Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 24

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Der 24. Tag im Homeoffice. Es ist Ostern, aber es ist alles anders als sonst an Ostern. Viele Menschen sind schlecht gelaunt. Kann man verstehen. Da beschwert sich Volker Sommer aus Aschaffenburg, es werde nur noch gemeckert. Zu wenig Schutzmittel bevorratet – mecker. Zu viele Krankenhausbetten frei – mecker. Immer gibt es was zu meckern. Werden die älteren Menschen nicht mitgedacht – mecker. Bekommen sie die ihnen zustehende Aufmerksamkeit – mecker!

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 24
Donnerstag, 9. April 2020

Herr Sommer hat Recht.  Nie ist alles richtig. Irgendwer hat immer was auszusetzen. Das ist allerdings keine neue Erfahrung, denn eigentlich war es nie anders. Aber in Krisenzeiten gehen einem die Meckerer möglicherweise mehr auf den Keks als sonst, weil man selbst angespannt ist. Und ich muss zugeben: Ich bekomme durchaus Post, die mir auf die Nerven geht. Zum Beispiel häufen sich derzeit Mails von Leuten, die glauben, an der Reputation von Wissenschaftlern sägen und Verschwörungstheorien verbreiten zu müssen.

Die zentrale Frage in solchen Mails ist immer wieder: Cui bono? Wem nützt das? Wer hat was davon? Die Sinnlosigkeit dieser Frage liegt auf der Hand. Niemand hat was von Sars-CoV-2. China nicht, die USA nicht, die Pharmaindustrie nicht und auch Wirtschaft und Politik nicht. Für jene Unternehmen der Pharmaindustrie, die derzeit an Impfstoffen arbeiten, wird sich die Epidemie zwar einst auszahlen – und zwar zu Recht, denn wenn es tatsächlich gelingen sollte, flott einen Impfstoff herzustellen, dann soll sich das für die Entwickler selbstverständlich lohnen! Der Schaden für die Gesamtwirtschaft und die Gesellschaft wird aber so immens sein, dass die Frage „Cui bono?“ wirklich nur von Zynikern aufgeworfen werden kann, die nicht begriffen haben, dass wir Menschen immer noch ein Teil der Natur dieses Planeten sind.

Wir Menschen mögen uns weit von den natürlichen Prozessen entfernt haben – dennoch unterliegen wir weiterhin den Gesetzen der Evolution. Einer der Evolutonsmechanismen ist Selektion. Es wird gesiebt, und fitte Organismen werden tendenziell mehr Nachkommen haben als weniger fitte und so ihr Erbgut weiter verbreiten. Fit heißt nicht zwangsläufig stark. Darwins Wort „survival of the fittest“ ist in dieser Weise missverstanden worden. Fit kann auch bedeuten: klüger, schlauer, gewitzter als die Konkurrenz.

Die Wildblumenwiese in meinem Garten, die ich
im vergangenen Jahr als Bienenweide angelegt habe,
steht bereits zum Teil in Blüte. Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Wir Menschen halten uns für schlau, aber es muss nur ein Virus wie Sars-CoV-2 daherkommen, um uns justamente die Schwachstellen unserer Lebensweise aufzuzeigen. Nichts anderes haben Krankheitserreger schon immer getan, von der Pest über die Spanische Grippe bis hin zu Sars, HIV und Ebola. Krankheitserreger sind ein Mittel der Evolution, um zu selektieren. Sars-CoV-2 trifft leider die besonders schwachen Mitglieder unserer Gesellschaft, etwa alte Menschen mit Vorerkrankungen. Aber wir brauchen keine Verschwörungstheorien, um den „Erfolg“zu verstehen, den das Virus (aus seiner Perspektive) hat. Wir Menschen verhalten uns – aus eben dieser Perspektive – einfach dumm. Wir können nicht anders, denn wir sind soziale Wesen, und als solche suchen wir Kontakt zueinander. Dieses Bedürfnis nutzt das Virus. Dahinter steckt kein böser Wille, keine Verschwörung, sondern einfach Natur und Evolution. Aber da wir Menschen vernunftbegabt sind, können wir dem Virus eine Antwort geben: Wir verzichten vorübergehend auf allzu nahe soziale Kontakte. Das gräbt ihm die Verbreitungswege ab.

All den Dampfmailern mit ihren Sorgenfalten, all den Wichtigtuern, die meinen, im Besitz einer Wahrheit zu sein, die niemand außer ihnen besitzt, all den Agitatoren,  die versuchen, die Situation auszunutzen, um Stimmung zu machen, möchte ich heute zurufen: Seid einfach mal still! Ein bisschen mehr Gelassenheit! Wie sagte noch gleich Karl Valentin: Es ist alles schon gesagt, nur noch nicht von jedem.

Für die Ostertage schalte ich also jetzt mal auf Durchzug. Naoned!

Worldometer  +++ SafetyDetectives

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5 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 24

  1. Gut gesagt lieber Bronski!
    Hatte selbst zwei Tage mit sehr schlechter Laune. Da hilft nur auf’s Rad steigen, um sich wieder einzukriegen.
    Wünsche ihnen entspannte Ostertage.

  2. Lieber Bronski, liebe Anna Hartl,
    einverstanden mit dem oben Gesagten.
    Es nerven vor allem die Menschen, die die Diktatur heraufkommen sehen und sich bereits jetzt in ihren Grund- und Freiheitsrechten beschnitten sehen. Das ist jetzt wirklich nicht angebracht. Es ist Ausnahmezustand.
    Diese Pandemie bringt für uns alle einen Haufen Lernstoff. Was wissen und wussten wir schon?
    Wir wissen allerdings das, was die Masse Mensch in Ischgl mit angerichtet hat!
    Sicher ist auch, dass die Beschränkungen des täglichen Lebens und das Zuhausebleiben-müssen nicht gerade Seelentröster sind. Aber es ist im Großen und Ganzen auch auszuhalten. Es macht auch zwischenzeitlich was mit dem eigenen Gemüt. Aber es wäre unnormal, wenn sowas nicht aufkommen würde.
    Im Vergleich zu vielen anderen Teilen der Welt und Kriegsschauplätzen, ist ein großes Rumgejammere im Nord-Westen nicht angebracht.

    Wenn u.a. das Lesen empfohlen wird, konnte man schon seit vielen Jahren „Die Pest“ von Albert Camus gelesen haben. Beispiel.
    Wenn nicht jetzt langer Atem, wann dann?
    Es ist auch nicht die Zeit der Helden oder Politiker-Egoismen. Es ist harte Arbeit, da wo’s jetzt lange Zeit richtig wehtut.
    Und fehlerfrei geht schon mal gar nichts.
    Wohlgemeint: Angenehme Ostern!

    Irgendwie kriege ich diesen Kommentar nicht losgeschickt??

  3. Lieber Herr Malyssek,
    ich weiß nicht, was WordPress plötzlich gegen Ihre Kommentare hat. Die sind alle im Papierkorb gelandet. Sorry – aber wie Sie sehen, sind sie nicht verloren. Ich habe den letzten rausgefischt und veröffentlicht.

    Stichwort langer Atem: Ich empfehle das Buch „Herkunft“ von Saša Stanišić, Deutscher Buchpreis 2019. Toll!

  4. Lieber Bronski,

    vielen Dank für die Hinweise und die Rettungsaktion! Vielleicht taucht ja ein Wort auf, dass nicht kommod ist, und weg bin ich …

    Prima, von „Herkunft“ gehört und ich werd’s mir jetzt besorgen. Danke!

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