwicklungsverzögerungen auftreten, wenn eine Pflege der älteren Generation anfällt usw., alles familiäre Alltagssituationen, die schnell mit einer Vollzeitstelle kollidieren. Mütter tragen bis heute zu 95 % das Risiko in die Teilzeitfalle zu geraten, und all dies hat zur Folge, dass sie schließlich auch noch in  der Rentenfalle landen, obwohl sie durch ihre Gebärleistung doch erst eine Generationenrente ermöglichen.

Der Ansatz heutiger Familienpolitik zielt immer einseitig darauf, dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten müssten, um der einseitig mütterlichen Armutsfalle zu entgehen. Beachtet wird aber viel zu wenig, unter welchen immensen Arbeitsdruck Familien dadurch geraten, der oft nur dadurch nicht öffentlich sichtbar wird, weil im Familienhintergrund Großmütter die doppelgestressten Eltern entlasten, die scheinbare Vereinbarkeit von Familie und Beruf also wieder nur durch kostenlose Arbeit von Frauen, von Großmüttern möglich ist. Wenn beide Elternteile heute – wie allgemein üblich – 40 Stunden Vollzeit arbeiten sollen, so bleiben immer noch – wie aus den Zahlen der Studie „Blickpunkt Frauen“ des Statistischen Bundesamtes von 2004 zu entnehmen ist – je nach Alter der Kinder – mindestens 30 Stunden zu erledigende Familienarbeit, die sich in Hausarbeit, Betreuungs- und Erziehungsarbeit aufteilt, wobei hier die Pflegearbeit für ältere Menschen noch nicht enthalten ist, so dass in der Realität durchaus von 40 Stunden zu bewältigender Arbeit ausgegangen werden kann. All dies ist Arbeit, die im Patriarchat als nicht geldwert definiert wurde, wobei heute auf dem Wege ins Postpatriarchat die Kosten dieser Arbeit plötzlich sichtbar werden. Die Kosten für eine Haushaltshilfe, die zu Hause die Hausarbeit erledigt. Die Kosten für eine Betreuung und Erziehung der Kinder in Form von Kinderkrippen, Kindergärten und Ganztagsschulen mit Zusatzangeboten im musischen, künstlerischen und sportlichen Bereich in Verbindung mit einer adäquaten Essensverpflegung und mit entsprechend gut qualifiziertem Personal. Schließlich noch die Kosten für die Betreuung und Pflege der älteren Generation.

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung schreibt in ihrem neuen Buch „Verschenkte Potenziale“ (2010): „Die Zukunft liegt in einer Arbeitszeitreduktion beider Partner“ aber der Satz endet: „und die müssen gerade Frauen aktiv einfordern“. Während der erste Teil des Satzes tatsächlich einen Lösungsansatz beschreibt, bleibt der zweite Teil im Feminismus hängen. Die Verantwortung für gesellschaftliche Veränderungen wird den Frauen, genau gesagt den Müttern aufgebürdet, während Männer passiv darauf warten dürfen, dass Mütter ihre Rechte im Berufsleben durchsetzen. Tatsächlich steckt dahinter immer noch eine patriarchale Denkweise, nämlich die, dass der männlich definierte und dominierte Erwerbsarbeitsbereich als der höher wertige Arbeitsbereich gilt und daher von den Müttern, die aus der patriarchalen Unterordnung kommen, erobert werden muss. Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein. Moderne postpatriarchal eingestellte Männer müssten an ihren Arbeitsstätten einfordern, dass eine berufliche Position nicht korreliert ist mit einer Arbeitsplatzpräsenz, und dass eine Arbeitszeitreduktion aus familiären Gründen eine Frage der Zukunft unserer Gesellschaft und damit eine gesamtgesellschaftliche Frage ist. Das bedeutet, dass Männer sich endlich zu echten Partnern entwickeln müssen, und hier ist vor allem männliche Bewusstseins- und  Durchsetzungsarbeit gefragt! Würde diese endlich stattfinden, so könnte über diesen Weg auch ein zweites Problem des Patriarchats gelöst werden, nämlich, dass gerade auch in Deutschland nach wie vor kaum Frauen in wirtschaftlichen und gesellschaftpolitischen Führungspositionen zu finden sind und dadurch eine geschlechtliche Schieflage im Kapitalbereich nach wie vor zementiert ist. Denn die Tatsache, dass von 185 DAX-Vorständen immer noch 181 männlich sind, spricht eine deutliche patriarchale Sprache.  

Wollen wir wirklich eine postpatriarchale Gesellschaft verwirklichen, muss die Politik neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen schaffen. Aber wir können uns nicht nur auf die Politiker verlassen, sondern wir müssen uns selbst auf den Weg machen –  Männer und Frauen gemeinsam – , und gesellschaftliche Veränderungsprozesse initiieren, und zwar da, wo unser Alltag stattfindet, am Arbeitsplatz, in der Familie, in der eigenen Kommune, im eigenen Bundesland und da sind in Zukunft vor allem auch Männer aufgefordert aktiv zu werden. Männer ebnet endlich den Weg ins Postpatriarchat und fangt dabei bei euch selbst an! Jetzt!

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Zur Autorin:

Dr. Kirsten Armbruster, geb. 1956 in Dortmund, aufgewachsen in Ägypten, Abitur in Fürstenfeldbruck (Bayern), Studium der Agrarwissenschaften an der Universität Göttingen, Promotion am Institut für Physiologische Chemie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Mutter von vier Kindern, gilt als Denkerin, die durch ihre Bücher, Artikel und Vorträge gesellschaftsverändernde Impulse setzt.

Veröffentlichungen: Das Muttertabu oder der Beginn von Religion, edition courage, 2010, www.edition-courage.de

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26 Kommentare zu “Patriarchatskritik statt Feminismus – Der lange Weg zum Postpatriarchat

  1. Sehe ich das falsch, dass die Autorin hier, was die patriarchalen Verhältnisse, aber auch die Einsicht in diese, angeht, weitgehend offene Türen einrennt? Z.B.:
    „Menschen, die sich in unserer Gesellschaft für Kinder entscheiden, sind also automatisch mit einem, je nach Kinderzahl, hohen Wohlstandsverlust konfrontiert, kombiniert mit einer damit einhergehenden Zunahme an Arbeitsbelastung, die bis heute nicht als Arbeit definiert und anerkannt ist.“ Welcher Mensch, der auch nur mit einem Auge die Realität schaut, würde das nicht wahrhaben und leugnen wollen? Befremdlich insofern der Nachsatz: „Weil dies den meisten vor der Familienphase kaum bewusst ist, landen Familien in der doppelten Familienfalle.“ – Wo leben denn die „meisten vor der Familienphase“?

    Vom Befund her also, so meine ich, eine hoch redundante, unnötig minutiöse Aufzählung von Aspekten, die alle nur den einen, doch wohl gerade durch die feministische Aufklärung ins Licht geholten Tatbestand belegen, dass nämlich die Frauen, denen weiterhin weitestgehend der reproduktive Bereich der gesellschaftlichen und individuellen Lebenssicherung aufgebürdet wird, die großen Benachteiligten sind, weil nämlich die Erwerbsarbeit unter kapitalistischen Bedingungen alles, auch die Menschen, zur Ware macht, und weil man eben gewohnt ist, Waren in Geldwert auszudrücken.

    Ob es in der Perspektive der Emanzipation der Frauen (und der Menschen überhaupt) keine andere Lösung des Problems gibt, als in der Tendenz, nach Gesundheits- und Bildungswesen, wo der Prozess voll im Gang ist, auch noch die Hausarbeit den Verwertungsbedingungen des Kapitals zu unterwerfen, um die Einkommens- bzw. Subsistenzmöglichkeiten der Geschlechter anzugleichen, darf tunlichst bezweifelt werden. Das ist wohl auch nicht gemeint. Aber der Armuts- und Rentenfalle geht man doch nicht dadurch sinnvoll aus dem Weg, dass man das Armuts- und Niedrigrenten-Risoko gleichmäßig auf die Geschlechter verteilt, sondern dadurch, dass die Einkommen aus abhängiger Erwerbsarbeit, egal ob von Frauen oder von Männern, durch Erziehungsgeld etc. so aufgestockt werden, dass ein adäquates Familieneinkommen dabei herauskommt, bei voller Anrechnung auf die Rentenansprüche.

    Die Appelle an die Männer kranken an zwei Schwachpunkten: Der eine: Der Bereich der Ökonomie zählt bei uns zu den privaten, nicht den öffentlichen Angelegenheiten, und bei allen gesetzlichen Vorgaben und Einschränkungen für die freien (!) Unternehmer erhebt sich das große liberale Geschrei über den bevormundenden Wohlfahrtsstaat. Die rauhe Wirklichkeit ist aber die, dass dort Männern immer noch die weitaus besseren Karriere- und Einkommensmöglichkeiten eröffnet werden als formell gleich qualifizierten Frauen. Für Manager und Familienväter, von denen ich mehrere im engeren Familienkreis habe, wäre es undenkbar, als Betriebs- oder Abteilungsleiter eine halbe Stelle zu bekommen. Die bekommt man, in meiner Bundesstadt zumindest, nicht einmal als Schulleiter, obwohl das der einzige Bereich ist, aus dem ich Väter in Erziehungsurlaub oder auf halber Stelle kenne.

    Zum zweiten: ja du meine Güte, patriarchale Verhältnisse sind auch Machtverhältnisse, und Menschen, die über ein Mehr an Macht verfügen, haben das noch niemals nicht aufgegeben, weil man freundlich an sie appelliert hätte, doch bitteschön ein wenig gerechter zu sein und die Macht netterweise zu teilen.

    Zwei positive Bemerkungen zum Text: Erstens, dass Kinderarmut Erwachsenenarmut ist, das hebe ich seit Jahren anlässlich der entsprechenden Jahresberichte in Leserbriefen und Diskussionen hervor. Andere Möglichkeiten, mir entsprechend Gehör zu verschaffen, stehen mit nicht zu Gebote.

    Zweitens, die Fokussierung darauf, dass die weiblichen Elternteile (!) auch in offiziellen Statistiken und amtlichen Dokumenten immer nur als solche, oder als Frauen, erscheinen, scheint mir nicht unwesentlich. Hier herrscht ganz offensichtlich eine Lücke im öffentlichen Informationssystem vor. Ob das dem Umstand geschuldet ist, dass im NS Mutterschaft und Mütter mystifiziert und als Reflex darauf tabuiert wurden? Dann wird es allerdings Zeit für Entkrampfung und realistische Rekonstruktion des Mütter-Themas, damit dieses nicht wieder bloß durch die Eva Hermanns besetzt wird.

    Auch wenn das inhaltlich in dem Artikel nicht so erscheint: die intellektuellen Meinungsmacher bei uns haben eine Neigung zu denken, es sei schon etwas erreicht, wenn das jeweilige Kind einen neuen Namen bekommen hat. Ob „Feminismus“ oder „Patriarchatskritik“, was soll’s wenn nur die Richtung stimmt? Und wenn mal wieder die Post abgeht, dann fahre ich sowieso nicht mit. „Postmoderne“, „Poststrukturalismus“, „Postnationalismus“, und nun „Postpatriarchat“: Nur, weil etwas „post“ kommt, ist es noch nicht besser als das „ante“, wesentlich sind doch die sachlichen Veränderungen.

    (War ein Versuch der gedanklichen Sortierung, kann mich auch irren und bin sowieso bloß ein männlicher Klugschwätzer)

    Grüße
    Heinrich

  2. Mir hat der Artikel im Unterschied zu Heinrich sehr gut gefallen, obwohl es vielleicht tatsächlich nur wieder eine schöne Utopie ist, dass eine größere Anzahl von Männern den Appellen der Verfasserin freiwillig Folge leisten wird. – Aber wer weiss, vielleicht haben ja auch Männer moralisches Entwicklungspotenzial.;-)

    Die Autorin leitet jedenfalls für meinen Geschmack sehr anschaulich her, dass wir ohne Perspektivenwechsel und aktiven Einsatz von seiten der Männer bei der Gleichstellung der Geschlechter nicht weiter vorankommen werden. Denn noch immer sieht die Mehrheit der Männer ihre „natürliche Bestimmung“ und Hauptaufgabe in der Erwerbstätigkeit, während die Frauen zusehen können wie sie Erwerbstätigkeit, Kindererziehung und Haushaltspflichten unter einen Hut bekommen. Es wäre schon höchste Zeit, dass Männer sich ebenso wie Frauen zu Kindererziehung und Hausarbeit bekennen würden und sich gleichermaßen dafür verantwortlich fühlten. (Ich finde, dass Männer ohnehin die besseren Mütter sind)
    Bei Managerstellen wird es natürlich schwierig mit der Teilzeit, aber dafür dürfte höchstwahrscheinlich genug Geld für Kinderbetreuung und Haushaltshilfen vorhanden sein.

  3. Liebe Anna,

    Deinen Einwänden gegen mein Brainstorming kann ich durchaus etwas abgewinnen. Zu dem Artikel hätte mich auch maats Urteil interessiert, und dazu hätte ich ggf. auch noch Ergänzendes beizutragen gehabt, obwohl ich mich, wie angedeutet, in der Sache keineswegs als kompetent ansehe, sondern bloß meine kritischen Überlegungen zu dem Blogbeitrag zur Diskussion stellen wollte.

    Liebe Grüße
    Heinrich

  4. Für mich als Mann hat ein „profeministischer“ Autor in einem kleinen Büchlein recht viele Argumente für die Gleichberechtigung auf den Punkt gebracht: „Die Söhne Egalias – warum Männer im Land der Gleichberechtigung ihr Glück fanden“ von Peter Redvoort. Verschenke ich seit einiger Zeit auch regelmäßig an Männer, bei denen ich sonst nicht weiß, was ich ihnen schenken soll …

    Rüdiger

  5. Betr. Gastbeitrag von Kirsten Armbruster aus Riedenburg

    Durch Kirstens Artikel bekam ich eine lange vermisste Bestätigung. Ich habe in meiner DA als Soziologin die prekäre Lage der Frau als Mutter im patriarchalischen Kontext thematisiert und bin zu der Erkenntnis gekommen, dass die „göttliche“ Unterstützung des Krieges – sei es bei Christen, Muslimen oder Andersgläubigen – als Legitimierung des Ego-Triebes entlarvt werden muss, damit das Leben weiterhin fließen kann.

    Ja Heinrich, ich kann Deine Meinung verstehen. Vor Jahren ist im Nahen Osten der christliche Gott Jesus von einer Frau geboren und von mehreren Frauen zum Grabe getragen worden. Schon damals gab es die Aufgabenteilung unter den Geschlechtern (ich schreibe es hier als ehemalige Katholikin, die bis zum Erbrechen die Dienlichkeit der Frau geübt hat). Aber es wäre vielleicht nicht so schlecht, wenn die christlich sozialisierten Männer und Frauen sich der Liebe verpflichtet gesehen hätten?

    Die Nazis wussten sich das Thema Mutter für ihre Ego-Triebe zu vernehmen (Ch. Mulack), daher ist es für uns heute in unserer Gesellschaft nicht so leicht frei darüber zu reden. Dennoch sollen wir es versuchen und vor allem Frauen nicht als Gebär-Maschinen begreifen, die im Sinne des Systems Geld eintreiben und Kinder „produzieren“ sollen. Selbstbewusste Männer und Frauen sind dem Leben unentbehrlich, daher ist die sachliche Veränderung, die vom Fühlen und Denken nicht zu trennen ist, auch unentbehrlich (C. Meier-Seethaler)!

  6. # 2, Anna
    „Es wäre schon höchste Zeit, dass Männer sich ebenso wie Frauen zu Kindererziehung und Hausarbeit bekennen würden und sich gleichermaßen dafür verantwortlich fühlten.“

    Eine kleine Episode:
    Soeben war von einem deutschen Gericht die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Erziehung festgestellt worden, mit der Konsequenz, dass auch Männer Anrecht auf Teilzeit haben.
    Ich ging zu meinem Schulleiter, um einen Antrag auf Teilzeitarbeit einzureichen. Meine Begründung: „Wir haben drei kleine Kinder, und die Erziehung erfordert auch mein Engagement.“
    Antwort des Schulleiters: „Als ich Schulleiter wurde, musste meine Frau aus dem Beruf ausscheiden.“
    Meine spontane Erwiderung: „Genau das will ich nicht.“
    Es bedarf wohl keiner Erläuterung, dass ich von da an der Lieblingsfeind des Rektors war, der mich nun schikanierte, wo er nur konnte.
    Diese Episode trug sich 1978 zu.

    Meine Frau unterrichtete zu dieser Zeit an einer von Abendschülern gegründeten privaten Schule, „Schule für Erwachsenenbildung“, kurz: SfE, in Berlin. Sie leitete in der Regel die „Frauenklassen“, aus denen ein Mann hochkant zur Türe hinausgeflogen wäre, wenn er gewagt hätte, sie zu betreten.
    Das war der Geist der Zeit.
    Mittlerweile sind 32 Jahre vergangen, und der „Geschlechterkampf“ ruft nur noch ein müdes Lächeln hervor.

    Liebe Anna! Kennen Sie wirklich keine Männer, die sich nicht nur „zu Kindererziehung und Hausarbeit bekennen“, sondern dies auch tun? Dann tun Sie mir wirklich Leid und sollten vielleicht über das Milieu nachdenken, in dem sie leben. Ich kenne welche, und zwar nicht wenige.
    Irgendwann sollte man doch vielleicht einmal weiter kommen, die richtigen Fronten sehen und die richtigen Fragen stellen. Und da ist sogar eine Angela Merkel weiter, wenn sie endlich erkennt, dass es eine Schande ist, dass in Chefetagen der deutschen Industrie nicht mehr als 3 – 4 % Frauen vorzufinden sind. Das ist aber nur in Deutschland so. Selbst im katholisch geprägten Frankreich ist das ganz anders. Bei allen meinen französischen Verwandten und Bekannten ist Berufstätigkeit der Frau eine Selbstverständlichkeit. Da ist aber auch die Versorgung der Kinder in Kindertagesstätten zu 100 % gewährleistet und der Besuch ab 3 Jahren Pflicht. In Deutschland sind Mütter, die so etwas zulassen, für viele „Rabenmütter“ – was in Frankreich nur Kopfschütteln hervorruft.
    Und von wem wird solcher ideologischer Schwachsinn verbreitet? Ich habe das, außer von katholischen Bischöfen, vorwiegend von Frauen gehört.

  7. Ich muss Anna zustimmen. Die Kinderziehung und den Haushalt schmeißen (von Ausnahmen abgesehen) meine Freundinnen und weiblichen Bekannten nahezu allein, während ihre Männer Kariere machen und/oder in ihrer Freizeit zur Kindererziehung irgendwie zu erschöpft sind. Interessanter Weise sind aber jene Männer meist der Ansicht, sie seien unglaublich aktiv im Haushalt und bei der Brutpflege, was nach meinen Beobachtungen aber nicht der Fall ist.

    Ich möchte aber zu bedenken geben, dass man dieses Wort „Patriarchatskritik“ nicht gut aussprechen kann, ohne sich zu verhaspeln. Mit Wörtern, die man nicht aussprechen kann, lässt sich kein kampf führen.

  8. So lange man von der klassischen Konstellation einer Kleinfamilie ausgeht, wird es wohl immer Konflikte geben, wenn beide Elternteile voll im Beruf stehen wollen/müssen (das muss ja nicht immer in „Führungspositionen“ sein). Ich fand für mich und mein Kind die beste Lösung in einer großen Wohngemeinschaft, in der sich mehrere Eltern die Aufgaben teilten und auch Abendtermine ohne großen organisatorischen Aufwand wahr genommen werden konnten. Für die Kinder hatte das den Vorteil, nicht als Einzelkinder aufzuwachsen.

    Konflikte gab es genug, die meisten bezogen sich auf die Hausarbeit, aber sie waren nicht geschlechtsspezifisch und auch nicht Paar belastend. Die Freiräume waren für alle größer. Sicher, solche Gruppen halten nicht ewig und für „Nestbauer“ taugen sie auch nicht.

  9. @ Werner Engelmann

    Dann geben Sie mir doch bitte einen Tipp, wo genau dieses „Millieu“ anzutreffen ist, in dem Männer sich zumindest annähernd gleich im Haushalt und bei der Kindererziehung engagieren wie Frauen.
    Selbstverständlich hat sich schon eine ganze Menge getan, besonders was das Engagement bei der Kindererziehung anbelangt, aber von Parität sind wir trotz allem noch weit entfernt. Und darum geht es doch hier.

    Parallel dazu muss natürlich auch weiterhin daran gearbeitet werden, dass die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder besser werden und der Ganztagsschulbereich ausgebaut wird, so dass wir vielleicht auch einmal ähnlich paradiesische Zustände wie in Frankreich haben werden. Das steht für mich tatsächlich außer Frage. – Und für eine verbindliche Frauenquote bin ich nebenbei bemerkt auch.
    Das mit dem „Rabenmutter“-Komplex scheint sich übrigens inzwischen weitgehend erledigt zu haben. Davon ist bei den jungen Frauen von heute jedenfalls nichts mehr zu hören. Aber solche Klischees halten sich merkwürdigerweise im Ausland oft sehr hartnäckig. So werden im angelsächsischen Raum auch immernoch Witze darüber gerissen, dass sich deutsche Frauen und Mädchen Beine und Achselhöhlen nicht rasieren würden.

  10. Ich finde es bedauerlich, dass in vielen Beiträgen dieser Diskussion unausgesprochen der Prämisse gefolgt wird, Familienarbeit sei eine Last, ein Elend gar, das es nur gelte, gleichmäßig zu verteilen. Dem würde ich zunächst entgegenhalten, dass viele Formen der Erwerbsarbeit eine nicht mindere Last sind als Hausarbeit und dass Erziehungsarbeit nicht minder eine positive Herausforderung darstellen kann als eine interessante berufliche Aufgabe. Das Problem wäre demnach nicht die Familienarbeit an sich, sondern ihre Bewertung – nicht ideell in Sonntagsreden, sondern auch auf der wirtschaftlichen Ebene. Zukunftsweisender wäre es demnach, auf eine umfassende Neubewertung der Familienarbeit hinzuarbeiten, ohne dabei in die Falle zu tappen, „die Hausarbeit den Verwertungsbedingungen des Kapitals zu unterwerfen“ (Heinrich in Beitrag #1). Nach meinem Verständnis sollte es doch das Ziel einer sich als progressiv verstehenden Linken sein, gesellschaftliche Missstände nicht lediglich auf der Ebene ihrer Symptome zu lindern, sondern sie zu überwinden?

    Liebe Anna, ich finde es etwas befremdlich, von „paradiesischen Zustände wie in Frankreich“ zu sprechen, ohne dabei zu bedenken, dass auch die dort praktizierten Formen der außerfamiliären Kinderbetreuung ihre fragwürdigen Aspekte haben. Etwa dort, wo die Unterordnung der Eltern unter die Verwertungsbedingungen des Kapitals so weit geht, dass Kinder mit Fieber und Durchfall in die Betreuung geschickt werden müssen, damit die Eltern am Arbeitsplatz erscheinen können. Was weder für die kranken Kinder, noch für die anderen Kinder in der Gruppe und deren Familien sonderlich beglückend ist.

  11. @ Dreas

    Lieber Dreas, so gut kenne ich mich in Frankreich nicht aus, dass ich wissen könnte, wie dort mit kranken Kindern „umgegangen“ wird. Paradiesisch erscheinen mir die Bedingungen nur im Vergleich zu denen hier, wo die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder weitverbreitet immernoch mehr als unzureichend sind. Die Vorstellung kranke Kinder in einer Institution abgeben zu müssen, finde ich natürlich auch das Hinterletzte. Dazu wäre es dann eben praktisch, wenn beide Elternteile kürzere und flexiblere Arbeitszeiten hätten, um solche „Notfallsituationen“ abwechselnd schultern zu können. Und entsprechende Forderungen an die Arbeitgeber wären m. E. leichter durchzusetzen, wenn diese nicht nur von den Frauen sondern auch von Männern kämen.
    Ansonsten ist Ihr Einwand „gesellschaftliche Missstände nicht lediglich auf der Ebene ihrer Symptome zu lindern, sondern sie zu überwinden“ natürlich mehr als berechtigt. Aber das halte ich unter „kapitalistischen Bedingungen“ fast schon für unerreichbar. Sodass ich mich vorerst lieber mit dem Spatz in der Hand begnügen würde, als nach der Taube auf dem Dach zu schielen. Sie sehen ich gehöre (noch) nicht zu den „sich als progressiv verstehenden Linken“, aber was noch nicht ist, kann ja vielleicht noch werden 😉

  12. Meine Tochter will (mindst. zurzeit) keine Kinder haben, so erübrigt sich die Rabenmutter–Bezeichnung für ihr Vorhaben.

  13. @Anna

    Zugegeben, ich kenne die Bedingungen in Frankreich nicht aus eigenem Erleben, aber zumindest aus Erzählungen und aus Zeitschriftenartikeln („Eltern-Fachliteratur“). Und ich sehe den geschilderten Konflikt durchaus auch schon in den Betreuungseinrichtungen der Stadt, in der ich jetzt lebe (Ostdeutschland, daher ein sehr breites Angebot an Betreuungsplätzen). In manchen Krippen werden die Infekte quasi herumgereicht, weil es sich die Eltern anscheinend nicht erlauben können, ihre angeschlagenen Kinder zu Hause zu behalten (Ostdeutschland, daher ein eher schmales Angebot an Arbeitsplätzen). Solche Konflikte sind real und verschwinden nicht dadurch, dass man die Problemlast gleichmäßig auf beide Eltern verteilt. Schlimmstenfalls wird diese dadurch für den Rest der Gesellschaft noch weniger sichtbar. Das gilt um so mehr für die „Oma-Lösung“, bei der die Problemlast auf diejenigen verlagert wird, die an der kapitalistischen Mehrwertproduktion nicht mehr beteiligt sind.

    Der Einwand, die Überwindung gesellschaftlicher Missstände sei „unter ‚kapitalistischen Bedingungen‘ fast schon unerreichbar“, so dass man sich doch „vorerst lieber mit dem Spatz in der Hand begnügen würde, als nach der Taube auf dem Dach zu schielen“ liest sich ja ganz charmant und locker-flockig. Wenn es aber das Ziel sein soll, die Bedingungen für Familien dahingehend zu verbessern, dass die mit der Übernahme von Familienarbeit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile abgebaut werden, ist eine Gleichverteilung der bestehenden Nachteile eben nicht der „Spatz in der Hand“, sondern zunächst ein innerfamiliäres Nullsummenspiel. Der „Taube auf dem Dach“ kommt man dadurch nicht näher. Natürlich muss man erkennen, dass Familien und Partnerschaften auseinanderbrechen können und dadurch aus einer innerfamliären Lastenverteilung ein individuelles Armutsproblem werden kann. Aber auch vor diesem Hintergrund muss die Frage gestattet bleiben, ob es „fortschrittlich“ genannt werden kann, das gesellschaftliche Problem der unterbewerteten Familienarbeit zur Lösung auf die Familien- und Beziehungsebene zu überweisen. Als Alternative auf die baldige Überwindung der „kapitalistischen Bedingungen“ zu hoffen, ist mir allerdings doch ein wenig zu unsicher… 😉

  14. Ich hoffe auch auf das „moralische Entwicklungspotenzial“ der Männer und bestreite meine Wege. Ich kann meine Tochter mit dem „Für mich selbst stehen und auf Kinder verzichten“ sehr gut verstehen. Das „Oma-Model“ wird in den verödeten Kleinfamilien bestimmt nicht mehr weiter so funktionieren wie bis jetzt – schließlich sind wir mittlerweile alle, sowohl Männer wie Fauen, selbstbewusste Individuen! Also: neue Wege müssen gefunden werden.

  15. Ich verstehe nicht so recht, wieso der Kapitalismus daran schuld sein soll, dass zu viele Männer sich zu wenig in den Haushalt und die Kindererziehung einbringen.

  16. @ maat

    Darüber habe ich auch ein Weilchen nachgedacht – und kam dann schlußendlich darauf, dass das wohl nur ein Ablenkungsmanöver ist 😉

  17. @ dreas

    Ok, Sie haben plausibel dargelegt, dass die wirtschaftlichen Nachteile für Familen am effektivsten abzubauen wären, in dem Familienarbeit als gesellschaftliche Leistung entlohnt werden würde.
    Ob das dann allerdings dazu führen würde, dass mehr Männer die Familenarbeit übernähmen, steht aber auf einem ganz anderen Blatt und wäre wahrscheinlich sehr stark davon abhängig wie hoch die Entlohnung ausfiele.

  18. @Anna

    Ja-e-in… „Entlohnung“ nach dem Modell der Erwerbsarbeit wäre wohl eine mögliche Form einer neuen Bewertung, hätte aber auch ihre Probleme (wer zahlt, wie wird die Arbeitsleistung bemessen). Meine Phantasie reicht leider momentan nicht aus, weitere Ideen auszubrüten.

    Allerdings beobachte ich schon in meinem persönlichen Umfeld, dass zunehmend mehr Paare z.B. die Elterzeit hälftig aufteilen, und auch, dass danach Männer auf Teilzeitbeschäftigung wechseln, um die Familienarbeit zu übernehmen. Und zwar typischerweise dort, wo die Frauen gleich gut oder mehr bei Vollzeittätigkeit verdienen. Soll heißen: Die Bewusstseinsänderung vollzieht sich, wo a) die prinzipielle Bereitschaft schon angelegt ist (hier in einem grün angefärbten akademisch geprägten Milieu) und b) die wirtschaftliche Situation es zulässt oder gar anbietet. Alles andere wäre doch auch unlogisch. Es besteht Einigkeit darüber, dass Kinder etwas kosten. Warum sollten Eltern in so einer Situation zusätzliche Einkommensverluste in Kauf nehmen und ihren finanziellen Nachteil maximieren statt minimieren? Wer eine Familie gründet, merkt meist ziemlich schnell, dass nicht das einzelne Einkommen, sondern die Summe der Einkünfte die Lebensqualität bestimmt.

  19. # 9, Anna

    Aufgeschlossenes Milieu :
    Da wird man wohl kaum allgemeine Ratschläge geben können. Man sucht sich das ja nur sehr beschränkt aus und es gehört wohl auch Glück dazu. Entscheidend ist aber wohl, was man selbst zu dessen Veränderung beiträgt, denn sowohl weltanschauliche wie praktisch-politische Veränderungen sind ein kollektiver Prozess.
    In meinem Fall war es sicher die vielgescholtene Studentenbewegung (in Berlin), die uns geprägt hat. Zwar sagt man der ersten Generation ein ziemliches Machoverhalten nach, in unserem Umfeld war das aber ganz und gar nicht der Fall.
    Praktisch-politische Voraussetzungen, Infrastruktur:
    Was mich an theoretisch-verallgemeinerndem feministischem Gerede (mit Hintergrund „Geschlechterkampf“) aufregt, ist, dass es vielleicht geeignet ist, seinen Frust abzulassen, aber so gut wie nichts bewegt und letztlich kontraproduktiv ist. Typisch daran ist auch die Verengung auf Fragen der Hausarbeit und Kindererziehung, wo es doch um viel mehr geht: Selbstverwirklichung und Realisierung von Lebensentwürfen (und dazu gehört eben auch eine berufliche Perspektive) in möglichst hohem Maß zu ermöglichen, unabhängig vom Geschlecht. Dabei bedingen sich praktische und ideologische Entwicklung gegenseitig.
    Wenn die Diskussion in Deutschland auch ideologisch weit hinter der in so gut wie allen europäischen Ländern hinterherhinkt, so ist dies wohl in erster Linie auf eine mehr als sträfliche Vernachlässigung der gesamten Infrastruktur des Bildungswesens (Kitas, Gesamtschulwesen, Ganztagsschulen mit Verpflegung u.a.) unter fast 20 Jahren Kohl zurückzuführen, die dann ideologisch untermauert wird. Und so ist es auch kein Zufall, dass die Front gegen gesellschaftliche Veränderungen mit pseudopädagogischer Begründung (Gluckenverhalten: „Das Kind braucht die Mutter“ – als wenn es keine anderen Bezugspersonen gäbe) von einer katholischen Amtskirche ausgeht, die in ihren obersten Etagen seit Jahrhunderten eine Männerquote von 100 % eingeführt hat.
    Konkret heißt das aber, dass es nicht auf ideologische Diskussionen ankommt, sondern darauf, für seine Rechte auch konkret zu kämpfen. So war z.B. in unserem Fall auch eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Bezirksamt betr. Kita-Platz notwendig.
    Beispiel Frankreich:
    Ich sehe das alles andere als ein „Paradies“ an. Es kann aber als Beispiel dafür dienen, dass man mit weniger theoretisierendem Gerede und mehr praktischer Organisation erheblich mehr erreicht. So sind bei meinem Familien- und Bekanntenkreis politisch höchst unterschiedliche Positionen anzutreffen, was die Frage der Gleichstellung von Mann und Frau angeht, gibt es aber so gut wie keinen Dissens.
    (Das Beispiel von dreas betr. Infektionen in Kitas halte ich in diesem Zusammenhang für ziemlich daneben. Da müsste man dann ja auch die Schulpflicht abschaffen, um die Kinder vor Infektionen zu „schützen“. Das hat auch mit Gleichstellung von Mann und Frau nichts zu tun und ist eine rein organisatorische Frage. Ich habe weder von meinen französischen Bekannten etwas von grundsätzlichen Problemen gehört noch diese selber erlebt.)
    „Frauenquote“:
    Da bin ich selbstverständlich ganz bei Ihnen. Und wenn Sie heute Abend die Diskussion bei Maybritt Illner gesehen haben, waren Sie hoffentlich über die Reaktionen des Publikums genauso erschrocken wie ich. (Ich würde nicht so über die „Rabenmutter“-Diskussion hinweggehen, denn im Grunde steckt hinter dieser Ablehnungsfront und dem Eva-Herman-Syndrom die gleiche Haltung.
    Natürlich wird sich ohne Frauenquote nichts Entscheidendes ändern. Denn schließlich geht es um Machtpositionen und handfeste Interessen. Ich verstehe aber nicht, warum sich „Quotenfrauen“ den Schuh mit dem schlechten Gewissen und den Rechtfertigungszwängen überhaupt anziehen und nicht ihrerseits die Industriebosse nach den Begründungen für eine 97 %-Männerquote und nach ihren Ängsten vor Frauen fragen. – Da kämen dann wohl die wahren Fronten zum Vorschein.
    Übrigens: Ich habe viele Jahre unter den Bedingungen einer deutlichen Mehrheit von Kolleginnen und auch einer Rektorin gearbeitet und dabei die besten Erfahrungen gemacht.

  20. @Werner Engelmann

    Ich stimme mit Ihren Positionen überein, ganz besonders was die Bedeutung praktischen Handelns angeht und das Ziel, Männern wie Frauen gleichermaßen die Möglichkeiten zur Realisierung von Lebensentwürfen zu schaffen. Dazu zählt auch, dass eine erziehungsbedingte Auszeit vom Beruf nicht das Ende der Karrierechancen bedeutet (schon mehrfach in dieser Diskussion angesprochen). Vor diesem Hintergrund halte ich mein Kita-Beispiel dennoch nicht für „daneben“. Darin ging es ja nicht um die Frage einer staatlich verordneten Kita-Pflicht oder nicht, sondern um das Problem, dass ein (realer oder gefühlter) ökonomischer Druck auf Eltern diese zu unverantwortlichem Handeln bewegt (wer als Arbeitnehmer mit einer vermutlich ansteckenden Krankheit am Arbeitsplatz erscheint, richtet ja oft auch mehr Schaden an als er durch sein bisschen Arbeit Nutzen erwirtschaftet). Darum sehe ich es auch nicht als echte Lösung, wenn gleichsam ein gesellschaftliches Zwangskorsett („Vater arbeitet, Mutter bleibt zu Hause“) durch ein anderes („Vater und Mutter müssen gleich viel oder wenig arbeiten“) ersetzt wird. Man darf in dieser Frage nicht nur die Gefilde der höheren Einkommen im Blick haben, wo auch die Summe zweier 2/3- oder gar halber Stellen ein auskömmliches Einkommen ergibt, sondern auch schlechter bezahlte Berufe, in denen das Einkommen aus einer halben Stelle in keinem akzeptablen Verhältnis zu den dann real und zusätzlich anfallenden Kosten der Familienarbeit stehen. Wie schon angedeutet – mehr Gleichheit in den beruflichen Möglichkeiten und bei den Einkommensverhältnissen wird eher zu Gleichheit im Bereich der Familienarbeit führen, als dass „moralisch“ begründete Individualentscheidungen im Familienbereich eine verbesserte Gleichstellung im Wirtschaftsleben bewirken würden. Gut marxistisch: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Oder auch frei nach Bill Clinton: It’s the economy, stupid. Oder ganz salopp gesagt: Mehr Frauen in Führungspositionen heißt auch mehr Männer auf den Spielplätzen.

  21. @ dreas, Werner Engelmann

    Ich finde Ihre Ausführungen enthalten einige sehr beachtenswerte Aussagen darüber, welche Voraussetzungen und Faktoren erfüllt sein müssen, damit der Entschluß, Kinder in die Welt zu setzen, nicht zu einer „Falle“ wird. Dazu ist wohl vor allem den Frauen anzuraten, sich im „richtigen“ Milieu nach einem entsprechend „aufgeschlossenen“ Partner umzusehen, und sich auf keinen Fall mit einem allzu karriereversessenen Mann auf das Abenteuer Familie einzulassen. Nein, Spaß beiseite, ich finde Ihre Ausführungen wirklich sehr interessant und bedenkenswert. Vor allem habe ich eingesehen, dass die “ gleichmäßige Verteilung der Lasten“ auf beide Elternteile zwar in Einzelfällen und unter bestimmten Voraussetzungen durchaus funktionieren kann, aber alles andere als eine Patentlösung ist.
    Danke also für die sehr anregende Diskussion.
    Liebe Grüße
    Anna

  22. Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass man Familie und Kinder nicht nur unter materiellen Aspekten betrachten kann. Als Vater von drei erwachsenen Töchtern habe ich immer noch das Gefühl, mehr bekommen zu haben als das, worauf ich verzichten musste. Ich muss aber Anna und maat Recht geben: Es entspricht wohl der Realität, dass selbst in (relativ) gleichberechtigten Partnerschaften die Hauptlast des Haushalts und der Erziehung die Frauen tragen, selbst wenn in meinem Bekanntenkreis die „engagierten“ Väter überwiegen. Allerdings sind dies auch überwiegend Männer, die durch die bewusste Entscheidung für „mehr“ Familie „weniger“ an beruflicher Karriere hingenommen haben. Sicherlich hätten sich diese Männer (mich eingeschlossen) zugunsten der Frauen noch mehr beruflich beschränken können (obwohl es zu der Zeit, als meine Kinder geboren wurden, noch keinen Elternurlaub für Männer und kein Elterngeld gab, geschweige den – mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes – ein Anspruch auf Teilzeitstelle, und, wie dres richtig schreibt, von zwei Halbtagsstellen die Familie kaum hätte leben können).

    Durch den freiwilligen Ausstieg der Männer aus dem Patriarchat (für den ich auch Beispiele kenne) ließe sich wohl eine gleiche Belastung der Geschlechter erreichen, die (nun gleich verteilte oder auf den Mann verlagerte) Benachteiligung bliebe aber bestehen. Deshalb kann man nicht auf die Forderung verzichten, unsere Gesellschaft und die Erwerbswelt familien- und kindergerechter zu gestalten. Dabei müssen wir wohl nicht bis zur Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise warten, obwohl auch meiner Meinung nach viele Probleme der Familien durch die „Verwertungsbedingungen des Kapitals“ (Heinrich) bedingt sind. An einer Arbeits- und Bildungsorganisation, die das Potential der Eltern nicht verschleudert, sind letztlich auch die Arbeitgeber interessiert. Bessere Kinderbetreuung, zu der Krippen, Kindergärten und Ganztagsschulen gehören, ist möglich. Sie ist aber mit einem armen Staat nicht zu machen. (Der Begriff des „schlanken“ Staats ist eine bewusste Irreführung, denn auch ein finanziell ausreichend ausgestatteter Staat muss kein „dicker“ Staat sein.) Wir brauchen daher keinen Geschlechterkampf (was kein Statement gegen Frauenquote sein soll), sondern einen politischen Kampf für eine umfassende Gesellschaftsreform.

    Schönes (Familien-)Wochenende!

  23. Lieber Abraham, Sie haben natürlich Recht, dass Kinder mehr, sehr viel mehr sind als nur Kostenstellen im Wirtschaftsunternehmen „Familie GmbH & Co. KG“. Danke für die nette Erinnerung.

    🙂

    In diesem Sinne gleichfalls ein schönes Wochenende und ebenfalls Danke an die weiteren DiskutantInnen für die lesens- und bedenkenswerten Beiträge.

  24. „einen politischen Kampf für eine umfassende Gesellschaftsreform“ finde ich auch wichtig. Ich habe einen Wechsel der Gesellschaftssysteme erlebt und bin dadurch nicht glücklicher geworden. Als einem schluderigen Kind im sozialistischen Polen mit schimmernden Glasscherben in der Tasche ging es mir besser als einer individualisierten Frau mit Harz IV in der Tasche im kapitalistischen Deutschland. Ein Systemwechsel allein ist keine Lösung. Wenn die Bedürfnisse der Kinder ausgeblendet werden, bringt kein Systemwechsel positive Veränderungen. Wenn einem ausgelaugten System gehuldigt wird, werden Kinder zu Lumpenträgern avancieren. Ob der Pfarrer in der Kirche oder eine Fräundin eines Mutis den Schlüssel zu den Himmelspforten in der Hand hält, ist für mich kein wesentlicher Unterschied. Gesellschafts-Systeme verändern sich im menschlichen Tempo. Ich schlage vor, wir beginnen jeder und jede für sich, da wo wir grade stehen oder liegen. Womöglich sind wir schon dabei.

  25. Nun ja, meines Erachtens sind die Männer aus dem sogenannten aufgeschlossenen Milieu auch nicht stärker bereit als andere Männer ihren Teil zur Familienarbeit beizutragen, sie diskutieren nur lieber darüber. Aus Frauenperspektive überschätzen Männer ihren Arbeitsanteil im Familienbereich gravierend. In Familien, in denen beide berufstätig sind, bleibt im Normalfall leider immer noch fast die gesamte Hausarbeit und Kinderpflege an der Frau hängen.

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