Fußball und Selbstjustiz statt „Lindenstraße“

Es ist im Grunde nichts Neues, dass das deutsche öffentlich-rechtliche TV-Programm viel Kritik auf sich zieht, denn eigentlich verstehen sich ARD, ZDF, ihre Sparten- und Regionalprogramme unter anderem als Beitrag zur Demokratiebildung. Dies mal so als Schuss mit der Pike, da wir nebenan ja gerade eine aktuelle Diskussion darüber haben, wie deutsche Schulen es eigentlich mit der Demokratiebildung halten. Nun gibt es im deutschen Fernsehen aber kaum etwas Demokratischeres als die „Lindenstraße“, wenn ich das mal so sagen darf. Da wurde an Wahlabenden schon mal hochaktuell gesendet, mit Hochrechnungen und Ergebnissen, die auch gleich in die gespielte Handlung einflossen. Kaum eine andere deutsche Fernsehserie hat deutsche Lebenswirklichkeit so aufzufangen und widerzuspiegeln versucht wie die „Lindenstraße“. Nun ist das Ende dieser Serie beschlossen. Angeblich ist sie zu teuer geworden. FR-Kolumnist Michael Herl findet sie nicht mehr zeitgemäß. Im Jahr 2020 soll Schluss sein. Aber in Sachen Fußball-Übertragungen sitzen die Millionen locker, außerdem auf für fragwürdige TV-Krimis, findet Dagmar Schön aus München. Der folgende Gastbeitrag erschien gekürzt im Print-Leserforum der Frankfurter Rundschau.

Fußball und Selbstjustiz statt „Lindenstraße“

Von Dagmar Schön

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Das Aus der Serie „Lindenstraße“ provoziert grundsätzliche Fragen über die Besetzung der Entscheidungsgremien im Öffentlichen-Rechtlichen Fernsehen.
Denn neben dem Aus für diese Serie lassen sich Programmtrends beobachten, die nahelegen, dass die Verantwortlichen den Programmauftrag ihrer Sender nicht als Informations- und Bildungsauftrag auf der Grundlage Rundfunkstaatsvertrages und des Grundgesetzes verstehen, sondern zunehmend als Verblödungs- und Gewaltverherrlichungsauftrag.
Der Vorwurf richtet sich sowohl an die ARD wie an das ZDF für ihre Haupt-Programme zur besten Sendezeit.
Durchschnittlich dreimal in der Woche Fußball zur besten Sendezeit dient vor allem dem internationalen mafiösen Fußballgeschäft.
Auch die tägliche Krimiflut auf beiden öffentlich-rechtlichen Sendern, erfüllt weder den Informations- noch den Bildungsauftrag, den der Rundfunkstaatsvertrag beauftragt.
Dass man sich hier zunehmend auf Abwegen befindet, beweisen u. a. zwei Sachverhalte: Die Sendeplätze für Dokumentationen von denen es ein vielfältiges und hochwertiges Angebot gibt, wurden fast auf Null reduziert, wie Werner Ruzicka, langjähriger Chef des Duisburger Dokumentarfilmfestivals gerade in der Kulturzeit vom 19.11.18 beklagte.
Besonders alarmierend finde ich dies, weil gleichzeitig in Krimis, die in beiden Programmen täglich sechs bis zehn Sendeplätze okkupieren, in den letzten Wochen, zumindest in dreien, die ich gesehen habe, Selbstjustiz propagiert wird: Die Protokollantin, Schwartz & Schwartz und im Tatort vom Sonntag ‚Treibjagd‘.
Frau Berben darf als Wiedergängerin von Marianne Bachmann und Charles Bronson, nicht nur den Mörder ihrer Tochter zu Strecke bringen, sondern, als gramgebeugte Mutter, sogar noch Auftragsmorde für Männer erteilen, die ihrer Meinung nach von unserer Justiz nicht ‚richtig‘ bestraft wurden.
Ich konnte kaum glauben, was mir in dieser ausführlich beworbenen ‚Miniserie‘ für meine Gebühren angeboten wurde! Besonders erschreckt hat mich, dass selbst jemand wie Frau Berben hilft, solche Inhalte zu verbreiten und das Drehbuch von einem Juristen und Grimmepreisträger stammt.
Beim ‚Treibjagd‘ Tatort vom letzten Sonntag, schafft die Dramaturgie der Geschichte von einer Anklage der Selbstjustiz am Ende doch noch den Zuschauern die Schlussfolgerung nahezulegen: Hätte der ‚besorgte Bürger‘ die kleine Einbrecher-Schlampe doch umgebracht, dann wäre er noch am Leben und seine Witwe müsste im Abschlussbild nicht weinend am Fenster stehen, während mitfühlende Nachbarn Blumen vor seinem Haus ablegen.
Die Vermittlung von Botschaften muss nicht immer mit den Holzhammer passieren, sie werden von einem Unbewussten auf gleicher Frequenz auch anders aufgesogen.
Freuen können sich über diese Programmtendenzen in unseren öffentlich-rechtlichen Programmen nur bestimmte Leute – und die erheben als AfD seit einigen Jahren ihre Stimme schon sehr laut in diese Richtung.
Ach ja, die ‚Lindenstraße‘ muss eingestellt werden, weil sie ‚zu teuer‘ ist!
Für wie blöde hält man eigentlich uns, die GebührenzahlerInnen?

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