Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 7

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Montag und Freitag, das sind – ich darf das so sagen, weil wir ja im Krieg sind, nämlich im Krieg mit Sars-CoV-2 – meine beiden Hauptkampftage. Freitag deswegen, weil ich an diesem Tag Doppelproduktion habe. Da mache ich das Leserforum für den Samstag und den Montag, denn am Wochenende will ich ja schließlich Wochenende haben. Sonst sollte man nicht von Wochenende sprechen. Oder gibt es irgendjemanden hier, für den da nicht der schöne Begriff „Freizeit“ mitschwingt?

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 7
Montag, 23. März 2020

So ist es. Aber heute – Massen von Leserbriefen! Ich musste wirklich aufpassen, den Redaktionsschluss um 15:30 Uhr zu schaffen. Obwohl ich nur eine Seite für die Leserbriefe hatte. Einen solchen Andrang von Zuschriften habe ich lange nicht erlebt. Es gab im Lauf der Jahre, seit ich diese Arbeit vom 31. Mai 2007 an mache, verschiedene Wellen, die mir viele Leserbriefe zugetragen haben. Die aktuelle ist die heftigste.

Sie werden sich denken können, warum der Montag in meinem Arbeitsleben ein intensiver Tag ist, denn da habe ich alle Zuschriften zu sichten, die seit dem Redaktionsschluss am Freitagabend hereingekommen sind. Und da die Menschen, so wie auch ich, an Wochenenden – Hurra!, Freizeit!! – mehr Zeit für so was wie das Verfassen von Leserbriefen haben, ist das Mailpostfach am Montagmorgen erfahrungsgemäß rappelvoll. So auch heute. Rund 500 Mails. Da muss man sich dann erstmal durcharbeiten!

Stichwort Vereinzelung. In diese Situation bin ich ja nun geworfen, wegen Homeoffice. Sie vielleicht auch. Aber eigentlich handelt es sich dabei doch nur um die Verstetigung eines Zustands, den viele von uns bereits seit Längerem pflegen. Oder nicht? Smombies gibt es nicht erst seit Sars-CoV-2.

Smombie
Offenbacher Innenstadt, 21.3.2020
Foto: Lutz „Bronski“ Büge

Was ist der Unterschied zwischen einem Dasein als Smombie und einem in der Sars-CoV-2 Isolation? Ich behaupte, es gibt keinen. Smombies befinden sich bereits in Isolation. Selbstgewählt, auch wenn man sich fragen kann, ob das aus freien Stücken passiert oder was da tatsächlich passiert. Suchtverhalten? Smombies begegnen einem jedenfalls andauernd, auch in Zeiten der Pandemie. (Smombie, um das noch kurz zu erklären, ist ein Kunstwort, das sich aus „Smartphone“ und „Zombie“ zusammensetzt und das Verhalten solcher Menschen bei alltäglichen Begegnungen recht stimmig beschreibt.) Auf dem Bild steht ein solcher Smombie einfach herum. Das machen die oft. Manchmal, das ist besonders tückisch, bleiben die einfach unvermittelt vor einem stehen, so dass die Gefahr einer Kollision droht, die sie aber nicht einen Moment lang in Betracht ziehen.

Smombies waren also schon immer eine Gefahr für die Allgemeinheit. Wenn sie allerdings ruhig mitten in einer leeren Fußgängerzone rumstehen, reduziert sich diese Gefahr wiederum. Da kann man kaum was dagegen haben. Ich hoffe dennoch, dass der abgebildete Zeitgenosse den Sonnenuntergang nicht verpasst hat, denn dann wäre es langsam an der Zeit, nach Hause zu gehen.

Der siebente Tag im Homeoffice, und ich kann noch Witze machen! Nun, in der Tat: Mir geht’s gut, die Arbeit klappt, ich habe das Gefühl, alles im Griff zu haben. Das ist natürlich Unsinn, denn ich bin nur ein Mensch, und wir Menschen haben in Wirklichkeit überhaupt nichts im Griff, auch wenn wir das gern glauben. Wir sind ja angeblich die „Krone der Schöpfung“! Nicht wahr – darum sterben Menschen an so einem kleinen Ding, das man nicht mal unter dem Lichtmikroskop sehen kann: weil wir die Krone der Schöpfung sind. Es wird Zeit, das wir runterkommen von diesem Tripp und uns nicht länger als Krone der Schöpfung sehen, sondern als Teil der Schöpfung, der abhängig ist von anderen Teilen der Schöpfung.

Heute Abend gibt’s Hähnchenkeulen und Kartoffelsalat. Letzterer natürlich selbstgemacht. Ich nehme aber an, dass hier niemand ein Rezept braucht, oder?

Naoned!

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2 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 7

  1. Hallo Lutz Büge,
    die Arbeit „im Griff“ zu haben, ist doch auch gut. Nicht jeder kommt im Home-Office klar.
    Aber natürlich haben Sie recht. Wir sind nicht die Krone der Schöpfung. Wir sind nur ein Teil der Natur. Vor wie viel tausend Jahren kam jemand auf die Idee, wir wären es?

    Eine Freundin schrieb mir letzte Woche, ihr sei im Wald so richtig bewusst geworden, dass dieser sie nicht braucht, aber umgekehrt. Der Wald wird zum Zufluchtsort.
    Es ist Frühling und die Natur entfalltet sich. Zieht unbeirrt ihren Plan durch, ob mit oder ohne uns.
    Gestern stand ich wieder plötzlich den Hirschen im Wald gegenüber. Für mich sind das wunderbare Momente. Corona und die Probleme der Welt sind vergessen. Ich stehe nur da und staune über die Größe und Schönheit dieser Tiere.

    Zurück im Alltag darf ich über den Buchhändler am Lokalbahn lachen, der mir durch die Fensterscheiben versucht etwas zu sagen.
    Zwei Ecken weiter kommt mir ein Mann entgegen, der sichtlich genervt, von Abstand halten die Nase voll hat und mitten auf dem Fußgängerweg läuft. Da hilft nur ausweichen.

    Ansonsten liebe ich die Stille die zur Zeit herrscht. Kaum Flugzeuge, wenig Autos und bei Einbruch der Dunkelheit habe ich das Gefühl, die Bürgersteige werden hochgeklappt und gut ist es.
    Klingt vielleicht blöd, aber diese Situation beinhaltet auch Geschenke!

  2. Hallo,
    bei uns gab es gestern mittag auch Kartoffensalat, den meine Frau, wie immer, lecker zubereitet, dazu mit Maultaschen. Denn wir wohnen ja im Schwabenland.

    Gut fand ich heute die Anzeige in der Print-ausgabe, in der die FR allen Danke sagt, die in irgendeiner Weise tätig sind. Dies hebt sich positiv von anderen Danke-Sagern, wie der Kanzlerin oder der Fa. Lidl, ab, die ihrerseits zunächst einmal ihren Dank durch eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte, der Mitarbeiter*innen und der Schaffung besserer Voraussetzungen aktiv ausdrücken sollten, denn sonst ist das Ganze unglaubwürdig.

    Auch wurde in den letzten Tagen ein Trara über eine mögliche Infektion der Kanzlerin veranstaltet, um großes Mitleid zu erregen. Dabei wird sich kaum ein/e Verdächtige/r auf gleichermaßen gute Möglichkeiten eines Tests bzw. einer weiteren Behandlung verlassen können. Andere müssen Wartezeiten o.ä. in Kauf nehmen, um sich testen zu lassen, um verlässliche Ergebnisse zu erfahren oder um überhaupt sachgerecht versorgt zu werden. Aber für die „arme“ Kanzlerin soll Mitleid erzeugt werden.

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