Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 66

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Heute bin ich nicht im Homeoffice, denn es ist Feiertag, die Leserforum-Seite für die Freitagsausgabe habe ich bereits gestern produziert und abgegeben. Heute haben wir bei herrlichem Wetter (und endlich mal nur mäßigem Wind) eine Radtour von 45 Kilometern durch die Gegend südlich von Offenbach gemacht. Am Montag war ich erstmals seit langem mal wieder in der Redaktion. Ich werde dieses Tagebuch trotzdem weiterhin so nennen:

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 66
Donnerstag, 21. Mai 2020 („Himmelfahrt“)

Es war meine erste Arbeitswoche nach knapp drei Wochen Zwangspause. Natürlich habe ich die Gespräche mit jenen Kolleginnen und Kollegen genossen, die ebenfalls in die Redaktion gekommen waren; es waren aber nicht viele. Die weitaus meisten arbeiten weiterhin im Homeoffice. Das ist inzwischen ausdrücklich erwünscht. Am Mittwoch hatte ich den Großraum bis Mittag sogar für mich allein. Für alle, die es wundert, dass in einer Zeitungsredaktion an einem Werktag nicht gearbeitet wird: Am Feiertag „Himmelfahrt“ erscheint keine FR. Daher gehen am Mittwoch davor nur jene Zeitungsleute ans Werk, die nicht tagesaktuell arbeiten müssen. So wie ich. Dafür habe ich dann am Feiertag frei, und die anderen müssen arbeiten.

Bronskis Garten in einem Hinterhof der Offenbacher Innenstadt
folgt dem
Konzept der „gehegten Wildnis“ und ist wegen dichter Büsche und dem Vogelbad für viele Kleinvögel eine Oase in der  Stadtwüste.
Hinten im Feuerdorn,
der bereits fast verblüht ist,
haben Amseln schon zwei
Jungvögel großgezogen.
Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Im Homeoffice ist das Leben – nicht nur das Arbeitsleben – ein Einerlei, in dem man langfristig die Bezüge zu verlieren droht. Daher werde ich mir künftig mehr Abwechslung verschaffen und ein- bis zweimal pro Woche trotz allem in der Redaktion arbeiten. Dass ich einen schönen Garten besitze, sorgt nebenbei für Entspannung: Es macht einfach Spaß, beim Kaffee auf der Terrasse den Spatzen, Meisen und Amseln beim Baden zuzusehen. Manchmal kommen auch Ringeltauben. Wenn die fertig sind mit dem Baden, ist das Bad leer, und es muss nachgefüllt werden.

Und dann ist da natürlich noch der bevorstehende Urlaub. Wir können entspannt sein: Es ist bereits alles geregelt. Alle Campingplätze sind gebucht! Das ist eigentlich nicht unsere Art zu reisen. Üblicherweise steigen wir in unseren Campingbus und steuern ein Ziel an, ohne zu buchen oder zu reservieren. Beim letzten Mal beispielsweise die Kleinstadt Tournus in der Bourgogne. Wie es anschließend weitergeht, entscheiden wir erst, wenn wir das Gefühl haben, dass wir weiterfahren wollen. Falls wir keinen Platz bekommen, haben wir eben Pech gehabt. Das macht nicht viel: Entweder finden wir einen anderen Platz – in Frankreich kein Problem, denn kein Land hat eine größere Dichte an Campingplätzen –, oder wir stellen uns für eine Nacht auf irgendeinen abgelegenen Parkplatz. Mit so einem Campingbus ist man relativ autark: Der Wohnbereich hat eine eigene Batterie, die stark genug ist, um viele Tage für Licht und den Betrieb der Pumpen zu sorgen; geheizt und gekocht wird mit Gas; auch der Kühlschrank kann mit Gas betrieben werden; und der Frischwassertank fasst hundert Liter. Damit kann man es auch ohne Zufuhren von außen ein Weilchen aushalten. Aber irgendwann braucht man natürlich wieder Wasser. Spätestens wenn die Toilette signalisiert: Ich bin voll!, ist klar: Die Grenze der Autarkie ist erreicht. Von da an könnte man allenfalls noch in die Natur machen, was vielleicht ökologischer wäre, aber nicht erlaubt ist.

039 TeaserDoch in Corona-Zeiten ist alles anders. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass wir in den beiden Wochen nach Pfingsten, in denen wir Urlaub machen wollen, auf die Autarkiefähigkeit unseres fahrenden Ferienhauses angewiesen sein würden. Das wäre dann ein Urlaub geworden wie jener, den wir mit unserem ersten Camper im Jahr 1997 gemacht hatten: eine Woche auf Küstenparkplätzen in der Bretagne.

„Wildes“ Campen? Nein. Im Campingbus parkt man nur, und das ist weithin erlaubt.
Bild von 1997 in der Nähe von Yffiniac
in der Nordbretagne. Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Doch es ist anders gekommen, denn mittlerweile werden überall in Deutschland die Lockdown-Regeln, die uns in der Corona-Krise viel genützt haben, allmählich entschärft. Nicht nur das Reisen wird wieder möglich; ab 28. Mai dürfen auch die meisten Campingplätze wieder Gäste empfangen. Dusch- und Waschräume werden auf den Plätzen geschlossen sein, und man wird die üblichen Regeln befolgen müssen, aber was soll sonst dagegen sprechen, auf diese Art zu reisen? Mein Mann und ich, wir sind sowieso ein Haushalt, und im Camper wohnt niemand außer uns.

Die bereits gebuchten Stationen der Reise mögen ein wenig abwegig klingen: Da wäre zunächst Schönebeck an der Elbe, etwas südlich von Magdeburg. Von da aus wollen wir uns das „deutsche Stonehenge“ ansehen, ein bronzezeitliches Ringheiligtum, das rekonstruiert wurde, und wir wollen das frühgeschichtliche Museum in Halle besuchen, wo die Himmelsscheibe von Nebra ausgestellt ist. Hoffen wir mal, dass diese Stätten dann auch zugänglich sind. Zweite Station ist Wernigerode, das mich schon lange lockt, unter anderem weil dort eine Frau wohnt, mit der ich via Facebook über Jahre hinweg viel Kontakt hatte, eine Leserin meiner Romane. Ein Treffen steht seit Jahren aus. Aber auch sonst soll Wernigerode einen Besuch wert sein. Anschließend geht es nach Pönitz am See, also in meine „Heimat“. Hoffentlich spielt das Wetter mit, so dass wir einige schöne Radtouren in der Holsteinischen Schweiz machen können. Dort werde ich Familie treffen und auch meinen Geburtstag feiern. Und die letzte Station wird Kalkriese nordöstlich von Osnabrück sein. Dort befindet sich das Schlachtfeld der Varus-Schlacht des Jahres 9 n.C., deren Ausgang mit darüber entschied, dass das römische Imperium sich nicht auf Germanien (ich verkürze den Casus) ausdehnte. Mit dieser Station der Reise verbindet sich für mich eine gewisse Ironie, denn der Ort liegt am Teutoburger Wald, von dem mein Vater immer geschwärmt hat; und doch hat er es nicht geschafft, mal hinzufahren.

Alles ist gebucht, alles ist entschieden, und wir fangen schon an, uns drauf zu freuen – auch oder gerade weil dieser Urlaub ganz anders werden wird als gewohnt. Am 29. Mai abends nach der Arbeit geht’s los. Die Ferien in Deutschland sind erzwungen, aber Not kann erfinderisch machen. Statt zu klagen, wie viele andere es tun, die sich mit den geltenden Einschränkungen nicht arrangieren wollen, versuchen mein Mann und ich, das Beste draus zu machen. Wir fühlen uns wohl dabei.

Naoned!

***

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5 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 66

  1. Lieber Bronski,
    schön, dass es Ihnen wieder gut geht!

    Habe mit Interesse von Ihrem „Besuch“ in der Redaktion gelesen. Die Zeit der Lockerungen empfinde ich als schwierig. Bei uns füllt sich das Büro langsam und der Affentanz um die Einhaltung der Abstandsregelung nervt mich. Die Flure sind nicht breit genug, so dass jeder an der Wand entlang schleicht. Zudem hat jeder ein anderes Empfinden, wie viel Abstand er möchte. Gespräche auf 5 Meter Entfernung sind auf die Dauer anstrengend.

    Vergangene Woche war ich im Botanischen Garten. Im Freien scheint die Abstandsregelung völlig verpönt zu sein. Als ich auf den wirklich sehr schmalen Wegen im Bereich der alpinen Pflanzen einer älteren Dame den Vortritt ließ, sagte sie mir: „ich beisse noch nicht“ worauf ich erwiderte, ich auch nicht, aber der Weg ist zu zweit nicht begehbar.
    Es mag ja sein, dass wir das alle unterschiedlich bewerten und empfinden, doch mit dämlichen Bemerkungen seinem Gegenüber Nähe aufzwingen zu wollen geht mir zu weit.

  2. Liebe Frau Hartl,

    ein Erlebnis in Sachen Abstandhaltung von gerade eben, Senefelderstraße in Offenbach: Mein Mann und ich, wir gehen hintereinander, um zwei entgegenkommenden jungen Frauen auszuweichen, die nebeneinander gehen. Es ist abzusehen, dass der Abstand auf diese Weise nicht eingehalten werden kann, aber die Frauen machen keine Anstalten, ebenfalls hintereinander zu gehen, um auszuweichen. Ich strecke auf bewährte Weise den Arm aus und sage: „Bitte beachten Sie die Abstandregel“. Die Frauen sind offenkundig völlig überrascht, denn sie gehen noch ein paar Schritte weiter, ehe die eine sich umdreht und uns hinterherruft: „Dann gehen Sie doch auf die andere Straßenseite.“

    Ich bin kein religiöser Mensch, aber in solchen Fällen sage selbst ich: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

    Immerhin ist es bei uns in der Redaktion leicht möglich, Abstand zu halten, denn die meisten von uns sind weiter im Homeoffice. Ich bin unter anderem deswegen in der vergangenen Woche mehrfach in die Redaktion gefahren, weil mir das tägliche Radfahren gefehlt hat. Die Kilometer summieren sich immerhin auf 22, hin und zurück. Ich habe im Homeoffice an Gewicht zugelegt. Das war schon vor Corona nicht optimal. Trotzdem werde ich in der kommenden Woche wohl nicht mehr als zweimal in die Redaktion fahren.

  3. @Bronski
    Erinnert mich an den Satz von Herrn Kubicki bei Anne Will „wer Angst hat, soll zu Hause bleiben“ und in Ihrem Fall erhält man den Rat, die Strassenseite zu wechseln, wobei unbedacht bleibt, dass dort wahrscheinlich die gleichen Ignoranten unterwegs sind.

  4. Absurd, oder? Das funktioniert nach dem weit verbreiteten Motto: Wir suchen die Schuld überall, nur nicht bei uns. Wir sind nicht betroffen. Wir sind aus der Welt.

  5. Großes Kompliment für ihre Serie „Die Welt nach Corona“ mit den sehr guten Berichten zum Nachdenken gerade in „Coronazeiten,“ denn nichts wird mehr so sein, wie es war. Besonders hervorzuheben ist der Beitrag von Professorin Claudia Kemfert. Mit ihrer fundierten Analyse trifft sie den Nagel auf den Kopf. In der Tat kommt es darauf an, ein „Update zu installieren in dem Wirtschaft und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen“, insbesondere zu Fragen des Klimaschutzes (Stichwort: Greencard für Europa). Dies wird auch der Gradmesser bei dem ambitionierten Wiederaufbauplan für Europa in der geplanten Höhe von 500 Milliarden Euro sein. Angesichts der herrschenden Egomanen auf der Weltbühne wird die Umsetzung noch schwieriger sein, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

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