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Mischt Euch ein!

Von Bascha Mika


Warum halten sich Frauen noch immer auffallend oft mit ihrer Meinung zurück, statt in die Öffentlichkeit zu gehen? Das fragte sich Bronski, Ihr Mann in der FR-Redaktion, auf der Leserbriefseite. Er spekulierte, ob Frauen weniger als Männer in den Vordergrund drängen und mehr Sorge haben, als Selbstdarstellerin daherzukommen.

Mit beiden Vermutungen liegt Bronski gar nicht so falsch. Es gibt viele Gründe, warum Frauen öffentlich weniger auftauchen, ihre eigene Zurückhaltung spielt dabei aber durchaus eine Rolle. Ich kenne viele Frauen, die sich in gemischten Gruppen nicht äußern, weil sie keine Lust haben, die typisch männlichen Hähnchen-Spiele mitzumachen: das Krähen und Gockeln, das Mit-den-Flügeln-schlagen, das Konkurrenzgehabe. Es ist ihnen einfach zu blöd.

Zudem neigen Frauen dazu, das zeigen viele Untersuchungen, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Da frage ich eine sehr kompetente Expertin, ob sie nicht einen Beitrag über ihr Arbeitsgebiet schreiben möchte. Sehr selten sagt sie begeistert und sofort zu. Sie überlegt, wägt ab, fragt, ob sie wirklich die richtige sei usw. Frage ich dagegen einen männlichen Experten und sei der nur halb so kompetent, ist er meist schnell und freudig dabei. Von wenigen Zweifeln angekränkelt.

Liegt das in den weiblichen und männlichen Genen? Keineswegs. Es liegt noch immer an unterschiedlicher Erziehung und Sozialisation. Aber der sind wir ja nicht hilflos ausgeliefert, vieles lässt sich bewusst machen, manches Verhalten lernen. Dass Frauen öffentlich sichtbar sein müssen war stets das Credo der Emanzipationsbewegungen.

Das muss nun nicht gerade durch Krähen und Gockeln passieren, davon haben wir eh schon genug. Aber öffentlich seine Meinung zu sagen, seine Stimme zu erheben und sich Gehör zu verschaffen – wie schön wäre es, wenn das Frauen und Männer gleichermaßen tun würden.

Zum Beispiel, indem Sie uns Leserbriefe schreiben! Sich einmischen. Uns Ihre weibliche Sicht auf die Welt und wie wir sie in der Zeitung abbilden vor Augen halten. Wir freuen uns drauf!

Herzlich

Ihre Bascha Mika

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80 Kommentare zu “Mischt euch ein!

  1. Ich wollte mich zu diesem Thema im FR-blog eigentlich nicht äußern – jetzt tue ich es doch.

    Die Trump-Schelte, insbesondere hinsichtlich seines angeblich besonders (!) ausgeprägten Sexismus kann ich nicht mehr lesen.

    Glaubt jemand von den Lesern und Leserinnen wirklich, z. B. Gerhard Schröder oder Joschka Fischer hätten sich total privat nicht ähnlich despektierlich gegenüber Frauen geäußert?

    Und zu seiner ehemaligen Konkurrentin Hillary Clinton empfehle ich in diesem Zusammenhang u. a. folgende Seite:
    http://diestoerenfriedas.de/die-clintons-eine-lange-geschichte-sexueller-gewalt/

    Daraus zu schließen, ich hielte Trump für persönlich sympathisch, wäre allerdings der falsche Schluss.

    (…)

    (…) Dieser Teil des Kommentars wurde hierhin verschoben, wo er besser passt. Gruß, Bronski

  2. Um mal was zum Thema Nichteinmischung von Frauen zu sagen: ich habe ab und zu – entweder aus Begeisterung oder aus gerechtem Zorn Leserbriefe geschrieben. Dann aber immer mit dem schalen Gefühl dabei: das nűtzt doch gar nix! Du műsstest aktiv werden! Irgendwo – irgendwie. Nicht nur ab und zu suf eine Demonstration gehen oder Leserbriefe schreiben. Dann habe ich direkt an Politiker geschrieben. Oft keine Antwort – ab und zu wie aus dem Wahlprogramm abgeschrieben. Auch mit dem Gefühl: das landet sowieso sofort im Spamordner oder unter gelőscht. Also immer im Kampf mit der Resignation. Jetzt gerade finde ich wieder: ich muss mich einmischen! Irgendwie! Und zur anderen Frage: warum schreiben eigentlich so viele Männer?? Haben die denn derartig viel Zeit? Sitzen die täglich und die halbe Nacht am PC? Macht das derart viel Spaß? Und wer kűmmert sich um die Kinder und den Műll? Kann mir die Frage mal einer der Herren beantworten?

  3. Ich bin in unregelmäßigen Abständen als Leserin im Blog unterwegs – mit sehr zwiespältigen Gefühlen: Zum einen bin ich sehr angetan von der Möglichkeit, über das Tagesgeschehen diskutieren zu können, zum Anderen stößt mich die Art, wie das passiert, zum größten Teil ab.
    Immer wieder stoße ich auf ellenlange, schulmeisternde Beiträge von Männern (nichts für ungut, Herr Engelmann und noch einige andere Herren), die oft mit genauso schulmeisternden Beiträgen von einer Frau (nichts für ungut, Frau Ernst) beantwortet werden.
    Ich dachte immer, ein Blog ist ein Diskussionsforum. Wenn aber einzelne Diskutierende Monologe führen, beginne ich quer zu lesen, in der Hoffnung, dass irgendwann was Relevantes kommt. Lust auf eine Antwort oder einen eigenen Beitrag habe ich dann schon gar nicht mehr.
    Vielleicht ist ja die Art, seine eigene Meinung wohlformuliert auf sehr viel Platz auszubreiten, typisch männlich…? Ich jedenfalls liebe kurze, knackige Antworten, die sich klar erkennbar auf einen anderen Beitrag beziehen und andere Menschen zum Antworten einladen.

  4. An Anne Rumpf: Man kann bestimmt nicht immer kurz und knackig antworten. Aber Sie haben mit Ihrer Kritik nicht ganz unrecht. Der Hang zu längeren Erklärungen und Analysen ist uns Männern nicht fremd. Es sollte Ihnen jedenfalls nicht die Lust auf Anwort und eigenen Beitrag nehmen. Wir Männer(sage das einfach mal so)machen schon mal gerne kräftige Flügelschläge. Aber das sollte Frauen nicht hindern, sich öffentlich stärker zu zeigen (sagt auch Bascha Mika). In anderen Lebensbereichen sind Männer auch nicht gerade besonders heldenhaft.
    An Gründel: zu Ihrer Frage antworte ich gerne recht kurz und knapp: Ich habe schon immer gerne geschrieben. Das hat meinem Kopf gut getan: Denken, Verarbeiten, neue Ansätze finden …
    Ja, es macht auch Spaß, aber nicht immer, wenn’s haarig wird. Ich kümmere mich fast immer um den Müll. Traditionell.

  5. „… Krähen und Gockeln …-, davon haben wir eh schon genug. Aber öffentlich seine Meinung zu sagen, seine Stimme zu erheben und sich Gehör zu verschaffen – wie schön wäre es, wenn das Frauen und Männer gleichermaßen tun würden.“ Machen das nicht Frauen schon längst? Als Kind habe ich mich vor Männern gefürchtet. Aber da habe ich nur einen kleinen Ausschnitt aus der männlichen Welt erlebt. Sie waren laut, oft betrunken und grob. Meine kindlichen Zuneigungen waren aber herzlich offen für alle Geschlechter. Und heute weiß ich, dass es viele Schattierungen gibt in der Welt der Erwachsenen, na klar, auch die flügelschlagenden Gockel, die Machos, aber auch die sensiblen, die einfühlsamen und auch Menschen, die sich nicht in diesem Mann/Frau Schema wiederfinden. Die Übergänge sind wohl fließend. Es gibt die Zaghaften, die Forschen, die Mutigen, aber das ist nicht abhängig davon, ob man Mann oder Frau ist, sondern vielleicht davon, wie viel Liebe und Anerkennung ein Mensch in seiner Kindheit erfahren hat. Es gibt aber auch Beispiele, wie sich Kinder aus schlimmen Verhältnissen heraus gelöst haben.
    Mut, unsere Meinung zu sagen, sollten wir alle haben. Noch ist das in unserer Gesellschaft ja nicht so schwer .

  6. @ Katja Wolf

    Der Bericht über Bill Clinton, aber auch über Hillary erschreckt und empört mich zutiefst. Schlimm ist aber auch, dass offenbar so wenige der mir bisher unbekannten mutmaßlichen Opfer Bill Clintons den Mut zur Anzeige aufgebracht haben. Spätestens zur Zeit der Affäre um Monica Lewinsky wäre dies doch geboten und auch möglich gewesen, ohne dass die betroffenen Frauen Schaden genommen hätten. Auch nach Clintons Präsidentschaft hätten sich die betroffenen Frauen noch zusammenschließen und ihre Aussagen machen können. Allein die große Anzahl einander ähnelnder Vorwürfe hätte die Glaubwürdigkeit der Opfer erhärtet. Warum ist das alles erst zu dem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit gedrungen, als Hillary Präsidentschaftskandidatin war?
    Wenn ich daran denke, welchen Riesenaufstand hierzulande die nun wirklich harmlos-dümmliche Bemerkung eines Rainer Brüderle über einen Dirndlausschnitt verursacht hat, ist es mir rätselhaft, warum amerikanische Frauen sich nach Übergriffen seitens bekannter Politiker derart wegducken. Was tun die angeblich so mächtigen Frauenverbände in den USA eigentlich in solchen Fällen?

  7. @ Anne Rumpf

    Tut mir leid, wenn ich Sie mit meinen Schulmeistereien nerve. Einmal Lehrerin, immer Lehrerin.
    Was die Zeit, die für solche Aktivitäten zur Verfügung steht, anbetrifft: Ich beteilige mich hier erst, seit ich im Ruhestand bin. Vorher wäre mir das gar nicht möglich gewesen. Für den Müll habe ich dann auch noch Zeit.

  8. @ Katja Wolf

    Sind Sie sicher, dass der von Ihnen verlinkte Bericht nicht ein Teil der gezielten, auf unbegründeten Verdächtigungen und auch auf nachweislichen Lügen aufgebauten Desinformationskampagne gegen Hillary Clinton ist? Die der linken Sympathien unverdächtigte „Welt“ ordnet die Gerüchte in den Bereich der Verschwörungstheorien ein: https://www.welt.de/politik/ausland/article157665347/Assange-Interview-befeuert-Clinton-Verschwoerungstheorien.html.

  9. @ J. Malyssek: Sie haben Recht, kurz und knackig geht nicht immer, es droht immer die Gefahr der Vereinfachung, das will ich auch nicht.
    @ B. Ernst: Vielen Dank für Ihre Reaktion! Ich mag Lehrerinnen, ich bin selber eine 😉

    Noch ein Diskussionsanstoß: Mein Alltagsgeschäft, die Arbeit mit Kindern, empfinde ich als hochpolitisch. Es geht mir um die Anbahnung gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe, um die Stärkung von Kindern, die häufig unter widrigen Bedingungen aufwachsen. Als politisch empfinde ich meine Arbeit auch deshalb, weil ich die Hoffnung habe, dass sie die Widerstandskraft der Kinder gegenüber negativen Einflüssen im Alltag stärkt, so dass sie langfristig populistischen Rattenfängern etwas entgegenzusetzen haben.
    Das ist aber sehr zeit- und ernergieaufwändige Arbeit, außerdem oft sehr im alltäglichen Klein-Klein verhaftet – daher eignet sie sich oft nicht für Blog-Beiträge, und wenn doch, dann fehlt die Zeit, etwas aufzuschreiben bzw. sich einzumischen.
    Vielleicht sind die Nicht-Schreiberinnen und Nicht-Schreiber in einer ähnlichen Situation?

  10. @ Katja Wolf, JaM

    Die Clinton-Sache ist hier nicht das Thema, sondern hier geht es um die Frage, warum Frauen nicht häufiger aktiv an Debatten teilnehmen, z.B. in Form von Leserinbriefen. Ich lasse noch eine Antwort von JaM und/oder Brigitte Ernst zu und bitte darum, anschließend zum Thema zurückzukehren.

  11. @ Bronski:
    ich hatte mich zum Thema „Trump vs. Clinton“ hier eben vorher NICHT AKTIV eingemischt, weil ich mir sicher war, niedergeschrieben zu werden.
    Hat also in sofern (indirekt) schon auch was mit dem Thema zu tun.

  12. @ Katja Wolf

    Mit der Website NowTheEndBegins sollten Sie vorsichtig sein. Schon der Name deutet auf Verschwörungstheorien hin. Die Site wird von der Bewertungsplattform Media Bias als „most untrustworthy“ bewertet. Und Fake News Watch stuft sie als „conspirational in natue“ und „very unreliable“ ein. Aufgefallen ist mir auch, dass in den Bericht über die Clintons ein Plädoyer für uneingeschränkten Waffenbesitz eingebaut wurde (eine Position, gegen die Hillary kämpft).
    „Beware of fake news“, kann ich da nur sagen.

  13. Zum Thema Trump vs vorige ehrenwerte Präsidenten könnten Sie sich mal die letzte Anstalt vom 07.02. anschauen. Da werden wir darüber informiert, was alles Obama an mörderischen Taten auf dem Gewissen hat.
    Zum Thema Einmischung: es ist immer schwer, über andere etwas zu sagen. Es freut mich aber, bei der Gelegenheit zu erfahren, dass sich tatsächlich wenige Frauen beteiligen. Ich hatte bisher die Befürchtung, die Äußerungen vonFrauen würden bevorzugt aussortiert.
    Ich selber komme aus Zeitmangel und auch, weil ich nicht unbedingt gerne stundenlang am PC sitze, 22öfter zu spät. Im HAmburger Abendblatt z.B. Muss man am selben Tag schreiben, sonst ist das Thema schon wieder weg.

  14. Dies faellt mir beim Revuepassieren der anderen Themen im Multithemenangebot des Blogs ein.z.B. warum sich Frauen nicht mehr einbringen…Sie brauchen vielleicht nicht so viele Worte, um sich auszudruecken…
    und immer wieder die oft geausserten Anmerkungen, dass die episch breiten Kommentare mancher Dauerteilnehmer/innen zu strapazioes sind, um sich immer wieder darauf einzulassen. Egal ob pensionierte Lehrkraefte oder andere „Wissenden“…Wenn bestimmte Themen immer wieder so ausschweifend kommentiert werden, verliere auch ich die Motivation mich einzuklinken. Viele Themen finde ich spannend und wichtig…aber (was mich betrifft) wenn nur wenig Zeit verfuegbar ist, an der Diskussion teilzunehmen, gibt man s dann auf, sich durch die ellenlangen Statments durchzuforsten…statt doch noch etwas draufzusetzen.
    In diesem ungereimten Sinn: kali nichta.
    (1 x Lehrer…immer Lehrer…. nein nein nein…)

  15. FR, wenn du die Frage stellst, warum Frauen sich im öffentlichen, im politischen, im akademischen Diskurs zurückhalten: Lies doch bitte mal deine eigenen Artikel. Solange Rosa Luxemburg (siehe heutiger Beitrag im „Magazin“)zu 50% Namensnennung im Beitrag nur anbiedernd „Rosa“ ist (das Mädchen ohne Nachname, mithin ohne Identität), ihr Freund Leo Jogiches jedoch zu 100% „Leo Jogiches“ oder „Jogiches“ benannt wird, kann das nicht funktionieren.
    Diese entsetzliche Unsitte, Frauen in Veröffentlichungen (journalisch oder akademisch, egal) nur beim Vornamen zu nennen – lasst das sein, ihr Schreiberinnen und Schreiber! Ob es sich um Hillary (Clinton) handelt, ob um Annette (von Droste-Hülshoff), Tugce (Albayrak), Fanny (Hensel), Angie (Merkel). Man denkt sofort an Kohls Mädchen, an jedermanns Mädchen, die kleine Rosa…. Passt mal’n bisschen auf…

  16. Und nicht zu vergessen die Zahlenhuberei! Ich habe das Wagenknechtblog gelesen: mit welcher Verbissenheit da mit Zahlen um sich geworfen wird! Wie machen Sie das bloß? Legen Sie sich Archive an?! Mit Themengebieten? Da kann und will ich nicht mithalten. Und zu Herrn Matyssek: klar Lust zu Denken und zu Schreiben. Verstehe ich. Aber die Zet dazu! Woher nehmen Sie die- jetzt nur als Beispiel. Es gibt ja etliche, die den halben Tag mit den Blogs zubringen. Und nicht nur in dieser Zeitung.

  17. An Gründel: Ich will auf ihre Einwände eingehen. Die Sache ist die, dass ich mir die Zeit nehme, wenn mich das Thema wirklich interessiert. Ich gebe zu, dass dadurch auch anderes liegen bleibt. Ja, es nimmt oft einiges an Zeit, zumal ich persönlich kein schneller Blog-Nutzer bin. Halbe Tage verbringe ich nicht damit. Aber ich nehme es ernst, was Sie sagen, weil ich verstehen kann, dass die langen Passagen auch beschwerlich für andere sein können. Persönlich bevorzuge den konventionellen Leserbrief. Archive lege ich nicht an. Aber ich habe auch zuletzt sehr interessante Dialoge führen können, die für mich vertiefende Wirkung hatten (W. Engelmann und W. Fladung). Zahlenhuberei ist nicht so mein Ding. Das wird Sie jetzt nicht zufrieden stellen, aber ich wollte sie mit den Fragen auch nicht im Regen stehen lassen. Und Widerspruch ist ok.

  18. @ Gründel

    Es ist doch immer eine Frage der persönlichen Interessenlage, womit man seine Freizeit verbringt. Wenn mich ein Thema interessiert, widme ich ihm auch für eine gewisse Zeit. Beim Formulieren kann ich meine Gedanken ordnen, und im Diskurs mit anderen lerne ich viel dazu. Wenn mir die Beitrage zu sehr ausufern und mich langweilen, überlese ich durchaus auch das eine oder andere.
    Andere gehen vielleicht lieber auf den Fußballplatz, wandern,lesen oder malen – alles wunderbare Freizeitaktivitäten. Jeder setzt eben seine Prioritäten anders. Und wenn man nicht mehr berufstätig ist, hat man das Glück, mehrere dieser Tätigkeiten nebeneinander ausüben zu können.

  19. Danke, lieber Bronski, fuer die neue Ueberschrift:“LeserINNENforum“, dennoch ein paar Gedanken dazu:
    Das ist zwar eine nette Geste, fuer mich aber nicht sooo wichtig. Obwohl selbst weiblichen Geschlechts hat mich das „Verallgemeinern“ nie tangiert. Es ist eher ein deutschsprachliches Problem. Und in anderen mir vertrauten Sprachen gibt es das nicht. Pardon, GeschlechtsgenossINNen, die ihr vielleicht grossen Wert auf das Differenzieren legt.. mir gingen die teilweise verbissenen Zurechtweisungen einer Hardliner-Freundin auf den Keks, wenn sie mich bei persoenlichen Mails stets auf meine „Schludrigkeit“ hinwies bzw. die fehlenden Endungen korrigierte. Manche sprachlichen Veraenderungen empfand ich nivht nur unlogisch, sondern auch an den Haaren herbeigerissen, so auch diese Grossbuchstaben mitten im Wort. Meine Grossmutter (einst Lehrerin) pflegte so etwas mit „Dippelesschisserei“ zu bezeichnen… Ausserdem lebe ich im Vergleich mit den meisten Frauen der Erde in einem relativ priviligierten Land, in dem die Diskussion um die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts auf hohem Niveau gefuehrt wird. Vielleicht liegt meine diesbezueliche Gesinnung daran, dass ich viele Jahre in Laendern der sog. 3. Welt gelebt habe, wo das Level der Diskussion meilenweit vom hiesigen lag. Last but not least fuehle ich mich vorwiegend als Mensch und nicht als Frau . Ich habe mir diese Haltung trotz nicht einfacher Erfahrungen als weibliches Wesen in Kindheit und Jugend „erarbeitet“. An die Nieren gehen mir jedenfalls noch immer und mehr denn je die geknechteten Schwestern“ in den anderen, armen Kulturkreisen.

  20. Von zwei Seiten fühle ich mich direkt angesprochen – der Diskussion in der FR über die weibliche Zurückhaltung im öffentlichen Diskurs und der „Mut“-Ansage des neuen Bundespräsidenten. Also fasse ich mal den Mut, mich wenn auch nur in kognito zu meiner Angst zu bekennen… der Impuls, mich erstmal zurück zu halten, wenn wieder eine Sau durchs Dorf getrieben wird, in Ruhe abzuwarten und vor allem vor meiner eigenen Tür zu kehren, war immer schon stärker als der Drang, mich einzumischen, zu artikulieren, im Kanon der Meinungen zu versuchen irgendwo auch noch meine Stimme unterzubringen. Es reicht mir, mich mit dem auseinanderzusetzen, was da auf mich eingeht von vielen Seiten, das zu sortieren, Schlüsse für mein ganz persönliches Tun und Lassen zu ziehen. Ich bin der Überzeugung, dass es immer auf der einen Seite berufene RednerInnen und auf der anderen Stillere bis zu ganz Stillen im Lande gibt und auch geben soll. Die, die auf der Bühne stehen, brauchen auch ein Publikum, die, die Verantwortung übernehmen, brauchen die, für die sie das tun und die das nicht so gut können – aus welchen Gründen auch immer. Und ich genieße die Freiheit, in einem Land zu leben, in dem ich in vielerlei Hinsicht mein Leben nach meinem Gutdünken gestalten kann und mich zum Beispiel auch nicht öffentlich äußern muss. So schön es ist, dass ich es darf – der wirkliche Wert unserer freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaft liegt für mich darin, dass ich vieles eben auch lassen kann. Die Angst, wie es doch immer wieder zu beobachten ist im öffentlichen Raum, zerrieben, mißverstanden, widerlegt oder sonstwie auseinander genommen zu werden, wenn man sich wie und wo öffentlich äußert, ist bei mir immer vorhanden gewesen. Die Entwicklung der neuen Medien – unkontrollierbare Verbreitung von Informationen, Shitstorms, „das Internet vergisst nichts“ etc. hat diese Befürchtungen nur bestätigt und gestärkt. Auch im privaten Bereich diskutiere ich nicht sonderlich gern – die Beiträge der einzelnen zielen in der Regel doch darauf ab, die eigene Meinung zu festigen, durchzusetzen oder zu bestätigen. Ich nehme mich da gar nicht aus. Richtig gute Gespräche führe ich eigentlich nur mit einzelnen oder im sehr kleinen Kreis. Wo Vertrauen ist, man sich öffnen und über die wesentlichen Dinge sprechen kann. Im öffentlichen Raum werden häufig die, die heute umjubelt und zitiert werden, zu einem späteren Zeitpunkt genauso niedergemacht. Ich will das nicht. Ich bewundere die, die damit umgehen und dem standhalten können und bin voller Mitgefühl mit denen, die nach einem Leben auf der öffentlichen Bühne uninteressant geworden sind, fallen gelassen, und ohne die Droge Publikum und öffentliche Zustimmung mit ihrem Leben nicht mehr zurecht kommen.
    Ob das was mit Frausein zu tun hat, weiß ich auch nicht. Mit Rollenverständnis vielleicht, ja, von den Männern wird ein Vorreitertum sicher eher erwartet und bei Frauen Zurückhaltung eher toleriert. Letztendlich bin ich aber vor allem froh, dass jede/r halbwegs nach seinen eigenen Wünschen sein Leben gestalten kann in unserem Land. Ich bin dankbar denen, die diese Freiheiten erkämpft haben und denen, die sich weiter dafür im gesellschaftlich-politischen Diskurs einsetzen.

  21. „Leserinnenforum“
    Hierzu ein persönliches Erlebniss von vor langer Zeit als die sprachliche Differenzierung von männlicher und weiblicher Anredeform seinen Anfang nahm. Bei den Anreden „liebe … und …innen“ war ich davon genervt und verdrehte innerlich die Augen (typisch männlich ich war ja vorher immer angesprochen).
    Dann besuchte ich einen Workshop, wo ich der einzige Mann unter Frauen war, und die Lehrerein verkündete bei ihrer Begrüßung, dass sie in ihren Anweisungen nur die weibliche Form der Anrede benutzen werde. Na gut dachte ich, was solls, bin halt in der Minderheit und so ist es weniger umständlich als die „korrekte“ Form beider Geschlechter anzuwenden. —- Ich hatte die Rechnung ohne mein Unterbewußtes gemacht: ich fühlte mich bei den Anweisungen mit weiblicher Anrede nicht angesprochen! Das Gefühl verstärkte sich im Laufe der Zeit bis zu „ich werde nicht gesehen“… „ich werde diskriminiert“ !
    Diese Erfahrung hat meine Einstellung zu der sorgfältigen Formulierung von Anreden beider Geschlechter grundlegend geändert.
    Insofern begrüße ich die Überlegungen zum „Leserforum“ aber fühlte mich bei der weblichen Form ausgeschlossen, daher besser „Forum der Leser*innen“ – so viel Zeit muss sein (Platz sowieso).
    Übrigens finde ich den * viel schöner als das große „I“. Es ist wie eine Zäsur, die die Wertschätzung beider Geschlechter ausdrückt.

  22. Von „Bronski“ zum schreiben eines Leserbriefes angeschubst, folge ich seinem Aufruf, zumal Frau Mika nicht mit ihrer Aktion leer ausgehen soll.
    Da ich Jahrgang 1951 bin, habe ich die Zeiten der großen Frauenthemen mit erlebt, gelebt, ausprobiert und letztendlich auch sortiert. Es waren spannende und für mich persönlich wichtige Zeiten, mit den unterschiedlichsten Erfahrungen. Auf die gestellte Frage warum sich Frauen zu wenig einmischen, gibt es vermutlich nicht DIE Antwort schlechthin. Bei mir ist es nicht die mangelnde Zeit, erst recht nicht ein Desinteresse an Themen die in der FR behandelt werden, auch keine Resignation, doch es fällt mir schwer, das passende Wort zu finden. Vielleicht war es mir einfach irgendwann zu anstrengend geworden die Welt in weiblich und männlich, in schwarz und weiß zu sehen und um die Unterschiedlichkeiten zu kreisen, die ja auch „alleine unter Frauen“ existieren. Unbestritten ist, dass es noch einiges zu tun gibt und es bewegt sich auch was. Für mich persönlich ist es wunderbar zu sehen, dass unsere Töchter und Söhne heute etwas anderes leben und es ihnen selbstverständlich ist. Und jede_r von uns kennt in seinem Umfeld bestimmt etliche großartige, tolle, engagierte Frauen die ich ihren Bereichen „ihren Mann stehen“, die sich einmischen, die an- und zupacken, doch vielleicht ohne groß darüber zu reden. Das mag evtl. ein Unterschied sein. Vielleicht wird die nächste Generation sich mehr damit auseinandersetzen, wie die Menschen sich mit den Unterschiedlichkeiten annehmen, akzeptieren und tolerieren können. Die Weltlage stellt die Menschheit vor neue Aufgaben und es ist eine enorme Herausforderung. Dabei werden Frauen und Männer gebraucht und ich bin mir sicher, dass gerade die Frauen sich nicht drücken werden. Sie werden da sein, sehen was zu tun ist, es anpacken wie in Generationen vor uns. Genauso sicher bin ich, dass die FR sich auch weiterhin Frauenthemen annehmen wird, die ich mit Spannung erwarte, gerne lese, mich damit auseinandersetze und darüber diskutieren werde! … vermutlich im kleinen Kreis, doch wer weiß, vielleicht schreibe ich ja in Zukunft auch mehr Leserbriefe!

  23. Eigentlich wollte ich wie immer nicht auf den Aufruf reagieren, habe auch einen Großteil der Kommentare nicht gelesen, aber da ich als Frau nun mal direkt angesprochen bin…Ich denke, Frauen haben oft weniger Zeit, ausgedehnte Leserinnenbriefe zu schreiben, aber entscheidend ist doch, womit ich meine Freizeit verbringen will. Ich tue etwas, was mir Spaß macht, mir einen Mehrwert bringt, und das ist der Unterschied zwischen (vielen) Männern und Frauen. Mir ist meine Zeit zu schade, ausführlich die Leserforen zu lesen, mir bringt es keinen Kick, kine Befriedigung, meine Meinung gedruckt zu sehen, ich muss meine Meinung nicht öffentlich kundtun, vielleicht halte ich sie nicht für so wichtig, dass ich die Menschheit damit beglücken muss. Ich diskutiere leidenschaftlich über politische Themen, aber dies im persönlichen Gespräch, nicht allein vor meinem Bildschirm. Und dieses Phänomen gibt es ja auch in vielen anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Ein Großteil der Wikipedia-Artikel ist von Männern geschrieben. Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die Romane lesen, ist weiblich, aber (selbst wenn es zahlreiche Autorinnen gibt) nicht die der Verfasser. Noch eine Beobachtung aus einem anderen Lebensumfeld, der Lokalpolitik, in der ich in vielen Bereichen tätig bin. Da gibt es in Gremien und Ausschüssen viel Gelegenheit zum Diskutieren. ie Erfahrung, die ich mit Männern immer wieder mache: Sie müssen Duftmarken setzen. Es ist zwar alles schon zehn mal gesagt, aber noch nicht von ihnen; sie haben bei einer Abstimmung die absolute Minderheitenmeinung, müssen aber ausführlich darlegen, warum sie dagegen sind (auch wenn schon gar keiner mehr zuhört); nach 8 Stunden Ratssitzung wartet niemand auf niemand zu hause(?), also müssen sie noch ausführlich ihre Meinung zu Marginalien kundtun…
    Für solches Imponiergehabe ist mir meine Lebenszeit zu kostbar. nUnd deshalb wende ich mich jetzt auch wieder anderen Dingen zu…

  24. Lieber Herr Bronski,
    Leserinnenforum ist doch schon mal ein guter Anfang! In der Art wie die Rundschau veröffentlich sehe ich leider oft Verbesserungpotenzial, ich ärgere mich. Dazu kann ich mich dem Leserinnenbrief von Frau Vau an diesem Wochenende nur anschließen.
    Wenn die schreibenden Männer und Frauen der Rundschau sich entsprechend „einmischen“ kann es nur besser werden.
    Ich erwarte, dass eine Zeitung sich gleichermaßen an Frauen und Männer richtet und dass das auch sprachlich zum Ausdruck kommt ohne mich besonders einmischen zu müssen. Männer müssen sich auch nicht einmischen, bei denen funktioniert es einfach.
    Bitte weiter in diese Richtung denken und schreiben, vielen Dank und freundliche Grüße

  25. An Irmgard Krusenbaum

    „… aber entscheidend ist doch, womit ich meine Freizeit verbringen will.“

    Also, mit dieser Einstellung hätte die Frauenbewegung wohl niemals das Suffragettenstadium überwunden.

  26. An Irmgrd Krusenbaum: So schlecht würde ich die Männer auch wieder nicht machen. Es ist nicht alles Imponiergehabe. Es geht auch nicht immer um einen Kick oder um die eigene Wichtigkeit. Aber man kann sich auch so wichtig sein, dass man Debatten nicht nur der Politelite und den Mächtigen überlässt. Wenn Sie Ihre Freizeit mit etwas verbringen wollen, was Ihnen Spaß macht und einen „Mehrwert“ bringt, so ist dagegen nichts einzuwenden. Nur ist eine bei Ihnen spürbare Abwertung des männlichen Tuns und Wirkens unüberlesbar. Das ist bestimmt nicht der Ansporn für die Aufforderung zum Mitmischen der Frauen von Bascha Mika und Bronski. Man muss jetzt nicht den nächsten unnötigen Geschlechterkampf anzetteln. Wir hatten schon genug Zeitvergeudung mit der Ära Alice Schwarzer zu tun, diese Unerbittliche! Ich habe an anderer Stelle schon erwähnt, dass wir Männer auch nicht die Krone der Schöpfung sind, aber wir sind manchmal auch ganz in Ordnung.
    Wenn man sich kategorisch zurückhält, hat man es auch leichter, die andere Seite zu kritisieren. Stefan Briem hat mich übrigens mit seiner Bemerkung oben motiviert, das hier noch anzuschließen. Also nichts für ungut, aber bestimmte Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind nicht das Unglück dieser Erde, sondern das Böse, das Feindselige und Unbelehrbare. Das ist kein reines Männerproblem.

  27. maiillimi, 18. Februar 2017 um 11:46

    „Last but not least fuehle ich mich vorwiegend als Mensch und nicht als Frau.“
    Ein Selbstverständnis, dem ich mich uneingeschränkt anschließen kann.
    Ich teile auch Ihre Einschätzung bez. eines demonstrativ „feministischen“ Sprachgebrauchs, besonders wenn der auch noch mit Unkenntnis gepaart ist, wie etwa bei der Feminisierung des seit 1000 Jahren geschlechtsneutralen Pronoms „man“ zu man/frau.
    Ich habe mich auch des Öfteren gefragt, warum jemand solche sprachliche Zurschaustellung überhaupt nötig hat. Mag sein, dass dies damit zu tun, dass ich seit Kindheit mit ausgeprägter weiblicher Dominanz zu tun hatte und dies nie als Problem empfand: Weder in der eigenen Familie, noch im Studium und Beruf (Fächer Germanistik/Romanistik) oder bei Freizeitaktivitäten (Beispiel eines Theaterkurses: 16 Frauen, 2 Männer – hat mich nicht gestört).

    Im Übrigen begrüße ich den Aufruf von Bascha Mika und schließe mich ihm an: Mischt euch ein!

  28. Ich möchte mich bezüglich der Sensibilisierung für männlich bzw. weiblich geprägte Sprache den Beobachtungen von Ulrich Hildmann anschließen.
    Sprache ist ein mächtiger und oft unterschätzter Einflussfaktor hinsichtlich des eigenen Selbst-Bewusstseins.
    In den 90er Jahren machte in feministischen Kreisen ein Buch die Runde: „Die Töchter Egalias“ von Gert Brandenberg. Ein fürcherlicher Roman literarisch betrachtet, aber hinsichtlich der Sprache hochinteressant: alle männlichen bzw. vermeintlich männlichen Endungen, Formulierungen etc. wurden konsequent „verweiblicht“. Nach der Lektüre dieses Buches habe ich die Welt mit anderen Ohren gehört.
    Herr Engelmann, während Sie in einer weiblich dominierten Welt großgeworden sind, haben Sie immer eine männlich dominierte Sprache benutzt – und letztendlich prägt uns die Art, wie wir sprechen, unsere Wortwahl sagt viel über unser Weltverständnis aus.
    Ich persönlich befinde mich in einem Dilemma: Einerseits klingt eine radikalfeministisch geprägte Sprache in meinen Ohren oft lächerlich und ist auch mit einer sehr aggressiv-arroganten Attitüde behaftet
    (übrigens: Wer von Ihnen kann das Wort „Siekältungskräutsietee“ übersetzen? Hab ich auf einem Frauenfestival gelesen). Andererseits bin ich mir der Auswirkungen von Sprache bewusst und möchte darüber nicht einfach hinweggehen.

  29. Manchmal wir die gender-sprachliche Korrektheit auch auf eine absurde Spitze getrieben. Im Schulbereich heißt es natürlich immer: „Schülerinnen und Schüler“, „Lehrerinnen und Lehrer“, wobei es dann leicht passiert, dass einem ein „Elterinnen und Eltern“ herausrutscht. Unsinnig wird es aber, wenn als Abkürzung dann S.u.S. und L.u.L. geschrieben wird, obwohl der Anfangsbuchstabe doch auf beide Geschlechter zutrifft.

  30. Am Beispiel des „Erkältungskräutertees“ kann man sehen, dass auch einfach viel Schwachsinn beim Gender-Mainstreaming verzapft wird. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es nichts anderes ist als ein purer Machtkampf mit ideologischem Rüstzeug, dazu noch hoch emotional unterfüttert. Wenn ich an die Auseinandersetzungen in den 1970er Jahre denke, meist in studentisch-akademischen Kreisen, dann spüre ich heute noch die körperlich-seelischen Anstrengungen. Ich fände es ganz nett, wenn man sich streitet wegen inhaltlicher Differenzen und nicht mit diesen Ins und ** _ _ sich das Leben noch schwerer macht. Ich weiss, dass Sprache verräterisch sein kann, aber man kann auch alles übertreiben. Es gibt genügend Beispiele von öffentlichen Diskriminierungen der Männer durch Frauen (TV-Sendungen sind voll davon). Engel und Teufel sind austauschbar. Wenn mich der Schalk überkommt, dann erinnere ich mich recht gerne an den Spruch eines irischen Zeitgenossen: „A man is a man and a woman is a woman.“
    Hoffentlich komme ich jetzt dafür nicht ins Fegefeuer!

  31. @ Jürgen Malyssek

    Bei so viel öffentlicher Diskriminierung von Männern durch Frauen kommen mir jetzt aber fast die Tränen.
    Seit Jahrtausenden werden Frauen von Männern körperlich, seelisch und gesellschaftlich unterdrückt, misshandelt und vergewaltigt, und Sie wollen wirklich behaupten, der Zorn, den Frauen seit etwa 150 Jahren darüber öffentlich zu äußern wagen, sei damit vergleichbar. Für eine solche Fehleinschätzung ist die Strafe des Fegefeuers viel zu mild. Hölle wäre das Mindeste.

  32. An Brigitte Ernst: Ich vergleiche nicht mit heute und früher. Ich sage nur was heute auch den „Geschlechterkampf“ bestimmt. Ich könnte zum Thema Gewalt von Frauen an Männern durchaus Beispiele liefern. Aber lassen wir das jetzt.
    Zwischen Fegefeuer und Hölle mache ich persönlich keinen großen Unterschied.
    Es ist beides eine harte Strafe.

  33. @ Jürgen Malyssek
    Zu Ihrer Information: Hölle und Fegefeuer sind klar definierte religiöse Vorstellungen. Im Fegefeuer verharrt man, je nach Vergehen, eine gewisse Zeit, bis man seine Schuld gebüßt hat, und wird dann in den Himmel aufgenommen. In der Hölle schmort man ewig. 🙂

  34. Liebe Frau Ernst, verstehe, ich soll ewig schmoren. So erlebe ich die Kehrseite der Medaille „mischt-euch-ein“: Mindeststrafe als Höchststrafe, wenn Widerspruch zum Mainstream kommt. „Den Balken im eigenen Auge nicht sehen, aber den Splitter im fremden“ (bibl.) – Darin unterscheiden sich weder Mann noch Frau.

  35. @ Jürgen Malyssek

    „Mindeststrafe als Höchststrafe, wenn Widerspruch zum Mainstream kommt“ (??) Verstehe ich nicht.
    Aber mit dem Balken im eigenen Auge haben Sie recht.Ich habe meine beiden Ehemänner regelmäßig windelweich gekloppt.

  36. „Mindeststrafe als Höchststrafe“ bezog sich auf Ihre obige Aussage: „Hölle als mindeste Strafe“ – für meine Fehleinschätzung (Diskriminierung von Männern). Da Hölle gegenüber dem Fegefeuer als Chance der Reue Höchststrafe ist, ergibt sich mein diesbezüglicher Rückschluss.
    Wenn es der Mainstream ist, dass Frauen per se heute immer noch körperlich, seelisch und gesellschaftlich von Männern unterdrückt, mißhandelt und vergewaltigt werden, dann melde ich auch Widerspruch an. So total sieht es nun wirklich nicht aus. Da es bis heute auch Tabuthemen über unterdrückte und mißhandelte Männer gibt. Man macht sich damit wenig Freunde, aber das gehört auch zur Vervollständigung des Wirklichkeitbildes dazu. Kein leichtes Feld. Doch es ist ein Thema.
    Da ich Ihnen nicht abnehme, dass Sie Ihre beiden Ehemänner regelmäßig windelweich gekloppt haben, verstehe ich wiederum nicht, dass Sie das Bild mit dem Balken im eigenen Auge so abnicken?

  37. @ Jürgen Malyssek

    Ich will ja gar nicht behaupten, Frauen würden niemals Gewalt ausüben. Nur muss man doch die relativen Zahlen im Auge behalten. Es sind NICHT Frauen, die heute mehrheitlich Männer sexuell belästigen und vergewaltigen, sei es bei uns oder in Afghanistan, Syrien oder dem Irak. Es sind auch nicht Frauen, die mehrheitlich ihren Partner misshandeln oder töten. Wer das behauptet, mogelt sich um die Realität herum.

  38. An Brigitte Ernst,
    ich denke über das zahlenmäßige Verhältnis von Gewaltausübung brauchen wir uns auch nicht zu streiten. Mir geht es letzten Endes nur darum, aus einer vorherrschenden Einseitigkeit heraus zu kommen und die andere Seite der Medaille auch zu sehen. Was durchaus von schreibenden Frauen auch dokumentiert wird. Es geht um diesen Anteil der Realität.
    Zum Gebrauch der Sprache noch einen Takt (Anne Rumpf schrieb oben dazu was): Eine männlich geprägte Sprache muss nicht gleich diskriminierend sein. Eine weiblich geprägte Sprache ist eine andere Möglichkeit Zugang zu Vorstellungen und Beschreibungen der Welt.
    Prägungen und Sozialisation sind immer unterschiedlich. Sprachlicher Dogmatismus ist der Tod der Dinge.

  39. @ Anne Rumpf, 21. Februar 2017 um 15:19

    „Herr Engelmann, während Sie in einer weiblich dominierten Welt großgeworden sind, haben Sie immer eine männlich dominierte Sprache benutzt – und letztendlich prägt uns die Art, wie wir sprechen, unsere Wortwahl sagt viel über unser Weltverständnis aus.
    Ich persönlich befinde mich in einem Dilemma: Einerseits klingt eine radikalfeministisch geprägte Sprache in meinen Ohren oft lächerlich und ist auch mit einer sehr aggressiv-arroganten Attitüde behaftet.“

    Zu Satz 1:
    Ich kenne Humboldt und seine Aussagen über das „Weltbild der Sprache“ und habe dies auch unterrichtet. Der Unterschied ist nur der, dass ein Humboldt damit nie einen ziemlich naiven Impetus der Veränderung der Welt allein über Sprache verband.
    Die Frauen, die mich in der Nachkriegszeit geprägt haben, haben meinen Respekt wegen ihres Mutes, ihre Frau zu stellen und einen Karren aus dem Dreck zu ziehen, der von Rassen- und, damit verknüpft, auch Männlichkeitswahn da hineingestoßen wurde – trotz “ männlich dominierter Sprache“. Kurz: weil sie Emanzipierte der Tat und nicht der Worte waren.
    Zu Satz 2:
    Die von Ihnen richtig beschriebene Lächerlichkeit manch „radikalfeministisch geprägter Sprache“ lässt sich aus der Diskrepanz zwischen eigener „arroganter Attitude“ und Ignoranz erklären. Wie an meinem Beispiel „man/frau“ deutlich wird: Wo ohne jegliche Kenntnis ethymologischer Bedeutungsentwicklung („Frau“ stammt vom mittelhochdeutschen „frouwe“= Herrin ab) ein durchaus nobles Wort zu einem Pronomen degadiert wird (also das Gegenteil der intendierten Selbstaufwertung erreicht wird).
    Ebenso lächerlich, wenn ohne elementarste linguistische Kenntnisse (de Saussuresche Unterscheidung von „langue“ und „parole“) „Bewusstseinsbildung“ durch Herummodeln am Sprachsystem betrieben wird: Ein geschlechtsneutrales Pronomen bedarf keiner „weiblichen“ Entsprechung. Hier wird Sprache ideologisiert und damit auch verhunzt.
    Was aber am wichtigsten ist: Solche dümmlichen Überspitzungen sind Wasser auf die Mühlen von Reaktionären, die alles andere als weibliche Emanzipation im Sinn haben. Nicht umsonst spielen hier Begriffe wie „Genderisierung“ oder „Gender-Wahn“ eine wesentliche Rolle. Wobei nicht alles der mit reaktionärer Zielsetzung formulierten Kritik völlig von der Hand zu weisen ist.
    Es gilt, sich dieser Diskussion zu stellen, statt falsche Fronten zu eröffnen und Gräben aufzureißen.

  40. @ Jürgen Malyssek
    Dann sind wir uns ja einig.
    Und dass auch ich die Auswüchse der Sprach-Genderisierung nicht für hilfreich halte, habe ich ja oben bereits erwähnt. Da müssten Italiener oder Franzosen die gesamte grammatische Struktur ihrer Sprache verändern, weil da nämlich die männliche Form im Plural Vorrang hat. Ich weiß nicht, wie italienische Feministinnen das handhaben. Wenn sie wirklich konsequent sind, müssten sie sagen:“I ragazzi e le ragazze sono arrivati e arrivate.“ Etwas umständlich.

  41. Lieber Herr Engelmann,
    ich bin sprachwissenschaftlich leider sehr ungebildet…meine Argumente beruhen auf subjektiven Erfahrungen.
    Was ich an Ihrem Bericht über die Nachkriegsfrauen spannend finde: Solange die Männer abwesend waren, standen die Frauen „ihre Frau“ und übernahmen alle überlebenswichtigen Aufgaben,auch wenn die traditionell eher zum männlichen Kompetenzbereich zählten.
    Wie war das denn, als die Männer – soweit sie überlebt hatten – wieder aus dem Krieg zurückkamen? Sind da die Frauen nicht wieder zur traditionellen Ordnung der Dinge zurückgekehrt? Denkbar wäre ja auch, dass geschlechtsspezifische Zuschreibungen, Vorurteile und Stereotype als Konsequenz der Erfahrungen aus der Nachkriegszeit überwunden wurden. Aber das war doch nicht so, oder? Wie haben Sie das erlebt?
    Zur Verwendung von Sprache noch Folgendes: Ich begrüße die ganz unspektakulären Veränderungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben. Die „Bürokauffrau“ wäre vor ca. 30 Jahren noch undenkbar albern gewesen, mittlerweile verwenden wir das Wort sehr selbstverständlich, und das ist nur ein Beispiel von vielen. Gleichzeitig haben sich Rollen- und Selbstverständnis von Frauen und Männern gewandelt. Jetzt können wir natürlich diskutieren, was zuerst da war: der veränderte Sprachgebrauch oder das veränderte Rollenverständnis…Ich denke, solche Prozesse bedingen sich immer gegenseitig und entwickeln sich in Kleinstschritten. Insofern bin ich gespannt, wie wir in 20 Jahren reden.

  42. @ Anne Rumpf, 25. Februar 2017 um 19:33

    Liebe Frau Rumpf, zu Ihrer Frage:
    „Wie war das denn, als die Männer – soweit sie überlebt hatten – wieder aus dem Krieg zurückkamen? Sind da die Frauen nicht wieder zur traditionellen Ordnung der Dinge zurückgekehrt? (…) Wie haben Sie das erlebt?“

    – Ich zitiere dazu aus der Einleitung zum 1. Band meines Maria-Romans:
    „Gerade die ‚Trümmerfrauen‘, Frauen der Tat, die klaglos ‚männliche‘ Tätigkeiten übernahmen, lassen Zweifel aufkommen, ob die ’starke Frau‘ eine Erfindung der 70er Jahre ist.“
    Am Beispiel meiner Mutter: Kriegerwitwe mit 7 Kindern, Flüchtlingsfamilie (ich war der Jüngste).
    Ich habe meine Mutter, bis Kriegsende völlig unemanzipiert, meinem Vater fast ergeben, als geradezu zum Mann (in der Rolle meines Vaters) mutierte Frau erlebt – mit allen bewunderswerten und für mich auch schmerzlichen Eigenschaften. Eine Transformation, von der Wirklichkeit erzwungen und auf unglaublichem Überlebenswillen aufbauend. Die aber auch zur Konsequenz hatte, dass nicht nur ihr (auch meinen Schwestern) Fraulichkeit verwehrt wurde.
    Ich interpretiere die Rückwendung zu alten Rollenklischees in der Adenauer-Ära, die zweifellos stattgefunden hat, als Sehnsucht nach verdrängter Weiblichkeit (zumindest aus weiblicher Sicht). Dennoch war das keine völlige Rückkehr. Denn das, was Frauen nach dem Krieg aufgebaut haben, blieb ja erhalten. Und das stellte die Basis dar, auf der die Frauenbewegung der 70er Jahre aufbauen konnte. Die nur äußerlich eine Gegenbewegung (im Abbau der Rollenklischees) war, im Kern aber auch Fortsetzung einer bereits – in der Tat – erfolgten Emanzipation der „Trümmerfrauen“.
    Sprache spielte bei diesen überhaupt keine Rolle. Das erfolgte erst 20 Jahre später, im Zuge weiblicher Bewusstwerdung, also auf einer Reflexionsebene. Die aber sollte nicht mit dem eigentlichen Sein verwechselt werden: Sein bestimmt das Bewusstsein, und nur sehr bedingt auch umgekehrt. Und wie gering die Möglichkeiten der Bewusstseinbildung über forcierte „Verweiblichung“ der Sprache sind, zeigt sich u.a. in massiven Gegenbewegungen, sogar in den eigenen Reihen.
    Der Frauenbewegung ist es gewiss nicht anzulasten, dass sie z.B. einer Petry oder einer v.Storch erst ermöglicht hat, ihre unsäglichen Klischees (und Schlimmeres) verbreiten können -die ich als dezidiert antiweiblich begreife. Wohl aber gilt es zu begreifen, dass es gegenwärtig ganz andere Herausforderungen gibt als die, sich akademisch mit „Frauensprache“ und „Männersprache“ herumzuschlagen. Und so falsche Fronten aufzubauen.
    Und in dieser Weise verstehe ich auch den Aufruf von Bascha Mika: „Mischt euch ein!“

  43. @ Werner Engelmann

    Einige Aussagen in Ihrem Text befremden mich.
    1. „Ich habe meine Mutter, bis Kriegsende völlig unemanzipiert, meinem Vater fast ergeben, als geradezu zum Mann (in der Rolle meines Vaters) mutierte Frau erlebt – mit allen bewundernswerten und für mich auch schmerzlichen Eigenschaften.“
    Meine Frage: Was daran haben Sie als schmerzlich empfunden?

    2. „Eine Transformation […] Die aber auch zur Konsequenz hatte, dass nicht nur ihr (auch meinen Schwestern) Fraulichkeit verwehrt wurde.“
    Was verstehen Sie hier unter „Fraulichkeit“? Unterliegen Sie da nicht einer klischeehaften Vorstellung von dem, was Weiblichkeit und Männlichkeit ist?

    3.“…Sehnsucht nach verdrängter Weiblichkeit…“
    S.o.: Was für eine Weiblichkeit soll das gewesen sein?

    Ich selbst halte mich heute (nach einem langen Prozess) für eine emanzipierte Frau, die in der zweiten Hälfte ihres in der Lage war, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und das Studium ihrer beiden Söhne gemeinsam mit deren Vater zu gleichen Teilen zu finanzieren. Ich wüsste nicht, dass das meiner Weiblichkeit in irgendeiner Weise geschadet hätte.
    Was die Rückkehr vieler Frauen der Adenauerzeit zu altem Rollenverhalten anbetrifft, so sehe ich den Grund eher darin, dass die heimgekehrten Männer den Frauen signalisierten, dass sie sich durch starke, emanzipierte Partnerinnen in ihrer Männlichkeit verletzt oder bedroht fühlten. Gerade das Selbstwertgefühl der deutschen Männer als der Kriegsverlierer, die oft körperlich und seelisch angeschlagen nach Hause zurückgekehrt waren, hatte doch sehr gelitten, so dass die Frauen um des Glückes des Mannes und des häuslichen Friedens willen gut beraten waren, ihren Männern wieder die Führungsrolle zu überlassen.

  44. Zu Werner Engelmann und Brigitte Ernst:
    Ich glaube, dass die Zeiten bis Kriegsende und die ersten Jahre der Nachkriegszeit ganz besondere körperliche und seelische Herausforderungen waren, die nicht unbedingt Rückschlüsse auf die späteren Zeiten in den Familienhaushalten und der Rollenverhalten von Mann und Frau zulassen.
    Die Herausforderungen waren so existenziell, dass nichts anderes übrig blieb, als an den notwendigen Aufgaben zu wachsen (so wie die „Trümmerfrauen“ das taten). Die Belastungen und Verlusterfahrungen haben dann viel später erst wirklich ihre wahren Gesichter gezeigt (Traumata). Vieles ist verdrängt worden.
    Somit sehe ich auch nicht einen zwingenden Zusammenhang zwischen der Emanzipation der „Trümmerfrauen“ und der späteren Frauenbewegung, insbesondere der 1970er Jahre. Letztere war eingebunden in den großen gesellschaftlichen Protest gegen die „alten Hüte“ und die herkömmlichen Machtverhältnisse.
    Es blieb ja auch eine ganz bürgerliche und akademische Bewegung.
    Es ist für mich ziemlich klar, dass man als Junge einen fast ergebenen Mann, vielleicht auch mutlosen Vater als sehr schmerzhaft empfinden muss. Mit der Mutter in der klassischen Rolle kann ein Sohn noch immer was anfangen. Aber einen „schwachen“ Vater, das tut (sehr) weh. Da bleibt ein seelischer Mangel zurück.
    Ich neige sehr dazu Werner Engelmann mit seiner These von der Sehnsucht nach verdrängter Weiblichkeit (gerade durch die Kriegswirren und die harten Herausforderungen) zuzustimmen.
    Ansonsten sehe ich, ähnlich Engelmann, angesichts der Tatsache aktueller schwerer Herausforderungen, die die akademisch gefärbte Auseinandersetzung mit „Frauensprache“ und „Männersprache“ eigentlich in den Schatten stellen müssten.
    Es ist ja schon viel getan, wenn Frau und Mann gut miteinander zurechtkommen: gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung und so …

    „Vive la difference!“

  45. Aus dem oben gesagtn wird mal wieder deutlich, dass „Weiblichkeit“ und Männlichkeit“ soziale Konstrukte sind und keineswegs Naturgesetze. Unser Verhalten wird zu einem großen Teil geprägt von dem, was wir uns abgucken von unserer Umwelt während des Heranwachsens. Und wenn es die Bedingungen erfordern bzw ermöglichen, dann können wir auf einmal auch ganz anders. Dafür ist ja gerade die Nachkriegszeit ein gutes Beispiel. Es gibt gute Forschungsergebnisse dazu, die sich z.B. mit der angeblichen weiblichen Schwäche in den MINT-Bereichen befassen. Sie zeigen, wie die an die Prüflinge herangetragenen Erwartungen die Ergebnisse beeinflussen.
    Außerdem noch mal was zu den angeblich so absurden weiblich/männlichen Bezeichnungen: ich liebe die neueste Erfindung, sämtliche Gendervarianten zu vereinbaren, die sich in der Schreibform mit Sternchen äußert! Fragt sich nur: wie spricht sich sowas aus???

  46. @ Hannah Erben

    Es bleibt nichts anderes übrig, als immer beide zu benennen, Blogger und Bloggerinnen.

    Ob die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Verhalten tatsächlich vorwiegend von der Sozialisation geprägt sind, ist schwer zu beurteilen. Hirnforscher haben ja festgestellt, dass männliche und weibliche Gehirne in unterschiedlicher Weise vernetzt sind. Ob das auch auf unterschiedliche Umwelteinflüsse zurückzuführen oder bereits genetisch angelegt ist, weiß man nicht.

    @ Jürgen Malyssek
    Zuerst einmal zu Werner Engelmanns Kindheit. Soweit ich informiert bin, ist sein Vater Ende des Krieges verstorben, so dass Herr Engelmann die von Ihnen angesprochene Erfahrung des mutlosen Vaters gar nicht machen konnte.
    Ich frage mich auch, wieso nur beim Sohn, der seinen Vater als schwach erlebt, ein seelischer Mangel zurückbleiben sollte. Was ist denn mit den vielen Mädchen, die ihre Mutter als dem Vater ergeben und von ihm abhängig erlebt haben?
    Ich habe diese Beobachtung in meiner Familie als sehr schmerzlich und prägend empfunden. Mir war schon als kleines Mädchen klar, dass ich die Rolle meiner Mutter, nämlich die der traditionellen abhängigen und bevormundeten Ehefrau, nicht spielen wollte. Und ich kann mich nicht erinnern, je eine Sehnsucht nach meiner (angeblich) verdrängten Weiblichkeit empfunden zu haben. Solche Vorstellungen halte ich für Männerphantasien.

  47. @ Brigitte Ernst, 27. Februar 2017 um 12:13

    „Einige Aussagen in Ihrem Text befremden mich.“
    – Das möchte ich eigentlich hoffen. Wäre eher zu verwundern, wenn das anders wäre, wo es mir doch selbst, aus der zeitlichen Distanz, (zum Glück) befremdlich erscheint.
    Zur inhaltlichen Klarstellung: Mein Beitrag ist selbstverständlich kein Bekenntnis, sondern eine persönliche Antwort auf eine persönliche, eigene Erfahrungen betreffende Frage: „Wie haben Sie das erlebt?“ Versteht sich von selbst, dass auch der hier verwendete Begriff von „Fraulichkeit“ die gegebenen Zeitumstände widerspiegelt.

    Zu 1:
    Eine sehr persönliche Angelegenheit, mit der man nicht hausieren geht. Da Sie aber direkt danach fragen, möchte ich nicht kneifen. Zwei Erlebnisse als Beispiel.
    Die erste, als meine Mutter noch die übernommene väterliche „Erziehungsgewalt“ wahrnahm: Ein „Heiliger Abend“, den ich fast ganztägig knieend verbrachte. Die „Untat“, für die ich um „Verzeihung“ zu bitten hatte, ist mir längst entfallen, war mir schon damals nicht klar. Sehr klar dagegen habe ich auch als 6jähriger wahrgenommen, worum es eigentlich ging: „den Eigensinn brechen“, was ich sehr wohl mit „Rückgrat“ zu übersetzen verstand. Und ebenso klar die Bilder der Mutter vor meinen Augen, die angesichts ihrer „Vater-Rolle“ ihre menschlichen Gefühle niederkämpfte.
    Die zweite, nachdem meine Mutter, selbst mit ihrer Kraft am Ende, die „Erziehungsgewalt“ meinem 10 Jahre älteren, selbst kaum volljährigen Bruder übertragen hatte. Deren Wahrnehmung mit Betonung auf „Gewalt“: exerziert an einem Glas Tee, an dem ich fast erstickt wäre, mit der Folge von Erstickungsgefühlen beim bloßen Geruch von Tee über viele Jahre hin.
    Beispiele, die verdeutlichen, dass so gewaltige Umbrüche sich nicht widerspruchsfrei vollziehen können. Zu dem ich, als Preis für die Chance des Überlebens, eben auch mein Scherflein beizutragen hatte. Und ein Hinweis, dass auch hinsichtlich einer Beurteilung von eigener Betroffenheit Abstand genommen werden sollte.

    Zu 2:
    Meine Mutter litt praktisch ihr Leben lang an ihrem schon als Mädchen aus Reinlichkeitswahn fast völlig verätzten, sehr dünnen Haar. Was das für sie als Frau bedeutete, überlasse ich Ihrer Interpretation. (Spielt sicherlich eine Rolle bei der oben beschriebenen Szene.) Eine Antwort gibt auch der Bericht einer Nigerianierin neulich bei „Markus Lanz“ über (in Deutschland lebende!) genitalverstümmelte Frauen, die sich einer Operation unterziehen, um sich erstmals „als Frau zu fühlen“.
    Was meine 4 Schwestern angeht, „genossen“ die beiden jüngeren die Erziehung einer katholischen Klosterschule, deren marianisches Frauenideal ich hier nicht näher beschreiben muss. Reinheitswahn auch hier, der alles, was mit Sexualität und mit Frausein im Besonderen zusammenhängt, mit dem Verdikt der „Sündhaftigkeit“ belegt.

    Zu 3:
    Der Interpretation, dass bereits „emanzipierte Partnerinnen“ sich auf Signal von sich „in ihrer Männlichkeit verletzt oder bedroht“ fühlenden heimkehrenden Männern diesen wieder unterordneten, kann ich mich nicht anschließen. Eine solche geschlechtsspezifisch zugewiesene Opferrolle wäre eine Art Bankrotterklärung für Emanzipation.

    Betr. „Emanzipation“:
    Die von mir genannten Beispiele sind durchaus sehr nah an Beschreibungen aus der muslimischen Welt, so von Necla Kelek, „Die verlorenen Söhne“ mit dem bezeichnenden Untertitel: „Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes“. Eine sehr beeindruckende Bestandsaufnahme, die auch mit der Mär der vermeintlich allein Frauen zugeschriebenen Opferrolle aufräumt. Die auch dem scheinbaren Patradox Rechnung trägt, dass es im Falle von Genitalverstümmelungen (sowohl männlicher wie weiblicher) in der Regel Großmütter sind, die selbst erlittende Demütigungen an die folgende Generationen weitergeben.

    „Emanzipation“ ist nach meinem Verständnis kein Phänomen, das sich auf einen Bewussteinszustand bezieht und danach zu bemessen wäre. Es bezeichnet vielmehr einen dynamischen und in sich widersprüchlichen Prozess, konkret: das Maß an gewonnener Freiheit eines Menschen im Verhältnis zu den Bedingungen, in die er ursprünglich gestellt war.
    Dies beinhaltet auch den Mut, selbst erlittene Traumata nicht weiter zu reichen. Und ebenso den Mut, sich eigenen Widersprüchen zu stellen. Etwa den Versuchen der Zerstörung von bereits Errungenem aus den eigenen Reihen, wofür ich als Beispiel bereits auf eine Frau Petry oder v.Storch hingewiesen habe.
    Als positives Beispiel für „Emanzipation“ und „Fraulichkeit“ in dem oben genannten Sinn denke ich übrigens in erster Linie an meine (noch lebende) zweitälteste Schwester, die, selbst kriegsbedingt nur 6 Jahre lang beschult, sich zu einer außergewöhlich gebildeten und ebenso einfühlsamen, altruistischen wie lebensmutigen Frau entwickelt hat.

  48. An Hannah Erben:
    Ich bin eben nicht der Meinung, dass „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ soziale Konstrukte sind. Ich spreche auch nicht von Naturgesetzen. Aber es ist doch ganz natürlich männlich, weiblich oder auch anders zu sein. Sicher ist Sozialisation prägend für Rollen und Rollenverhalten, aber ich stosse mich an dieser Gleichmacherei, die letztlich unsinnig ist. Es gibt auch keinen Grund eine Männlichkeit oder Weiblichkeit oder eine Androgynie in Frage zu stellen. Wenn das so ist, dann ist es doch ok. Und es gibt dann eben diese Unterschiede. Das hat doch nichts mit den Stärken und Schwächen der Geschlechter in den oben beschriebenen Zeiten des Krieges oder auch des Friedens zu tun. Da gab und gibt es starke und schwache Frauen und Männer, mit dem Schicksal umzugehen.

    Zu Gender und Schreibweisen: Ich möchte es auch nicht gleich um die Ohren gehauen bekommen, wenn ich mal nur die männliche Form wähle. Gleichwohl ich damit nichts und niemanden damit diskriminieren will. Es macht die Debatten auch so schwer, wenn man bei sprachlichen Ausdrücken bzw. – sagen wir mal – eher als männlich zu identifizierbarer Sprache, sich dafür noch zu rechtfertigen hat. Es kommt doch auch auf Intension und Inhalt an. Ich habe am 24.02. schon das Notwendige dazu geäußert.

    An Brigitte Ernst:
    Wir hatten uns ja zu den Auswüchsen der Sprach-Genderisierung in etwa einigen können.
    Ich habe nicht sagen wollen, dass der Verlust des Vaters oder das Erleben eines schwachen Vaters nur für einen Sohn Schmerzen und Mangelgefühle hinterläßt. Ich weiß nur als ehemaliger Sohn, wie das ist und weiß viel darüber wie es anderen Männern in diesem Zusammenhang ergangen ist. Wie Mädchen das erleben und empfinden, wenn eine Mutter ihrem Mann ergeben ist, kann ich mir schon vorstellen. Eine Frau wird es aber besser sagen können, schon weil es sich um die Mutter als Vorbild handelt und damit als weibliche Identifikationsfigur. Und das haben Sie ja zum Ausdruck gebracht und sich für eine eigene zukünftige Rolle als Frau entschieden.
    Es ist keine reine Männerphantasie, wenn ich in diesem Fall Werner Engelmann zustimmen möchte, bei seiner These von der Sehnsucht nach verdrängter Weiblichkeit.
    Wenn eine Frau und Mutter im Krieg oder in der harten Nachkriegszeit wenig Rücksicht auf ihre Bedürfnisse als Frau nehmen konnte, weil sie sich durchsetzen musste und mit Überlebenskämpfen beschäftigt war, dann bleibt doch was auf der Strecke – oder nicht?
    Aus meiner Familie ist jedenfalls solches zu berichten. Und das war weit verbreitet.
    Die Männer und Väter waren anders, aber auch in ihrer Männlichkeit oft schwer angeschlagen.
    Deshalb ist es mir nicht so wichtig, die eine Prägung und Sozialisation, die weibliche sowie ein Schicksal gegen die andere, die männliche aufzurechnen bzw. einer Seite mehr Bedeutung zu geben als der anderen. Unsere Mütter und Väter, beide haben tiefe Wunden und Kränkungen hinterlassen, bis in die Gegenwart.

  49. @ Jürgen Malyssek

    Es war in der Vorkriegsgeneration üblich, dass Frauen den (und ihren) Männern untertan waren und Männer das sagen und durch ihre Erwerbsarbeit die finazielle Machtstellung inne hatten. Da mag es für einen Sohn besonders schmerzlich gewesen sein, wenn der Vater von dieser Norm abwich. Mädchen nahmen schon früh (mehr oder weniger bewusst) ihr Geschlecht als gesellschaftlich unterprivilegiert wahr, und es blieb ihnen meist nichts anderes übrig, als das zu verinnerlichen und als gottgegeben weiterzutragen. Dass sie nicht die alleinigen Opfer waren, ist mir klar. Auch auf Männern lastete die gesellschaftliche Erwartung, der Ernährer, der Überlegene, der „Held“ (im Krieg) sein zu müssen, schwer.
    Deshalb glaube ich, dass man nicht sagen kann, dass die Frauen, die damals die Rolle der Männer übernahmen, keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse als Frauen (wie auch immer die ausgesehen haben mögen) nehmen konnten, sondern das es beiden Geschlechtern in Kriegszeiten verwehrt war, ihre Menschlichkeit zu leben. Sie waren traumatisiert, physisch und psychisch depriviert, egal ob sie männlich oder weiblich waren.
    Zum schwammigen Begriff „Weiblichkeit“: Ich will nicht so weit gehen, zu behaupten, dass es diesen Phänomen, über die rein sexuellen Funktionen hinaus, nicht gebe (wie es einige Blogger in einem anderen Thread vom Begriff „Volk“ behaupten). Ich halte „Weiblichkeit“ aber für einen Begriff, der ebenfalls von fragwürdigen ideologischen Zuschreibungen überfrachtet ist.

    @ Werner Engelmann
    Danke für Ihre Antwort. Für eine Erwiderung darauf muss ich mir mehr Zeit nehmen, die ich im Augenblick nicht habe.
    Vielleicht heute Abend.

  50. „Aus dem oben gesagtn wird mal wieder deutlich, dass „Weiblichkeit“ und Männlichkeit“ soziale Konstrukte sind und keineswegs Naturgesetze.“ (Hannah Erben)
    Der Mensch ist ohne Zweifel das am stärksten formbare Tier, das wir kennen. Aber man sollte mit den sozialen Konstruktionen auf dem Teppich bleiben.
    Es ist schon eigenartig, dass beim Menschen die Verteilung von Männlichkeit und Weiblichkeit genau so, auch mit der selben Fehlerquote, nach den Geschlechtschromosomen hergestellt wird, wie bei den anderen Affen auch, die nicht so viel sozial konstruieren.

    Die Annahme des Geschlechts als soziale Konstruktion kann in ihren Folgen übrigens genauso menschenverachtend sein, wie das Setzen des chromosomalen Geschlechtes oder eines klar erkennbaren Geschlechtsteils als normativ. Der Fall David Reimer ist da ein Meilenstein in der Medizingeschichte, in mehrfacher Hinsicht. Die eigentliche Genderforschung findet immer noch in der Medizin statt, von der der Irtum des Geschlechtes als soziale Konstruktion (John Money) einmal ausging. Aber ihr Stand ist inzwischen einfach weiter. Zur Erinnerung: Die Medizin ist auch die Veranstaltung, bei der die praktischen Geschlechtsumwandlungen stattfinden.

    Wer sich die Zeit nehmen möchte, sich etwas aktueller als mit John Money 1975 zu informieren, dem empfehle ich diese 45 Seiten:
    http://www.sexualmedizin-kiel.info/ANL14.pdf
    (Da findet man auch den Hinweis, dass Money selbst bereits seit 1977 anfing zurückzurudern, was man in der Soziologie allerdings vermied wahrzunehmen.)

    Worauf man in diesem Zusammenhang auch hinweisen sollte, ist das „norwegische Gleichstellungsparadoxon“, das darin besteht, dass Frauen gerade in den Gesellschaften, in denen die Freiheit der Frau verwirklicht wird, wieder vermehrt in die klassischen Frauenberufe gehen. Es musst allerdings schon ein (Soziologe und) Clown sein, der darauf aufmerksam machte:
    http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/harald-eia-gegen-den-gender-mainstream-das-wurde-haesslicher-als-ich-gedacht-habe-11899907.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

  51. Herr Harald Eia sagt in dem verlinkten Interview, dass Mädchen Naturwissenschaften einfach langweilig finden. Er sagt es an dieser Stelle nicht explizit, ich vermute aber, dass er dafür (auch?) genetische Gründe sieht. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft versucht seit Jahren die Zahl der Physikerinnen in Deutschland zu erhöhen und das bisher mit wenig Erfolg. Das könnte ein Grund sein.
    Ich stieß vor einiger Zeit auf einen Artikel über eine Zusammenarbeit der Universität Bern mit einer iranischen Universität (Teheran?). Die Schweizer waren erstaunt, dass im Iran der Frauenanteil in Physikalischer Technik bei über 60% lag. In Deutschland sind es eher 20%. Nur wie erkläre ich das nun wieder?

  52. „Ich stieß vor einiger Zeit auf einen Artikel über eine Zusammenarbeit der Universität Bern mit einer iranischen Universität (Teheran?). Die Schweizer waren erstaunt, dass im Iran der Frauenanteil in Physikalischer Technik bei über 60% lag. In Deutschland sind es eher 20%. Nur wie erkläre ich das nun wieder?“ (Henning Flessner)

    In einer eindeutig männlich dominierten Welt erscheinen die „männlichen“ Berufe subjektiv als ein möglicher Ausweg aus der männlichen Dominanz. Es ist ein Weg, selbst zum Mann zu werden, der in der gleichberechtigten Gesellschaft nicht mehr nötig ist.

    Wer genügend Zeit hat: Die komplette 7-teilige Reportage von Harald Eia ist unter dem Titel Brainwashing mit englischen Untertiteln auf Youtube zu finden.

  53. Habe eine brasilianische Starkstrom-Ingineurin kennengelernt, die hier als Exotin bestaunt wurde, weil das Fach hierzulande als eine absolute Männerdomaine ist. Sie wiederum staunte über den hohen Männeranteil, weil in ihrem Heimatland fast nur Frauen dieses Fach studieren.
    Wielleicht sagt dies mehr über die Beharrlichkeit von gesellschaftlichen Normen als über geschlechtsspezifische „Fähigkeiten“?

  54. Zugegeben, ich fische hier im Trüben:
    Aber könnte es nicht sein, dass es im Iran und in Brasilien weniger Arbeitsplätze für Pädagogen, Sozialarbeiter etc. gibt und sich das Angebot an Studienfächern von vornherein anders darstellt?

  55. An Brigitte Ernst:
    So weit liegen wir mit unseren Erfahrungen und Einschätzungen gar nicht auseinander.
    Aber ich will doch aus der Sicht eines Mannes und früheren Sohnes betonen, dass Söhne „starke“ Väter brauchen. Sie schwimmen sonst. Die Identität als Mann bedarf männlicher Vorbilder. Mütter vermitteln etwas Anderes.
    Was am Beispiel „Weiblichkeit“ aufgezeigt werden kann, ist, dass gerade das Gender-Mainstreaming viel zur Ideologisierung in der Geschlechterdebatte beigetragen hat. Die Verbissenheit, Intoleranz und auch Verbohrtheit einer Alice Schwarzer spielte dabei eine große Rolle. Gottseidank sind in der Folgezeit wesentlich klügere und weniger frühbelastete Frauen in die Emanzipationsdebatte eingestiegen.

    An Frank Wohlgemuth:
    Danke für Ihren Hinweis auf John Money 1975!
    Schreckliche Dinge müssen in dieser Zeit mit der Manipulation der Geschlechter (unter der Doktrin des Geschlechts als soziale Konstruktion) passiert sein.
    Das „norwegische Gleichstellungsparadoxon“ ist gar nicht so paradox. Die Norwegerinnen sind sowie nicht in so angestrengter Weise emanzipatorisch unterwegs. Da hilft der skandinavische Pragmatismus. Bei Frauen und Männern. Letztlich sind dann die klassischen Frauenberufe nicht entwürdigend oder anstössig für die Betroffenen.
    Den link aus der faz habe ich noch nicht gelesen.

  56. @ Jürgen Malyssek

    Was ist ein „starker“ Vater? Einer, der das Rollenklischee erfüllt, dominant und in einem „Männerberuf“ erfolgreich ist? Der sich seiner Frau als überlegen darstellen muss? Oder ein Mann mit einer in sich ruhenden Persönlichkeit, der sich von diesen Zwängen gelöst hat? Der souverän genug ist, auch seine „weichen“ Seiten zu zeigen und seinem Sohn damit ein Vorbild bietet?

    Zum Gender-Mainstreaming: Ich habe mich bisher wenig damit befasst, und es interessiert mich auch nicht sonderlich.
    Allerdings glaube ich eher, dass die Ideologisierung dessen, was unter Weiblichkeit zu verstehen sei, sich schon seit Jahrhunderten in den Köpfen von Männern (und leider auch Frauen) festgesetzt hat. Ich denke nur an die Sprüche in den Hörsälen der Universitäten der 50er und 60er Jahre: „Frauen bleibt an eueren Kochtöpfen“. Oder an die Herablassung und den Hohn, mit denen die Äußerungen der wenigen weiblichen Bundestagsabgeordneten in dieser Zeit von ihren männlichen Kollegen bisweilen quittiert wurden. Waren daran auch Alice Schwarzer und das Gender-Mainstreaming schuld?

  57. @ Werner Engelmann

    Die beiden von Ihnen geschilderten Episoden sind erschütternd. Ich würde sie in der Rubrik „schwarze Pädagogik“ einordnen, die in vielen Elternhäusern, Internaten und Kinderheimen bis in die 60er Jahre praktiziert wurde und in der Literatur seit dem 19. Jahrhundert vielfach dokumentiert ist (Bronte-Schwestern, Hermann Hesse etc.). Eine schreckliche Kinderschinderei, die für die Betroffenen traumatische Folgen hatte.
    Ich würde Ihnen recht geben, dass mit diesen Mitteln der Wille gebrochen werden sollte, denn das Erziehungsziel war ein Kind, das „gehorchen lernte“. Dabei gaben die Erzieher, wie Sie ebenfalls andeuten, die Wut über die selbst erlittenen Demütigungen und Schmerzen an die nächste Generation weiter.
    Was aber hat das mit dem Ausüben der männlichen Erziehungsgewalt zu tun? Nach Ihren eigenen Schilderungen führten die Nonnen in der Schule Ihrer Schwestern ein ähnliches Regime, und von denen konnte man ja nicht behaupten, dass sie irgendeine männliche Rolle übernommen hätten. Beide Geschlechter waren sich in bestimmten, oft religiös oder militärisch geprägten Kreisen bei der Ausübung dieses Erziehungsstils einig.
    Verstärkt wurde diese Grausamket und verdeckt ausgelebte Wut möglicherweise durch die Kriegstraumata, bei Ihrer Mutter speziell durch die überfordernde Situation, den Mann verloren zu haben und mit sieben Kindern allein dazustehen. Bereits mit Ehemann gehörte es auch damals wohl kaum zur Lebensplanung einer Frau, sieben Kinder zu bekommen, aber die kirchlichen Gebote sowie die begrenzten Mittel zur Geburtenregelung verurteilten Frauen dazu, quasi als Gebärmaschinen zu funktionieren. Dass das zu versteckten Aggressionen, möglicherweise auch gegen die eigenen Kinder, führte, die wahrscheinlich gleichzeitig mit Schuldgefühlen einhergingen, verwundert nicht.
    Der langen Rede kurzer Sinn: Ich sehe bei Ihrer Mutter und den Erziehungsmethoden, die sie Ihnen angedeihen ließ, weniger eine „Vermännlichung“ als vielmehr eine menschliche Überforderung. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich in eine Frauenrolle zurückgesehnt hat, in der sie, wie vorher, mit weiteren Geburten „gesegnet“ worden wäre. Was ihr und Ihren Schwestern fehlte, war viel eher ein selbsbestimmtes Leben sowie eine erfüllte Emotionalität und Sexualität.

  58. Es ist nicht falsch, eigene Erfahrungen auszuwerten und daraus abzuleiten, was man an seine Kinder weiter gibt, oder lieber nicht. Mein Eindruck in dieser aktuellen Diskussion ist, dass hier überwiegend die Nachkriegsgeneration spricht ( sie hat ja auch mehr Zeit). Das war eine ziemlich „vaterlose“ Zeit für viele und sicher auch folgenreich für die vaterlosen Söhne, die den von verwitweten Müttern übertragenen Aufgaben und Erwartungen nicht gewachsen waren. Meine – sehr begrenzten – Wahrnehmungen sind, dass diese heranwachsenden Jungen und späteren Männer, mit dieser Überforderung auch in ihrem späteren Leben zu kämpfen hatten. Von über ehrgeizigen Karrierebestrebungen bis zum zerstörerischen Selbsthass war da alles drin.
    Die Väter, die ich in meiner Kindheit und Jugend durch Freundinnen kennengelernt hatte, schienen mir alle böse und autoritär, deren Frauen sanfter mit den Sprösslingen, im heimlichen Verbund mit den Kindern („das darf der Vater nicht wissen“). Eine verlogene Zeit in den 50ern des vorigen Jahrhunderts.
    Das ist aber glücklicherweise vorbei. Auch wenn unsere Generation ihre Spuren davon getragen hat.
    Heute ist es aber anders. Frauen sind selbstbewusst, Männer schieben Kinderwagen durch den Park und für das Familieneinkommen sorgen beide. Und wenn sich Paare nicht mehr verstehen, dann ist es heute auch leichter, sich wieder von einander zu trennen und andere Lebensformen zu finden in anderen Konstellationen. Aber leider bleiben auch dabei manche Kinder wieder die Verlierer.

  59. An Brigitte Ernst:
    Ein starker Vater mit Anführungsstrichen, ist ein Mann, der sich nicht überlegen fühlt, aber an dem ein Maß an Selbstbewusstein zu erkennen ist, die einen Sohn „stark“ macht. Kein Pantoffelheld. Authentisch. Unsichere Väter machen Söhne rat- und orientierungslos. Es geht nicht um Heldentaten. Es geht um eine Grundverlässlichkeit. Verhalten, das Verhaltenssicherheit weiter vermitteln kann. Söhne brauchen Väter, die ein halbwegs intaktes Männerbild vermitteln. Die einem was zeigen können.

    Ansonsten mag ich Frauentypen wie Alice Schwarzer nicht, die so eine Härte und einen Dogmatismus in sich tragen, wo jeder Mann sich ständig als Täter zu fühlen hat. Darüber hinaus hat sie im Laufe der Zeit wenig eigene Glaubwürdigkeit vermittelt, in dem was sie zu verkünden hat und dem, was sie selbst praktiziert. Sie ist selbst machtbewußter als manch männlicher Zeitgenosse. Es gibt bessere Frauen-Vorbilder
    Das, was in Hörsälen der frühen Jahre zu verlauten war, das ist der Teil der Geschichte, wo es dann zu den 68ern kommen musste, gegen den Muff, gegen die alten Zöpfe, gegen die Dominanz der Männergesellschaft. Klar.

    An I. Werner:
    Die Väter, von denen Sie aus der Zeit Ihrer Erinnerungen sprechen, waren jedenfalls nicht alle böse und autoritär, die Frauen aber auch nicht alle sanfter und beschützender ihren Kindern gegenüber.
    Wenn Sie von einer verlogenen Zeit in den 1950ern sprechen, dann spielen die besonderen Nachkriegsgegebenheiten natürlich eine große Rolle.
    Die Zeit heute ist nicht minder verlogen, nur anders. Und viel mehr von Rollenunsicherheiten der Geschlechter geprägt als damals. Auch wenn da gerne auf den Putz gehauen wird. Nichts ist gut genug.
    Wenn Sie von selbstbewußten Frauen und von Kinderwagen schiebenden Männern, sprechen ist das bestimmt bemerkenswert. Aber die Schattenseiten deuten Sie ja auch an. So und so sind die Kinder die Verlierer und die ihrer kommenden Generation.

  60. @ I. Werner
    Auch ich freue mich, wenn ich heute meine Söhne, deren Partnerinnen und Freunde beobachte. Sie haben sich zum Glück schon ein gutes Stück von den alten Rollenklischees entfernt und es ist für beide Geschlechter selbstverständlich geworden, sowohl ihre Berufstätigkeit als auch die Erziehungsarbeit gleichberechtigt und gemeinsam wahrzunehmen. Ich halte eine solche Lebenseinstellung für eine gute Voraussetzungen für eine gelingende Partnerschaft bzw. Ehe, denn weder der Mann noch die Frau wird in seinen/ihren Entwicklungsmöglichkeiten gebremst und muss sich unterdrückt und zu kurz gekommen fühlen. Davon profitieren auch die Kinder, denn sie haben die Chance, einen engen Kontakt sowohl zum Vater als auch zur Mutter aufzubauen, und erleben die Mutter nicht als unzufriedene und unausgefüllte Frau.

    @ Jürgen Malyssek

    Da die früher festgelegten Rollen sich weitgehend aufgelöst haben, kann es natürlich auch zu Unsicherheiten kommen. Das finde ich aber eher positiv, weil Menschen, die sich und ihr Verhalten immer wieder hinterfragen, reflektiertere Persönlichkeiten sind und flexibler mit den Wechselfällen des Lebens umgehen können als solche, die nur in festgefahrenen Bahnen denken und handeln.
    In diesem Zusammenhang wüsste ich gern, worin Sie die die Schattenseiten des „moderneren“ Umgangs der Geschlechter miteinander sehen?

  61. An Brigitte Ernst:
    Zunächst einmal ist das, was Sie über die Lebensform Ihrer Söhne und Partnerinnen, Freunde berichten, durchaus repräsentativ. So kann man sich das weitestgehend in Familien, die ein sicheres Einkommen haben vorstellen, mit der Aufteilung von Berufs- und Erziehungsarbeit. Diese Selbstverständlichkeit ist offensichtlich da.

    Sie fragen nach den von mir erwähnten Schattenseiten des „moderneren“ Umgangs der Geschlechter, wie die wohl ausssehen?
    Da gibt es viele Aspekte, die die Auswirkungen der heutigen Geschlechterbeziehungen aufzeigen und die einer genaueren Betrachtung wert wären.

    Ich habe jetzt nicht das Idealbild einer gut funktionierenden Partnerschaft mit Kindern, Haus und Hof, im Blickfeld.
    Ein Ausgangspunkt der „Schattenseiten“ ist die bestehende Rollenunsicherheit in einer Gesellschaft, die ja viele Idealbilder von Partnerschaft und Rollenbild aufzuzeigen bemüht ist, damit das Geschäft gut funktioniert.
    Diese Idealbilder setzen Familien und Partner auch unter einem gewissen Druck, zu entsprechen.
    Die größte Rollenunsicherheit dürfte beim Mann vorliegen, der nicht mehr „Chef im Ring“ ist und durch die seit Jahrzehnten laufende Kritik am traditionellen Männerbild hat auch es dazu geführt, dass Männer als defizäre Wesen hingestellt werden, die eigentlich alles falsch machen. Die negativen Bilder von Männlichkeit, auch durch den ideologisch behafteten Teil des Feminismus verbreitet, sind durchaus gesellschaftsfähig geworden. Auf seiner schwierigen Suche nach eigener Identität (es gab ja seinerzeit einiges an Männerbewegung usw.), sind Männer zu sehr den Ansprüchen der meinungsbildenden (Betonung liegt auf meinungsbildenden …)Frauen erlegen und haben es nicht oder nur schwerlich geschafft, Stellung zu beziehen, zu sagen, was sie selber wollen. Das wäre eine wichtige Voraussetzung, um sich in der heutigen Welt neu zu definieren und ihre Rolle zu legitimieren. Die veränderte Arbeitswelt bringt die weiteren Probleme mit sich. Wenn man so will, es fehlt der Mut zur Männlichkeit. Jetzt spreche ich eigentlich nur auf einer Ebene der privilegierten und bessergestellten männerbewegten Gender-Diskussion. Je weiter man den Blick nach unten auf die unteren Skalen lebender, unterprivilegierter Männer senkt, desto deutlicher zeigen sich die unsicheren, in keiner verankerten Rolle befindlichen Beispiele.
    Da ich über Jahre mit unterprivilegierten Menschen (meist Männern) gearbeitet habe, ist gerade der Blick auf ganz unten sehr aufschlussreich. Bettler und Wohnungslose sind solche Menschen, die meist nur ein kleinbürgerliches Familien- und Rollenverständnis kennen (wenn’s denn überhaupt so weit kam) und aus dieser vergangenen Lebenswelt nichts mehr für heute mitnehmen können. Zur sozialen Randständigkeit gesellt sich dieses Erscheinungsbild eines untergegangenen Mannes, ohne Chance auf gesellschaftliche Akzeptanz. Arbeitslose Männer, die zuhause rumhängen müssen, und irgendwann es auch nicht mehr packen, sie haben nur noch null Selbstbewußtsein. Usw, usw.
    Manchmal aufflackerndes männliches Gehabe, ob oben oder unten, wirkt heute antiquiert und belustigend (was es meistens auch ist).
    Also summa summarum: Das gesellschaftliche Selbstbewusstein der Männer ist nicht sehr groß, auch wenn das jetzt gegen die Machtstellungen in der Arbeitswelt spricht. Das ist halt auch paradox.
    Ohne Frau an seiner Seite, die entweder jung, hübsch und anpassungsfähig ist, ist auch ein Trump nur ein armes Würstchen. Das ist wieder die Seite der Frauen, die auf der hohen Ebene der Gesellschaft wiederum ihren alten Rollenbild total entsprechen.
    Aber ich liste jetzt, statt weiter auszuholen, die Schattenseiten der moderneren Umgangs und Verhaltens der Geschlechter stichpunktartig auf.
    Zu allen Aspekten gäbe es vieles zu sagen (und ich habe natürlich die verschiedenen Familienbilder im Auge):
    – Die frühere strenge Erziehung ist durch eine Nicht- oder Mangelerziehung abgelöst worden.
    – Wir haben die Probleme der Alleinerziehenden, die eng mit dem Umgang der Geschlechter miteinander zusammenhängen.
    – Die Komplexität des „modernen“ Zusammenlebens, mit den vielen sich in die Quere kommenden Aufgaben und Ansprüchen untereinander.
    – Frauen im Männer-Habitus, um beruflich erfolgreich zu sein.
    – Die wenige freie Zeit der Kinder in den gängigen Familien, die alles wollen und immer das Beste fürs Kind (alles ist verplant)
    – Die Helikopter-Eltern, die unsicheren, die ängstlichen Mütter und Väter. Die klammernden Eltern.

    Und noch der Blick auf die Gesellschaft weiter unten:
    – Die Zunahme der drogensüchtigen Heranwachsenden.
    – Kinder und Jugendliche, die auf der Straße leben.
    Die verlorenen Kids.
    – Die wohlstandsverwahrlosten Kids auf der Straße, die keine emotionale Liebe in der Familie erfahren haben, weil Leistung, Reichtum und Erfolg das Leben zuhause betimmten. Liebe wurde mit Geld abgewickelt.
    – Die Rat- und Orientierungslosigkeit der Jungen, der Heranwachsenden (Mädels wie Jungs), die groß werden in Konstellationen, die ihnen keine authentischen Verhaltenssicherheiten mehr vermitteln, u.a., weil jeder nur noch mit sich und seinem Seelenheil beschäftigt ist.
    – Daraus erwächst eine Lebensuntüchtigkeit. Sie wird durch das Internet und Smartphone auch nicht gebessert.
    – Überhaupt, die neuen Lebensrisiken (auch am Beispiel von vielen neuen Krankheitsbildern) von Männern und Frauen. Beide Seiten sind in die Selbstverantwortung für ihr eigenes Leben geworfen.
    Die lebenslange Ehe und Partnerschaft ist zwar sehr altmodisch und war auch nicht gerade vom Feinsten. Aber die heutige Freiheit der Entscheidungen, führt auch zu anderen neuen Überforderungen des Individuums.
    Wenn’s heute gut läuft in der Partnerschaft, ist das schön und begrüßenswert. Aber es ist alles keineswegs leichter und überschaubarer für alle Beteiligten geworden. Von der ökonomischen Lage ganz zu schweigen.

  62. Oha – das sind jetzt wieder derartig lange Monologe… das ist dann keine Diskussiin mehr in meinen Augen! Stelken Sie sich mal eine Diskussiin unter Freunden vor, die so abläuft!
    Nach langem Zurűckscrollen @ Herrn Matyssek: oh doch, Weiblichkeit ubd Männlichkeit sind soziale Konstrukte im Sinne von Zuschreibungen, wie Männer und Frauen „sind“. Das hat nichts mit Gleichmacherei zu tun. Individuen sind sehr verschieden. Mein Ideal wäre, dass wir alle unsere weiblichen und männlichen Seiten entfalten dűrften und nicht von klein auf zugeschnitten bzw. zurechtgestutzt wűrden. Das fängt mit vermeintlichen Kleinigkeiten an wie der rosa und der blauen Kleidung für Babies und geht munter weiter mit den vielen zugeschriebenen Eigenschaften, die angeblich ein Mädchen bzw ein Junge hat.
    Dss engt Entwicklungsmőglichkeiten ein staat sie zu erweitern.

  63. @ Jürgen Malyssek

    Die Probleme, die Sie aufzählen, sind ohne Frage existent, haben aber zum Teil nichts mit dem Geschlechterverhältnis zu tun; z.B. das, was Sie Mangelerziehung nennen, des Weiteren die verplante Kindheit, die Helikopter-Eltern, eine gewisse Orientierungslosigkeit und Verhaltensunsicherheit unter Jugendlichen, der Ersatz von Liebe durch materielle Zuwendungen, das alles hängt wenig mit dem veränderten Verhältnis der Geschlechter zusammen, sondern ist eher darauf zurückzuführen, dass einerseits einstmals selbstverständliche, unhinterfragte Werte wie Religion, „bürgerliche Moral“ und Autorität mittlerweile infrage gestellt werden und unsere Gesellschaft andererseits stärker als früher auf materielle Werte ausgerichtet ist.

    Einige mit der Geschlechterrolle zusammenhängende Probleme, die Sie nennen, sind keine Besonderheiten der heutigen Zeit. Der Druck, einem festgelegten Ideal zu entsprechen, lastete früher eher stärker auf Frauen und Männern als heute. Von Frauen wurde gefordert, sich vom Mann bevormunden zu lassen, von ihm finanziell abhängig zu sein, dem Ehemann sexuell zu Willen zu sein und folglich so viele Kinder zu bekommen, wie sie der Herr(gott) schenkte, sowie sich mit den sehr begrenzten Entwicklungsmöglichkeiten und Betätigungsfeldern abzufinden, die einer Frau zugestanden wurden. Dieser Zwang war es dann ja auch, der die Frauen in den letzten 150 Jahren dazu veranlasste, für die Abschaffung dieser Rollenfixierung zu kämpfen.
    Und Männer, die aufgrund von Krankheit, Kriegstraumata und -verletzungen sowie Arbeitslosigkeit den an sie gestellten Anforderungen als Familienernährer nicht gerecht wurden, ihre innere Stabilität verloren und aus der Bahn geworfen wurden, gab es gerade zwischen den zwei Weltkriegen doch wirklich zu Genüge, Sie machten eine ganze verlorene Generation aus, die auch aufgrund dieser Orientierungslosigkeit leichte Beute für rechte Parolen waren, die gerade mit ihrem übersteigerten Männlichkeitsideal eine Scheinheilung für verletzte Männlichkeit boten.
    Und genau diese Ideologie, die den Menschen vorgab, wie sie sich als Mann, als Frau oder ganz allgemein als Mensch zu verhalten hatten, trug ja nun wahrlich nicht zu einer humanen Gesellschaft bei, sondern führte ganz im Gegenteil in die Entmenschlichung. Ein mündiger Mensch, ob Mann oder Frau, kommt nun mal nicht um eigene Entscheidungen herum, da helfen mit Sicherheit keine festen Rollenzuschreibungen. Vielmehr muss man die Jugendlichen stärken, ihnen helfen, ihren individuellen Weg zu finden.

    Im Übrigen kann ich Ihre Klage über die armen verunsicherten und von bösen Frauen verunglimpften Männer nicht ganz nachvollziehen angesichts der Tatsache, dass doch unbestreitbar bis heute die Vormachtstellung in unserer Gesellschaft von Männern besetzt ist. Diese werden von Frauen nur dann als defizitäre (weil unflexible) Wesen dargestellt, wenn sie sich herrschsüchtig an ihrer alten privilegierten Rolle festklammern und sich dagegen sträuben, Frauen wie gleichberechtigte Wesen zu behandeln.

  64. @ Hannah Erben
    Ich weiß nicht, ob das bewusst geschieht, aber Sie berufen sich da letztlich auf ein Schrift von John Money aus dem Jahr 1975, von der dieser sich schon wenige Jahre später wieder distanziert hatte. Bei der Vielschichtigkeit der menschlichen Persönlichkeit die Ebene der sozialen Konstruktion zu vergessen, war eine Dummheit, die lange vorherrschte. Davon auszugehen, dass es darunter keine biologische (genetische ist zu eng) Ebene mit eigener Formungskraft gäbe, ist eine Dummheit, die zur Zeit in einigen Kreisen noch „vorfraut“, und die man wohl soziologistisch nennen muss. Es ist das im Wesentlichen der Genetik gehorchende Hormonsystem, das für den Aufbau der primären und sekundäre Geschlechtsmerkmale verantwortlich ist, weshalb man die russischen Schwimmerinnen auch nicht durch Sprechakte formt(e?), sondern durch Hormongaben. Es sind auch Hormone, die wesentlich die geschlechtliche Identität formen. Allerdings sind da intrauterin auch die der Mutter dran beteiligt, weshalb es bei erheblich Schwankungen im Hormonhaushalt der Mutter dann da zu „Ausreißern“ (im statistischen Sinn) kommen kann.

    Die schon mit der Geburt festgelegten Unterschiede zwischen männlich und weiblich sind weder alle, noch in ihrer Streuung und Formungskraft hinreichend beschrieben – das ist ein Forschungsgegenstand, an dem gearbeitet wird. Aber als sinnvolle Faustformel kann man wohl annehmen, dass die soziale Konstruktion da besonders erfolgreich ist, wo sie der biologischen Prädisposition nicht widerspricht. Die aus meiner Generation, die mit viel Enthusiasmus und in gemeinsamen Projekten versuchten, ihre Kinder geschelchtsneutral zu erziehen, mussten so ziemlich alle feststellen, dass sie im Wesentlichen trotzdem wieder kleine Raufbolde und Klötzchenschmeißer auf der einen Seite und Puppenspielerinnen auf der anderen Seite großzogen. Die Aufzucht ihrer Enkel und teilweise schon Urenkel sehen sie in der großen Mehrheit auch schon erheblich weniger ideologisch.

    Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass für die kinderlosen unter diesen Frauen unter dem Titel der Genderforschung noch soziale Absicherungen geschaffen wurden, als diese Forschung in der Soziologie schon lange obsolet war. Die Genderforschung mit den überprüfbaren Ergebnissen findet im Wesentlichen in der Humanmedizin statt.

    Den Aufruf zu individuellen Freiheit unterschreibe ich aber sofort.

  65. An Hannach Erben:
    Alles, was man richtigerweise dem Glauben entgegensetzen muss!, dass Weiblichkeit und Männlichkeit eine soziale Konstruktion sei, das hat oben Frank Wohlgemuth in großer Klarheit festgestellt (Biologie/Genetik). Manchmal fühle ich mich Jahrzehnte zurückversetzt und finde es ziemlich haarig, dass sich die Ideologie der Geschlechterdebatte so lange festgesetzt hat. Man kann ja den Männern vieles vorwerfen, aber ich würde mir auch bei Frauen etwas weniger Verbissenheit in der Verteidigung der oft festgefahrenen Positionen wünschen. Um es deutlich auszudrücken: Alice Schwarzer und Gefolgschaften haben nicht nur Segen gebracht. Die jungen Frauen sind da gottseidank schon viel lockerer.

    An Brigitte Ernst:
    Ich habe gleich zu Anfang gesagt, dass ich die Geschlechterbeziehung mit den Auswirkungen auf die Familie verbinde. Natürlich hängen nicht alle Stichpunkte von mir mit dem Geschlechterverhöltnis zusammen, zumindest nicht direkt.
    Aber die Modelle des Zusammenlebens vielfach schon.
    Ich spreche ja auch nicht monokausal über die Dinge, sonst müsste man weiter ausholen, und dann ist es Frau Erben auch nicht recht.
    Wenn Sie von früheren und heutigen Zwängen von Frau und Mann sprechen, dann sagt es gerade aus, dass sich vieles verändert hat. Aber bei genauer Betrachtung sind die neuen Zwänge, Rollenbilder, Ideale auch nicht gerade so, dass man Luftsprünge machen müsste vor Begeisterung.
    Sie können auch nicht die Männerprobleme von heute mit denen der Kriegs- und Nachkriegszeit vergleichen. Das kriegt so eine Beliebigkeit und festigt eher das Rollendenken als dass man die (feinen) Unterschiede sich betrachtet. Vor allem – und das bitte ich nun wirklich zu registrieren: Ich rede von diesen geschädigten Männerbildern (am Beispiel des sozialen Abstiegs und der Arbeitslosigkeit – gestern übrigens im ARD-Panoram glänzend dokumentiert und kommentiert!) heute in der Wohlstands- und Überflussgesellschaft, wo der tiefe soziale Fall und die Schädigungen ganz andere Gesichter zeigen als damals.
    Ich habe auch klar gesagt, dass ich heutiges bestimmtes Männergehabe oft lächerlich finde. Beispiel: Die Machos – ziemlich substanzlos.
    Aber ich erwarte auch, dass von Seiten der Frauen auch ihre modernen Ideale und Rollenverhalten etwas kritisch unter die Lupe genommen werden, sich nicht kleiner machen als sie sind. Und nochmal, zu dem was Frank Wohlgemuth oben dargelegt hat, dass man auch aufhören sollte an dem biologisch-genetischen Ausgangspunkt von Mann und Frau herumzukritteln.
    Eine Identität als Mann zu haben, ist doch kein Grund, sich dafür auch noch rechtfertigen zu müssen. Beide Geschlechter und von mir aus gemischte sind Menschen. Klar. Das muss reichen.
    Ich bestreite auch nicht die noch herrschende gesellschaftliche Vormachtstellung der Männer. Die Frauen holen jedenfalls auf. In vielen Bereichen agieren Frauen auch besser als Männer. Aber sobald es um Macht geht, wird es auf beiden Seiten eng.
    Last but not least: Ich finde es auch nicht so schlimm, aber Frauen nehmen sich inzwischen gut Raum, um sich über die Männer öffentlich lächerlich
    zu machen (u.a.TV-Sendungen).

  66. Ich beziehe mich nicht auf John Money, sondern auf die kanadische Wissenschaftlerin Cordelia Fine und ihr Buch: Die Geschlechterlüge. SIe vergleicht jede Menge Forschungsergebnisse über das angeblich angeborene Weibliche und Männliche. da werden schon liebgewordene Glaubenssätze deutlich erschüttert. Und von daher geht der Gedankensprung mit einem Satz zu den 22% durchschnittlichem Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Es geht gar nicht um eventuelle Unterschiede, sondern um die Bewertung derselben. Mit welchem Recht werden soziale und gesundheitliche Berufe so viel schlechter bezahlt? warum bekommen auch Frauen, die keine Kinder haben und nicht Teilzeit arbeiten – ja sogar Künstlerinnen, Schauspielerinnen und Regisseurinnen deutlich weniger Geld als vergleichbarr tätige Männer? Und das öffentlich lächerlich machen von Männern? IHaben Sie schon mal Marrio Barth geguckt und seine plumpen Witze? Oder die Rapper gehört mit ihren Texten? Aggressionen gibt es jedenfalls auf beiden Seiten nicht zu knapp. Und bisher immer noch -leider – mit mehr Berechtigung dazu auf „unserer“ Seite!

  67. Dass sowohl die biologische Präsdiposition als auch die Sozialisation bei der Entwicklung geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen eine Rolle spielen, würde auch ich akzeptieren. Die Frage ist nur, in welchem Verhältnis die beiden Komponenten zueinander stehen. 50% Biologie und 50% Sozialisation, oder wie ist das aufzuteilen? Und welche Fähigkeiten und Neigungen fallen in die eine, welche in die andere Kategorie? Mittlerweile weiß man zumindest, dass vieles, was Frauen noch vor 100 Jahren ob ihrer angeblich geringeren Intelligenz nicht zugetraut wurde, heute problemlos von ihnen geleistet wird.

    Zu Frank Wohlgemuth
    Ihr Wortkonstrukt „vorfraut“ ist verunglückt. Das Verb heißt „vorherrschen“ und kann sich auf Männer und Frauen beziehen. Die dazugehörigen Substantive heißen „Herrscher“ und „Herrscherin“. Aber das nur nebenbei.

    Interessant finde ich Ihren Hinweis auf die Beobachtung, trotz aller Versuche einer geschlechtsneutralen Erziehung hätten sich die Jungen doch zu Raufbolden und Klötzchenschmeißern und die Mädchen zu Puppenspielerinnen entwickelt. Das bedeutet doch nichts anderes als das Eingeständnis, dass Jungen bzw. Männer von Natur aus zu Aggressivität und Destruktivität neigen und ihnen das auch nicht auszutreiben sei. Und Herr Malyssek wirft den Feministinnen vor, sie stellten Männer als defizitäre Wesen dar, dabei sind es die Männer selbst, die diese Defizite auch noch als angeborene „Männlichkeit“ preisen. Befremdlich!

    Bei der Rückschau auf meine eigene Entwicklung kann ich sagen, dass die angeblich vorprogrammierten geschlechtsspezifischen Interessen nicht notwendig so einseitig sein müssen. Meine Eltern schenkten mir (Jahrgang 1946) sowohl Puppen als auch Autos und eine Eisenbahn, und ich spielte begeistert damit. Ich spielte mit meinen Freundinnen und Freunden sowohl Vater, Mutter und Kind als auch Cowboy und Indianer. Eines meiner Lieblingsspielzeuge war mein Märklinbaukasten, mit dem ich Fahrzeuge und kleine Maschinen konstruierte. Und ein Eisenbahnfan bin ich heute noch. Mit meinem Vater ging ich zum Angeln, Rudern und Schwimmen, meine Mutter baute Legohäuser mit mir, worauf ich mein heutiges Interesse für Architektur zurückführe.
    Möglicherweise neigte ich nicht so sehr zu Raufereien wie Sie es bei Jungen beobachten, aber frech und aufsässig war ich auch zu Genüge, während meine beiden Söhne als Kinder eher von friedlichem Naturell waren.
    Geschadet hat mir diese geschlechsgemischte Sozialisation mit Sicherheit nicht, sie hat mir vielmehr die Möglichkeit geboten, ein breites Spektrum von Fähigkeiten und Interessen zu entwickeln.
    Deshalb beobachte ich mit Bedauern, dass die kleinen Mädchen heute wieder viel stärker, als es in meiner Generation der Fall war, auf die Farbe Rosa und auf Girlie-Spielzeug beschränkt und mit Schminkkästen und Barbie als Vorbild schon früh in eine Weibchenrolle gedrängt werden. Ich halte das für einen Rückschritt.

  68. „Das bedeutet doch nichts anderes als das Eingeständnis, dass Jungen bzw. Männer von Natur aus zu Aggressivität und Destruktivität neigen und ihnen das auch nicht auszutreiben sei.“ (Brigitte Ernst)

    @ Brigitte Ernst
    Ich frage mich, wo Sie die Destruktivität zu Ihrer Interpretation hernehmen.
    Aggressivität ja. Jungs sind eher bereit, sich körperlich für einen höheren Rang zu engagieren. Jungs können auch leichter zu gemeinsamen körperlichen Aktionen stimuliert werden. Was man nicht überstrapazieren sollte, weil wir nicht wissen, ob dieses Verhalten nicht doch eine eigene Entwicklung der Schimpansen statt eines gemeinsamen Erbes ist: Es waren junge Männchen, die Jane Goodall beim Kriegszug gegen die Abtrünnigen beobachtete.

    Aber die Rollenverteilung über ca 2 Millionen Jahre Menschenentwicklung ist ziemlich klar und heute noch am Körperbau abzulesen: Männer sind für Kampf und Jagd gebaut. Das Hormonsystem bestimmt da nicht nur den Körperbau, sondern auch die Disposition zur Aggression. In der Praxis stellen wir aber fest, dass das an der Einordnung in eine Hierarchie nicht hindert, im Gegenteil: Auch bei Männern wird das Eingebundensein in eine stabile Hierarchie als Harmonie empfunden, der Anteil der unbedingt „Aufstiegswilligen“ lässt nach der Pubertät stark nach.

    Es wäre ausgesprochen naiv, sich vorzustellen, dass die Natur diesen Körperbau selektieren könne, ohne seine Benutzung sicherzustellen. Die Evolution läuft im Gegenteil andersherum: Das Verhalten ist die vorweglaufende Selektionsbedingung für die körperliche Anpassung.

    Die kulturelle Formbarkeit des Menschen trifft also auf vorhandene Dispositionen, die geschlechtsspezifisch sind.

  69. Ich bin froh, dass Frank Wohlgemuth so tapfer mitdiskutiert und ich kann nur sagen, dass das, was er bei den beiden letzten Wortmeldungen zu sagen hatte, im Wesentlichen auch meine Standpunkte eng berührt. Ich würde es jetzt auch nicht besser ausdrücken. Ich wiederhole: Biologie, Genetik, Menschheitsentwicklung und Rollenverteilung …

    Man kann es in einer feministisch festgefahrenen Debatte drehen und wenden wie man will: Alles was auch dem Munde eines Mannes kommt, ist von vorneherein verdächtig und vor allem gewaltgeprägt. Frauenfeindlich sowieso. Dabei spüre ich auch hier eine zumindest untergründige Feindseligkeit gegenüber dem Mann, der scheinbar alles beherrscht auf dieser Welt. Es hat zum Beispiel niemand behauptet, dass Frauen weniger intelligent sind als Männer. Sie sind anders intelligent. Wenn ich mein Leben in all den Jahren mir so zurechtgezimmert hätte, dass Frauen per se meine Gegenerschaft sind, dann würde ich ganz schön beschissen da stehen. Es gibt genug zu kritisieren (meine Frau weiß das bestimmt). Aber ich kriege auch mein Fett ab. Meistens haben wir beide irgendwie recht. Wir wissen aber, dass wir etwas anders ticken. Das aber auch nicht nur wegen des jeweis anderen Geschlechts, sondern auch wegen des unterschiedlichen familiären Hintergrundes.
    Nochmals und schlussendlich: Ich möchte nicht weiter in einer pseudowissenschaftliche Debatte hängenbleiben, wenn es in Wirklichkeit um ganz andere Hintergründe geht, die viel damit zu tun haben, wie man aufgewachsen ist und was man daraus gemacht hat. Zu Alice Schwarzer und Gefolgschaft habe ich mich schon geäußert. Es reicht dann.
    Alles Andere: siehe Frank Wohlgemuth, der anscheinend auch nicht in einer bloßen Rollenstarre hängengeblieben ist, sondern irgendwie weiß, was die (auch nützlichen) Unterschiede der Geschlechter ausmachen. Ich sage zum Thema jetzt nichts mehr.

  70. So sieht es ja auch aus: WENN alle ihre je eigenen Potentiale entfalten können und nicht mehr frühzeitig in Schubladen gesteckt werden. WENN alle Eigenschaften gleich viel wert sind – nicht (nur) in Geldeswert sondern im Sinne von Anerkennung und Freude an der Unterschiedlichkeit – WENN wir es akzeptieren können, dass wir unterschiedlich sind als Menschen, nicht als Zugehörige eines Geschlechtes und das auch in Ordnung ist und WENN der Respekt sich auch erstreckt auf die körperliche Integrität eines jeden Menschen, ob Weib, ob Mann, ob Transvestit oder als Mensch, der außen anders aussieht als er/sie/es sich innerlich fühlt – DANN sind wir wesentlich weiter gekommen.
    Und wie eine frühe Vorrednerin so richtig sagte: es gibt sehr viele Gebiete auf der Welt, wo es mit der Geschlechtergerechtigkeit furchtbar schlecht aussieht. Dagegen können wir durchaus sagen, dass wir uns schon ein Stückchen weiter Richtung Insel der Seligen voran gearbeitet haben. Aber diese Teil-Idylle ist bisher noch sehr bedroht und kann wie so vieles andere, was ich schon für sicher geglaubt habe anscheinend auch wieder zurückfallen in finstere Zeiten – wie z.B. der Nationalismus, das Anzünden von Flüchtlingsheimen etc.
    So – wäre das nicht ein schönes Schlusswort unter diese Debatte?

  71. Ich hätte da schon noch einiges zu sagen.

    Es war Frank Wohlgemuth, der von Klötzchenschmeißern sprach. Und das sind die relativ harmlosen Anfänge einer Aggressivität, die körperlich verletzt und in späterem Alter zu der statistisch bei Männern erwiesenen größeren Gewaltbereitschaft führt.
    Ein anderes Zitat: „Männer sind für Kampf und Jagd gebaut“. Wenn das richtig ist, haben die Männer heute ein Problem. In grauer Vorzeit mag eine solche Veranlagung mal einen gesellschaftlichen Nutzen gehabt, d.h. das Überleben der Sippe gesichert haben. In unseren heutigen entwickelten Gesellschaften, in denen die Menschen im Interesse ihres Überlebens endlich lernen müssen, friedlich miteinander umzugehen, ist eine solche biologische Prädisposition eher schädlich.
    Konsequenterweise könnte man sagen, solche „typisch männlichen“ Männer werden heute nicht mehr gebraucht, weil sie ein Auslaufmodell sind.

  72. @ Hannah Erben  
    „WENN alle ihre je eigenen Potentiale entfalten können und nicht mehr frühzeitig in Schubladen gesteckt werden. WENN alle Eigenschaften gleich viel wert sind – nicht (nur) in Geldeswert sondern im Sinne von Anerkennung und Freude an der Unterschiedlichkeit – WENN wir es akzeptieren können, dass wir unterschiedlich sind als Menschen, nicht als Zugehörige eines Geschlechtes und das auch in Ordnung ist und WENN der Respekt sich auch erstreckt auf die körperliche Integrität eines jeden Menschen, ob Weib, ob Mann, ob Transvestit oder als Mensch, der außen anders aussieht als er/sie/es sich innerlich fühlt – DANN sind wir wesentlich weiter gekommen.“
    Zustimmung, aber so weit sind wir nicht. Ich finde zwar, dass wir schon ziemlich weit gekommen sind auf unserer kleinen Insel, aber leider können sich auch hier nicht alle Potenziale entfalten, das ist immer noch eine Frage des Milieus, aus dem man kommt, das kann bremsen oder befördern. Gesamtgesellschaftlich sind wir zwar weiter, aber was sich im innerfamiliären Bereich abspielt an Vorbehalten für Abweichungen der tradierten Vorstellungen, das kann tragische Folgen haben.

  73. @ Brigitte Ernst, 1. März 2017 um 0:35

    Erstmal danke für Ihren Kommentar zu meinem sehr persönlichen Beitrag, auf den ich (wegen teils fehlenden Internetzugangs) erst jetzt eingehen kann.
    Der ist hier (darin sind wir uns wohl einig) in distanzierter Sicht, als Dokument eines Zeitzeugen, zu werten. Der verdeutlichen kann, auf welchen Kämpfen aufbaut, was Sie „ein selbstbestimmtes Leben“ nennen. Und auch, was es konkret bedeutet, wenn (so in einem Bericht von einer AfD-Versammlung) „Rückkehr“ zu Verhältnissen „vor 50 Jahren“ gefordert wird: Rückkehr zu einem gesellschaftlichen Prinzip, das individuelle Entfaltung gerade nicht zulässt und deshalb des „pädagogischen“ Mittels gezielter Demütigung bedarf („den Eigensinn brechen“).
    Ich räume ein, dass (vor dem Hintergrund aktueller Genderdebatte) die von mir verwandte Terminologie eigenwillig und unpräzise erscheinen mag. Was wohl einem zunächst individuellen Erkenntnisinteresse geschuldet ist: zu begreifen, was den kleinen Knirps, der ich war, befähigte, was mit ihm geschah und ihn zum Objekt erniedrigte, intuitiv als Bedrohung seiner Existenz zu erfassen und ihn dazu brachte, all seine Widerstandskräfte („Eigensinn“) zu mobilisieren.

    Dazu Stellungnahmen im einzelnen:
    (1) „Ich sehe bei Ihrer Mutter und den Erziehungsmethoden, die sie Ihnen angedeihen ließ, weniger eine „Vermännlichung“ als vielmehr eine menschliche Überforderung.“
    Natürlich trifft letzteres auch zu. Aber das ist nicht als Gegensatz zu begreifen. „Vermännlichung“ ist hier symbolisch zu verstehen als Aufokroyierung eines fremden „Prinzips“, dem die eigene „Natur“ (eigene Bedürfnisse u.a.) bis zur Selbstaufgabe, unterzuordnen ist.
    Im Fall meiner Mutter konkret: Ein in der Erinnerung aufbewahrtes, idealisiertes Bild vom „Vater“ und von „Männlichkeit“, dessen Erbe sie völlig unvorbereitet angetreten hatte, setzte einerseits enorme Kräfte frei, sich, im Überlebensinteresse der eigenen Famlie, zu behaupten. Es führte andererseits aber auch zur Selbstzerstörung, zur Aufgabe nicht nur eigener, „weiblicher“ Bedürfnisse, sondern auch mitmenschlicher Regungen, für die für mich – in diesem Zusammenhang – „Weiblichkeit“ als Synonym steht.
    Was obsiegte, war ein dezidiert frauen- , darüber hinaus auch menschenfeindliches Prinzip, wenn man „Frauenrechte“ als Recht auf eigene Identität und damit schlicht als „Menschenrecht“ begreift. Von dem oben genannten 6jährigen „Knirps“ intuitiv durch die Beobachtung erfasst (und in sich aufbewahrt), wie zur Erfüllung dieses „Prinzips“ eigene, menschliche Regungen niedergerungen wurden.

    Hinter diesem individuellen Geschehen aber steht ein gesellschaftliches Prinzip: die moralische wie sprachliche Umwertung von Werten, die Verkehrung in ihr Gegenteil. Ein Problem, das weit über die Genderdebatte hinausreicht, z.B. in die Faschismusdebatte hinein. So etwa dokumentiert bei Auschwitzkommandant Rudof Höß, seinem Stolz, jegliche „störende“ Menschlichkeit als „Schwäche“ bekämpft zu haben, um seiner „großen“ bürokratischen Vernichtungsaufgabe gerecht zu werden. Ähnlich bei Himmler oder Eichmann, was Hannah Arendt zur These von der „Banalität des Bösen“bewegte. Diese Erörterung würde hier freilich zu weit führen.
    Wichtig aber darauf zu verweisen, dass das gleiche Prinzip der Perversion bei allen „populistischen“ Bewegungen auftaucht, von Pegidas „Lügenpresse“ bis zu den Trumpschen „Fakes“, und so Sprache und Denken verhunzt (angefangen beim Unwort „Gutmensch“).
    Und noch wichtiger, den Ursachen des Faktums nachzugehen, dass alle „Populisten“, Autokraten und Möchtegern-Diktatoren, ob Trump, Putin, Erdogan, Kaczinsky, Orban, LePen, Petry (um nur einige zu nennen) dezidierte Verfechter eines reaktionären Frauen- und Familienbilds sind, mit ebenso dezidierten homophoben, teils rassistischen Einschlägen.

    (2) „schwarze Pädagogik“:
    Man kann, was ich als eigene Kindheitserfahrung der 50er Jahre geschildert habe, sicher so bezeichnen. Man kann darin aber auch – fast Wort für Wort – die zusammenfassende Beschreibung der türkisch-muslimischen Familienstruktur durch Necla Kelek („Die verlorenen Söhne“, S.264) erkennen, durch 11 Interviews mit türkisch-muslimischen Straffälligen eindrucksvoll belegt: „In Wahrheit ist die Familie ein Kontrollsystem, in dem das Wort der Väter Gesetz ist und die Söhne die Rolle der Wächter über Frauen und Kinder spielen.“
    Was zugleich höchst aktuelle Bedeutung besitzt: Wenn ich – in Deutschland sozialisierte (!) – junge Erdogan- Fans naiv-schwärmerisch von ihm als ihrem „Vater“ reden höre, der ihnen ihren „Stolz“ zurückgegeben“ habe, dann tritt mir in geradezu makabrer Weise die eigene, längst überwunden geglaubte Vergangenheit entgegen.
    Ein perverses Prinzip der Ersatzidentät, das aber nicht nur muslimisch geprägte Ideologien und Gemeinschaften bestimmt, sondern, mit nur unwesentlichen Verschiebungen, auch selbsternannte „Abendlandretter“, was im Frauen- und Familienbild besonders deutlich hervortritt. Was auch in blindwütigen Angriffen von dieser Seite auf „links-grün versifftes Establishment“ und „Genderisierung“ sichtbar wird, aus denen „Populisten“ ihre Entschlossenheit, ihr Bewusstsein vom Besitz der „Wahrheit“ und von „Volksnähe“ saugen.

    Ich rechne es uns (und natürlich auch der Frauenbewegung) als Verdienst an, diesen Teufelskreis durchbrochen zu haben, der menschenfeindliche Ersatzidentitäten, Demütigung anderer zur Aufrechterhaltung des eigenen Selbstbilds benötigt und dieses Prinzip an die nachfolgende Generation weitergibt. Wodurch wir unseren Kindern erst, wie Sie es nennen, ein „selbstbestimmtes Leben sowie eine erfüllte Emotionalität und Sexualität“ ermöglichen.
    Was aber die Erben, die von diesen Kämpfen profitieren (dies tun auch Petry und v.Storch!) nicht nur zur Verwaltung, sondern auch zum Erhalt des Erworbenen verpflichtet. Konkret: Zu begreifen, dass angesichts der Vielzahl von Herausforderungen längst schon individuelle Selbstbestimmung als Ganze zur Debatte steht und zu verteidigen ist.
    Was erfordert, den unter (1) genannten Zusammenhängen nicht nur nachzugehen, sondern sich den Herausforderungen zu stellen und konsistente Verteidigungskonzepte zu entwickeln, statt sich in akademischen Debatten über „Frauen- und Männersprache“ und teils lächerlichen Sprachexperimenten zu verzetteln und – schlimmer noch – durch Eröffnung falscher Fronten solche Entwicklungen auch noch zu fördern.
    So positiv veränderte Verhaltensweisen der Geschlechter zueinander zumindest in unseren Breiten insgesamt zu bewerten sind: Dass die Bedeutung der genannten Herausforderung überhaupt nur begriffen worden ist, kann ich leider in der aktuellen Genderdebatte nicht erkennen – auch nicht in der um „soziale Konstruktion“.
    Es tut mir leid, auf diese Weise eine Debatte zu stören, die mir stellenweise doch wie die auf einer Wohlstandsinsel vorkommt, die von der realen Wirklichkeit noch nicht allzu sehr berührt wurde.
    Den Aufruf von Bascha Mika, „Mischt euch ein!“ interpretiere ich dessen ungeachtet in der oben angesprochenen Weise.

    P.S.: Volle Zustimmung zu Ihren Äußerungen über „die Farbe Rosa“ und „Girlie-Spielzeug (4. März 2017 um 1:56): Ich nenne es in meinem Roman die Rückkehr des „Strampelhosen-Prinzips“: Rosa für Mädchen, Hellblau für Jungen. Dass sich dies bie heute nicht geändert hat, sollte allerdings zu denken geben.

  74. @ Werner Engelmann
    Zusätzlich zu meiner vollen Zustimmung noch ein Aspekt, der mich besonders erbost. Wenn ich gegen etwas allergisch bin, dann ist es Verlogenheit. Und die entdecke ich im Übermaß bei Frauke Petry. Sie propagiert nämlich ein Frauen- und Familienbild, das sie selbst gar nicht lebt, nämlich das der eine große Kinderschar zu Hause betreuenden Familienmutter. Sie selbst dagegen konnte sich bei ihrem hohen politischen Einsatz wohl kaum entsprechend um ihr viertes Kind kümmern, und das zu erwartende wird wegen des Wahlkampfes im Herbst weder vom Vater noch von der Mutter betreut werden.
    Aber dieses Pharisäertum findet man ja auch bei bekannten CSU-Größen, die ständig die christliche Ehe und Familie im Munde führen, selbst aber ein Leben mit Scheidung und Geliebter führen.

  75. Liebe Bascha Mika, es war ja Ihr Aufruf „Mischt euch ein!“, zu dem hier geschrieben worden ist.
    Vieles von dem, was Sie schrieben, ist hier kontrovers diskutiert worden – gekräht und gegockelt wurde auch (nicht nur von den Männern…). Vielleicht haben Sie ja Lust, was dazu zu schreiben.
    Ich zumindest fänd das gut.

  76. Bevor Bronski diesen Thread schließt (bzw. die nächste Internetsperre eintritt) hier noch ein Resümee der anfangs angesprochenen sprachlichen Problematik mit dem Versuch eines positiven Ausblicks.

    Eine emanzipatorisch ausgerichtete Genderdiskussion hat sich der gegenwärtigen Kritik zu stellen, selbst wenn diese vor allem aus rechtspopulistischer Ecke heraus erfolgt. Deren Feindbilder lauten „political correctness“ und „Genderisierung“ („Pegida“: gelegentlch auch „Genderwahn“)
    Die Emotionalität und Schärfe dieser Debatte ist zunächst dadurch bestimmt, dass Menschen sich nicht gerne vorschreiben lassen, wie sie zu reden haben. Sie fühlen sich dadurch manipuliert. Dies ist verständlich.
    Darüberhinaus ist nicht alles an dieser Kritik als bloß ideologisch und rückwärtsgewandt vom Tisch zu wischen. Wer etwa Stellenausschreibungen nach sprachlichen Lächerlichkeiten durchsucht, wird schnell fündig, Etwa, wenn das gute alte Wort „Lehrling“ durch ein unaussprechbares bürokratisches Sprachmonster „Auszubildende(r)“ verdrängt wurde. Mit der richtigen Intention der Bekämpfung sprachlich kodifizierter Diskriminierung (etwa in „Neger“/“Nigger“ oder „Zigeuner“) hat dies nichts mehr zu tun.
    Auf die von radikalfeministischer Seite (keineswegs nur von Frauen!) betriebene Herumfummelei am Sprachsystem als vermeintlich adäquatem Mittel der Durchsetzung eigener Weltsicht (ob „progressiv“ oder nicht) habe ich bereits verwiesen.
    Hieraus positive Aspekte zu gewinnen, erfordert allerdings eine nähere, auch theoretische Untersuchung, was ich im Folgenden versuche.

    (1) „Langue“ und „parole“ – Sprachsystem und Sprechakt und ihre Veränderung:
    (a) „Langue“ als „System von Zeichen und grammatischen Regeln“ ist ein kontextunabhängiges System, bei natürlichen Sprachen historisch mit Mängeln behaftet. Es ist zwar auch historischen Veränderungen unterworfen, allerdings nur extrem langsam, über Jahrhunderte hinweg. Schon dies erweist Vorstellungen, ideologisch gewünschte Verhaltensweisen seien über Veränderung des Sprachsystems erreichbar, als reichlich absurd.
    Ein Beispiel für lexikalische Veränderung („Zeichen“) ist der Bedeutungswandel vom Mittelhochdeutschen „frouwe“=Herrin zur Geschlechtsbezeichnung, von „wîp“=Frau zur abwertenden Bezeichnung „Weib“. Grammatisch etwa die Verneinung im Französischen von ursprünglich „ne“ über die schriftsprachliche Klammer „ne…pas“ zum umgangsprachlichen „pas“ als alleiniger Verneinungspartikel („J’sais pas“ – Ich weiß nicht.)
    (b) „Parole“ (der Sprechakt) ist immer kontextabhängig und nur in diesem Zusammenhang zu verstehen. Massenhafter Gebrauch von Sprechakten in bestimmten Kontexten prägt den Inhalt von Bedeutungen (Zuordnung von Assoziationen). Diese können sehr raschem Wandel unterworfen sein. Durch die „demokratisierende“ Wirkung des Internets wird dies noch beschleunigt. Dies schafft einerseits neue kreative Ausdrucksmöglichkeiten, andererseits erweitert es auch die Möglichkeiten der Manipulation durch Sprache.

    (2) Ideologische Sprachprägung und Sprachmanipulation:
    Sprachmanipulation (vgl. Orwells „Neusprech“) wird massenhaft zunächst von diktatorischen Regimen als Mittel der Steuerung von Menschen über „Gehirnwäsche“ benutzt. Stalinistische Sprachsteuerung (z.B. „antifaschistischer Schutzwall“) und faschististische Sprachmanipulation (z.B. „Blut und Boden“, „völkisch“) stechen besonders hervor. Der Zugriff erfolgt dabei über eine Überschwemmung mit Sprechakten (vgl NS-Presse) mit dem Ziel, Definitionshoheit über Begriffe zu erlangen und diese zu verordnen.
    Doch auch rechts-„populistische“ Bewegungen tun sich dabei hervor, auf ähnliche Weise nationalistisch-rassistische Denkweisen hoffähig zu machen (Petry: „völkisch“) oder ihnen widersprechende Einstellungen zu diskreditieren („Gutmensch“: Diskreditierung von Empathie als „naiv“).
    Auch feministische Versuche von Sprachprägung sind nicht von vornherein vom Verdacht der Sprachmanipulation ausgenommen. Herumfummelei an grammatischen („man/frau“) und orthografischen Ausprägungen des Sprachsystems („LehrerInnen“) mit dem Impetus der Verordnung „korrekten“ Sprachverhaltens bietet genügend Anlass zu Misstrauen. Die (unter 1a angesprochene) erkennbare Ignoranz tut da noch ihr Übriges. Und Reaktionen, nicht nur von „Populisten“, belegen, dass eher das Gegenteil erreicht wird (vgl. Eingangsbemerkung).

    (3) Pragmatischer Umgang am Beispiel des Französischen:
    Im französischen Sprachsystem (durch gezielte „Sprachpflege“, besonders während der französischen „Klassik“ zurechtgestutzt – man kann auch sagen: verarmt) erscheint das „feministische“ Dilemma noch größer als im Deutschen, indem es keine ausreichenden Unterscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. So etwa ist – vom System her – im Wort „l’homme“ die Bedeutung „Mensch“ nicht unterscheidbar von „Mann“. Dennoch käme kein Franzose auf die absurde Idee, ein neues Pronomen „on/femme“ zu schaffen, wiewohl auch „on“ ethymologisch von „homme“ abgeleitet ist. Denn für die Bedeutungszuordnung spielt die ethymologische Herkunft eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, welche Bewusstseinsinhalte im realen Sprechakt zugeordnet werden.
    Dieser aber ist durch den Kontext bestimmt, der auch hier trotz systemischer Mehrdeutigkeit Eindeutigkeit schafft: Im geografischen oder historisch-politischen Kontext heißt „homme“ „Mensch“. „Les droits de l’homme“ sind dem entsprechend „Menschenrechte“ und nicht „Männerrechte“. In der Gegenüberstellung zu „femme“ ist es dagegen mit „Mann“ zu übersetzen.
    Trotz mangelnder Perfektion des Systems bietet Sprache im Kontext von Sprechakten pragmatische Lösungen und sorgt so für ausreichende Eindeutigkeit.
    Dies gilt auch für unzureichende Genderbezeichnung.
    So wird eine Ministerin mit „Madame le ministre“ angesprochen, ohne dass sie damit zum Mann mutiert und Feministinnen auf die Barrikaden gehen: „Le ministre“ wird genderneutral als die entsprechende Amtsbezeichnung angesehen. Eine pragmatische Lösung, die der Saussureschen Erkenntnis Rechnung trägt, dass sprachliche Zeichen „willkürlich“ sind, also kein Grund besteht – Ethymologie hin oder her -, in den Artikel „le“ einen Männlichkeitswahn hinein zu geheimnissen.

    (4) Pragmatische Lösung des sprachlichen Genderproblems:
    Der unter (3) genannte pragmatische Lösungsansatz geht davon aus, dass ein Sprachproblem nicht verallgemeinert und ideologisiert werden darf, sondern im Gegenteil auf die in den realen Sprechakten möglicherweise auftauchenden Verständnisprobleme zu reduzieren ist. Bezüglich der Genderfrage ist dies im Deutschen relativ begrenzt, taucht vorwiegend bei „korrekten“ Berufsbezeichnungen im Plural (vgl. Stellenausschreibungen) auf. Bedingt dadurch, dass die Sprache (historisch bedingt) zwar männliche und weibliche Formen, nicht aber geschlechtsneutrale Bezeichnungen zur Verfügung stellt (wie das Pronomen „man“).
    Eine pragmatische Lösung (im Sinne von 3) geht davon aus, dass der jeweilige Kontext für die Bedeutungszuordnung verantwortlich ist – ohne ideologische Spitzfindigkeiten und Hintergedanken. Dies sei an einem Beispiel (aus der Schulpraxis) ausgeführt:
    – Nach der Frequenz meiner Klasse befragt, werde ich antworten: 28 Schüler. Es geht hier um keinerlei Genderzuordnung, sondern Spezifizierung einer Zahl. Ich werde mich dementsprechend dagegen verwahren, mir durch die einfache und klare Antwort Machoverhalten unterstellen zu lassen.)
    – Nach der Zusammensetzung der Klasse befragt, werde ich antworten: 11 männliche Schüler und 17 weibliche (oder Schülerinnen). Oder: 11 Jungen und 17 Mädchen.
    – Aufgefordert (wie gehabt), eine Abiturrede zu halten, werde ich selbstverständlich beginnen: „Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen…“. Dies bedarf keiner sprachlichen Festlegung, sondern ist gute Tradition von Höflichkeit.

    Das Problem der Verdoppelung mit dem Ziel „korrekten“ Sprachverhaltens reduziert sich danach auf längst gängige Höflichkeitsregeln, bedarf keiner Ergänzung und schon gar nicht bürokratischer Eingriffe lächerlicher Art in das Sprachsystem.
    Voraussetzung dafür ist lediglich, sich aus ideologischen Verkrustungen aus einer Ära des „Geschlechterkampfes“ zu befreien und zu souveränem Verhalten zu finden, das keinen demonstrativen Firlefanz benötigt.
    Bald 50 Jahre „Frauenbewegung“ mit beeindruckenden Erfolgen sollte dafür eigentlich ausreichend sein. Um frei zu werden für die wirklich bedeutsamen inhaltlichen Aufgaben, allen voran die Verteidigung errungener Formen von Emanzipation.
    Um frei zu werden für die Umsetzung des Aufrufs von Bascha Mika, wie ich ihn verstehe: „Mischt euch ein!“

  77. Hier mein Resümee, pünktlich zum Weltfrauentag: Ich hab mich eingemischt und in den vergangenen Wochen immer wieder geschrieben.
    Ich habe mir mit Karl Müller eine abstruse Diskussion über die Verantwortlichkeit für marode Schulbauten geliefert.
    Ich habe hier versucht, etwas zur Debatte beizutragen und fassungslos verfolgt, wie weit Leute „off-topic“ schreiben und wo persönliche Eitel-und Empfindlichkeiten liegen.
    Ich muss mir hier in ellenlangen Beiträgen erklären lassen, warum mein ungutes Gefühl bezüglich unserer aktuellen Sprechweise unbegründet ist – interessanterweise ausschließlich von Männern. Ich höre zum wiederholten Male in der Mitte eines Beitrages auf zu lesen, weil mich Ton und Inhalt einfach ärgern, und weil eine Antwort wegen der Wahnsinns-Länge des Beitrages einfach nicht möglich ist. So kann Mann auch gockeln: einfach so viel Platz für seine eigenen Beiträge beanspruchen, dass die anderen daneben verschwinden. Meiner ist länger.
    Also: es macht keinen Spaß, sich einzumischen, weil selten kommuniziert und viel zu oft belehrt wird.
    Ich werde sicherlich ab und an wieder mal was schreiben, aber mir ist klargeworden, dass das nicht meine Art der Kommunikation ist.

  78. An Anne Rumpf,
    ich bin wortbrüchig geworden, weil ich oben gesagt habe, nichts mehr dazu sagen zu wollen. Auch ich habe mich zwischendurch geärgert. Über Punkte wie Weiblichkeit und Männlichkeit als soziale Konstruktion oder über die häufige Gleichsetzung von Mannsein und Gewaltgeprägtheit).
    Ich fand dagegen Ihre Beiträge recht unabhängig von dem „Gendermainstreaming“, insofern offen und undogmatisch. Ihr Resümee hat mich dazu gebracht, Ihnen das einfach rückzumelden. Ich kann es verstehen, dass Sie sich unwohl fühlen, wenn Belehrendes die Kommunikation stört. Auch eine gewisse Eitelkeit ist uns Männern nicht ganz abzusprechen. Wenn ich Ihnen als Mann antworte, dann steckt darin auch eine Portion Selbstkritik. Und ehrlich gesagt, ich kommuniziere auch lieber auf dem konventionellen Weg (Leserbrief oder unmittelbar). Bloggen wird dann beschwerlich, wenn man lange Zeit regelrecht aneinander vorbeiredet und die Zeit für Erklärungen hin und her draufgeht.
    Einer Aufarbeitung der hier stattgefundenen „Mischt-euch-ein!“-Debatte würde ich mit Interesse entgegensehen, ob es überhaupt geglückt ist? Ich bin da unsicher. Die weibliche und die männliche Sicht der Welt (hier im Blog) ist doch weiterhin sehr vorurteilsbehaftet und auch von gegenseitiger Intoleranz (Verständnislosigkeit?). Abgesehen von dem „Krähen und Gockeln“.

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