Die Marktwirtschaft ist kein Ponyhof

LufthansaMit neun Milliarden Euro stützt der Steuerzahler die in Schieflage geratene Lufthansa AG. Da der Luftverkehr –  national wie international – weitgehend zusammengebrochen ist, bekommen auch andere Airlines zu spüren; es gibt bereits erste Insolvenzen. Die Rettung der Gesellschaften wird dabei oft an Bedingungen geknüpft. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron beispielsweise hat erreicht, dass Air France keine inländischen Flüge mehr anbietet. Das ist angesichts des gut ausgebauten Schienenverkehrs in Frankreich eine leicht nachvollziehbare Forderung – nicht zuletzt in Sachen Klimaschutz. Umso verwunderlicher ist, dass der deutsche Staat keinerlei Auflagen macht, indem er zur Stützung der Lufthansa schreitet. Inlandsflüge sind ein klimapolitischer Horror. Doch nein, man will der Konzernleitung nicht reinreden. Man will auch möglichst keine Mitsprache. Noch ist das Hilfspaket allerdings nicht in trockenen Tüchern: Die Konkurrenz in Gestalt des Billigfliegers Ryanair will klagen, und auch die EU hat noch ein Wörtchen mitzureden.

fr-debatteDer Staat will nicht mitreden

Unser obersmarte Ministerpräsident aus Bayern, dr. Markus Söder, warnt also vor einer „Halbverstaatlichung“ der Lufthansa. Recht hat er, denn für die nun genehmigte, staatliche Fördersumme von neun Milliarden hätte man sich nicht nur ein klein wenig Einfluss auf den Konzern erkaufen können, nein, man hätte den Laden, dessen Wert mit vier Milliarden beziffert wird, komplett übernehmen, also nicht nur Halb-, sondern Vollverstaatlichung betreiben können. Doch der Staat will ja gar nicht mitreden, wo kämen wir da hin. Jetzt wird also ein Konzern, der mit seinen Inlandsflügen nach wie vor der staatseigenen Bahn auf klimaschädlichste weise Konkurrenz macht, unterstützt, weil politker wie Söder in alten (pseduo-)konservativen Kategorien denken. Bewahren der Schöpfung? Pfeif drauf, Hauptsache die monetäre Bilanz stimmt, denn wir von der CDU/CSU bewahren Konzerne, das muss genügen!

Karsten Neumann, Nürnberg/Bethang

fr-debatteDer Staat als Aktionär zweiter Klasse

Die Lufthansa AG ist ohne eigenes Verschulden in die größte wirtschaftliche Krise ihrer Existenz geraten und wünscht jetzt Staatshilfe – das ist nachvollziehbar, zumal man auch positiv anmerken muss, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung vorschlagen, trotz üppiger Gewinne im Jahr 2019 keine Dividende auszuschütten (das mag in Krisenzeiten vernünftig erscheinen, wird ja aber nicht von allen Unternehmen so gesehen).
Der Bund erwägt laut den Pressenachrichten, dieser Bitte mit 9 Mrd. € nachzukommen, davon ca. 1/3 als Kredit der KfW, und 2/3, also 6 Mrd. € als eigenkapitalähnliche Mittel (Kapitalerhöhung, stille Beteiligung, Wandelanleihen – vereinfacht ausgedrückt alles Mittel, die im Falle einer Insolvenz weitestgehend verloren sind.)
Das ist eine Menge Holz, und dass der Bund im Gegenzug dafür substanzielle Mitspracherechte bekommen sollte, erscheint mir daher mehr als legitim. Dass jetzt aber lt. FR vom 22.05. bei FDP-Vertretern wie Herrn Theurer „die Alarmglocken schrillen“, bzw. Herr Linnemann von der CDU es begrüßt, wenn „Lufthansa gestützt wird, ohne Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen“, kann ich definitiv nicht nachvollziehen.
Aktuell hat die Lufthansa einen Börsenwert von 4 Mrd. € – wenn jetzt ein Investor bereit ist, 6 Mrd. € einzulegen, hält er damit faktisch die Mehrheit an dem Unternehmen. Und dann darf man schon ein Wörtchen mitreden… Auch Lufthansa hat ja ihre Beteiligungen an diversen anderen Fluggesellschaften (z.B. Swiss, Austrian Airlines, Brussels Airlines) auch nicht getätigt, damit diese weiterhin vollkommen eigenständig rumwursteln, sondern einem Gesamtkonzept des (Mehrheits-)Eigentümers folgen. Dass dem Staat als Aktionär keine Sonderrechte zustehen ist klar, aber warum er zum Aktionär zweiter Klasse deklassiert werden, und nicht ebenso wie jeder andere Großaktionär seine (unsere!) übergeordneten strategischen Interessen wie z.B. Umweltschutz, Arbeitsplatzsicherung im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Möglichen umsetzen dürfen soll, erschließt sich mir nicht. Wenn den AktionärInnen der Lufthansa der Bund wegen solcher Ziele als Aktionär nicht passt, bleibt es ihnen ja unbenommen, den entsprechenden Vorschlag auf der dann fälligen Hauptversammlung abzulehnen (dazu langen schon 25 % der Stimmen). Dann muss man allerdings schauen, wer sonst bereit ist, der Lufthansa neues Geld zukommen zu lassen (und ob dessen Konditionen dann angenehmer sind) – oder das Risiko einer Insolvenz in Kauf nehmen. So verstehe ich die These der „unsichtbare Hand des Marktes“ die nach Adam Smith ja alles zum Besten regelt, wenn sich nur der Staat zurückhält.
Lieber Herr Theurer, lieber Herr Linnemann, wenn Sie schon freies Unternehmertum und Zurückhaltung des Staates fordern, dann sein Sie doch bitte konsequent. Die von Ihnen geforderte Marktwirtschaft ist eben kein Ponyhof wo der Staat (also wir alle!) in Notfällen der selbstlose gute Onkel ist und das kranke Pony vor der Notschlachtung rettet. Anders gesagt: Keine Mitspracherechte, kein Geld und damit möglicherweise Pleite, und das wird auch jeder andere (bis dato noch nicht sichtbare) wirtschaftlich denkende Investor so sehen.
Abschließend nur noch ein kleine Anmerkung: Bezogen auf die knapp 38.000 MitarbeiterInnen, die die Lufthansa AG laut Jahresabschluss im Jahr 2019 im Mittel beschäftigt hat, belaufen sich die vom Bund angebotenen Mittel (ohne die 3 Mrd. € Kredit) auf knapp 160.000 € pro MitarbeiterIn, das sind (erneut laut Jahresabschluss 2019) das Zweifache der durchschnittlichen jährlichen Personalkosten (inkl. Management und PilotInnen). Zum Vergleich: Die Soforthilfe für Kleinunternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten beträgt maximal 9.000 € (je Unternehmen!). Ist es da unmoralisch oder nicht nachvollziehbar, wenn der Staat Wert darauf legen würde, dass die Restrukturierung des so geförderten Unternehmens nicht primär auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird?

Klaus Vernie, Bad Honnef

fr-debatteWeil keine Bank das Verlustrisiko tragen will

Wenn nach Condor jetzt LH 9 Milliarden Unterstützung bekommen soll, sind das vom Säugling bis zur alten Flaschensammlerin pro Kopf mehr als 100 Euro. Das Geld fällt nicht vom Himmel, der tumbe Bürger bezahlts. Ich rechne mit einer Erhöhung der MwSt auf 25%, zumal Deutschland einen Nachholbedarf im europäischen Vergleich als Rechtfertigung heranziehen kann, auch wenn die teilweise höhere MwSt anderer Länder nicht isoliert gesehen werden darf.
Warum überhaupt Staatshilfe? Weil keine Bank das Verlustrisiko zu tragen bereit ist. Allenfalls könnte vertretbar sein, der LH eine kurz laufende Staatsgarantie in niedriger Höhe zu geben. Diese Hilfe soll sie sich dann gefälligst von den gelangweiten Reisenden zurückholen, die meinen, ohne die Chinesische Mauer, Neuseeland und die Slums von Kapstadt gesehen zu haben, nicht in Frieden sterben zu können.
Auch die Gebühren für Luftfracht wie Pomelos aus China, Avovcados aus Peru und grüne Bohnen aus Kenia muss massiv verteuert werden. Auf ein Kilo Ware kommen 2-4 kg Kerosin. Also gleich einen Eimer Öl auf den Esstisch.
Die Politik darf sich nicht über den Tisch ziehen lassen. SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller hat in den 70er Jahren den Lobbyismus gegeißelt mit dem Ausspruch: „Organisierte Gruppen rotten sich zusammen und nehmen den Staat als Beute.“ CDU-Kanzler Ludwig Erhard sprach von „Geschmeiß“, wenn von Verbandsvertretern die Rede war. Leider stellen sich heute mehr Politiker in den Dienst der Wirtschaft als jemals zuvor.

Hartmut Willibald Rencker, Mainz

fr-debatte

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3 Kommentare zu “Die Marktwirtschaft ist kein Ponyhof

  1. Das es keine Auflagen für Inlandsflüge gibt ist sicher ein Fehler. Mir wird im Moment eh zu sehr mit hohen Summen um sich geschmissen. Hilfe muss sicher sein aber zukunftsfähig und zielgenau. Das alles muss schließlich auch bezahlt werden und wer es nicht bezahlt ist schon relativ sicher bei der Partei die die Kanzlerin stellt. Spannend wird sein wie das deutsche Konjunkturprogram aussehen soll. Meine Erwartungen sind sehr bescheiden. Die derzeitige Klima und Energiepolitik würden gut in eine Vorlesung passen: Wie ruiniere ich eine Industrienation.

  2. Zu dem Thema wurde schon viel gesagt und geschrieben. Eines noch-
    kurz nach Ausbruch der Corona-Krise , als der Aktienkurs in den Keller ging, erwarb Heinz Hermann Thiele, einer der reichsten und gnadenlosesten Kapitalisten
    dieses Landes sozusagen im Ausverkauf 10 % der Lufthansa-Aktien und wurde damit größter Aktionär (jetzt überflügelt vom Staat). Mit Recht (wie sich jetzt bestätigt)
    spekulierte er darauf das der Staat die Lufthansa als systemrelevant ansieht und sie nicht pleite gehen läßt. Der jetzt – auch durch den Staatseingriff – wieder steigende
    Kurs dürfte ihm einen satten Gewinn einbringen, da ist das (vorübergehende) Ausbleiben einer Dividende wohl eher nebensächlich.
    Ja, jede Krise wie auch jeder Krieg hat viele Verlierer aber eben auch einige wenige Gewinner. Die Solidarität die jetzt viel beschworen wird , wird durch solche Machenschaften ad absurdum geführt.

  3. zu @ Joachim Maack
    Das kommt darauf an wann er die Aktien verkauft. Ob die LH überlebt ist auch nach dem Staatszuschuss nicht wirklich sicher. Sollte er die großen Gewinne machen sind darauf übrigens auch wahrscheinlich der Spitzensteuersatz zu zahlen. Also der Staat gewinnt da gut mit. Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe . Ein bisschen Objektivität würde der Sache auf allen Seiten gut tun.

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