Wenn man für etwas brennt, verbrennt man nichts

Man könnte diese Geschichte für eine Provinzposse halten, doch leider ist sie im Kern zu ernst, um lachend darüber hinweg zu gehen. Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) hat die Fans der Eintracht Frankfurt gegen sich aufgebracht. Okay, nicht so wichtig. Trotzdem: Im Vorfeld des Europa-League-Spiels der Eintracht gegen Schachtjor Donezk hatte Eintracht-Präsident Peter Fischer – der mit der lobenswert klaren Einstellung zur AfD – in einem sehr emotionalen Video gesagt, am Abend werde „das Stadion brennen“. Das hat die Polizei zum Anlass genommen, Teile des Stadions zu durchsuchen. Hintergrund: Die „Ultras“ – berüchtigte Hooligans aus der „Fan“-Szene der Eintracht – haben eine bekannte Neigung, im Stadion verbotene Pyrotechnik abzubrennen, „Bengalos“.

Nun kann man Fischers Statement schwerlich als Aufforderung an die Ultras missverstehen, auch nicht als Einladung zum Feuermachen. Dass mit dem „brennenden“ Stadion ist selbstverständlich nur metaphorisch gemeint gewesen. Allerdings muss sich der Vereinspräsident durchaus Kritik gefallen lassen, denn wenn man weiß, dass der Verein eine problematische „Fan“-Struktur hat, sollte man doch wohl etwas vorsichtiger mit solchen sprachlichen Bildern sein. Da hilft es letztlich auch nicht viel, dass über Fischer gesagt wird, er sei eben ein emotionaler Mensch. Also, Herr Fischer, bei aller Sympathie auch fürs Fußballdrama: Es geht bestimmt eine Nummer kleiner!

UltrasBei der Durchsuchung, die eine Stunde dauerte, wurden weder Pyrotechnik noch Waffen oder Schlagutensilien gefunden, aber die Ultras waren auf den Barrikaden und improvisierten ein Transparent mit der Aufschrift „Beuth, der Ficker fickt zurück“. Diese subtile Bootschaft wurde von der Polizei beschlagnahmt. Daraufhin kam es unmittelbar vor dem Spiel auf den Rängen zu dramatischen Szenen. Gewalt gab es auch außerhalb des Stadions: Ukrainische Fußballfans wurden überfallen und niedergeschlagen, einer musste ins Krankenhaus. Bei den Angreifern fand die Polizei unter anderem Schlagringe und Messer. Echte Vollsympathen, diese Ultras!

Nach dieser offenkundig überzogenen Polizeiaktion konnten „wir als Fanszene“, wie es in einer Stellungnahme heißt, „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“. Eine groß angekündigte Choreografie im Stadion wurde abgeblasen, Innenminister und Polizei erlebten einen Shitstorm, der Minister wurde gar zum Rücktritt aufgefordert. Die Polizei sieht sich gleichwohl im Recht: Unabhängig davon, wie Fischers Aussagen gemeint waren, „musste in Verbindung mit dem zum Teil massiven Abbrennen von Pyrotechnik an vorangegangenen Spielen davon ausgegangen werden, dass Besucher des Spiels sich insbesondere für diese Begegnung dazu aufgerufen fühlen könnten, Pyrotechnik mitzubringen und abzubrennen“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Das mag so sein. Pyrotechnik hat im Stadion nichts zu suchen. Doch selbst wenn der Polizeieinsatz gerechtfertigt gewesen sein mag, stellt sich die Frage, ob er auch angemessen war. Und zwar stellt sich diese Frage nicht nur vor dem bekannten problematischen Hintergrund der gewaltbereiten „Fan“-Szene, sondern auch noch vor einem anderen Problemfeld, auf dem Minister Beuth deutlich weniger zupackend agiert. Es gibt seit mehreren Wochen Hinweise auf ein rechtsradikales Netzwerk innerhalb der Frankfurter Polizei, aus dem heraus die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz bedroht worden sein soll. Wegen diesem Fall und weiteren Vorfällen, bei denen illegal Daten aus dem Polizeinetzwerk abgerufen worden sein sollen, laufen derzeit 77 Verfahren gegen hessische Polizeibeamte. Polizeipräsident Gerhard Bereswill hat Konsequenzen gezogen. Wenn dabei auch der Eindruck entstand, dies geschehe nur dank des Drucks der Berichterstattung – immerhin geschah und geschieht etwas. Von Minister Beuth, dem obersten Dienstherrn der hessischen Polizei, war in dieser Sache wenig zu hören. Wenn es gestattet ist: Da wünsche ich mir viel, viel mehr! So schlimm die Kloppereien der Fußballfans und ihre Neigung zu brennbaren Materialien auch sind – Herr Minister, andere Fronten sind wichtiger! Ich hoffe, Sie verfahren nach dem Motto: Das eine zu tun, heißt nicht, das andere zu lassen.

PS: Eintracht Frankfurt zieht wegen des Polizeieinsatzes vor Gericht. De-Eskalation geht anders.

Balken 4Leserbriefe

Ulrich Grein aus Bad Vilbel meint:

„Vorweg: wenn man für etwas brennt, dann hat das nichts mit echtem Feuer zu tun, sondern man begeistert sich für etwas. Diese sicher im Sprachgebrauch „älrere“ Formulierung sollte auch ein zweiundfünfzig Jahre alter Innenminister kennen und nicht sofort an Pyro etc denken.
Die sogenannten Eintracht-Fans müssen sich aber auch nicht jedes Mal ungerecht behandelt fühlen, motzig mit dem Fuß auftreten und dann alles, was man mühsam vorne aufgebaut hat, mit dem Hintern wieder umwerfen. Wäre man im Vorfeld sensibler (Innenminister) und während der Aktion weniger beleidigend (das „F-Plakat) mit der Situation umgegangen, hätte der Abend noch weit beeindruckender ausfallen können.
Die „Kurve“ zeichnet sich immer wieder durch Engagement, Teilnahme und Phantasie aus; kontrakariert das dann aber immer wieder durch ständige Provokationen, Gewalt und Grenzüberschreitungen. Man wundert sich, dass als Folge überall in den Stadien die Fans der Eintracht gefürchtet sind und entsprechend eng von den Sicherheitskräften begleitet werden. Warum dann auch immer wieder Gästefans ins Krankenhaus geprügelt werden (so auch Ukrainer) erschließt sich mir nicht und macht die Sache auch nicht besser.
Ich bin bei jedem Heimspiel dabei und habe oft Freunde dabei, die das erste Mal im Stadion sind. Mit der Bahn reise ich schon lange nicht mehr an, weil meine Begleiter Angst vor der Szene haben. Das eine tun und das andere lassen, das wäre schön. Das gilt für die Hardcorefans und auch für Herrn Beuth.
Herr Fischer als Verantwortlicher eines in der Öffentlichkeit stehender Verantwortlicher sollte – bei allem Respekt vor seinem emotionalen Engagement- erst denken und dann reden. Das hilft Eskalationen zu vermeiden.
Ich hatte mich sehr auf die angekündigte Choreo gefreut.“

Jessica Thees aus Liederbach a.Ts.:

„In dem Artikel begründet der hessische Innenminister Herr Beuth den Polizeieinsatz im Vorfeld des Europacupspiels von Eintracht Frankfurt am vergangenen Donnerstag mit einer Äußerung von Eintracht-Präsident Peter zur erwarteten Atmosphäre im Stadion.
Mit Entsetzen las ich Herrn Beuths Statement und bin schockiert, mit welcher Befugnis daraufhin agiert werden darf.
Sofern auf eigene Äußerungen seitens Herrn Beuth mit gleicher Härte reagiert wird, ist es aus meiner Sicht nachvollziehbar. Darf jedoch ein Innenminister in seinem Amt auf einem Sportkongress im November 2018 in seiner Rede mit Aussprüchen wie “…Wir müssen diesen Sport ausradieren!“ in der Öffentlichkeit auftreten, so befremdet mich dies sehr stark. „Ausradieren“ ist eine Wortwahl, die allgemein bekannt ist als Ausspruch einer in der deutschen Historie grauenhaften Zeit.
Dass Herr Beuth nun einen Ausspruch als Anlass bemüht, um die Lage als “….höchst problematisch und inakzeptabel“ zu bewerten, ist mir in diesem Zusammenhang unverständlich.
Noch entsetzlicher stellt sich seine bekundete Nichtkenntnis von den „einzelnen Maßnahmen…“ des Polizeieinsatzes dar. Dass die Polizei eines Bundeslandes in der Zuständigkeit dem Innenministerium untersteht, ist eine der Öffentlichkeit bekannte Struktur. Wie soll man als Bürger eines demokratischen Rechtsstaates diese Aussagen aufnehmen? Mit ganz großer Befremdlichkeit!“

Gottfried Ahrendt aus Frankfurt:

„Der ruppige Kommentar von Georg Leppert darf nicht unwidersprochen bleiben. Absurd ist geradezu seine Gedankenführung. Das Verhalten von Ultras ist unberechenbar. Das macht sie selbst als Fangruppe auch nicht harmloser. Hätten diese gezündelt, wäre Herr Leppert sicher der Erste gewesen, der sich genauso über das vorhersehbare Debakel den Ordnungskräften gegenüber wegen Untätigkeit negativ geäußert hätte. Die Polizei scheint sein Syndrom zu sein. Niemand von uns ist unfehlbar, weder die Polizei, noch Ärzte oder Priester, auch nicht der Kommentator. Trotzdem dürfen wir froh sein, dass unser Staat ganz gut funktioniert.“

Benedikt Gerhards aus Obertshausen:

„Wer wie Innenminister Beuth allein die Aussage des Vereinspräsidenten Fischer zum Anlass für eine derart umfassende Durchsuchungsaktion nimmt, ist offenbar unfähig zu erahnen welch (positive) Emotionen ein solches Spiel wie im Falle von Herrn Fischer wecken kann. Dass dieser mitunter nicht zum ersten Mal in derart emotionaler und herzerfrischender Art und Weise vor die Öffentlichkeit getreten und seine Worte nicht auf die Goldwaage zu legen sind, sollte inzwischen auch bis ins Polizeipräsidium vorgedrungen sein.
Herrn Fischer nun vorzuwerfen er habe ,,unverantwortlich“ gehandelt, der stellt den Sachverhalt auf den Kopf. Unverantwortlich hat hier einzig die Polizei mit Ihrem rigorosen Eingreifen gehandelt, indem sie die Stimmung bereits vor Anpfiff an den Rand der Eskalation getrieben hat. Stattdessen liegt hier der Gedanke nah, dass das Einschreiten einer puren Machdemonstration gleich kommt, um die es dem in Fankreisen als Hardliner bekannten Innenminister Beuth ging.“

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6 Kommentare zu “Wenn man für etwas brennt, verbrennt man nichts

  1. Es ist wohl unbestritten, dass es unter den Ultras auch gewaltbereite gibt.
    Die gibt es innerhalb der Polizei auch nur ist es hier vom Staat, in diesem Fall von Herrn Beuth abgesegnet.
    Eigentlich ist dies ein klarer Fall von Machtmissbrauch und die Polizei unterstützt dies.
    Der verlängerte Arm des Herrn Beuth und lässt dabei jegliche Verhältnismäßigkeit fahren.
    Der Innenminister faselt etwas vom rechtsfreien Raum den es unter den Ultras nicht geben kann und lässt mit einer Härte vorgehen, die nicht vertretbar ist. Aus einer Reihe, die selbst und den für mich gefährlicheren rechtsfreien Raum, da schleichend und auch hier mit Machtmissbrauch verbundene Elemente enthält.
    Wer geht denn mit der gleichen Härte gegen die Rechtsbrecher innerhalb der Polizei vor?
    Das Maß mit dem hier gemessen wird ist nicht demokratietauglich.
    Es kotzt mich an, dass in Politikerkreisen die Zahl der sich selbst profilierenden, zur Selbstkritik unfähigen Hornochsen immer mehr zunimmt. Die den Schaden den sie anrichten nicht erkennen können. Die mit ihrem Verhalten genau die Strömungen in diesem Land befeuern, die diese Demokratie zersetzen wollen.
    Übernehmen sie Verantwortung Herr Beuth, an ihren Handlungen werden sie gemessen. Im Augenblick heißt das sechs, setzen.

  2. Wir sollten uns das vollständige Zitat Peter Fischers ansehen:
    „Das Stadion muss brennen. Und wenn ich sage, dass das Stadion morgen brennt, dann brennt das morgen, und zwar so, dass ihr kaputt geht, weil ihr viel zu viel Licht habt, und deshalb wird das Spiel vielleicht ein bisschen neblig.“

    Wer immer hier mit „ihr“ gemeint ist und kaputt gehen soll, die ganze Rede strotzt vor Aggressivität. Und dass die Verbindung zwischen brennen und neblig eine Assoziation mit Bengalos hervorruft, ist ja wohl auch nicht von der Hand zu weisen, metaphorisch gemeint oder nicht.

    Der gute Peter Fischer sollte in Zukunft seine Emotionen und seine Zunge besser zügeln.

    Unglücklich finde ich in diesem Thread die Verknüpfung von gewaltbereiter Fanszene mit mutmaßlichen rassistischen Umtrieben bei der hessischen Polizei nach dem Motto: Der Innenminister duldet ein hartes Vorgehen der Polizei gegen als gewaltbereit bekannte Ultras, aber zum Thema Rassismus bei der Polizei äußert er sich nicht.
    Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Der Minister ist gut beraten, sich in einem laufenden Verfahren zurückzuhalten. Wozu es führt, wenn sich Politiker und Beamte voreilig zu noch ungeklärten Ereignissen äußern, haben wir in der Chemnitz-Affäre um den Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen erlebt. Manch eine(r) hätte da besser seinen/ihren Mund gehalten.

  3. zu @ Brigitte Ernst
    Völlig klar das die Wortwahl von Peter Fischer unglücklich war. Er hat das aber auch ca 12 Stunden vor dem Spiel korrigiert. Das ist halt auch Teil der Wahrheit. Die Reaktion der Polizei war aber trotzdem völlig unangemessen und hat dem Ziel Pyro in den Stadien zurück zu drängen einen Bärendienst erwiesen.

  4. Eins vorweg – ich bin kein Sprecher des hessischen Innenministers. Es gibt inzwischen genügend Gründe ihn aus seinem Amt zu entfernen, beginnend mit jetzt schon zwei seiner Polizeidienststellen, aus denen von rechten Netzwerken berichtet und von denen aus eine Anwältin bedroht wird, bis hin zu seiner Entscheidung, ein älteres Roma-Paar nach Jahrzehnten unauffälligen Lebens in Deutschland plötzlich in den Kosovo abzuschieben, wo sie nichts Gutes erwartet und die kranke Frau nicht behandelt werden kann. Ihre die Mutter betreuenden Kinder dürfen interessanterweise hierbleiben.
    Das ist freilich kein Grund Herrn Beuth im Stadion öffentlich zu beleidigen, weil er anderer Meinung ist als manche Fußballfans. Was ist das für ein inniges Verständnis für einen merkwürdigen Nordkurvenrat, der sich anmaßt, so eine Art Polizeigewalt ausüben zu wollen und zu bestimmen, was da im Stadion alles erlaubt sein soll und was nicht? Noch toller finde ich freilich Herrn Lepperts Zustimmung zu der unsäglichen Aussage eines Vereinsvorsitzenden „wenn ich sage das Stadion muß brennen, dann brennt das morgen“. Geht’s noch? Selbst wenn man diesen unsäglichen Spruch als dummen Ausrutscher abtun will und es anders gemeint war als es der Leser aufnimmt, dann könnte Ihr Redakteur dem Herrn Vorsitzenden mal klarmachen, daß von ihm etwas besser durchdachte Aussagen erwartet werden müssen als von einem besoffenen Fan, der keine Verantwortung trägt. Für einen FR-Redakteur scheint das aber alles ganz in Ordnung zu sein.

  5. zu @ Manfred Stibaner
    Können sie das noch mal an Beispiel dieses Spiels erläutern was ein Nordkurvenrat beschlossen hat das gegen ein Gesetz verstößt? Die Durchsuchung und die Ermittlungen haben nach meinem Wissen zu keinem Ergebnis geführt. Genau so zu der Beleidigung. Der Spruch war wenn man ihn wörtlich nimmt doppeldeutig. Die Sprüche die dann , nach der Polizeiaktion, gekommen sind in fast allen Stadien in D. waren das nicht und haben nie eine Polizeiaktion ausgelöst. Damit hat doch wohl die Polizei selbst bewiesen das die Aktion unangemessen war. Das die Aussagen von Peter Fischer so nicht gemacht werden sollten ist klar. Da stimme ich ihnen zu.

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