Messerattentat: Der Aufwand für Integration ist hoch

Ein junger Mann von offenbar palästinensischer Herkunft ermordet in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein zwei junge Menschen. Der eine gerade mal volljährig, die andere noch nicht mal. Zwei Leben sind ausgelöscht. Mehrere weitere Passagiere werden verletzt. Der Täter, ebenso wurzellos wie offenbar staatenlos, war soeben aus der Haft entlassen worden. Er war polizeibekannt, doch trotzdem konnten die Behörden seiner lange nicht habhaft werden, weil anscheinend die Weitergabe von Informationen zwischen den Institutionen verschiedener Bundesländer nicht funktioniert hat. So haben manche der öffentlichen Beileidsbekundungen aus der Politik einen schalen Beigeschmack, einer Politik, die dafür verantwortlich gemacht wird, dass bei der Polizei nach Jahren der Einsparungen personeller Notstand herrscht. Allerdings ist es keineswegs ausgemacht, dass diese Tat hätte verhindert werden können, nur indem die Polizei Sollstärke hätte. Solche Taten lassen sich vermutlich nicht hundertprozentig verhindern. Das ist das Furchtbare daran.

Die Tat macht fassungslos. Da mutet die Welle von Hass und Hetze grundverkehrt an, die von Rechten losgetreten wurde, kaum dass die ersten Meldungen herumgegangen waren. Da waren sie wieder, diese Stimmen, die sich bestätigt fühlten und behaupteten, sie hätten das kommen sehen. Die Ausländer! Immer ein Messer zur Hand, allesamt! Warten nur darauf, harmlosen Biodeutschen an die Gurgel zu gehen. Haben ja ohnehin nichts Besseres zu tun. Ansonsten liegen sie den ganzen Tag lang in der sozialen Hängematte, diese Schmarotzer. Und dazu passen natürlich die Mutmaßungen des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, die womöglich nicht zufällig just in diesen Tagen fielen: Maaßen unterstellte „treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum“ einen „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“. Das ist im Prinzip nichts anderes als die dumpfe rechte Hetze, die wir ansonsten hören, auch wenn Maaßens Worte ein wenig intellektueller klingen, ideologisch unterfüttert und mit einer politischen Stoßrichtung versehen.

Das ist die falsche Debatte, wie auch FR-Leitartikler Pitt von Bebenburg meint. Sie ist getrieben von Reflexen, nicht von Reflexion. Herkunft macht keine Täter. Sozialisation hingegen kann solche Täter hervorbringen. Aus vielen Gründen, von denen einigen bei den Tätern selbst, bei ihrem früheren Leben, ihren Eltern, ihrer Bildung, den gesellschaftlichen Umständen zu suchen sind, aus denen diese Leute zu uns kommen. Dann gibt es aber auch noch mögliche Gründe, die mit uns zu tun haben, den Menschen des Landes, dass sie aufgenommen hat: Wir kriegen vielfach die Integration dieser Menschen nicht hin. Einsamkeit und Isolation seien Faktoren, durch die Menschen sich radikalisieren oder psychisch erkranken können, sagt der Kriminologe Rafael Behr. Diese Erkenntnis beschränkt sich nicht auf Migrant:innen. Dies sind die Fragen, über die geredet werden muss, nicht das ewiggleiche Lamento nach härteren Strafen oder gar Abschiebung. Diese Fragen ernst zu nehmen, würde die unschuldigen Erstochenen ehren.

Balken 4

Die AfD missbraucht ein entsetzliches Verbrechen

Ich zitiere mal Alice Weidel. Selten, aber mit diesem Zitat doch immer wieder gerne, aus gegebenen Anlass (die AfD hatte sich gegen die Anschuldigung gewehrt, sie habe eine Mitverantwortung an dem Anschlag in Halle): „Wer dieses entsetzliche Verbrechen missbraucht, um die politische Konkurrenz mit haltlosen Diffamierungen zu verleumden, der spaltet die Gesellschaft und schwächt das demokratische Fundament, auf dem wir stehen“, erklärte die Fraktionschefin Alice Weidel am Donnerstag.“ MERKUR 10.10.19
Das Zitat werden wir gerne weiterverwenden. Immer dann, wenn die AfD – wie schon so oft – wieder einmal ein entsetzliches Verbrechen missbraucht, um die politische Konkurrenz mit haltlosen Diffamierungen zu verleumden, damit die Gesellschaft spaltet und das demokratische Fundament, auf dem wir stehen, schwächt

Gabriele Schreib, Strande

fr-debatteGewalt als Mittel der Auseinandersetzung

Messerattacken sind seit geraumer Zeit „in“. Genauso „in“ sind danach die Bestürzung und die Rufe nach Verschärfung der Gesetze. Das sind sinnentleerte Rituale, die will kein Mensch hören. Auffallend auch, dass mehr über die Täter berichtet wird denn über die Opfer.
Die Bahn wird durch mehr Polizisten nicht sicherer. Die Innenstädte auch nicht. Messer kann jeder überall kaufen( sehr preiswert). Wer aus Syrien, Nigeria, Afghanistan kommt, hat möglicherweise nur Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung erfahren. Da ist keine Rede vom intellektuellen Diskurs …
Verstörend ist allerdings die Tatsache, dass sich die Gutachter sehr oft dramatisch irren, mit dramatischen Folgen für Menschen, die zufällig einem über Jahre bekannten Straftäter begegnen. Mal im Zug, mal in Oggersheim, mal auf einem Weihnachtsmarkt.
Dass der eine oder andere Straftäter nicht abgeschoben werden kann, will und kann ein Großteil der Bevölkerung nicht verstehen. Ganz und gar unerträglich aber, wenn Gutachter völlig versagen. Immer mehr Vertrauen in den Staat und in die Justiz geht verloren.Wir sind da schon weit gekommen, leider. So brechen Gesellschaften ganz langsam auseinander.

Gerhard Bayer, Ludwigshafen

fr-debatteIch erwarte eine sachliche und ehrliche Debatte

Natürlich ist man nicht automatisch kriminell wenn man aus einem bestimmten Land kommt, das wäre ja auch zu einfach, es daran fest zu machen. Aber die gesellschaftliche Herkunft spielt eine Rolle!! Flüchtlinge die aus einem Land kommen, mit einem völlig anderen Normen-und Wertesystem, einer völlig anderen gesellschaftlichen Struktur und Prägung haben es natürlich schwerer, sich hier zu integrieren. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand! Bringen sie dann noch bestimmte Belastungsfaktoren mit wie traumatische Fluchterfahrung, keine oder kaum schulische Bildung oder Erziehung, ist der Aufwand der Integration auf beiden Seiten höher als bei Flüchtlingen, die aus ähnlichen gesellschaftlichen Strukturen, mit einem ähnlichem Normen-und Wertesystem kommen – logisch.
Wenn man sich dann noch anschaut, wie überlastet die Schulen, Kindergärten und die Jugendhilfe ist, dann wird auch schnell klar, dass Flüchtlinge, die einen hohen Betreuungsbedarf haben, aufgrund mangelnder Ressourcen und Kapazitäten, hier ein höheres Risiko haben mit der Integration zu scheitern – logisch.
Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Flüchtlinge sich hier nicht gut integrieren wird und in Parallelgesellschaften abtaucht.
Fazit: Natürlich muss man schauen, aus welchen gesellschaftlichen Strukturen die Flüchtlinge zu uns kommen, hier erwarte ich eine sachliche und ehrliche Debatte und keine Polarisierung. Das Thema sollte man nicht der AfD überlassen, die es zu einem gefährlichen Werkzeug macht.

Andrea Maria Klepper, Rüsselsheim

fr-debatteSie möchten sich nicht integrieren

„Herkunft macht keine Täter. Niemand wird als Straftäter geboren, und ein Pass sagt nichts über die Gewalttätigkeit einer Person aus.“ So beginnt Pitt von Bebenburg seinen Leitartikel zum Mord an zwei jungen Menschen in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg. Wie auch der Irre, der vor einigen Jahren im Frankfurter Hauptbahnhof eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn vor den einfahrenden Zug gestoßen hatte, ist auch der Täter dieses Mal „keiner von uns“ gewesen und die Frage sei in diesem Zusammenhang erlaubt, ob es nicht möglicherweise Menschen hier gibt, die tatsächlich auch nicht „zu uns“ gehören möchten, aber ihren Lebensmittelpunkt praktischer Weise trotzdem in Deutschland sehen. Nach jedem der oben beschriebenen Verbrechen versammeln sich das politische Führungspersonal am Ort der Tragödie mit wohlfeilen Beileidsbekundungen. Wenn man die Menschen besser vor gefährlichen Halbhirnen schützen möchte, bräuchten wir mehr Personal, heißt es immer wieder nach solchen Vorfällen. Um die Interessen von Großkonzernen und Investoren gegen die berechtigten Anliegen von Umweltaktivisten durch zu setzen, stehen dann aber doch plötzlich einige Polizei-Hundertschaften zur Verfügung.
Zu den Ausschreitungen an Silvester in Berlin beruft sich Herr von Bebenburg im Zusammenhang mit einem Generalverdacht gegen Ausländer auf die Tatsache, dass die meisten Tatverdächtigen einen deutschen Pass hatten. Nun ja, die meisten der Jungmänner fuhren wahrscheinlich auch mit einem deutschen Auto, vorzugsweise aus süddeutscher Produktion zum Silvester-Event in die Hauptstadt. Trotzdem, so ist ihre Performance in den Straßen Berlins zu interpretieren, möchten sie nicht zu uns gehören, sich nicht integrieren. Die vom Autor befürchteten Parallelgesellschaften gibt es ja schon längst. Als Beispiel in meiner näheren Umgebung sei hier nur einmal der Frankfurter Stadtteil Höchst mit der Königsteiner- und der Bolongarostraße genannt. Ich stimme Pitt von Bebenburg zu, wenn er fragt, warum wir keine Debatte über die Gefährlichkeit von Männern führen. Warum sind es meine Geschlechtsgenossen, die mit Schnellfeuerwaffen in Schulklassen um sich schießen, oder wie in Hanau, auf anders aussehende Mitmenschen feuern? Warum sind es Männer, die Lastzüge in Menschenmassen fahren, die sich mit ihren Autos ohne Rücksicht auf das Leben Unbeteiligter, Wettrennen liefern, ungefragt fremden Frauen auf einsamen Feldwegen oder im Öffentlichen Nahverkehr ihr Gemächt zeigen und unterwegs ständig vor sich auf die Gehwege rotzen?
Selbstverständlich ist der größte Teil meiner Geschlechtsgenossen nicht gemeingefährlich. Wir gehen einem Beruf nach, oder sind schon in Rente, haben Kinder gezeugt, sie liebevoll mit viel Zuneigung und Zeit aufgezogen und können das auch noch unseren Enkelkindern mitgeben, welch ein Glück!
Herkunft macht keine Täter. Kann es sein, dass es in erster Linie die Eltern sind, die den Lebensweg des Nachwuchses beeinflussen? Nehmen sie sich die Zeit, um das kleine neue Leben beim Erleben zu begleiten? Wenn das so sein sollte, kann immer noch einiges schief gehen (Schule, Religion, Freunde) aber die Richtung stimmt schon mal. Im schlechteren Fall ist das Kleinkind sich selbst überlassen, die unterbelichteten Eltern investieren lieber in schicke Klamotten, groteske Frisuren und Smartphones, während das Gehirn des Sprösslings auf Standby-Betrieb leise vor sich hin blubbert um dann spätestens in der nahen Pubertät mit dem einen oder anderen Ausraster auf sich aufmerksam zu machen.
Irgendwann kommt dann wieder ein Innenminister oder eine Innenministerin und legt mit betretenem Gesichtsausdruck eine weiße Rose an einem Tatort ab.

Dietmar Lehmann, Hattersheim

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Ein Kommentar zu “Messerattentat: Der Aufwand für Integration ist hoch

  1. Grundsätzlich ist es völlig egal ob Gewalttäter einen deutschen Pass haben oder nicht. Wenn es gelungen ist sie eindeutig zu erkennen gehören sie für einige Jahre aus dem Verkehr gezogen und das möglichst schnell. Aber warum sollte die deutsche Gesellschaft bei Tätern mit nicht deutschem Pass das bezahlen und die Gefängnisse füllen? Im Regelfall sind das Menschen die sich hier nicht wirklich integrieren wollen und den Staat verachten. Dann sollte ihnen die zügige Ausreise ermöglicht werden. Bei Tätern mit deutschem Pass wäre das genau so gut ist aber nicht möglich.

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