2022 war kein gutes Jahr, aber wir schauen voraus

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Jahr 2022 geht zu Ende. Fast hätte ich geschrieben: Es klingt aus. Aber das hätte einen allzu harmonischen Schein erzeugt. 2022 war ein schwieriges Jahr mit all den Problemen, die sich in seinem Verlauf aufgetan haben und die ich hier nicht erneut aufzählen möchte. Wir haben – unter anderem hier im FR-Blog – breit über Dürre, Corona und die Ukraine gesprochen (und über mehr). Das werden wir auch weiterhin tun, aber zunächst sollten wir uns eine kleine Pause zum Atemholen gönnen. Für die Zeit „zwischen den Jahren“, wie man so sagt. Dazu gibt es Bronskis kleinen und sehr persönlichen Jahresrückblick. Erwarten Sie bitte keine Liste von Ereignissen und Stationen.

2022 – ein schwieriges Jahr. Ich war lange krank, an meine Grenzen gekommen. Dabei kam Vieles zusammen. Es gibt nach meiner Wahrnehmung ein anschwellendes Grundrauschen, das Gefahr signalisiert – Gefahr für unsere Art zu leben, für unsere Demokratie. Die funktioniert keineswegs ideal, aber sie ist und bleibt dennoch die beste Regierungsform, die wir je hatten. Mir leuchtet nicht ein, warum gewisse Menschen sie zu Fall bringen wollen. „Reichsbürger“, AfD und in gewisser Weise auch Nichtwähler:innen, die durch ihre Nichtteilnahme an Wahlen ihr Desinteresse bzw. ihre Ablehnung signalisieren. Solche von der letzteren Sorte habe ich in meiner eigenen Familie. Über dieses Thema hatten wir früher heiße Diskussionen. Heute nicht mehr. Auf beiden Seiten wurde die Sinnlosigkeit solcher Diskussionen erkannt, wenn keine Seite bereit ist, die Argumente der anderen gelten zu lassen. Wobei es mir wirklich schwerfällt, eine Position wie „Die in Berlin machen doch sowieso, was sie wollen“ als Argument zu akzeptieren. Meines Erachtens ist so was eher ein Ausdruck von Faulheit, man könnte auch sagen: von Dekadenz. Eine Unterstellung, die dazu dient, es sich selbst einfach zu machen.

Genetics komplett mit FischenDieses Denken greift um sich, und ich halte das für gefährlich. Denn was folgt aus diesem Totschlag-„Argument“? Dass man „die in Berlin“ einfach machen lassen soll? Dass man sich nicht mehr kümmern soll?

2022 habe ich mit meinem Theaterstück „Genetics“
den zweiten Preis des Frankfurter Autorentheaters gewonnen.
Eine tolle Nachricht. Parallel dazu hat der Ybersinn-Verlag
den Roman „Genetics“ neu herausgebracht. Die Urfassung
stammt von 1999, sie wurde überarbeitet. Das tolle Cover hat
Ex-FR-Mitarbeiterin Isa Galanty gestaltet.

Ich kann nicht anders, als mich zu kümmern, und das brachte 2022 durchaus Kummer mit sich. Auch wegen dem Krieg in der Ukraine. Als jemand mit einem starken Sinn für Gerechtigkeit ging mir der prorussische Sturm, der in Mails auf mich einprasselte, wahrlich an die Nieren. Ich dachte mir: Warum schreiben Menschen, die die Frankfurter Rundschau lesen, einen solchen Unsinn? Blenden die Realität aus, übernehmen das Narrativ der russischen Propaganda von der Umzingelung durch die Nato, das absolut durchschaubar und vereinfachend als Kriegsgrund eingesetzt wird. Die Sache ist viel komplexer, und jede/-r, der sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, muss meines Erachtens erkennen, dass Russland nie – seit hunderten Jahren nicht – von seinem imperialistischen Grundgedanken Abstand genommen hat, zur Herrschaft ausersehen zu sein. Daher auch die Doktrin vom „nahen Ausland“, wie Russland seine Einflusssphäre definiert, wobei ihm die Interessen der betroffenen Staaten ziemlich egal sind. Wie kann man das ausblenden? Wie können FR-Leser:innen in dieser Weise Partei nehmen?

Mit einem Kniff: Der wahre Aggressor sind nämlich die USA. Also wird auf ein anderes, ebenfalls altes und offenbar gut eingeübtes Narrativ zurückgegriffen, das die USA im Lauf der Jahrzehnte tatsächlich wieder und wieder mit aggressiver Politik bestätigt haben. Was mir dennoch nicht in den Kopf will: Wenn man dieses aggressive Muster im Verhalten der USA durchschaut hat – Iran, Vietnam, Chile, Grenada, Irak -, warum erkennt man dasselbe Muster – denn es ist dasselbe! – nicht auch im Verhalten Russlands im Umgang mit seinen Nachbarn? Moldau 1991, Georgien 2008, Ukraine 2014 und 2022. Vom fürchterlichen Einsteigen Russlands in Tschetschenien (1999) oder Syrien (seit 2011) ganz zu schweigen. Das ist Großmachtgehabe, hier wie da. Das eine ist nicht besser als das andere. Aber für manche Zeitgenossen scheint das russische Großmachtgehabe irgendwie anders oder besser zu sein als das US-amerikanische.

Ich komme auf mich selbst zurück, aus dem Grundsätzlichen heraus. Es ist eben manchmal nicht einfach, mit diesen Massen von Fehlleitung klarzukommen, wie sie aus den Mails spricht. Eigentlich müsste ich mich mit jeder einzelnen Mail auseinandersetzen: Was ist daran eine veritable Meinung, die ich im FR-Forum veröffentlichen kann, und was ist schlicht Propaganda? Die Grenzen sind fließend. Was diesen Äußerungen aber in Summe gemein ist: Sie behaupten, im Recht zu sein. Dieser Brustton ist mir nie häufiger begegnet als im Jahr 2022. Und ehrlich gesagt, liebe Leute: Damit ist schwer umzugehen. Das hat für mich im Jahr 2022 teilweise nicht gut geklappt. Man könnte auch sagen: Ich bin davor eingeklappt.

Natürlich ist jeder Mensch, der seine Meinung äußert, zugleich der Überzeugung, dass er oder sie recht hat. Sonst bräuchte man keine Diskussionen zu führen. Der Punkt, auf den es ankommt, ist folgender: Ab wann lässt man andere Meinung gelten? Nicht nur im Sinn von „Denk Du Dir das, ich denk mir was anderes“, also unversöhnlich, beharrend. Sondern in einer aufeinander eingehenden Weise: Naja, ich denk mal drüber nach. Aber das passiert nicht. Austausch passiert nicht, Beharren ist allgegenwärtig. Ich halte das für gefährlich. Für unser Land, für die Demokratie und vor allem für das Gemeinwohl.

Ich ziehe meine Konsequenzen. Ich habe begonnen, diese Sache mit der Rechthaberei aufzuarbeiten, und schreibe an einem Buch zu diesem Thema. Arbeitstitel: „Im Land der Rechthaberei“. Wobei mit „Land“ kein konkreter Staat gemeint ist, denn Deutschland ist keineswegs das einzige Land, das mit diesem Problem zu tun hat. Es ist nur ein Arbeitstitel. Aber ich kann aus dem Nähkästchen plaudern, wie man früher dazu gesagt hätte. Soll bedeuten: Ich hab’s voll abgekriegt, und jetzt sag ich was dazu. Ihr sollt nicht glauben, dass Ihr andauernd auf mich einfeuern könnt, ohne dass was zurückkommt. Ich nehme das durchaus persönlich, denn das ist es letzten Endes.

2022 war für mich ein Jahr des Kampfes, in dem ich unter anderem persönlich erlebt habe, dass unser Gesundheitssystem nicht mehr richtig funktioniert. Diese Erfahrung teile ich mit vielen von Ihnen. Ich weiß das. Ich hatte allerdings einen Vorteil im Vergleich zu vielen anderen: Ich schreibe. Ich drücke mich aus. Das hat mir wirklich geholfen. So habe ich mir eine Idee wieder vorgenommen, die ich erstmals 2017 fixiert habe, und daraus wird nun der Roman „Noah schläft“, der im April 2023 erscheinen soll, und zwar im Verlag Sparkys Edition. Das hat sich glücklich ergeben, und dafür bin ich sehr dankbar. 2023 wird also definitiv ein besseres Jahr als 2022. Ich gebe Ihnen hier in aller Kürze den Klappentext, also das, was auf der Buchrückseite stehen könnte, falls der Verlag diesen Text aus meinem Exposé übernimmt:

Besuch von oben: Die Arche Allerdings will im Auftrag des H’rrn auf der Erde Geschöpfe aussetzen, die sie vor 65 Millionen Jahren von dort gerettet hat. Doch die Erde ist mittlerweile wieder bevölkert – von einem Unkraut namens Menschheit. Die darf nun den Räumungsbescheid erwarten. Allerdings sind sich die Herren der Arche uneinig: Falls die Menschen zufällig intelligente Lebewesen wären, dürften sie nicht einfach vertrieben werden. Lud, Stellvertreter Noahs als Kommandant der Arche, würde die Erde am liebsten zertrümmern. Doch eine Taxifahrerin, ein Physiklehrer und ein schwuler Pornostar von der Erde kommen ihm in die Quere. Und das alles nur, weil Noah den tiefen Schlaf der Patriarchen schläft!

Ich wünsche Ihnen allen friedliche Feiertage im Kreis der Menschen, die Ihnen wichtig sind, und einen guten Rutsch ins neue Jahr, das sich von einer besseren Seite zeigen möge als das Jahr, das jetzt verraucht.

Ihr Lutz „Bronski“ Büge

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2 Kommentare zu “2022 war kein gutes Jahr, aber wir schauen voraus

  1. Hallo Bronski, ehrliche Worte, manches diskussionswürdig, aber das später. Vor allem das Gesundheitsproblem, aber auch das nächstes Jahr. Hört sich immer gut an, das machen wir nächstes Jahr, das gibt so richtig viel Raum und Zeit.
    Schöne Festtage, alles wegschieben, den vielen Regen geniessen, über 45 ltr. bei mir im Garten, welche Freude ! Und guten Rutsch.
    Ihr J.H.Winter

  2. Mir fällt da ein das ich hier im Blog vor einem Jahr auch eine Meinung vertreten habe mit der ich damals alleine hier war. Ich war der Meinung das es in D. keinen Corona Impfpflicht geben würde. Damals habe ich mich auch gefragt ob ich mit meiner Einschätzung richtig oder völlig daneben liege. Ich habe mich damals dafür entschieden bei der Position zu bleiben. Heute schreibe ich das die Energiewende an den vorhandenen Wiederständen scheitern wird. Wie letztes Jahr hoffe ich eigentlich das es nicht so kommt. Da wird das Jahr 2023 wegweisend sein. Ich hoffe das wir alle ein gutes Jahr 2023 erleben werden und wünsche allen die hier mitlesen oder schreiben Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in das kommende hoffentlich positive Jahr.

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