Freiwilliger Wehrdienst: Die Bundeswehr als Schule der Nation?

Ein neuer/alter Gedanke treibt neue/alte Blüten: Wie bringt man den Menschen Gemeinsinn bei? Vor allem jenen, die das eigentlich gar nicht wollen? Und dann werden pädagogische Konzepte aus der Mottenkiste geholt, die schon früher nicht getaugt haben, zum Beispiel dieser: der freiwillige Wehrdienst. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer scheint darin ein Mittel zu sehen, rechtsextremen Umtrieben in Truppe und Gesellschaft entgegen zu treten.Die Bundeswehr soll also ausbügeln, was Eltern, Schule und Ausbildung vorher nicht vermocht haben?

Erst kürzlich haben wir hier über Sinn und Unsinn der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht diskutiert (der betreffende Thread wird nun geschlossen). Diese Breitseite kam von einer SPD-Frau. Die aktuelle von einer von der CDU. Annegret Kramp-Karrenbauer vertritt eine Art von „modernem Konservatismus“, der die alten Konzepte ein bisschen aufpeppt. Also macht AKK jetzt ein neues/altes Angebot an die Gesellschaft. Heimatschutz lautet die Parole. Neu ist daran, dass der Freiwilligendienst allen Altersschichten bis zum Rentenalter offenstehen soll. Das Programm startet im April und hat drei Phasen:

  1. eine dreimonatige Grundausbildung in einer der elf Ausbildungseinrichtungen der Streitkräftebasis
  2. eine viermonatige Spezialausbildung Heimatschutz in Berlin, Delmenhorst oder Wildflecken; diese beiden Abschnitte werden mit monatlich 1500 Euro vergütet
  3. eine Reservezeit von sechs Jahren, in der Reservistendienste von insgesamt fünf Monaten möglichst nah am Heimatort geleistet werden sollen, vergütet mit etwa 87 Euro je Einsatztag.

Wenn Sie wollen, können Sie sich ab September bewerben. Lust? Nicht so richtig? Dann lassen Sie uns über Sinn und/oder Unsinn dieser Veranstaltung reden.

fr-debatteDie Mottenkiste der Kramp-Karrenbauer

Die Verteidigungsministerin möchte einen Heimatschutz, der durchgeführt werden soll von Freiwilligen bis zum Alter von 65 Jahren. Der siebenmonatigen Ausbildung folgt eine Reservezeit von sechs Jahren. Das Ganze soll dem Objektschutz bzw. dem Schutz sensibler Infrastruktur dienen. Die erste Frage, die sich stellt, ist, wie ist das mit dem Einsatz der Bundeswehr im Inland? Die zweite Frage, die sich stellt, bezieht sich auf die mathematischen Fähigkeiten der Verteidigungsministerin. Gehen wir von einem Eintrittsalter von 64 Jahren aus und addieren sieben Monate Ausbildungszeit sowie sechs Jahre Reservezeit. Das wären nach Adam Riese 70,7 Jahre bei Beendigung des Dienstes. Es soll also ein fast 71 Jahre alter Mensch mit der Waffe in der Hand wichtige Objekte schützen?
Was verspricht sich Frau Kramp-Karrenbauer davon? Sie greift mit dieser Idee in eine Mottenkiste, von der ich gehofft hatte, dass sie für immer geschlossen wurde. So erinnert das vorgestellte Konzept sehr unglücklich an den sogenannten Volkssturm am Ende des Zweiten Weltkrieges. Vor allem, wenn darüberhinaus eine Dienstpflicht zu Diskussion gestellt wird. Nein, danke. Ein Volk, das aus seinen Fehler nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

Rüdiger Erdmann, Pattensen

fr-debatteMilitärische Laienspielgruppe

Den Vorschlag eines freiwilligen oder später mit Sicherheit auch verpflichtenden Wehrdienstes lehne ich ab. Das angegebene Ziel eines solchen -zunächst noch freiwilligen – Wehrdienstes soll es angeblich sein, das Gemeinschaftsdenken in der Gesellschaft zu erhöhen. Dieser Gedanke überzeugt mich nicht, denn ich sehe überhaupt nicht, wo dieses Gefühl abhanden gekommen sein sollte.
Ich hoffe, dass wir nicht wieder auf das Niveau zurückfallen, die Bundeswehr (oder irgendeine andere Armee) sei die Schule der Nation. Wer sich für die Gesellschaft einsetzen will, hat genügend Möglichkeiten bei den bestehenden Organisationen in allen möglichen Bereichen aktiv tätig zu werden. Dazu braucht man nicht – wie von der Verteidigungsministerin vorgesehen- einer militärischen kasernierten Grundausbildung.
Ich habe auch eine große Abneigung gegen die Bewerberinnen und Bewerber, weil sich dort Personen versammeln werden, die Waffenfreaks und Anhänger von Befehl und Unterordnung sind.Und sie werden immer militärische Laienspielgruppen sein.Und gegen die extremistische Gefahr in der Bundeswehr wird diese Wehrpflicht auch nicht helfen, eher wird das Gegentiel eintreten.

Gerhard Burmester, Lübeck

fr-debatteWie der Respekt verloren gegangen ist

Respekt versus Spaßgesellschft versus Freiwilligendienst – kann man so unterschiedliche Themen tatsächlich unter einen Hut bringen? Auf welcher Seite finden wir dann den Respekt?
Frau Karrenbauer, Bundesverteidigungsministerin, möchte gerne, dass Jugendliche in einer freiwilligen Betätigung, die nicht allein sozialen Aufgaben der Zivilgesellschaft dienen soll, ganz nebenbei eine Grundausbildung für wehrhafte Heranwachsende bekommen. Unter Wehrhaft bezeichnet man z.B. auch die Ausbildung an der Waffe. Gut, ohne den nötigen Respekt vor Vorgesetzten ist das nicht möglich. Man beobachtet in den letzten Jahren jedoch immer mehr, dass den Jugendlichen der Respekt, der sich über die Erziehung im Elternhaus entwickeln soll, an keiner Stelle im öffentlichen Raum mehr wahrgenommen wird.
Ich sehe den Grund unter anderem in der Entpolitisierung der Gesellschaft. Zu meiner Zeit (im Jahr 1930 geboren) hatten wir allen Grund, uns nach der Niederschlagung des Hitler-Faschismus und dem Ende des unseligen Zweiten Weltkriegs als Jugendliche zu organisieren, auf allen politischen Ebenen. Heute ist die junge Generation durch den anhaltenden Klimawandel, der ihr Weiterleben auf dieser Erde hochgradig bedroht, dabei zurückzufinden. Nun kommen wir zum Thema Respekt. Um ihre Interessen, dass Weiterleben auf unserem Planeten zu sichern, müssen sie respektlos, meistens freitags, einen Teil des Unterrichtes schwänzen.
Mitglieder unserer Weltgesellschaft mögen sich staunend fragen, was an einer Spaßgesellschaft denn so schlecht sein soll. Eine Gesellschaft, deren Ziel das Heitere, Leichte, Witzige ist, die Freude am Lustgewinn hat – wäre das nicht eigentlich ziemlich erstrebenswert? Es geht darum, dass eine im Konsumkapitalismus immer stärker werdende „Kulturindustrie“ zunehmend die Massen daran hindert, selbst zu denken – und mit billigen Juxartikeln wie Popmusik, Jazz, Filmen und anderem Krimskrams von dem Anderen, dem Nachdenkenswerten und den schlimmen Zuständen in Teilen unserer Welt abhält. Unsere Bevölkerung – mit und ohne Migrationshintergrund – sollte nun die Zeit der Pandemie, die sicher noch lange anhalten wird, nutzen, unsere Gesellschaft in neue, ernsthaftere Bahnen zu lenken. Hier ist sowohl die Zivilgesellschaft als auch die Politik gefordert.

Helmut Usinger, Offenbach

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3 Kommentare zu “Freiwilliger Wehrdienst: Die Bundeswehr als Schule der Nation?

  1. Wir haben keine leichten Zeiten momentan. Da sollten wir doch eigentlich schauen, dass wir alle möglichst ohne zusätzliche Belastungen durchkommen. Das sehen offenbar aber nicht alle so. Viel zu viele Egoisten und Ignoranten leben unter uns:

    Die Menschen, die meinen, das (korrekte!) Tragen des Mund-Nasen-Schutzes sei nichts für sie (Offenbar halten sie sich für unverwundbar – sollte man ihnen da nicht „gemeinerweise“ wünschen, dass es sie „erwischt“…?).

    Oder die, die ihr Leben ohne nächtliche Party und lautstarke Musik bis in den frühen Morgen offenbar nicht aushalten. Haben wir nicht eine Regelung, dass ab 22.00 Uhr Zimmerlautstärke zu sein hat? Interessiert die Feiernden so gar nicht, Hauptsache sie haben ihren Spaß, und ob andere schlafen können, ist ihnen wurscht. Selbst, wenn es sich um eine Krankenschwester oder einen Arzt handelt, die/der die Feiernden dann irgendwann als Corona-Patient versorgen muss…

    Und was ist mit den Typen, die qualmend im Café oder Restaurant draußen sitzen, wohl wissend, dass ihre Qualmerei die anderen Gäste beim Essen (oder auch sonst) stört? Rücksichtnahme? -> Fehlanzeige!

    Oder man nehme die Spezies der Hundebesitzer, die sich NICHT mit Tütchen versorgen und somit wissentlich die Hinterlassenschaft ihrer Hunde einfach liegen lassen, so dass andere hineintreten, auch im Feld (bin selbst Hundebesitzer und sehe dies oft genug). Es gibt noch genügend weitere Beispiele….

    Was ist los mit diesen Menschen? Haben die nie gelernt, aufeinander Rücksicht zu nehmen, oder wurde ihnen gar eingeimpft, als Egoist käme man besser durchs Leben? Erfahrungsgemäß geht so ein dämliches Verhalten irgendwann nach hinten los. Im besten Fall fangen die Leute dann an, mal über sich und das, was sie anrichten, nachzudenken… Das ist das, was sich der rücksichtnehmende Bevölkerungsanteil unter uns sehr wünschen würde.

  2. Der neue Freiwilligendienst im „Heimatschutz der Bundeswehr“ für 1400 Euro Netto im Monat: Die online Reklame der Bundeswehr (dein Jahr für Deutschland) suggeriert, dass dieser Dienst besonders für Jugendliche geeignet ist, die keine sonstige Perspektive haben. Ja – sie können sich dann wichtig fühlen mit der Waffe in der Hand, einer Uniform und einem Gehalt, das dreimal so hoch ist wie mancher Lohn im ersten Lehrjahr – und vielleicht danach gleich eine Ausbildung und Karriere bei der Bundeswehr anschließen.
    Eine durchsichtige Reklameaktion der Bundeswehr. Dieses Angebot fördert die weitere Militarisierung unserer Gesellschaft. Zudem könnten sich von dem Angebot Menschen mit gefährlicher rechter Gesinnung angezogen fühlen und so den Umgang mit der Waffe lernen.
    Coronaabstriche machen – bei Überschwemmungen helfen – Schnee von Dächern räumen … dafür haben wir verschiedene zivile Organisationen : Gesundheitsämter, die besser ausgestattet werden müssten, das THW und andere Hilfsorganisationen, bei denen oft Menschen ehrenamtlich arbeiten, die bezahlt werden sollten.
    Meine Heimat jedenfalls wird nicht durch militärische Ausbildung von Jugendlichen geschützt sondern durch Erlernen von Konfliktlösungen, durch die Angebote des Freiwilligen Sozialen Jahres, das freiwillige ökologische Jahr oder das Programm Weltwärts.

  3. Der Vorschlag eines freiwilligen Wehrdiensts wirkt von allen guten Geistern verlassen: Wer braucht für die Mithilfe bei Coronatests, beim Kampf gegen Borkenkäfer und Hochwasser eine militärische Grundausbildung? „Freunde der Armee“ ist doch wohl Schönrednerei für Waffennarren, die schlau genug sind, sich nicht in Auslandseinsätzen als Kanonenfutter verheizen zu lassen, aber zugleich wissen, dass verschwundene Munition bei der Bundeswehr sehr späte Aufmerksamkeit findet. Der Begriff „Heimatschutz“ wird wird ganz bestimmte Charaktere anziehen, die beim „Objektschutz“ Waffen in die Hand nehmen möchten. In einer Zeit, in der Männer, die keinen Erfolg bei Frauen haben, die „Heimat“ vor erfolgreichen linken Politikerinnen oder Migranten freundlichen Entscheidungsträgern schützen wollen, erscheint es unverantwortlich, eine freiwillige Ausbildung an Waffen anzubieten. Wenn sich die Bundeswehr ernsthaft von Rechtsradikalen befreien möchte, sollte sie diesen Vorschlag eines Freiwilligendienstes mit Waffen schnellstens wieder in der Schublade verschwinden lassen. Dafür sollte sie sich mit der kirchlichen Initiative „Sicherheit neu denken“ (Snd) befassen, die vorschlägt, die Bundeswehr insgesamt bis 2040 zu einer Friedensorganisation um zu gestalten, bei der Waffen eine untergeordnete Rolle spielen und präventive Konfliktregulierung dominiert. Auf alle Fälle bitte keine weiteren Angebote für gefährliche Waffennarren.

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