Religion, wohin man guckt: „Wir feiern ein Vorbild namens Luther“

Die protestantischen Kirchen starteten kürzlich ins „Reformationsjahr“ : 2017 jährt sich der — angebliche — Anschlag der 95 Thesen an der Tür der Schlosskirche von Wittenberg zum 500. Mal. Historisch belegt ist diese Aktion Martin Luthers nicht, aber selbst wenn es sich nicht so zugetragen haben sollte, hinterlässt diese Geschichte einen tiefen Eindruck. Man kann ihn sich lebhaft vorstellen, den Reformator, wie er über den Vorplatz eilt und schwungvoll zu Werke geht, um auf diese Weise — unter anderem — gegen den Ablasshandel der Kirche zu protestieren. Ist er zornig? Ist er von dem Glauben erfüllt, das Richtige zu tun, ja, tun zu müssen? Ist er gar der erste aller Wutbürger?

lutherhausDie Evangelische Kirche in Deutschland hat sich intensiv auf das Jubiläumsjahr vorbereitet, indem sie unter anderem eine revidierte Luther-Bibel herausgegeben hat. Sie muss sich keineswegs vorwerfen lassen, die Schattenseiten des Reformators unter den Tisch fallen zu lassen. So war er beispielsweise ein Judenhasser. Er verdammte die Bauernaufstände als Werk des Teufels. Behinderte waren für ihn Wechselbälger. In vielen dieser Positionen war er ein Kind seiner Zeit, was ihm schwerlich vorgeworfen werden kann. Und der EKD kann nicht vorgeworfen werden, dass sie ihren Luther würdigt, solange sie dies auch kritisch tut. Ob wohl ein anderer der Reformatoren — Calvin, Zwingli, Melanchthon usw. — dieser Erneuerungsbewegung solchen Schwung hätte geben können wie Luther?

Ist es gestattet, Luther als Fundamentalisten zu bezeichnen, wie Arno Widmann dies in seinem Text „Luther, der Fundamentalist“ tut (Online-Überschrift: „Der Islamismus des Christentums“)? Darüber wird man zumindest streiten dürfen. Die Definition von Fundamentalismus lautet bei Wikipedia:

Fundamentalismus (…) ist eine Überzeugung oder eine Geisteshaltung einer sozialen Bewegung, die ihre Interpretation einer inhaltlichen Grundlage (Fundament) als einzig wahr annimmt. Fundamentalismus wird durch eine stark polarisierte Auslegung einer Letztbegründung umgesetzt. Im weiteren Sinne stellt sich der Fundamentalismus gegen die Moderne und fordert eine Rückbesinnung auf die Wurzeln einer bestimmten Religion oder Ideologie, welche notfalls mit radikalen und teilweise intoleranten Mitteln durchgesetzt werden soll. Der Vorwurf des Fundamentalismus wird auch auf soziale oder politische Gruppen bezogen, die – angeblich oder tatsächlich – ihre ideologische Orientierung absolut setzen und um die gesellschaftliche Vormacht kämpfen.“

  1. „Einzig wahr“: Der Alleingültigkeitsanspruch wurde und/oder wird von allen monotheistischen Religionen erhoben. Fundamentalisten lassen nicht nur in diesem Punkt keine Toleranz walten. Luther ging es um Erneuerung mit Bezug auf Jesus, um Erneuerung des Glaubens, nicht um Verständigung mit der Amtskirche.
  2. „Gegen die Moderne“: Eine „Moderne“ gab es zu jener Zeit nicht. Ersetzen wir „Moderne“ durch „Status quo“, kommen wir der Sache vielleicht näher. Das Spätmittelalter war eine Zeit des Stillstands (mit einigen punktuellen Fortentwicklungen). Luther und die anderen Reformatoren lösten gewissermaßen eine Moderne aus, indem sie einen bis dahin nicht erlebten Ideenwettstreit lostraten, der alsbald auch auf breiter Front und mit Waffengewalt geführt wurde.
  3. „Rückbesinnung“: Das teils radikale Bekenntnis zu Jesus kann durchaus als Rückbesinnung auf die zentralen Werte des Christentums verstanden werden. Darin lag angesichts des Zustandes der Kirche etwas Revolutionäres.
  4. „Radikale, intolerante Mittel der Durchsetzung“: Luthers „Waffe“ war das Wort. Natürlich kämpfte er für seine Ideen. Die Bewegung, die von ihm und den anderen Reformatoren ausging, zeigte allerdings früh intolerante Züge (z.B. Bilderstürmer)
  5. „Gesellschaftliche Vormacht“ war meines Wissens nicht Luthers eigentliches Anliegen. Ihm ging es zunächst um die Reform der Kirche.

Luther trägt also durchaus Züge eines Fundamentalisten. Es muss erlaubt sein, ihn in einer Streitschrift wie der, die FR-Autor Arno Widmann uns da ins Nest gelegt hat, genau so zu nennen. Was aber mag Widmann dazu bewegt haben, den Satz zu schreiben: „Die Reformation war der Islamismus des Christentums“? Er schreibt weiter: „Sie war der fanatische Versuch der Wiederherstellung der reinen Lehre.“ So kann man „Erneuerung“ natürlich auch beschreiben. Aber war die Reformation nicht viel mehr — unter anderem auch Protest gegen ein korruptes System namens Kirche?

fr-balkenLeserbriefe

Jürgen H. Winter aus Schöneck meint:

„Religion, wohin man guckt. Trotzdem sollten die Fakten beachtet werden. Ohne die aus Italien zu uns kommende Renaissance hätte es wohl kaum eine Reformation gegeben. Dürer weilte zweimal in Italien und brachte von dort die Motivation für seinen Kupferstich „Melencolia“ 1514 mit. Es gab eine allgemeine Aufbruchstimmung. Die Kirche wehrte sich mit aller Macht. Es gab die Inquisition, Giordano Bruno zweifelte das kirchliche Weltbild an, kam noch 1600 auf den Scheiterhaufen. Der Dreißigjährige Krieg, Kampf zwischen Protestantismus und Katholizismus, war eine direkte Folge und kostete zwischen 30 und 50 Prozent der Bevölkerung das Leben. So viel zur friedlichen Kirche. Dass die Kirche jetzt von Frieden spricht ist wohl eher der Not geschuldet, da ihr die Schäfchen abhanden kommen, deshalb auch die Einigungsbemühungen, hochtrabend Ökumene genannt. Egal, wie man es sehen mag, zum Feiern ist kein Anlass, aber auch gar keiner.
Es kann ja jeder glauben, was er/sie mag, aber bitte im stillen Kämmerlein, ohne die Mitbürger zu behelligen. Es sollte doch eigentlich erste Pflicht sein für alle Religionen, sich dem Grundgesetz zu unterwerfen und keine Mitbürger zu verteufeln oder anderweitig mit ihren jeweiligen Programmen heimzusuchen. Es gibt schließlich genug Bürger, die vom Religionsgeschäft nichts halten.“

Ulrich Plasberg aus Essen:

„Zunächst eine kleine inhaltliche Anmerkung zu Herrn Pilz’ Artikel: Luther hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Thesen an die Tür der Schlosskirche genagelt, denn (a) war sie das schwarze Brett der dortigen Universität, das für Aufrufe dieser Art genutzt wurde, und (b) wäre es nicht zu einer solch schnellen Übersetzung der Thesen ins Deutsche gekommen inklusive ihrer Verbreitung, hätte es Luther bei einem Brief an Albrecht von Mainz bewenden lassen. Dieser nämlich hätte Luthers Thesen sicherlich nicht verbreitet, denn er  war der Organisator des Ablasshandels im deutschen Reich!
Nun zu Herrn Pilz’ Kernfrage: „Was (aber) wird (dann) gefeiert?“ Gute Frage! Antwort: Ein Mensch, der seinem Gewissen gefolgt ist, was spätestens 1521 auf dem Reichstag in Worms deutlich wurde. Wir feiern einen Menschen, der im Angesicht tödlicher Bedrohung seinem Glauben und Gewissen gefolgt ist, der das Kirchenrecht sehr gut kannte und sich bewusst war, was für ihn persönlich auf dem Spiel stand. Wir feiern ein Vorbild, heute würde man vielleicht von „Held“ reden, und die sind rar gesät in der Menschheitsgeschichte. Insofern steht Luther in einer Tradition von gewissenhaften Menschen, die ihren Glauben und ihr Gewissen nicht „an der Garderobe“ abgegeben haben, von frühen Reformatoren wie Petrus Waldes über Mahatma Gandhi bis hin zu Edward Snowden.
Leider liest man dann wieder die schon klischeehaften, von ab- und aufgeklärten Linksintellektuellen gern zitierten Vorwürfe gegen Luther bezüglich Bauernkrieg, Türken und Juden, wobei allenthalben vergessen wird, dass Luther auch Kind seiner Zeit war, und die war alles andere als politisch korrekt im heutigen Sinn.
Insofern bleibt dieser Mensch für uns heutige Besserwisser sperrig und provokant, und das ist doch gar nicht so schlecht, oder !? Vielleicht ein Wahrspruch zum Schluss: Wo viel Licht ist, ist viel Schatten. Und bei Luther war viel Licht!“

Friedrich Gehring aus Backnang:

Verdienstvollerweise rührt Arno Widmann an den wunden Punkt der lutherischen Kirchen, der von den Lutheranern tabuiert wird: Wichtiger als Jesus ist Luther (und damit auch Paulus). Im klassischen Stil der Fundamentalisten macht Luther die „Heilige Schrift“ zum Steinbruch seiner vorgefassten Ideologie. Aus dem 4. Gebot, das im ursprünglichen Kontext die Fürsorge für die alten Eltern fordert, damit die Jungen später auch lange leben (2. Mose 20, 12), wird in Luthers kurzer Auslegung von 1520 „williger Gehorsam, demütickeit, undertenickeit umb gottis wolgefallen willen“. Das passt gut zu Röm 13,1-7, aber überhaupt nicht zur Kritik des Machtmissbrauchs bei Jesus (Mk 10, 42-44). Aus der Warnung Jesu vor Bewaffnung „wer zum Schwert greift, wird durchs Schwert umkommen“ (Mt 26,52) wird in Luthers Übersetzung „soll durchs Schwert umkommen“, was bis heute zum Beispiel den christlichen US-Fundamantalisten die Todesstrafe begründet. Den heftigsten Widerspruch zum Feindesliebegebot bei Jesus formuliert dann Artikel 16 des Augsburger Bekenntisses von 1530, der die Ablehnung des Kriegsdienstes durch Gruppen wie die Mennoniten verdammt und deren blutige Verfolgung rechtfertigt.
Als am Reformationstag 2016 die württembergische Ev. Landeskirche die Katholiken und Mennoniten zum Gottesdienst in die Stiftskirche in Backnang einlud, durfte zwar der örtliche Mennonitenprediger auf die blutige Verfolgung durch die Lutheraner hinweisen, von evangelischer Seite wurde das Problem jedoch in keiner Weise selbstkritisch aufgenommen. Bisherige Versuche, auf eine lutherische Distanzierung von der Verdammung der Kriegsdienstverweigerung hinzuwirken, waren erfolglos, obwohl es historisch nicht zu leugnen ist, dass die lutherische Forderung nach dem Kriegsdienst in den beiden Weltkriegen zur kirchlichen Kriegshetze geführt hat. Selbst die „Bekennende Kirche“ hat beim Erntedankfest 1939 nicht nur für die Ernte, sondern auch für den schnellen Sieg in Polen gedankt und beten lassen: „Und bitten dich droben, du Lenker der Schlachten, mögst stehen uns fernerhin bei“. Das „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ vom Oktober 1945 sprach von der Schuld des deutschen Volkes, nicht von der der lutherischen Kirchen. Es wird höchste Zeit, am Erntedankfest des Jubiläumsjahrs einen Bußgottesdienst zu feiern, der zur Friedensbotschaft Jesu zurückführt. Das wäre die angemessene Reformation des Jubiläums.“

Reinhold Kalden aus Melsungen:

„Nach der Lektüre Ihres  Leitartikels („Verbieten hilft nicht“, 1.11.), dem ich gut zustimmen kann, frage ich mich einmal mehr, warum Ihr Artikel zu Luther und dem Reformationsgedenken so polemisch und oberflächlich ist. Am 6.9. schrieb Ihr Kollege Dirk Pilz in der FR unter der Überschrift „Ein großer Hasser und Zerstörer“: „Luther dient zur Selbstvergewisserung, indem man gegen ihn anschreibt – man kann sich dabei so schön modern, fortschrittlich und aufgeklärt fühlen…“ Unter Hinweis auf Thomas Kaufmanns aktuelles Buch „Erlöste und Verdammte“ schreibt Dirk Pilz weiter, dass der Umgang mit der Reformation zumeist „kulinarischer“ Natur war: „Man pickt sich heraus, was ins vorgefertigte Weltbild passt.“ Dem ist im Blick auf Ihren Artikel vom 29.10 nichts hinzuzufügen.“

Helmut Klezl aus Höchst im Odenwald:

„Wir nähern uns dem 9. November und alle Jahre wieder wird dabei an bestimmten Orten der Reichsprogromnacht gedacht, die früher Reichskristallnacht hieß. Landauf, landab werden Mahnwachen gehalten und Reden geführt, die an die Nacht der brennenden Synagogen erinnern soll. Wortreich wird wieder vor den Ursachen und Hetzschriften gewarnt werden, die diese Brandnacht möglich machte. Alles was diese Nacht und die folgenden sieben Jahre an Leid zufügten, so wird dann feierlich versprochen, darf sich nicht wiederholen, nicht wiederkehren, muss verboten, ausgemerzt und vertilgt werden.
Nun begann gerade das Lutherjahr recht feierlich, wobei man an einen Thesenschlag Martin Luthers erinnerte, der nicht historisch ist. Und Luthers Landesherr, Friedrich der Weise, wäre auch recht böse auf seinen Untertan gewesen, wenn dieser tatsächlich am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablass etc. an die Tür der Schlosskirche genagelt hätte, wo doch Friedrich der Weise am folgenden Tag, am Fest Allerheiligen, seine Allerheiligen-Ablässe verkaufte.
In den zum Beginn des Lutherjahres gehaltenen Eröffnungsreden wurde stets darauf hingewiesen, dass Martin Luther seiner Zeit voraus war. Und er war seiner Zeit um Jahrhunderte voraus. In seiner Schrift:„Von den Juden und ihren Lügen“, forderte Martin Luther bereits im Jahre 1543, dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will mit Erde überhäufe und beschütte. Aus welcher Stelle der Heiligen Schrift der Verfechter des reinen, lauteren evangelischen Wortes dies entnahm, will ich hier nicht erfragen.
Knapp vierhundert Jahre später, in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938, dem 455. Geburtstag Martin Luthers, brannten die jüdischen Schulen und Synagogen erstmals im ganzen Reich. Dass die nichtbrennbaren Teile dieser jüdischen Gebäude anschließend nicht mit Erde überdeckt wurden, hängt vielleicht damit zusammen, weil Joseph Goebbels an Museen für eine untergegangene Rasse interessiert war. Das größte Museum dieser Art sollte in Prag stehen. Martin Luther war also seiner Zeit weit voraus und nicht Kind seiner Zeit. Denn um seine Zeit herum nutzten gerade die geistliche Fürsten die Fähigkeiten der Juden und erlaubten ihnen den Bau von Synagogen. Und manchmal setzten sie auch Militär gegen örtliche Proteste wider des Synagogenbaus ein, wie das Beispiel der unterfränkischen Stadt Alzenau zeigt. Damals sagten sich die Juden noch zueinander: ‚Unterm Krummstab lässt es sich gut leben.’“

Hans Gustav Treplin aus Bad Homburg:

„Sehr erfreulich finde ich, dass die FR in ihren Ausgaben vom 29.10-16 – 2.11.16 recht ausführlich auf das Gedenken an die Reformation vor 500 Jahren und Martin Luther eingeht bei sonst eher größerer Zurückhaltung gegenüber kirchlichen und religiösen Themen. Allerdingsdings irrt Arno Widmann in seinem Artikel vom 29.10.16 „Der Fundamentalist Luther“ in einigen entscheidenden Feststellungen.
Die Reformation mit dem Islamismus gleichzusetzen ist eine völlig irreführende und zynische Behauptung. Der Islamismus bedeutet eine radikale einseitige Verengung des Islam. Und in der Reformation legte Luther wieder die Fundamente des christlichen Glaubens frei, wie sie im Alten und Neuen Testament überliefert sind. Die Kirche damaliger Zeit hatte diese Fundamente vollkommen unkenntlich gemacht und entstellt. Dies wird heute von der katholischen Kirche ebenso gesehen.
Widmann unterschlägt bei der Aufzählung der reformatorischen Grundauffassungen neben dem „sola gratia“ nur durch Gnade und dem „sola scriptura“ nur durch die Schrift das von vorneherein dazugehörige „sola fide“ nur durch den Glauben, das gegen die Werkgerechtigkeit gerichtet war.
Dass Luther keine kritische Bibellektüre kannte, ist ebenso ein Irrtum. Er sprach bei dem im Neuen Testament stehenden Brief des Jakobus von einer „strohernen Epistel“ eben weil sie zur „Werkgerechtigkeit“ aufruft. Luther gab als Orientierung für das richtige Verständnis biblischer Texte „alles was Christum treibet“ vor. Er meinte damit, alles in der Bibel ist daran zu messen, was man von Christi Botschaft weiß z.B. das schon vom alten Israel im Alten Testament überlieferte Gebot:„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Also alles andere als ein „Textfundamentalist“.“

Anneliese Fleischmann-Stroh aus Heilbronn:

Herr Widmann zitiert am 29./30.10., S. 43, aus offiziellen Verlautbarungen: „Bund, Länder, Kommunen, die evangelischen Kirchen in Deutschland und die Zivilgesellschaft begehen das Reformationsjubiläum gemeinsam…“
Wer hat denn die Zivilgesellschaft gefragt? Mit dem Stand von 2014/15 beträgt der Anteil der Evangelischen gerade mal 27,1%, Konfessionslose dagegen machen 33,6 % aus.
Ab 2011 stehen jährlich fünf Millionen Euro aus dem Haushalt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bereit.  Weitere Ressorts, besonders das Auswärtige Amt, das Bundesministerium des Innern sowie das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung werden bei der Ausgestaltung mitwirken und Beiträge in eigener finanzieller Verantwortung erbringen.Die Kulturstaatsministerin fördert im Rahmen des Reformationsjubiläums unterschiedliche Veranstaltungen im ganzen Land wie Konzerte, Ausstellungen, Konferenzen sowie Maßnahmen der kulturellen Bildung, die im Vorfeld oder im Jubiläumsjahr 2017 stattfinden. Außerdem unterstützt die Kulturstaatsministerin die Sanierung und Substanzsicherung authentischer Orte und  Stätten der Reformation. Voraussetzung ist, dass es sich um Baudenkmäler von nationaler Bedeutung handelt. Bis zum Reformationsjahr 2017 werden dafür insgesamt weit über 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Diese Summe wird zusätzlich zu den Staatsleistungen erbracht, die sich allein im Jahr 2015 (an die katholische und evangelische Kirche) auf 510 Millionen Euro beliefen. Das sollte doch eigentlich für eine Veranstaltung, die sich noch nicht mal auf ein Drittel der Bevölkerung bezieht, reichen.
Herr Widmann liegt völlig falsch mit der Aussage, dass der Einzug der Kirchensteuer ein Überbleibsel der Tradition sei, als der Landesherr oberster Priester war. Die Kirchen haben bei der Weimarer Verfassung 1919 intensive Lobbyarbeit geleistet, denn eigentlich hätten Kirche und Staat getrennt werden sollen. Die Kirchensteuer sollte als Ortskirchensteuer vergangenheitsbezogen und ohne Beteiligung der Arbeitgeber oder des Staates erhoben werden. Die Kirchen konnten dies zu ihren Gunsten ändern und die Nationalsozialisten führten 1934 den Kirchensteuereinzug durch die Arbeitgeber als „staatliche Aufgabe“ ab dem 1.1.1935 ein. So hatte man schnell einen Überblick über die jüdische Bevölkerung – dies als Nebeneffekt. Der staatliche Einzug ist seit Nazizeiten unverändert.“

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2 Kommentare zu “Religion, wohin man guckt: „Wir feiern ein Vorbild namens Luther“

  1. Luther von Arno Widmanns Vorwurf des „Textfundamentalismus“ freizusprechen, ist angesichts der historisch kritischen Erforschung der Bibel unmöglich. Hans Gustav Treplins Hinweis auf Luthers Abneigung gegen den Jakobusbrief als „stroherne Epistel“ ist kein Beleg für Luthers „kritische Bibellektüre“ im Sinne neuzeitlicher wissenschaftlicher Erforschung der Entstehung der biblischen Schriften, sondern Beleg für seine typisch fundamentalistische selektive Wahrnehmung, welche die Botschaft Jesu vom Reich Gottes, in dem alle satt werden (Mt 20,1-16), ausblendet zugunsten der Rechtfertigungslehre des Paulus. Dieser fragt nicht mehr nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit, sondern als gelernter Pharisäer, wie er individuell vor Gott gerecht werden kann. Den korinthischen Skandal, dass beim Herrenmahl die einen schlemmen und die anderen hungern, will Paulus nicht durch gerechtes Teilen aus der Welt schaffen, sondern dadurch unter den Teppich kehren, dass zu Hause gegessen wird – es kommt nicht in den Blick, dass einige zu Hause nicht genug zu essen haben könnten (1. Kor 11, 17-34).
    Luther hat also nicht die Forderungen Jesu nach Gerechtigkeit gegenüber den Notleidenden als „Fundamente des Glaubens wieder freigelegt“, sondern die Anliegen des paulinischen Pharisäismus, der gut zum Feudalismus seiner Zeit passte. Er hat deshalb eben nicht, wie er behauptet, „was Christum treibet“ zum Maßstab der Auslegung biblischer Texte gemacht. Treplins Verweis auf das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ geht insofern ebenfalls fehl, denn Jesus fordert: „Liebet eure Feinde“ (Mt 5,44). Luther hätte durchaus auch in seiner Zeit das Spezifische der Botschaft Jesu wahrnehmen können. Sein Kollege Karlstadt ist der Beweis. Er lehrte die Botschaft vom Reich Gottes, deshalb ließ ihn Luther 1524 durch den Landesherrn außer Landes vertreiben, obwohl dessen Frau hochschwanger war. Es kann der lutherischen Christenheit heute nicht wirklich weiterhelfen, Luther freisprechen zu wollen vom Vorwurf des Fundamentalismus, der die Bibel aus politischem Interesse heraus selektiv wahrnimmt. Es hilft nur, zur Botschaft Jesu zurückzukehren. Friedrich Gehring, Backnang

  2. Hätte Luther die Bibel richtig gelesen, dann wäre er ein Sozialrevolutionär geworden. Was soll das? Meinen die Leute, die jetzt Luther kritisieren, dass die Welt von heute besser wäre, wenn Luther anders gedacht hätte? (Weniger antisemitisch und frauenfreundlicher). Was wäre passiert, wenn Luther sich für die Bauern entschieden hätte und gegen die Fürsten? Luther wäre da gelandet, wo Thomas Münzer gelandet ist; auf dem Scheiterhaufen der Geschichte. Und wenn Marx doch recht hat, ist die Geschichte die Geschichte der Klassenkämpfe. Und die Leute, die sich gerade in meiner Zeitung über die Person Luther streiten sollten sich mal mit der Geschichte der Reformation beschäftigen. Der realen Geschichte! Hätte Hätte…
    Hätten die spanischen Beherrscher der „spanischen“ Niederlande begriffen, dass die Holländer, diese bürgerlichen Händler, sich als gleichberechtigt ansehen wollten wäre Spanien Weltmacht geblieben. Diese Händler wussten wie man Geld verdient und wie man Schiffe baut. Hätte der englische König Heinrich IIIV mit seiner ersten Frau Katharina einen gesunden Sohn gezeugt, hätte er bestimmt immer noch jede Frau gevögelt die er bekommen konnte aber er hätte nicht die Kirchenspaltung in England riskiert. Hat er aber nicht. Katharine wird abgeschoben und Heinrich heiratet seine Anne und die schafft es auch nicht einen Sohn zu bekommen; ihre Geschichte ist bekannt.
    Hätte es diesen Sohn gegeben wäre die Geschichte vielleicht auch anders ausgegangen aber Anne hat „nur“ einte Tochter. Elisabeth. Diese Frau erlaubt ihren Seefahrern spanische Schiffe zu überfallen und englische Flotte aufzubauen. Sir Franzis Drake war kein Adeliger, Elisabeth hat Drake zum „Sir“ gemacht. Nicht Abstammung, der Erfolg zählt.Hätten Elisabeth und Drake nicht die spanische Armada vernichtet wäre auch der 30jährige Krieg vieleicht anders ausgegangen. Und damit wäre die Freiheit des Denkens der katholischen Kirche unterworfen.
    Und Luther? Meiner Meinung nach hat ein kleiner Mönch einen großen Stein in einen großen Teich geworfen; einem Teich in dem auch ich noch lebe.

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