Der Hang der Bahn zu teuren Großprojekten

Unter der Frankfurter Innenstadt soll ein Fernbahntunnel entstehen, der den Fernverkehr und den Nahverkehr auf der Schiene voneinander entkoppelt. Eine Machbarkeitsstudie soll den bsten Trassenverlauf ermitteln. das Großprojekt, dessen Kosten derzeit auf 3,5 Milliarden Euro geschätzt werden und der komplett vom Bund finanziert werden soll, könnte im Jahr 2036 fertig werden. Der Fernbahnhof soll sich unterhalb des jetzigen Hauptbahnhofs befinden, der Tunnel hätte zwei Röhren auf 6,5 Kilometern Länge. Er soll dazu beitragen, 17.500 zusätzliche Fahrgäste in die Züge zu bringen und würde täglich 90 Tonnen COs einsparen, weil die Gesamt-Reisezeit sich um 3000 Stunden verkürzen würde. Ein Tunnel als Baustein der Verkehrswende, der den Umstieg vom Auto auf den Zug attraktiver machen könnte – doch das Großprojekt Frankfurt 36 zieht natürlich auch Kritik auf sich. Der Bahnexperte Klaus Gietinger etwa sagt: „Man braucht den Fernbahntunnel nicht„.

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Fragwürdiges Großprojekt

Als im November 2018 die Idee des Bundesverkehrsministers, einen Fernbahntunnel unter der Frankfurter Innenstadt zu bauen, die Mainmetropole überraschte, interviewte Claus-Jürgen Göpfert in der FR dazu den Verkehrsexperten Klaus Gietinger. Die Überschrift des Interviews brachte Gietingers Haltung zum geplanten Projekt auf den Punkt: „Man braucht den Fernbahntunnel nicht.“ Der Experte legte überzeugend dar, dass der Frankfurter Hauptbahnhof grundsätzlich als Knotenbahnhof geeignet sei und man lediglich die Zuführung vom Südbahnhof verbessern müsse. Im Gegensatz zu den überschaubaren Kosten einer solchen Maßnahme bezifferte Gietinger die Baukosten eines Tunnels auf mindestens 5 Mrd Euro und nannte auch die treibende Interessengruppe hinter dem Projekt: die „Tunnelbaulobby“.
Ich hätte mir bei der Berichterstattung über den Fernbahntunnel zumindest eine kritische Frage nach der Angemessenheit eines solchen Projektes gewünscht. Oder hat die DB mit ihrem Hang für teure Großprojekte die Frankfurter Stadtgesellschaft mitsamt der FR schon in eine unkritische Euphorie versetzt? Die Blauäugigkeit, mit der statische, geologische sowie verkehrstechnische Fragen einfach als „leicht zu lösen“ angesehen werden, verwundert mich. Auch die felsenfeste Überzeugung, Frankfurt 36 sei mit Stuttgart 21 nicht im Entferntesten vergleichbar, halte ich für unrealistisch. Die DB braucht keine fragwürdigen Großprojekte mehr, mit denen sich Planer beweisen, Unternehmen bereichern und Politiker schmücken können, sondern eine substanzielle und wirtschaftlich vernünftige Neuausrichtung auf der Grundlage des bestehenden Netzes.

Peter Reiter, Uslar

Eine Verbesserung wird dringend benötigt

Die nunmehr beschlossene Machbarkeitsstudie zum Fernbahntunnel unter der Frankfurter City ist zwar eine Bestätigung dafür, dass dringend etwas zur Verbesserung der heutigen Situation getan werden muss – allerdings ist dieser Ansatz nur bedingt tauglich. Die angestrebten Verbesserungen würden frühestens im Jahr 2036 zum Tragen kommen, etliche Milliarden kosten und nur in beschränktem Maß Abhilfe schaffen. Es sollte daher parallel dazu auch eine zweite Machbarkeitsstudie („Frankfurt26“ ?) durchgeführt werden, mit dem Ziel eine Alternative aufzuzeigen welche schneller realisierbar ist, weniger kostet und dazu noch effektiver ist.
Ein möglicher Ansatz:
1.“Ertüchtigung“ der Bahnhöfe Frankfurt Süd und Frankfurt Ost in Verbund mit kleineren Kapazitätserweiterungen im Streckennetz, um diese Bahnhöfe verstärkt zur Entlastung des heutigen Frankfurter Hauptbahnhofes nutzen zu können, gerade auch in dessen Umbauzeit.
2.Neubau eines DurchgangsFernbahnhofes im Vorfeld des heutigen Hauptbahnhofs im Bereich Camberger Strasse, wo bereit heute eine Bahnlinie in Nord-Süd-Richtung oberhalb des Vorfeldes kreuzt. ICE’s und sonstige Fernzüge halten im neuen Fernbahnhof und fahren nicht mehr in den Kopfbahnhof ein, die Fahrzeiten reduzieren sich beträchtlich – für alle Fernzüge, auch für jene die nicht den angedachten Fernbahntunnel benutzen würden.
Der neue Fernbahnhof wird auf Stelzen oberhalb der heutigen Bahngleise errichtet, es ist mehr als genug Raum vorhanden um eine optimale Erschließung (mit Schnellverbindung zum bestehenden Kopfbahnhof, der weiterhin den Regional- und Pendlerverkehr abdeckt) sowie Anbindung von ÖPNV und Individualverkehr (inkl. Parkhäuser etc.) zu ermöglichen. Sogar autonome Flugtaxis (eine derzeitige Lieblingsidee mancher Politiker) würden dort nicht sonderlich stören. Zudem können hier weitere städtebauliche Akzente gesetzt werden die sich dann auch positiv auf die Bereiche Gallusviertel und Gutleutviertel auswirken. Die Gesamtkosten dürften deutlich unter den Baukosten für den derzeit anvisierten Fernbahntunnel inklusive Tiefbahnhof liegen.
Der neue Fernbahnhof ist darüber hinaus schneller zu realisieren und bringt wesentlich mehr Kapazität und Flexibilität für den Bahnverkehr. Gerade mit Blick auf den Klimawandel sind rasch wirksame Maßnahmen erforderlich, um die Bahn attraktiver zu machen und so möglichst viel Autoverkehr und Kurzstrecken-Flugverkehr auf dieses sehr umweltfreundliche und CO²-sparende Verkehrsmittel umzulenken.

Gerhard Schwartz, Frankfurt

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