Wegen 1,30 Euro hat eine Berliner Supermarkt-Kassiererin nach mehr als 30 Jahren ihren Job verloren. Die 50-Jährige soll zwei Pfandbons über 48 und 82 Cent unterschlagen haben. Sie verlor den Kündigungsschutzprozess jetzt auch in zweiter Instanz. Markus Sievers dazu in seinem FR-Kommentar „Hart„: Die Kritik an dem Urteil reduziere sich auf einen banalen Punkt: „Die Richter haben die Interessen einer Beschäftigten mit 30 Jahren Betriebszugehörigkeit zu gering und die des Arbeitgebers zu stark gewichtet. Viel spricht dafür, dass andere Arbeitsgerichte zu einem anderen Ergebnis gekommen wären. Es ist ein falsches Urteil, aber es bewegt sich innerhalb des Ermessensspielraums, den die deutsche Rechtsordnung der Justiz einräumt.“
Die FR-Leserinnen und -Leser sind empört über das Urteil. Beate Schöhl aus Bruchköbel meint:
„Ich bin über das Urteil sehr erstaunt, und es macht mich wütend. Da wird auf der einen Seite eine Kassiererin mit 30-jähriger Berufserfahrung wegen 1,30 Euro entlassen. Was macht man stattdessen mit den Managern und Bankern, die die gesamte Wirtschaft in die Krise gestürzt haben? Hier sind lediglich ein paar kleine Bauernopfer zu verzeichnen. Die Großen klagen stattdessen auf ihre Menschenrechte, weil Boni nicht ausgezahlt werden. Das ist geradezu lächerlich und treibt der Bevölkerung die Wut in den Bauch.“
Ferdinand Hareter (IG Metall) aus Gießen:
„Kein Zweifel, um das Rechts- bzw. Unrechtsbewusstsein in Deutschland ist es schlecht bestellt. Das unsägliche Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg bestätigt diese Tatsache ein weiteres Mal. Die unbewiesene Annahme, dass eine Verkäuferin Bons im Wert von 1,30 Euro entwendet habe, reicht dem Gericht, um die Kündigung zu rechtfertigen. Dass die Kollegin über 30 Jahre in dem Supermarkt gut und ehrlich ihre Arbeit gemacht hat, spielt für das unsägliche Gericht keine Rolle. Nein, der Arbeitgeber könne ja kein Vertrauen mehr zu ihr haben. Das sei ausschlaggebend. Wo ist die Verhältnismäßigkeit?
Damit hier nichts falsch verstanden wird: Wer stiehlt und erwischt wird, gehört bestraft. Es ist aber nicht verhältnismäßig, wegen 1,30 Euro eine Existenz zu vernichten. Nichts anderes haben diese Richter getan. Das Signal, das von diesem Urteil ausgeht, ist verheerend. Täglich wird einem Millionenheer von staunenden Bürgerinnen und Bürger vor Augen geführt, wie raffgierigen und skrupellosen Managern, Firmenbesitzern und deren Helfershelfern Milliarden hinterhergeschmissen werden. Das sind die gleichen, die die Krise verursacht haben. Sie werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Welches Vertrauen soll man zu denen noch haben? Es hat sich nichts geändert. Die Kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen.“
Horst Trieflinger aus Frankfurt:
„Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die fristlose Kündigung der Kassiererin Barbara E. bestätigt. Das LAG sah es als erwiesen an, dass sie zwei Leergutbons im Wert von 48 und 82 Cent aus dem Kassenbüro der Kaiser’s-Supermarktfiliale entwendet und für ihre eigenen Einkäufe eingelöst hatte. Dem Unternehmen, so das LAG, sei es nicht zumutbar, Barbara E. trotz 31-jähriger Tätigkeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu beschäftigen.
Es ist allgemein bekannt, dass nicht wenige Arbeitrsichter einer Nebentätigkeit nachgehen. Vorzugsweise handelt es sich um die Leitung von betrieblichen Einigungsstellen. Das hessische Justizministerium hat für das Jahr 2004 bekannt gemacht, dass der prozentuale Anteil der hessischen Arbeitsrichter, die anzeige- und genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten ausübten, an den Arbeitsgerichten 48,2 Prozent und am Landesarbeitsgericht sogar 87,5 Prozent betrug. Es ist davon auszugehen, dass der prozentuale Anteil der Berliner Arbeitsrichter, die einer Nebentätigkeit nachgehen, nicht stark von denen ihrer hessischen Kollegen abweicht.
Die meisten dieser Nebentätigkeiten, die die richterliche Arbeitskraft zu Lasten des Steuerzahlers zweckentfremden, können nur in der regulären Arbeitszeit ausgeübt werden. Sie übersteigen den Wert der beiden Leergutbons immens. Dagegen soll gemäß ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung der Diebstahl (-sversuch) sehr geringer Beträge oder geringwertiger Sachen die fristlose Kündigung rechtfertigen.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz sind vor dem Gesetz alle Menschen gleich. Offenbar nicht, denn dem normalen Arbeitnehmer ist es in der Regel kraft Arbeitsvertrag verwehrt, während der Arbeitszeit einer Nebenbeschäftigung nachzugehen. Angesichts dieses Sachverhaltes ist die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu den Bagatelldelikten nicht mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes in Einklang zu bringen. Dieses Urteil dürfte der sogenannten „doppelten Rechtsordnung“ zuzuordnen sein. Sich und die Seinen misst die Rechtsprechung, die für sich keine ‚Nebenpflichten‘ gelten lässt, mit ganz anderen Maßstäben als Fremde.
Dieses Urteil sollten die Arbeitsrichter zum Anlass nehmen, ihre bedenkliche Rechtsprechung zu den betrieblichen Bagatellvergehen zu überdenken und zu ändern. Es wäre angemessen gewesen, die Kassiererin abzumahnen.“
Hendrik Schwalb aus Berlin:
„Mit einigem Erstaunen habe ich den Kommentar von Markus Sievers zum Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin gelesen. Der Autor hat sich nicht die geringste Mühe gemacht, die Ereignisse auch mal in einem anderen Kontext zu sehen: Selbst wenn die Kassiererin böswillig ihren Arbeitgeber geschädigt hat, ist eine Kündigung unverhältnismäßig. Die besondere Rechtsfigur der ‚Verdachtskündigung‘ lädt geradezu zum Missbrauch ein. Dies tut der Autor nur als ‚Unterstellung‘ ab. Zudem: wenn der ‚Vertrauensmißbrauch‘ auch in anderen Rechtsfeldern so derartig ins Gewicht fallen würde,
wären z.B. bei Finanz- und Wirtschaftsvergehen ganz andere Strafen und Konsequenzen notwendig.
Wie wäre es denn bei den Verantwortlichen der Finanzkrise mal mit Strafen, die bis zur Entziehung sämtlichen Eigentums gehen? Hat man so etwas, oder nur so etwas ähnliches schon irgendwo vernommen? Wenn es in diesen Feldern überhaupt zu Prozessen kommt.
So bleibt der unangenehme Eindruck von ‚Klassenjustiz‘, der Prinzipien nur auf bei den „Kleinen“ einfordert,
und die ‚Großen‘ laufen läßt. Auch wenn das Landesarbeitsgericht Berlin eigentlich nur einen Fall von unbefristeter Kündigung zu verhandeln hatte …“
Frank Heinze aus Erlangen
Wie Sie bereits richtig bemerken, ist es die (Un-)Verhältnismäßigkeit des Urteils, die aufmerken lässt. Die Lebensweisheit sagt: Klaue einen Euro, und du wirst verknackt. Klaue eine Million und du wirst HonoratiorIn deines Gemeinwesens. Ab zehn Millionen bist du dann Regierungsberater.
Gisela Gerken aus Ebsdorfergrund:
„Sehr geehrter Herr Sievers, ich bin vollkommen anderer Meinung als Sie. Ob die Kassiererin die Wahrheit sagt oder nicht, wissen wir nicht, und dass das Gericht den gesetzlichen Rahmen ausschöpft, ist leider richtig. Aber es gibt auch noch eine Moral. Gerade haben Tausende von Bänkern unsere Weltwirtschaft an den Rand des Kollaps gebracht, oder vielleicht ist der Kollaps schon da. Als Belohnung für ihr Missmanagement werden sie mit dicken Boni abgespeist. Kein Gericht erhebt Anklage, verlangt den Einsatzt des Vermögens der Verursacher der Misere, verurteilt sie zu hohen Gefängnisstrafen.
Im gleichen Zuge wird eine einfache Arbeitnehmerin mit einem wohl niedrigem Gehalt für ein Delikt bestraft, das man ihr nicht beweisen kann und das zudem als Geringfügigkeit einzustufen wäre. Da soll noch jemand behaupten, es würde nicht mit zweierlei Maß gemessen, die Großen lässt man laufen, die Kleinen hängt man. Ist den Herren im Vorstand eigentlich klar, dass sie gerade ein Leben zerstört haben?
Mein Glaube an den Rechtsstaat ist schon lange zerstört, Politiker, Wirtschaftsmanager und Richter sitzten unter einer Decke, Nachsicht bekommt nur, wer möglichst weit oben in der Hierachie von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft lebt.“
Albert Alten aus Wernigerode:
„Nach diesem Urteil müssten die Landesbankchefs von Hamburg bis München ebenfalls fristlos entlassen werden, weil sie Miliarden ihrer Bankkunden mit dubiosen Fonds und faulen Krediten in aller Welt verzockt haben.
Gekündigt wurde dieser Kassiererin, weil sie Mitglied einer Gewerkschafts ist und einen Streik gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und gegen Hungerlöhne, von denen kein Mensch leben kann, erfolgreich organisiert hat. Dieses Urteil des Landesarbeitsgerichts in Berlin hat etwas mit obrigkeitsstaatlicher Klassenjustiz zu tun – nichts aber mit Gerechtigkeit.“
Günter Stein aus Teningen:
„Na da freut sich doch das Herz der Gerechtigkeit: In Freiburg erhält ein ehemaliger rechtskräftig verurteilter Pfuscher, der Chefarzt der Uniklinik in Freiburg war, 2 Millionen Euro Abfindung damit er aus dem Job entfernt werden kann und hier wird eine Verkäuferin eines Supermarktes fristlos gekündigt wegen angeblicher Veruntreuung von 1,30 Euro. Ich kann diese Richter unserer Republik und ihre Weltfremdheit nicht leiden … Man sollte sie in den Keller zum Akten abstauben schicken!“
Einladung zur DDR-Romantik
Wieder ein Urteil, dass Sehnsüchte nach der angeblich „guten alten Zeit“ wecken wird und Zweifel an der Rechtsordung der Bundesrepublik bestätigt.
Dieses Urteil ist so menschenverachtend und absurd, dass nur Ratlosigkeit bleibt. Von der Ermahnung bis zur Abmahnung hätte ein breites Spektrum der Möglichkeiten zur Verfügung gestanden.
Das Rechtsverständnis der Richter ist bedenklich.
Im Arbeitsrecht gibt es den sog. Ermessensspielraum. Und es gibt die Verdachtskündigung. M.E. dürfte es gar keine Verdachtskündigung geben, da auf diese Weise dem Arbeitnehmer kein Mittel zur Verfügung steht, sich gegen unberechtigte Vorwürfe zu wehren. Wieso wurde gegen diese Frau keine Anklage erhoben? Etwa wg Geringfügigkeit? Dann ist diese Frage als Kündigungsgrund obsolet. Hat denn der Arbeitgeber eine Strafanzeige gegen diese Frau gestellt? Wenn nein, auf welchen Beweis gründet sich dann die Anschuldigung? Die Aussage einer Kollegin, die die Anschuldigung des Arbeitgebers untermauert ist mir da nicht plausibel, kann der arbeitgeber diese doch massiv mit Arbeitsplatzverlust unter Druck setzen, wie die fristlose Kündigung dieser Arbeitnehmerin zeigt.
Es ist allzu verständlich und menschlich, hier spontan für die schwächere Partei Position zu beziehen. Aber auch Herr Sievers war wohl kaum im Gerichtssaal und kennt vermutlich auch nicht die Urteilsbegründung. Bei Unterschlagung spielt der Betrag keine Rolle, das Vertrauensverhältnis gilt als zerstört. Und Äpfel mit Birnen zu vergleichen, ist hier wenig zielführend.
Statt auf dem Gericht herumzuhacken, sollten wohl besser Überlegungen angestellt werden, warum ein Arbeitgeber bei einem so banalen Vergehen (wenn es denn eins war) und 30 Jahren Betriebszugehörigkeit so heftig reagiert. Da muss doch wohl noch mehr im Busch gewesen sein. Möglicherweise hat man hier die erstbeste Gelegenheit genutzt, eine „widerspenstige“ Mitarbeiterin zu entsorgen. Schuld daran sind aber m. E. nicht in erster Linie die Gerichte, auch wenn sie im vorliegenden Fall quasi „vollstreckt“ haben.
Es wäre aber auch von allgemeinem Interesse wie viel Solidarbeitrag für Diebstahl schon vom Kunden bezahlt wurde in den Jahren.
Verluste ,die in Preise eingeflossen sind.
Millionen von Kleinbeträgen die zu Lasten des Ehrlichen Kunden bezahlt wurden von Ehlichen Kunden.
Kosten für Kaufhausdtektive für die der Ehliche Kunde belastet wird.
Kosten für Überwachungstechnik.
Wenn diese Zahlen auf dem Tich kommen wäre das Verständnis sicher geringer.
Ja der Fall ist inhaltlich schon der Hammer, aber man muss es auch mal so betrachten, Sie ist Kassierin und hat permanent mit dem Geld der Firma zu tun und egal ob 1,30 EUR oder nicht, Sie hat Sie sich unrechtmäßig angeeignet. Naja und aus Firmensicht würde ich jemanden der sowas tut auch nicht mein Geld anvertrauen. Gut man hätte Sie nicht feuern müssen, vielleicht wäre ja auch noch ein anderer Job da gewesen, aber ans Geld würde ich Sie nicht mehr lassen.
Man mag das Urteil gegen die ehemalige Kassiererin Barbara E. als zu hart und unangemessen ansehen und die Verhältnismäßigkeit von Tat und Folge hinterfragen. Muss man deshalb aber aus Frau E. quasi eine „Heldin der Arbeiterschaft“ machen? Was sind die Fakten?
Frau E. wird bei der Unterschlagung von zwei Leergutbons betroffen, belastet zunächst eine andere Mitarbeiterin und räumt schließlich die Tat ein. Was ist denn mit dem Verhalten von Frau E.?
Ist es in Ordnung, nach dreißig Jahren im Betrieb, diesen zu bestehlen (sind ja nur 1.30 Euro)?
Muss sie sich denn nicht fragen lassen, ob diese Straftat (bzw. die „Früchte“ daraus), von der sie als Gewerkschafterin sehr wohl wissen musste, dass eine solche gegen den Arbeitgeber gerichtete Tat zur Entlassung führen kann, es wert war, ihre unbefristete Stelle zu riskieren? Wes Geistes Kind muss man sein, um andere zu belasten, um so vermeintlich seine Haut zu retten? Ist DAS denn nicht….nun sagen wird „unsozial“?
Hier wurde, nach meiner Meinung, weder eine Gewerkschafterin für ihr Engagement, noch eine „arme Arbeiterin“ ungerechtfertigter Weise abgestraft. Hier wurde durch das Arbeitsgericht lediglich festgestellt, dass ein Arbeitgeber sich sehr wohl von einer Angestellten trennen kann, die ihn bestiehlt. Wo wollen wir denn die Grenze ziehen? Ist 1,30 Euro okay, 13 Euro nicht mehr?
Frau E. hat die Ursache gesetzt und sich im Anschluss fragwürdig verhalten. Das sollte bei der Diskussion nicht vergessen werden.
Diebstahl ist Diebstahl. Vertrauensbruch ist Vertrauensbruch. Die Folgen muß jeder selber tragen. Vorher überlegen, nicht hinter jammern und Welt auf den Plan rufen.
Was die anderen machen, ist uninteressant. Dies als Rechtfertigung zu nehmen, hätte dann zur Folge, daß alles Nachfolgende legitim ist, daß man dann selbst als Leidtragender eines Delikts, schön die Klappe zu halten hat.
„Die hat geklaut, dann darf ich die doch auch beklauen.“
Die 1,30 Euro sind es nicht, der Vertrauensverlust ist, der ein Betriebsklima vergiftet und letztendlich sich auf andere überträgt. Mißtrauen gesät und dann schreien, wenn 100 Kameras in der Gegend rumhängen.
Wenn der Maßstab „irreparabler Vertrauensverlust“ zugrundegelegt wird, ist die Entlassung der Kassiererin eigentlich ein Skandal, weil andere, die in ungleich größerem Ausmaß Vertrauen zerstört haben, ungeschoren bleiben. Die Deutsche Bahn hat fast alle Mitarbeiter bespitzelt, unter Umständen teilweise sogar in strafrechtlich relevantem Umfang. Trotzdem ist Harmut Mehdorn nach wie vor im Amt. Das Gleiche bei der Telekom, hier wurden Presseberichten zufolge nicht nur Mitarbeiter, sondern darüber hinaus externe Personen, etwa der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, ausspioniert.
Und was ist mit den Finanzakrobaten, denen wir jetzt mit Milliardenbeträgen unter die Arme greifen müssen und die – zumindest der Öffentlichkeit gegenüber – immer noch nicht den wahren Umfang ihrer faulen Geschäfte offenlegen? Von einem Verlust des Arbeitgebervertrauens ist hier erstaunlicherweise nicht die Rede. Wie sieht es da mit der Ehrlichkeit der – diesmal leitenden – Mitarbeiter aus?
Es bleibt deshalb der bittere Geschmack von unterschiedlichen Maßstäben zurück – einen für die kleine Kassiererin, die Bons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll, und einen für unverantwortliche Manager, die Mitarbeiter bespitzeln und Verluste in Milliardenhöhe produzieren. Bei Letzteren bleibt das Ganze meist ohne Konsequenzen, während die Existenz der Kassiererin vermutlich hinüber ist.
Es gibt ja auch das Sprichwort: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht das Selbe.
Es tut (Tutwächter online) nichts zur Sache, was anderswo für Werte gelten.
Wenn die Türkei in die EU reinkommt, die türkische Fahne über Berlin weht, wir an ein DAF-Song erinnert werden (hat die FR neulich auch) darf man dann der Ehre zuliebe Frau und Tochter durch die Gegend prügeln, weil es dort unten auch gemacht wird, oder wie verstehe ich das? Darf ich die Frankfurter Richterin nun hochhalten, durch sie gewisses Verhalten legitimieren?
Klaue ich als DB-Angestellter Klopapierollen weil das Projekt 1222 in Gallus nicht mal welche hat, bin ich mein Job los – zu Recht. Der Hinweis auf mein Chef hilft wenig. Muß ich neben mein Verteidiger 10 Psychologen beisetzen. Die Chancen stehen dann besser.
Die zweierlei Wertigkeit war schon immer so.
Tod durch Teufelsaustreibung. Hat man nie was gehört davon. Sex mit Schutzbefohlenen – das Gesetz erzählt da genug. Da sieht man nie jemanden vor dem Richter stehen – bei einer gewissen Berufsgruppe. Das rechtfertigt aber nicht, sich nun jedem Minderjährigen auf eine anderen Art zu nähern.
Wo kommen wir denn dann da hin?
„Die da oben“ können uns alles nehmen, aber das Ehrgefühl, den Anstand, die Ehrlichkeit nicht. Wenn man schon untergeht, dann mit erhobenem Haupt.
Aber wer sowieso kein Ehrgefühl hat, durch Mehdorn und andere nun alles legitimiert, dann auch nicht wundern und leise die Flure entlanggehen. Denn morgen bist „du“ dran, „du“ hast mehr wie dein Nachbar und Mehdorn ist nicht zu übersehen. Grund genug dich nun zu rupfen, gehörst noch obendrein… (jetzt kann man sich etwas aussuchen, ein „schwarzes Schaf“ findet sich immer um alles zu rechtfertigen, auch links des Mains).
Guten morgen zusammen, schönes Wochenende.
Und nun breche ich eine Lanze für Mehdorn:
Mehdorn deutet nur hinter sich: „Haben die auch gemacht.“ Somit ist er raus aus dem Schneider, der Gedächtnisverlust kommt noch, nur Geduld, und von nix wissen haben ihm viele vorgelebt. Jene werden heute hofiert und wenn sie Geburtstag/Jubiläum haben werden sie gefeiert – auch in der FR, die feiern sowieso gerne Geburtstag/Jubeltage, schlimm schlimm.
Die FAZ hat nicht eine Silbe verloren über die jüngsten Schiebereien in der CDU, in der FR stand ne Menge, doch heute… es ist still geworden. Mehdorn braucht nur nach Hessen zu deuten.
Bronski kann hier dicht machen, denn alle Anklageschriften sind legitimiert durch vorangegangene Handlungen. Warum darf die Telekom nicht das machen, was Siemens vorgelegt hat? Warum werden Firmen bezüglich der Personalpolitik an den Pranger gestellt, wenn die Kommunen es vorleben? Täglich Opel in den Nachrichten, Peanuts die läppischen 3 Mrd. Euro gegenüber dem was DB AG seit dem „AG“ in den Sand gesetzt hat. Mit dem Geld könnte sich Opel freikaufen, aus der Portokasse. Von der Vernichtung der Arbeitsplätze ganz zu schweigen. Wieviele Arbeitsplätze hat Herr Koch im Zusammenhang mit Fraport geschaffen? Noch nicht einer geschaffen, aber wieviele werden nun schon ausgelagert? Das erzählt viel über die Arbeitsplätze die da im Anmarsch sind.
Muß deswegen nun ein Unternehmen nach gleichen Werten handeln? Diebstahl und anderes hinnehmen? Aus einem Stück Papier wo Bon drauf steht, wird morgen ein Papier wo 10 draufsrteht, übermorgen 100 – sinngemäß. Und wen die eine das darf, dürfen die anderen es doch auch. Dem Unternehmen wünsche ich eine gute Zukunft. Den Kassenbon kontrolliere ich dann 3 Mal, bevor ich die Kasse verlasse. Ob ich da überhaupt einkaufe, sei mal dahingestellt.
Und die Geschichte mit dem Klopapier ist wirklich passiert, in Griesheim (Frankfurt). Es betraf zwei Arbeiter und wurde zum Anlaß in den Unterrichtsstunden genommen, nochmal einmal darauf hinzuweisen – Diebstahl wird in keinster Weise geduldet.
Es war nur DB-Klopapier, nicht mal 3-lagig mit Kamillenduft, zwei Existenzen vor dem Aus. Und damals hat ein Graf und eine Flickschusterei im Wirtschaftswesen die Runde gemacht, vorgelebt was machbar ist. Auch damals habe ich kein Bedauern für die Arbeiter gehabt.
Bei meiner Nachbarin steht immer die Türe offen. Darf ich nun mit Mehdorn im Schlepptau… ist doch nur ein Stück Papier. Außerdem ist sie selber schuld, was läßt sie auch die Türe offen, nicht wahr?
rü #9
Es ging mir nicht um die Rechtfertigung einer Unterschlagung, sogar wenn der Wert bloß 1,30 Euro entspricht. Es ging mir darum, den gleichen Maßstab auch beim Establishment anzulegen.
Ist mir schon klar Michael Schäfer (#11), aber die gleichen Mäßstäbe überall gelten zu lassen, hat die Menschheit in ihrer ganzen Geschichte noch nicht hinbekommen, egal welche Form des Staates es auch immer war. Die praktizierte Ungerechtigkeit zwischen den Schichten/Klassen immer da ist, schon immer da war. Die ausgeschauten Eliten immer gut wegkommen, ob kleiner Parteilotse oder großer Lenker – die Großen läßt man laufen, die Kleinen hängt man auf.
Ich weiß nicht wie alt diese Lebensweisheit nun ist, dies hat meine Oma immer gesagt, meine Mutter, mein Vater auch. Das hat aber meine Oma und meine Eltern nicht daran gehindert ihr bestes zu geben, um mich auf den rechten Pfad zu schubsen. Bedeutet nun nicht, daß ich eine weiße Weste habe.
Fragen kostet zudem auch nichts. Die eine Firma in Rödelheim gibt sogar Vorschuß. Ein mehr an Verwaltungsaufwand hindert die Firmenleitung nicht ihren Arbeitern aus der Klemme zu helfen.
Das Landgericht hat die Entlassung der Kassiererin mit dem Verlust des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin begründet. Recht so- aber dann bitte doch gleiches Recht für alle! In den Zentralen der DB und der Telekom sind den Arbeitnehmern ihre persönlichen Daten entwendet und missbraucht worden – wie also steht es um das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in diesen Betrieben? Wer spricht Mehdorn, der von nichts gewusst haben will, also, – erschwerend- andere Mitarbeiter anschwärzt – die Kündigung aus? Wer den Herren in der Telekom? Ihnen könnte nicht einmal eine ebenso lange Betriebszugehörigkeit zugute gehalten werden und ihre Existenz würde sie eine Kündigung auch nicht kosten. Wer also geht für die unbezahlbare informationelle Selbstbestimmung vor Gericht? Mehr als 1,30 Euro ist die allemal wert!
Ich stimme eher selten mit Herrn Thierse überein, diesmal aber schon. Und dem Berliner Anwaltsverein möchte ich für seine beisiellose Auffassungsgabe gratulieren. Hr Thierse stelle das Gericht „außerhalb unserer Gemeinschaft“. Ja genau, da steht es ja auch. Eine Rechtsprechung die, je nach Vermögensverhältnissen des Angeklagten, unterschiedlich ausfällt, muss in einem demokratischen Gemeinwesen zwangsläufig außerhalb der Gemeinschaft sehen.
Der Aufschrei der Herren Thierse und Seehofer gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg ist purer Populismus. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt nämlich noch gar nicht vor. Kommentare, die von „Klassenjustiz“, „Richter ohne Augenmaß“ bis hin zu „schwarzer Tag für die Arbeitnehmer“ reichen, sind schon deshalb unangebracht. Nachlesen kann man schon längst die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass eine fristlose Kündigung wegen dringenden Verdachtes der Unterschlagung auch bei einem geringen Wert wie im kritisierten Urteil von 1,30 Euro gerechtfertigt sein kann. Dabei ist die Verdachtskündigung kein Freibrief für den Arbeitgeber, frei nach dem Motto: wo kein Kündigungsgrund, da zumindest ein Verdacht, unliebsame Arbeitnehmer los zu werden. Es genügt eben nicht der „bloße Verdacht“ einer Straftat. Deshalb irrt auch die stellv. Gewerkschaftsvorsitzende Doro Zinke, die es im Interview mit der Frankfurter Rundschau am 25.02.2009 als „Riesenschweinerei“ bezeichnet, wenn in einem normalen Strafrechtsverfahren ein bloßer Verdacht nicht ausreiche, bei einer Kündigung dagegen schon. Der vom Arbeitgeber vorgetragene dringende Verdacht der Unterschlagung war sogar für das Landgericht Brandenburg aufgrund der von der Klägerin selbst eingeräumten Umstände und durch Einvernahme von Zeugen erwiesen. Danach hat sie als Kassiererin zwei ihr nicht gehörende Leergutbons im Werte von 0,48 und 0,82 Euro unrechtmäßig aus dem Kassenbüro entnommen und für sich selbst eingelöst. Dass Straftaten gegen den Arbeitgeber sanktioniert werden müssen, kann ernsthaft nicht hinterfragt werden. Bleibt allein die Frage nach der Verhältnismäßigkeit: kann eine Unterschlagung von 1,30 Euro wirklich eine 31-jähriges Beschäftigungsverhältnis beenden? Ja, es kann – so zumindest das Bundesarbeitsgericht seit dem so genannten „Bienenstich-Urteil“ aus dem Jahr 1984. Damals hatte eine Verkäuferin ein Stück Bienenstich von der Theke genommen und gegessen. Die darauf ausgesprochene Kündigung hielt das Bundesarbeitsgericht für wirksam. Seit damals gilt, dass auch geringfügige Vermögensdelikte Grund für eine fristlose Kündigung sein können. Nicht der Vermögensschaden ist für die Kündigung entscheidend, sondern der Vertrauensschaden. Und eine Kassiererin, die der Unterschlagung überführt oder stark verdächtigt ist, ist nicht mehr vertrauenswürdig. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist die Entscheidung deshalb nicht zu beanstanden. Ich bin gespannt, ob und wie sich dieselben Herren äußern, wenn sie die schriftliche Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts Brandenburg gelesen haben. Und soviel zur Moral: Die Klägerin hat bei den mit ihr geführten Gesprächen widerlegbar falsche Angaben gemacht hat und erwiesenermaßen auch eine Kollegin zu Unrecht der Tat bezichtigt. Auch dies fördert nicht das Vertrauen in eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit.
Werner Ronimi, Rechtsanwalt
Wenn X die Strafe für die Veruntreuung von einer Million Euro ist, dann ist die Strafe für ein Euro nicht X/Million… Größenordnung ist auch ein kompliziertes Thema in der Justizfilosophie.
Im Fall der Kassiererin hat mich die schnelle & gnadenlose Kündigung überrascht; keine Mahnung bzw. Abmahnung, keine Zurückforderung der 1,30 Euro, keine Würdigung der über 30jährigen Mitarbeit… Daß sie vor dem Gericht „zappelt“ und dies&das sagt, kann auch mit dem Empfinden angesichts der Zerstörung der Existenz erklärt werden.
Es ist zunehmend üblich, solche Streitfälle im Internet öffentlich zu dokumentieren und zur Debatte zu stellen. Eine Ausfertigung der Gerichtsentscheidung (GE) kann u.U. leicht besorgt werden, aber eine GE ist generell keine Dokumentation über den Fall bzw. der Position der Prozeßparteien, daraus kann man nicht „schlau werden“. Ich würde die diversen Unterlagen gerne lesen.
Sonst werden im Leben auch Fallen gestellt, manchmal wegen Mobbing durch Kolleg/inn/en oder durch den Chef usw. Man denke sich folgendes Szenario aus: „Da liegen ungenutzte Gutscheine an der Geschäftsstelle aus, es ist üblich, daß die Mitarbeiter/innen sich ab&zu bedienen. Da sagt Kollegin A der Kollegin B, greif doch mal zu, wir machen doch alle so… Bedient sich Kollegin B, ist sie gleich dran… Aber der Lockvogel (agent provocateur) geht in der Regel frei aus…“ Im Leben muß man auch lernen, mit den gewissen Dingen umzugehen.
Vertrauenswürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit
Herr Rechtsanwalt Ronimi (Nr.14) erregt sich nicht über ein Urteil, das 30 Jahre Tätigkeit im Dienst einer Firma im Vergleich zu einer – unbewiesenen – Unterschlagung von € 1,30 als vernachlässigenswert ansieht, sondern über die Wortwahl etwa eines Herrn Thierse, der dies für „asozial“ hält. Herr Thierse hat nicht als Jurist gesprochen, sondern als ein Mensch, der noch einen Begriff davon hat, was 30 Jahre Arbeit bedeuten. Ihm ist noch bewusst, dass es hier nicht um juristische Spitzfindigkeiten, sondern um ein Lebensschicksal geht.
Wie anders das Arbeitsgericht und Herr Ronimi: „Und eine Kassiererin, die der Unterschlagung überführt oder stark verdächtigt ist, ist nicht mehr vertrauenswürdig.“ – Keine Frage danach, wie es um die Vertrauenswürdigkeit einer Firma bestellt sein muss, die eine solche Person 30 Jahre lang beschäftigt, ohne jemals solch schwere Charakterdefizite festgestellt zu haben.
Ein derartig apodiktisches Urteil, das bar jeglicher Verhältnismäßigkeit, um des bloßen Prinzips willen durchgezogen wird, ist nicht nur arrogant und zynisch. Eine Justiz, die sich derart von jeder Lebensrealität entfernt, hat Grund, sich selbst zu fragen, wie es mit der eigenen Vertrauenswürdigkeit bestellt ist, statt anderen „Entgleisung“ vorzuwerfen.
Es gab einmal einen „furchtbaren Juristen“ namens Filbinger. Auch der hatte nur nach „geltendem Recht“ geurteilt, als er wenige Tage vor Kriegsende einen Matrosen wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilte. Und er hat Zeit Lebens nicht verstehen wollen, warum er dafür kritisiert wurde. – Wundert es, dass es die deutsche Justiz war, die als letzte verstanden hat, was damals alles „schief gelaufen“ war?
Interessant für mich ist immer , dass dem Arbeitgeber viel mehr Rechtmittel in die Hand gegeben werden, wenn es um seine Interessen geht.
Wo bleibt die Verurteilung von Arbeitgebern, die Lohndiebstahl betreiben, in dem sie ihre Arbeitnehmer geleiste Überstunden nicht bezahlen.