Islam in Deutschland: Die Türken vor Wien

Es ist überaus erstaunlich, was Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) da kürzlich bei der „Charlie Hebdo“-Solidaritätskundgebung vorm Brandenburger Tor sagte: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Und zwar ist dies nicht aus inhaltlichen Gründen erstaunlich, denn der Islam gehört inzwischen selbstverständlich zu Deutschland; sondern es ist erstaunlich, weil Merkel sich selten derart eindeutig in eine laufende Debatte einschaltet. Sonst schwebt sie ja gern präsidial-unnahbar über den Untiefen der Tagespolitik und sieht den Kerlen dabei zu, wie sie sich verbal die Köpfe einschlagen. Dieser Regierungsstil ist vermutlich der eigentliche Grund dafür, dass Merkels Zustimmungswerte so gut sind: Die Deutschen mögen keinen Streit, und vom abkanzelnden „Basta!“ haben sie ebenfalls genug. Natürlich fängt Merkel für diese Aussage prompt Kritik ein, aber die lässt sie in bewährter Manier an sich abperlen: Sie sagt einfach nichts dazu. Das macht sie fast unangreifbar.

Ex-Bundespräsident Christian Wulff hatte in einer seinerzeit viel beachteten und vieldiskutierten Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit im Jahr 2010 den Satz fallen lassen: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Dem schloss Merkel sich nun also an und fügte hinzu: „Das ist so, der Meinung bin ich auch.“ Ob sie damit in ihrer CDU konsensfähig ist, bleibt abzuwarten. Tatsache ist: Sie hat einen Pflock eingerammt. Endlich einmal. Und das auch noch in einer wichtigen Zukunftsdebatte. Man möchte aufatmen.

Denn es kann ja keinen Zweifel daran geben, dass der Islam zu Deutschland gehört — so wie auch jede andere Religion, die von deutschen Staatsangehörigen auf deutschem Staatsgebiet ausgeübt wird, und wie Agnostizismus, Atheismus und andere Weltanschauungen. Die Nachfahren ehemaliger Gastarbeiter aus der Türkei leben in der dritten Generation in Deutschland. Sie gehören zu Deutschland. Sie sind Deutsche. Sie sind hier zur Schule gegangen und auf die Uni, irgendwo draußen im Gewerbegebiet steht ihre Moschee, wo sie ihre Religion ausüben, wenn sie nicht bereits säkularisiert sind. Und damit gehört der Islam zu Deutschland.

Der Islam gehört zu Deutschland — aber wie eng?

Eine andere Frage ist, wie eng der Islam zu Deutschland gehört, aber um das herauszufinden, müsste man zunächst mal darüber reden, was Deutschland überhaupt ist. Und da springt sie natürlich sofort wieder auf von den billigen Sitzen im deutschen Polit-Theater: die christlich-jüdische Leitkultur. Ich liebe dieses Schlagwort, unter dem jede/-r so gut wie alles verstehen kann. Eine ernsthafte Debatte über diesen Begriff hat nie stattgefunden. Der Begriff ist nicht weniger schwammig wie das Schlagwort von den westlichen Werten: Kaum jemand weiß, wovon sie/er redet, aber alle glauben, dasselbe zu meinen. Das sollten wir mal klären, bevor wir Forderungen an die deutschen Muslime erheben, sie sollten bitteschön ihre theologischen Grundlagen reformieren und sich ansonsten klaglos anpassen.

Das erinnert mich an die Situation der deutschen Juden, die im ersten, gleich folgenden Leserbrief angesprochen wird: Die deutschen Juden hatten sich — zumindest in Teilen — während der Kaiserzeit so weit ans Deutschsein angepasst, dass man von Assimilation sprechen kann. Antisemitismus gab es dennoch weiterhin. Sie wurden auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs verheizt wie andere Deutsche auch, sie erlebten dasselbe Kriegsleid — sie waren Deutsche. Trotzdem starben sie in unerträglicher Zahl in den Gaskammern des Nazi-Regimes. Es hat lange gedauert, bis jüdisches Leben in Deutschland wieder angekommen ist. Im Fall der Juden wird niemand bestreiten, dass sie mit all ihren Eigenheiten, die ihre Identität ausmachen, zu Deutschland gehören. Sie befruchten Deutschland mit ihrem Anderssein. Dasselbe muss für die deutschen Muslime gelten: Niemand soll von ihnen verlangen, dass sie das Deutschsein übernehmen wie damals die Juden der Kaiserzeit. Sie sollen sie selbst sein, mit dem Islam als ihrer Religion — und so gehören sie und der Islam zu Deutschland, dessen Sprache sie natürlich sprechen sollen. Darüber hinaus sage ich ähnlich wie der Autor des zweiten Leserbriefs: Grundlage dafür, wer und was zu Deutschland gehört, ist die bedingungs- und einschränkungslose Zustimmung zum säkularen (!) Wertekanon dieses Landes, der in seiner Verfassung, dem Grundgesetz, niedergelegt ist, und der Besitz eines deutschen Passes. Mehr braucht’s nicht. Es braucht auch keine „christlich-jüdische Leitkultur“. Was nötig ist, ist eine Verständigung über die (hoffentlich) gemeinsamen Werte des Grundgesetzes, die überwiegend gegen die „christlich-jüdische Leitkultur“ errungen wurden, sowie über eine Ethik, welche die uneingeschränkte Achtung der Menschenwürde an die erste Stelle gemeinsamen Handelns rückt.

Daher gilt weiterhin, was ich schon am 8. Januar schrieb, direkt nach dem Attentat auf „Charlie Hebdo“:

Lasst uns reden. Jetzt erst recht.

Update 21. Januar: Ich habe im 5. Absatz den Satz eingefügt: „Antisemitismus gab es dennoch weiterhin.“ Weiter unten den Halbsatz: „… zu Deutschland, dessen Sprache sie natürlich sprechen sollen“.

Nun zu den Leserbriefen. Ulrich Langner aus Frankfurt meint:

„Das von Frau Merkel als Kanzlerin aller Deutschen zitierte, jedoch reduzierte Wulff-Zitat ist so unzulässig.  Die christlich-jüdische Symbiose in deutschen Landen entwickelte sich mit ihren Höhen und Tiefen über Jahrhunderte und wurde fester Bestandteil deutscher Geschichte und Kultur. Christen und Juden erreichten höchste Staatsämter und waren auch bereit, sie bei kriegerischen Auseinandersetzungen zu verteidigen. Es galt, das Land, in dem sie lebten, zu schützen. Religiöse Zugehörigkeit spielte keine Rolle. Noch im Ersten Weltkrieg bekleideten deutsche Juden beim Militär hohe Dienstränge mit hohen Auszeichnungen. Es waren Deutsche(!), die bereit waren, ihr Vater-/Mutter-/Heimatland zu verteidigten.
Wenn Bundespräsident Gauck heute in München fordert, dass die Bundeswehr sich weltweit mehr engagieren müsste, so denkt er bei deren Einsatz wohl kaum an ein Integrationsmodell. Uns fehlt aus gutem Grund gegenüber unseren westlichen Verbündeten deren koloniale Vergangenheit, die über Jahrhunderte Fremde, ob unter Zwang oder freiwillig, aufnahmen und in ihrem nationalen Melting Pot „integrierten“. Wofür dort Jahrhunderte gebraucht wurden, wollen wir in wenigen Jahren geschafft haben?
Die Bereitschaft zum Verteidigungswillen muss vorhanden sein, um in einer Gemeinschaft integriert zu werden, auch wenn wieder einmal die „Türken vor Wien“ stehen sollten. Erst wenn diese Zuverlässigkeit gewährleistet wird, ist Integration vollzogen, und erst dann gehört auch der Islam zu Deutschland/Europa.“

Michael Maresch aus München:

„Der Islam gehört zu Deutschland, weil es den Staat und schon gar nicht „Pegida“ nichts angeht, ob seine Bürger an Christus, Mohammed oder Donald Duck glauben. Die Gedanken und damit die Glauben sind frei und niemand muss sich mit so einer Selbstverständlichkeit immer wieder mediengeil präsentieren. Wer das – wie Wulff oder jetzt die Kanzlerin – trotzdem tut, zeigt, dass etwas nicht stimmt. Andernfalls bräuchte man die Gebetsmühle „Der Islam ist ein Teil Deutschlands“ nicht.
Jeder Glauben ist ein Teil Deutschlands, wenn auch nur ein Bürger auf der Grundlage des Grundgesetzes ihn glaubt. Darum geht es nicht.
Es geht darum, ob die Ausübung der verschiedenen Glauben in Deutschland in all ihren Entäußerungen mit den deutschen Gesetzen kompatibel ist. Die Teile oder Rituale, die das nicht sind – Stichwort Kopftuch, Beschneidung, Stellung der Frauen, Klassenzimmerkreu – gehören nicht zu und auch nicht nach Deutschland. Sondern bestenfalls vor Gericht.
Wir sind das Volk. Und wir sind das Gesetz. In Deutschland.
Wer aber, hier bei uns, unsere Gesetze lebt oder wenigstens toleriert: Willkommen. Alle anderen: Draußen bleiben oder gehen. Denn dann gehört zwar sein Glauben, wenn ihn andere gesetzestreu und ohne eigenes Recht ausüben, zu Deutschland, also zu uns, aber nicht er.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Die gebetsmäßige Wiederholung der Phrase des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, nützt dem Eiferertum jener Menschen, die sich in Demonstrationen von „Pegida“ gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlandes wenden. Die Phrase, die Wulff in einem Missverständnis von politischer Korrektheit formulierte, ist in zweifacher Hinsicht unzutreffend. Historisch ist Deutschland, wenn schon von Religiösität gesprochen wird, christlich in der Ausformung von zwei Konfessionen, nämlich katholisch und protestantisch. Ausgewiesene Religions-Soziologen haben in jüngster Zeit immer wieder darauf hingewiesen, dass die christliche Verwurzelung in Deutschland einer starken Erosion ausgesetzt ist. Diese zeigt sich an der Zunahme von Kirchenaustritten, an der Scheidungsrate und an der Abnahme des regelmäßigen Besuches von Gottesdiensten. Der Anspruch beider Kirchen, insbesondere der katholischen, die Sexualmoral der Bevölkerung zu steuern, wird mehr oder weniger belächelt. Pfarrer- und Priestertum kämpfen um ausreichenden Nachwuchs. Religiöse Symbole wie das Kreuz sind aus Amtsstuben mehr oder weniger verbannt. Zum anderen kennt Deutschland keine Amtskirche, sondern nur Religionsfreiheit. Wenn die Bundeskanzlerin sagen würde: Die Religionsfreiheit gehört zu Deutschland, würde ihr niemand wiedersprechen. Viele Sitten und Gebräuche, insbesondere in der äußeren Erscheinung von Musliminnen, gehören eben gerade nicht zu Deutschland. Zwar hat Deutschland nicht die scharfe Laizität Frankreichs. Aber es gibt dennoch eine klare Trennung von Staat und Kirche. Es mag sein, dass in 50 oder 100 Jahren der Satz „Der Islam ist ein Teil der deutschen Lebenswirklichkeit“  eine gewisse Geltung beanspruchen kann. Heute aber noch nicht!“

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18 Kommentare zu “Islam in Deutschland: Die Türken vor Wien

  1. Das deutsche Grundgesetz (GG) sichert die Religionsfreiheit in Art. 4 Absatz 1, 2:

    „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“

    „(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“
    (Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Religionsfreiheit_in_Deutschland„)

    Ich weiß nicht so recht, was solche Äusserungen wie: „Diese Religion gehört zu Deutschland..“ eigentlich bezwecken sollen. Hat irgendwer das Recht, eine Zugehörigkeit einer Religion zu einem Staatsgebiet zu definieren, wie dunnemals im Feudalismus? Auch wenn im Zusammenhang diese Äusserung integrativ gemeint sein mag, ein religiöses Bekenntnis gehört zu einem einzelnen Menschen und nur zu diesem und es steht niemanden frei, es als zugehörig oder nicht-zugehörig zu irgendetwas, und sei es sein eigenes Bekennntnis, zu definieren. Auch wen es nur einen einzigen Menschen gibt, der die „krumme Elster“ anbetet, so ist ihm das zu gewähren und er ist darin vom Staat zu schützen.

    Wenn man sagen kann:“XY-Religion gehört dazu“, dann kann man auch sagen „YX-Religion gehört nicht dazu“.

    Es käme darauf an, deutlich zu machen, daß niemandem diese Definition zusteht.

  2. Im Bezug auf Religionen, die keine Mystifizierungen von unverstandenen Naturphänomenen sind, von „Verwurzelung“ zu sprechen, ist schon sehr gewagt.
    Die sogenannten Weltreligionen sind geistige, intellektuelle Entwürfe, die über Mystifizierungen hinausweisen wollen, auch wenn ihnen das nicht gelingt und sie auf solche selbst zurückgreifen müssen, auch, weil ihnen ein Verstehen der Schöpfung nicht gegeben ist.

    Eigentlich sind Religionen eine Form von Wissenschaft, deren Verwahrer sich der fortschreitenden (und über sie hinwegschreitenden) Erkenntnis verweigern.
    „Verwurzelt“ sind sie in keiner Weise, sie haben sich im Gegenteil über verwurzelte Mystifizierungen hinweggesetzt und diese Wurzeln ausgerissen und deren Gewächse gerodet (Bsp: Bonifatius).
    Sie haben das mit Gründen, aber auch mit Arroganz, Überheblichkeit und Gewalt getan, keine der Weltreligionen ist auch nur im entferntesten auf „deutsche“, sonstige nationale oder natürliche Wurzeln zurückzuführen. Dieses zu versuchen, hieße, sie dem Grunde nach mißzuverstehen.

    Es ist ein schwerer und tragischer Fehler, religiöse Überzeugungen aus der intellektuellen Erkenntnis herauszulösen und unwidersprechliche religiöse „Empfindungen“ oder „Wurzeln“ zu postulieren und solche durch nicht reflektierbare Rituale in die Menschen einzupflanzen.

    Dies führt nur zu Gehorsam gegenüber Menschen, nicht zu Erkenntnissen, es führt, und das ist das Tragische, nicht zum Bekennen zu einem Gott, sondern zum Verkennen des Übernatürlichen, ergo zu Unglauben.

  3. @ Bronski

    Ihre Überschrift „Islam in Deutschland: Die Türken vor Wien“ könnte man als Erinnerung an eine Bedrohung des „Abendlandes“ durch den Islam lesen. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt allerdings, dass die „Türkenkriege“, bei denen es zur Belagerung von Wien kam, nicht einfach als eine Auseinandersetzung zwischen Islam und Christentum gedeutet werden können. Dem Osmanischen Reich ging es primär um die Ausweitung seines Herrschaftsterritoriums, wozu die Osmanen u.a. die Auseinandersetzungen um die Erbfolge im Königreich Ungarn nutzten. Der von einem Teil des (christlichen) ungarischen Adels zum König gewählte Johann Zápolyan stellte sich unter Schutz des Osmanischen Reiches, um die Thronansprüche der Habsburger abzuwehren. Bei der 1529 erfolgten Belagerung von Wien kämpften deshalb auch christliche ungarische Verbände auf der Seite der Türken.

    Die osmanische Herrschaft in Ungarn und die viel längere auf dem Balkan war gegenüber den Christen (und Juden) religiös recht tolerant, vor allem gemessen an den Auseinandersetzungen unter christlichen Konfessionen oder der Stellung der Juden im „Abendland“. Der Islam gehört also schon lange zu Europa, insbesondere in seiner „liberalen“ Ausprägung, die sich z.B. in Bosnien entwickelt hat.

  4. Ulrich Langner betreibt Geschichtsklitterung, wenn er in seinem Leserbrief schreibt: „Die christlich-jüdische Symbiose in deutschen Landen entwickelte sich mit ihren Höhen und Tiefen über Jahrhunderte und wurde fester Bestandteil deutscher Geschichte und Kultur.“ Die von den Juden in Deutschland ersehnte bürgerliche Emanzipation wurde in den deutschen Landen und auch im Kaiserreich nie vollendet: Juden blieben höhere Staatsämter, Professorenstellen an den Universitäten (bis auf wenige Ausnahmen) sowie Offiziersränge im Militär verwehrt. Trotz einer weitgehenden kulturellen Anpassung der meisten Juden in Deutschland, die sich als „Deutsche mosaischen Glaubens“ verstanden, blieb die Haltung der Mehrheitsgesellschaft ablehnend bis feindselig. Das damalige Pendant der PEGIDA, die Patriotischen Deutschen gegen Verjudung des Abendlandes, die sich selber als „antisemitische Bewegung“ bezeichneten, repräsentierte die bürgerliche Mitte, mit hochgestellten Persönlichkeiten wie Hofprediger Adolf Stöcker (der in seiner „Antisemitenpetition“ unter anderem eine Einschränkung der Einwanderung von Juden forderte)und Historiker Heinrich von Treitschke („Juden sind unser Unglück“) an der Spitze.

    Der Antisemitismus endete auch dann nicht, als im 1. Weltkrieg jüdische Patrioten für Kaiser und Vaterland begeistert ins Feld zogen: Eine 1916 vom Generalstaab angeordnete „Judenzählung“ sollte dem Verdacht nachgehen, Juden hätten sich vor dem Frontdienst gedrückt. Das Ergebnis – der Anteil der Juden unter den Gefallenen und den Kriegsteilnehmern war höher, als ihr Anteil an der Bevölkerung (etwa 100.000 Juden hatten am Krieg teilgenommen, davon 78.000 hatten an der Front gekämpft und 12.000 sind im Krieg gefallen) – wurde bis Kriegsende geheim gehalten. Die Weimarer Republik, die erstmals die volle Gleichstellung für Juden brachte, wurde von Antisemiten und Demokratiefeinden als „Judenrepublik“ geschmäht. Aber auch zwischen 1918 und 1933 erreichte kein Jude „höchste Staatsämter“. Die Illusion einer deutsch-jüdischen Symbiose, der sich trotzdem viele Juden hingaben, endete in der Shoa. Soviel zum christlich-jüdischen Abendland.

    Die vorurteilsgetriebene Argumentation der „Islamkritiker“ heutiger Zeit weist erschreckende Parallelen zur Hetze der Antisemitien des 19. Jahrhunderts. Das Diktum von Christian Wulf, Islam gehört zu Deutschland, dem sich auch Angela Merkel angeschlossen hat, ist die richtige politische Antwort darauf, unabhängig von allen sicherlich berechtigten historischen und religionsgeschichtlichen Differenzierungen.

  5. @ JaM

    Die Überschrift ist wie eigentlich immer im FR-Blog einer der Leserzuschriften entnommen. Ich finde sie passend, denn die ganze Debatte wird nach meiner Wahrnehmung mit einer Emphase geführt, als gäbe es eine reale, fast physische Bedrohung – als stünden die Türken (nicht die Osmanen) vor Wien.

  6. JaM 21.1.2015 14:36,

    wie würden Sie denn zwischen „vorurteilsgetriebener“ und „urteilsgetriebener“ Islamkritik unterscheiden ? Sie werden sicher nicht in Abrede stellen, daß es auch eine „urteilsgetriebene“ Islamkritik gibt, nicht wahr ? Wie wäre es, wenn wir die von Pegida behauptete Islamisierung des Abendlandes dem Bereich des Vorurteils zuordnen, die mangelhafte Abgrenzung des Islam vom Islamismus/Terrorismus, gesehen in einem Weltkontext der Selbstdarstellung, jedoch einem „Urteil“ über den Islam zurechnen, selbst wenn jedes Urteil prinzipiell fehlgehen kann ? Waren die Passagen in Merkel´s Bundestagsrede denn „vorurteilsgetrieben“ ? Ein anderes Beispiel. Der Islam rechtfertigt Gewalt dann, wenn sie vorher von anderer Seite ausgeübt wurde. Gewalt als Vergeltung von Gewalt also. Darin steckt das alttestamentarische Prinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Dies wurde mit der Bergpredigt überwunden. Hieraus läßt sich natürlich eine Modernisierungsforderung an den Islam ableiten. Leider hat der Islam nicht mehr die Zeit, die sich das Christentum für die notwendige Veränderungen genommen hatte. Denn die Welt ist unwiderruflich zusammengewachsen. Berechtigtes Urteil oder Vorurteil ?

  7. @ Bronski

    Gleich doppelten Widerspruch zum folgenden Satz Ihrer Einleitung: „Grundlage dafür, wer und was zu Deutschland gehört, ist die bedingungs- und einschränkungslose Zustimmung zum säkularen (!) Wertekanon dieses Landes“.

    Zum einen melde ich starke Zweifel daran, dass der Wertekanon dieses Landes „säkular“ ist. Dazu berufe ich mich auf den berühmt gewordenen Satz des früheren Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Der säkulare Staat basiert auf einem Wertekanon, den er nicht selber vorgebracht hat, der vielmehr in einem historischen Prozess aus den unterschiedlichsten Weltanschauungen erwachsen sind und sich weiter entwickelt. Dieser Wertekanon hat auch jüdisch-christliche Wurzeln und wurde auch von bekennenden Christen und Juden erkämpft. Dieser Kampf wurde nicht gegen Religionen als Weltanschauungen geführt, sondern gegen die Kirchen als Machtinstitutionen, was ein erheblicher Unterschied ist.

    Zum zweiten verlangt unsere freiheitliche Rechtsordnung keineswegs eine „bedingungs- und einschränkungslose Zustimmung zum … Wertekanon dieses Landes“, sondern lediglich die Achtung der aus diesem Wertekanon abgeleiteten Gesetze. Auch ein Anarchist, der Privateigentum ablehnt, oder ein Zeuge Jehovas, der sich staatlichen Institutionen verweigert, gehört zu Deutschland.

  8. @ V. Grebe
    Urteile setzen eine Auseinandersetzung mit Tatsachen voraus, Vorurteile verlassen sich auf ungeprüfte Ahnungen. Ein Beispiel für ein Vorurteil liefern Sie selber, wenn Sie „das alttestamentarische Prinzip des ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘“ als Quelle der „Gewalt als Vergeltung von Gewalt“ bezeichnen, die „mit der Bergpredigt überwunden“ wurde. Mit „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wurde das Prinzip der angemessenen Strafe (also das Übermaßverbot) eingeführt, das im Judentum zur Zeit Jesu längst nicht mehr wörtlich, sondern in der Form einer Geldstrafe praktiziert wurde. Das Christentum hat indes trotz der Bergpredigt übe viele Jahrhunderte Gewalt als „Strafe“ eingesetzt. Im Übrigen ist Gewalt zur Abwehr von Gewalt auch in unserer Rechtsordnung (Notwehrrecht) verankert.

    Ein berechtigtes Urteil kann man z.B. über Iran und Saudi-Arabien fällen, die unter Berufung auf den Koran immer noch (oder besser: schon wieder) Körperstrafen praktizieren. Dies aber „dem Islam“ insgesamt anzulasten, halte ich für ein Vorurteil. Ein berechtigtes Urteil kann man über die nicht gleichberechtigte Position von Frauen in manchen konservativen muslimischen Familien mit türkischen oder arabischen Wurzeln, „den Islam“ insgesamt als frauenfeindlich einzustufen, halte ich für ein Vorurteil.

  9. Der Islam gehört zu Deutschland — aber wie eng?

    Das ist eine schöne Frage, die ich von der philosophischen Betrachtungsweise gerne auf die politische Basis stellen möchte. Die Bundesrepublik ist kein laizistischer Staat wie etwa Frankreich. In Deutschland haben die Religionsgemeinschaften besondere Rechte. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöR). Durch Verträge mit dem Staat erhalten sie gewisse Privilegien, z.B. Steuervorteile. Wenn die These aufgestellt wird, der Islam gehöre zu Deutschland, müssten auch diese Konsequenzen folgen und die islamischen Religionsgemeinschaften in KdöR umgewandelt werden. Hamburg ist einen Schritt vorangegangen und hat eine Art Vorvertrag mit den Aleviten geschlossen, die diesen jedoch schon ‚Staatsvertrag‘ nennen. Darin ist in einer Protokollnotiz festgeschrieben, dass man das Ziel verfolge, eine KdöR zu werden: „Die islamischen Religionsgemeinschaften streben im Rahmen ihrer weiteren organisatorischen Entwicklung die Erlangung der Rechte von Körperschaften des öffentlichen Rechts nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung an.“

    Die Verträge der beiden christlichen Kirchen, auch Konkordate genannt, hatten zur Folge, dass das Fach Religion als ordentliches Lehrfach eingestuft wurde und die Steuerzahler den Religionsunterricht und die dazugehörige Ausbildung der staatlichen Lehrer zu zahlen haben. Die theologischen Lehrstühle werden von der Öffentlichkeit finanziert, obwohl die Lehrstuhlinhaber von den Kirchen ausgesucht werden. Beide Kirchen haben das Recht, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk über regelmäßige Sendezeiten zu verfügen und in die Aufsichtsgremien Vertreter zu entsenden. Die Dienst habenden Pastoren und Pfarrer sowie die in der Hierarchie Darüberstehenden leisten diesen als öffentlichen Dienst. Sie sind Kirchenbeamte. Pfarrer und Pastoren werden in Anlehnung an den öffentlichen Dienst in der Gehaltsstufe eines Oberstudienrats geführt. Gehaltserhöhungen im öD wirken sich entsprechend für den Kirchendienst aus. Also: Wenn gefragt wird, wie eng der Islam zu Deutschland gehört, können wir dies an der pekuniären und steuergesetzlichen Gleichstellung mit den beiden christlichen Religionsgemeinschaften ablesen.

  10. Der Islam gehört zu Deutschland , das ist wieder eine dieser Pauschalaussagen , weder gibt es „den Islam“ , noch „das Christentum“ , weder „die Moslems “ , noch „die Christen“.

    Trotz der für Politiker sehr bequemen Rasenmäher-Rhetorik hat die Aussage etwas , was man mit Hängen und Würgen als einladenden Charakter bezeichnen könnte , dummerweise ist genau dieser Charakter eins der großen Probleme dieser Aussage.

    Nicht so sehr Gesetzestreue ist entscheidend , diese ist natürlich wichtig , aber der Rechtsstaat ist etwas sehr Konkretes , Verstöße gegen säkulare Regeln sind greifbar und können benannt und geahndet werden.
    Eher gibt es Probleme mit hintergründigen Mentalitäten , die bei weitem nicht so gut greifbar sind , zuviele der moslemischen Migranten fassen Offenheit als Zeichen der Schwäche auf , zuviele verwechseln das Angebot der Freiheit mit einem Freibrief zur Geringschätzung westlicher Lebensweisen sowie der Menschen , die dahinter stehen.

  11. Burka für alle!

    Mir ist noch nie ein weibliches Wesen in Burka begegnet. Würde es einmal geschehen, so würde ich, Mann der ich bin, das machen, was ich in einem ähnlichen Fall immer tue, nämlich, das Wesen im Geiste entkleiden. Eine wunderschöne, rehäugige morgenländische Prinzessin würde sich aus der Burka schälen. Die Haut wie Samt und Seide, nach Mandelmilch mit einer Spur Zimt duftend. Die grazile jungfräuliche Gestalt von einem zarten Dessous wie von einer linden Abendbrise umhaucht. Wenn diese Zeilen ein junger islamistischer Gotteskrieger liest und in ihm die Hormone und die Eifersucht in Wallung geraten, ja dann…

    Zum gewohnten Straßenbild Hanaus gehörte einige Jahre eine Dame, die ich nicht erst auf den zweiten Blick als einen Transvestiten identifizierte. Ein Pillbox-Hut auf dem Kopf, ein Gesichtsschleierchen, das das blaue Augenmakeup, das kräftige Wangenrouge und das knallige Rot der eingefallenen Lippen kaum milderte, ein Rüschenblüschen, ein Jäckchen mit Volants, ein Faltenrock, blickdichte Strümpfe, die den Blick auf die unsäglichen Beine nicht behinderten, schließlich Stöckelschuhe bestimmten ihr Erscheinungsbild. Irgendwann sah ich die Dame nicht mehr.

    Eines Nachts stieß ich in einer der dunkelsten Gassen Hanaus mit einer fürchterlich schwarzen Burka zusammen. Eine ins Weibliche verstellte Männerstimme herrschte mich an: „Passen Sie doch auf, Sie Flegel!“ Sie war es. Wie sie mir dann erzählte, war sie ihres Outfits überdrüssig geworden, nachdem sie aufgrund ihres Bekanntheitsgrades kaum noch Beachtung fand. Als einzige Tägerin einer Burka in Hanau fühle sie sich jetzt ausreichen ästimiert.

    Wenn man den Kaufhof in Hanau in einem bestimmten Winkel betritt, kommt einem das eigene Spiegelbild entgegen. Mir ist das im vergangenen August widerfahren: ein Kerl mit Glatze, verschwiemelten Augen, Himmelfahrtsnase, Schwabbelkinn, Schmerbauch unterm Turnerhemdchen, Bermudas bis etwas unter’s Knie, von da blasse Haut bis zum Saum der Tennissocken, ausgelatschte Sandalen. Ich suchte nach einer Möglichkeit, mich zu verstecken, und sei es eine Burka. Es gab keine. Ich beruhigte mich wieder und sah mich um. Und sah eigentlich fast nur HanauerInnen, die mir in erschreckender Weise glichen, und zu allem Überfluß noch Bauchnabelpiercings, Arschgeweihe und Orangenhaut zur Schau trugen. Die wenigen zivil gekleideten Hanauer MitbürgerInnen hatten nach meinem Eindruck ihre ethnischen Wurzeln in der Türkei oder noch weiter östlich.

    Deshalb meine Forderung: Burka für alle (Hanauer), die die abendländischen Werte verteidigen!

  12. „Knoblauch gehört in den Glühwein.“ Das hat unsere Kanzlerin nicht gesagt. Hätte Sie aber sagen können; denn in Berlin-Mitte, wo sie residiert, und in den umliegenden Bezirken kann man sich den Glühwein ohne Knoblauch gar nicht mehr vorstellen.

    Der Glühwein hat eine lange christliche Tradition. Schon die germanischen Stämme, die sich durch Bonifatius christianisieren haben lassen, erhitzten in den kalten Wintern, die damals noch herrschten, den Meßwein, den sie den Pfaffen einfach wegnahmen, bis kurz unter 80° C, damit der Alkohol nicht verflog, und soffen diese Plörre ohne weitere Zutat.

    Eine kleine, nicht christianisierbare Volksgruppe, die später hinzukam, verlangte, Vanillezucker gehöre in den Glühwein. Sie erfand dann, da es keinen Vanillezucker gab, den Zwiebelzucker, der sich als unverzichtbare Glühweinzutat etablierte.

    Noch später entbrannte aufgrund der Provokation eines einzelnen Mönchs ein erbitterter Streit darüber, welcher Wein als Basis für den Glühwein der geeignetste sei, roter oder weißer? Die Auseinandersetzung wurde dreißig Jahre lang blutig geführt, wobei sich Nachbarn, die mit der ganzen Sache nichts zu tun hatten, weil es bei denen überhaupt keinen Wein gab, auch noch reinhängten.

    Dann ging den Beteiligten die Lust aus. Die Frage, an der sich der Streit entzündet hatte, blieb unbeantwortet. Und die Animositäten der Fraktionen blieben auch. Allein, daß irgendeine Sorte von Wein in den Glühwein gehöre, darüber wurde man sich einig.

    Ja, sagten dann einige, jetzt wissen wir erst recht nicht Bescheid; da trinken wir doch gleich lieber Wasser. Die Zeitläufte brachten es mit sich, daß sich die meisten Wassertrinker in den östlichen der ehemals germanischen Territorien befinden. Ja, die Mehrheit der Bevölkerung dort lehnt den Genuß von Glühwein kategorisch ab.

    Deshalb muß es erstaunen, daß gerade diese Mehrheit der Wasserverkoster auf einem Reinheitsgebot für Glühwein besteht, das die Zugabe von Knoblauch ausschließt. Opportunitätstests haben mittlerweile frühere Geschmackstests widerlegt, die die Zugabe von Knoblauch als fragwürdig einstuften.

    Warten wir die weitere Entwicklung ab!

  13. Autoren der deutschen Presse erkennen weiterhin Paranoia bei Pegida und bringen dies auch in ihren Artikeln zum Ausdruck. Stimmen die da auffordern,
    „hört halt mal hin“, werden als Unterstützer oder der Pegida zugehörig eingeordnet. Ich möchte mich nicht mit Rechtspopulisten und Hooligans gemein machen, aber auch ich denke, es ist wert, einmal „hinzuhören“.
    Auch den Satz der Kanzlerin der Islam gehört zu Deutschland
    könnte man als populistisch einordnen, nur in andere Richtung gesprochen.
    Bei dem Gedanken, der Islam gehöre zu Deutschland, mit all dem wie er sich teilweise präsentiert, bekomme ich Bauchschmerzen. Genauso könnte man sagen, Koservativismus gehört zu Deutschland und schließt den NSU mit ein.
    Und nun etwas, woran ich mich noch gut erinnere: Vor ca. 3 Jahren war in der FR ein Bericht zu lesen, bei dem es um eine palästinensische Familie ging, die,
    um den Gefahren des palästinensisch/israelischen Zusammenlebens – oder Nichtzusammenlebens – zu entgehen, in eine westtürkische Stadt umsiedelte.
    Es war eine Mutter und ihre (2 ? ) Töchter. Diese Mutter beschrieb ihr Leben das sie dort führte und dass es nicht leicht sei in der neuen Umgebung. Und dann kam eine Aussage, bei der das vielzitierte Aha-Erlebnis bei mir eintrat. Das Schlimmste sei es -so wurde sie zitiert – dass sie hier von den Nachbarsfrauen immer wieder gezeigt bekomme, dass sie hier nicht hingehöre.
    Vielleicht eine Aufgabe für’s FR-Archiv?
    Xenophobie das Wort zu reden liegt mir fern, sie jedoch immer nur den europäischen Gesellschaften zuzuordnen, sollte man sich hüten…
    Und wenn man den Imamen mancher Moscheen – wer bestellt und bezahlt die eigentlich? – zuhört, muss man sich nicht wundern, dass zumindest Islamskepsis sich mehr und mehr ausbreitet.

  14. Ich möchte Bezug nehmen auf den Artikel in der FR v. 27.1. Muslime sind ebenfalls „Ungläubige“, insbesondere auf seinen Satz: „Zudem würde ich mich freuen, wenn sich auch die moslemische Geistlichkeit stärker öffentlich artikulieren würde.

    Meinem demokratischen Verständnis nach halte ich eine Diskussion darüber, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, für eine Scheindebatte, da im Grundgesetz eindeutig steht, dass in Deutschland Religionsfreiheit besteht. Also ist die Zugehörigkeit zu einer Religion grundsätzlich Privatsache und gehört nicht in die Sparte Staatszugehörigkeit.

    Eine andere Sache ist die Frage der Akzeptanz der Werte- und Rechtsordnung in Deutschland. Meiner Ansicht nach gehört zu dem „Dazugehören“ auch die Anerkennung unserer Verfassung, die Toleranz gegen Andersgläubige und das Befolgen der verfassungsmäßigen Rechtsordnung.

    In meiner bisherigen Laufbahn habe ich mich immer als interkulturell interessiert und tolerant eingestuft, jedoch muss ich eingestehen, dass mich ein gewisses Unbehagen befallen hat, als urplötzlich zum Muslima-Sein zwingend ein Kopftuch dazugehören sollte, weil es „angeblich“ im Koran so vorgeschrieben sei. Hier streiten sich die muslimischen Richtungen wohl noch, ob es tatsächlich so sein soll. Jedenfalls befällt mich als Frau schon ein gewisses Angstgefühl, wenn ich die für mich dahinter verborgenen männlichen Unterdrückungsmechanismen erahne.

    Ebenso war in der letzten Vergangenheit immer wieder in der Presse die Rede von gewissen Moscheen, in denen die „Hassprediger“ ihr Unwesen trieben und unser Rechtsstaat offensichtlich keinen Grund sah, diesem Treiben auf der Grundlage unseres Rechtssystems wg. Staatsfeindlichen Aktivitäten oder sonstigen Paragrafen Einhalt zu gebieten.

    Für die Öffentlichkeit blieb eine klare Stellungnahme namhafter Moschee-Verbände hierzu im Nebulösen, da immer von den verschiedenen muslimischen Lagern die Rede war.

    Jetzt erlebe ich die massiven –ida-Bewegungen und die politische und gesellschaftliche Reaktion in Form von globaler Verurteilung dieses Ausdrucks einer Angst, die offensichtlich breitere Bevölkerungsschichten befällt. Anstelle eines aufklärerischen Dialogs, werden diese Menschen in die Nazi-Ecke abgeschoben. Genau so, wie bei einer Kritik an der Politik Israels sofort die antisemitische rote Karte gezogen wird.

    Als aufgeklärter, demokratischer Mensch sollte man das Gespräch suchen und versuchen, die Gründe herauszufiltern und stichhaltige Argumente liefern, anstatt ein Tabu zu errichten. Erst dann findet eine wirkliche Auseinandersetzung statt und das Problem könnte sich lösen lassen.

    Wenn ich die Diskussionen in diversen Sendungen wie Maybritt Illner, Günter Jauch etc. über das Thema Islam und Islamismus verfolge, fehlt mir immer eine eindeutige und klare Stellungnahme seitens der dort auftretenden muslimischen Geistlichkeit zu den Themen:
    – Stellung der Frau – wie sollen die im Koran enthaltenen Suren zu deren Rolle definiert werden?
    – Wie erklärt sich die Stellung der Muslime zum Staats- und Rechtssystem in Deutschland aufgrund der Koraninterpretation?
    – Wie sieht es aus mit der Toleranz gegenüber Anders- oder Ungläubigen seitens der Muslime?

    Ich weiß, dass dieses Thema bei der derzeitigen politischen Korrektheit tabuisiert ist und mit dem Stigma der Fremdenfeindlichkeit belegt wird. Ich selbst halte mich für tolerant und weltoffen, aber erwarte auch die Einhaltung dieser Prinzipien von meiner Umgebung.

    Ich denke, erst wenn sich Menschen, gleich welcher Religion oder Weltanschauung, mit einem Schwur bei allem was ihnen jeweilig heilig ist, auf die Grundwerte unserer Verfassung verpflichten, gehören sie wirklich zu Deutschland.

  15. @ # 15 B. Kiefer

    Sie schreiben: „Meiner Ansicht nach gehört zu dem ‚Dazugehören‘ auch die Anerkennung unserer Verfassung, die Toleranz gegen Andersgläubige und das Befolgen der verfassungsmäßigen Rechtsordnung.“ Offensichtlich empfinden Sie „ein Unbehagen“, ob Muslime in Deutschland diese Kriterien erfüllen.

    Wie wenig diese Unbehagen in der Lebenswirklichkeit der übergroßen Mehrheit der Muslime begründet ist und sich als Vorurteil erweist, zeigt z.B. der jüngste Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung (http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2015/januar/religionsmonitor/), die laut der Autoren der Studie „eine starke Verbundenheit der Muslime mit Staat und Gesellschaft“ belegt. Selbst unter den Muslimen in Deutschland, die sich selber als hochreligiös einstufen, halten 90 Prozent die Demokratie für eine gute Regierungsform. Neun von zehn Befragten haben in ihrer Freizeit Kontakte zu Nicht-Muslimen. Jeder zweite hat sogar mindestens genauso viele Kontakte außerhalb seiner Religionsgemeinschaft wie mit Muslimen. Ähnliche Ergebnisse haben auch frühere Studien ergeben, auch in Bezug auf eine positive Einstellung der Mehrheit der Muslime zur Gleichberechtigung der Geschlechter, der religiösen Pluralität oder der Rechtsordnung. Ähnlich klar haben sich auch die meisten muslimischen Verbände in Deutschland positioniert.

    Auch Ihr „Angstgefühl“ bezüglich des Kopftuchs lässt sich nicht durch Fakten belegen. Laut der vom Bundesinnenministeriums in Auftrag gegebenen Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ von 2008 tragen 72 % der Muslima in Deutschland kein Kopftuch. Selbst unter den muslimischen Frauen, die sich als religiös einstufen, sind Kopftuchträgerinnen eine klare Minderheit. Eine differenzierte Einstellung der muslimischen Frauen zum Kopftuch finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Islam-Konferenz (http://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/Magazin/SchwerpunktKopftuch/Koran/koran-node.html). Ihre „Ahnung“, hinter dem Kopftuch verbergen sich „männlichen Unterdrückungsmechanismen“, trifft höchstens auf eine kleine Minderheit und hat mehr kulturelle als religiöse Ursachen. Vermutlich im ähnlichen Umfang finden sich auch in der nicht-muslimischen Gesellschaft „männliche Unterdrückungsmechanismen“.

    Dass Ihr „Unbehagen“ gegenüber „dem Islam“ trotz dieser Fakten besteht und dass diese Position ein erschreckend großer Anteil der deutschen nicht-muslimischen Bevölkerung teilt (was ebenso der erwähnte Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung bestätigt), ist kaum den Muslimen anzulasten. Die Mehrheit von ihnen sind dialogbereit, z.B. am „Tag der offenen Moschee“. Was wäre, wenn Sie, die sich „als interkulturell interessiert und tolerant eingestuft“, sich auf solche Begegnungen einlassen würden?

  16. Antwort auf #JaM
    Da sehe ich schon wieder, wie schnell man in die Ecke „Vorurteil“ und „uninformiert“ gestellt wird. Ich kenne privat gute und demokratische Muslime und habe auch keine Angst vor dem Großteil der muslimischen Mitbürger, solange sie sich nicht der wahabitischen, salafsitischen Richtung zugehörig fühlen. Auch würde ich gerne mal in eine Moschee gehen, wenn ich wüsste, wo die nächste ist und ob ich da überhaupt ohne „Tag der offenen Tür“ mal rein dürfte.

    Angesichts der Uneinigkeit innerhalb der muslimischen Strömungen (siehe Herr Tibi in Anne Wills letzter Sendung: http://www.welt.de/vermischtes/article136886866/Islamisten-und-Islamgegner-eint-der-Generalverdacht.html) wäre ich jedoch froh, wenn sich alle muslimischen Gemeinden und deren Anhänger wie in der Charta http://www.zentralrat.de/3035.php positionieren würden.

    In vielen muslimischen Ländern gilt jedoch die Sharia und die Gläubigen fühlen sich allein dem Koran und den dortigen Gesetzen verpflichtet. Auch diese Gruppe existiert in Deutschland und ich wage zu bezweifeln, ob dieser Islam zu Deutschland gehört.

    Deshalb mein Beitrag, der zur Frage, gehört er dazu oder nicht, dies eindeutig bejaht unter der Voraussetzung, dass er das Grundgesetz als verpflichtend anerkennt, so wie es der Zentralrat in seiner Charta (s.o.) tut.

    Was das Kopftuch anbelangt, so weiß ich auch, dass eine Mehrzahl der Muslimas dieses nicht trägt. Ich frage mich nur, welche Grundeinstellung so viele in der Neuzeit dazu bewegt, es als vom Koran vorgeschrieben trägt, und welche Interpretation des Korans daraus ersichtlich wird. In einigen Artikeln unter wikipedia wird das Thema Islam und Koran beleuchtet, und ich fände es als unkritisch und unwissenschaftlich, wenn man die Fragen, die sich aus den weltweit existierenden Formen des Islams in Bezug auf unsere Werte ergeben, nicht offen diskutieren könnte.

  17. @ # 17 B. Kiefer
    „Auch würde ich gerne mal in eine Moschee gehen, wenn ich wüsste, wo die nächste ist und ob ich da überhaupt ohne ‚Tag der offenen Tür‘ mal rein dürfte.“ Was wäre, wenn Sie danach einen der „guten und demokratischen Muslime“ fragen würden, die Sie „privat“ kennen?

    Wenn Sie zu den „guten und demokratischen Muslimen“ all jene zu zählen bereit sind, die sich wie in der von Ihnen verlinkten Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland positionieren, dann gehören dazu fast „alle muslimischen Gemeinden und deren Anhänger“ in Deutschland. Diese sind „der Islam in Deutschland“ und nicht die kleine, wenn auch lautstarke Minderheit der Salafisten, hinter der weniger als ein Prozent der deutschen Muslime stehen, oder die noch kleinere, wenn auch gefährliche Gruppe der Dsihadisten.

    Ob jemand ein „guter und demokratischer Muslim“ ist, entscheidet sich nicht an „der Scharia“, sondern daran, wie ein Muslim die Scharia interpretiert und lebt. Auch dazu steht einiges in den Grundsätzen des Zentralrats. Zur Scharia habe ich in einer früheren Diskussion geschrieben: „Die Scharia (ähnlich der jüdischen Halacha) ist kein geschlossenes Gesetzesbuch, sondern ein System religionsrechtlicher Vorschriften für die Religionsausübung, das Familienrecht, die sozialen und wirtschaftlichen Lebensbereiche, die teilweise – in der jeweiligen Auslegung der einzelnen Gruppierungen im Islam – verbindlich sind, teilweise einen Empfehlungscharakter haben. Das wegen der Körperstrafen den Menschenrechten widersprechende Scharia-Strafrecht ist für Muslime in einem nicht-islamischen Staat irrelevant – im Übrigen wird es auch nur in wenigen islamischen Staaten wie Saudi Arabien und der Iran praktiziert (was schlimm genug ist). Ansonsten hat die Scharia in Deutschland wie die Religionsvorschriften der christlichen Kirchen oder berufliches Standesrecht nur eine privatrechtliche Bedeutung, ihre Anwendung beruht auf Freiwilligkeit und darf nicht dem staatlichen Recht widersprechen. So dürfen nach Scharia-Vorschriften z.B. Eheverträge abgefasst, Unterhaltsvereinbarungen getroffen oder Sorgerechtsfragen geregelt werden, wenn diese den gesetzlichen Vorschriften nicht widersprechen. Und selbstverständlich ist es den Muslimen erlaubt, sich an die im Islam allgemein anerkannten Scharia-Vorschriften zu halten, zu denen das Verbot des Genusses von Alkohol und anderen Rauschmitteln, die Speisevorschriften (Verbot von Schweinefleisch) und das Verbot von Glückspiel sowie vom sexuellen Missbrauch (einschließlich des Verbots der Pornographie) gehören. Das Auftreten der salafistischen ‚Scharia-Polizei‘ war nicht wegen des Propagierten der Scharia-Vorschriften skandalös, sondern wegen der Anmaßung von Polizeiautorität und dem davon ausgehenden Zwang.“
    „Was das Kopftuch anbelangt, so weiß ich auch, dass eine Mehrzahl der Muslimas dieses nicht trägt. Ich frage mich nur, welche Grundeinstellung so viele in der Neuzeit dazu bewegt, es als vom Koran vorgeschrieben trägt, und welche Interpretation des Korans daraus ersichtlich wird.“ Haben Sie die von mir verlinkte Seite der Deutschen Islam-Konferenz angeschaut? Dort gibt es dazu Diskussionsbeiträge „aus erster Hand“. Für manche Muslima ist das Kopftuch eine durchaus feministische Antwort auf den Sexismus unserer Gesellschaft, für andere ist die freiwillige Einhaltung der Bekleidungsvorschriften genauso ein Ausdruck ihrer Religiosität wie das fünfmalige tägliche Gebet, das Fasten im Ramadan, das Verbot von Alkohol und Schweinefleisch, oder die Pflicht zur Zahlung von Steuern für Bedürftige.

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