Wenn die Kinderbetreuung zur Glückssache wird

Einer der Berufe, in dem zurzeit händeringend Arbeitnehmer gesucht werden, ist ErzieherIn. Ein schöner Beruf, in dem man viel mit kleinen Kindern zu tun hat. Zugleich handelt es sich um einen der unattraktivsten Berufe überhaupt, weil man die Ausbildung selbst bezahlen muss. Wie bitte? Ja, ist so: „Die Ausbildung zur Erzieherin findet in den ersten beiden Jahren ausschließlich an einer Fachschule statt – entsprechend wird dieser Ausbildungsteil nicht vergütet und man bekommt kein monatliches Gehalt“, so informiert die Webseite ausbildung.de. „Man hat allerdings die Möglichkeit, finanzielle Hilfe zu beantragen.“ Irgendwie erscheint es da logisch, dass der Arbeitsmarkt leergefegt ist, was ErzieherInnen betrifft. Das wirkt nicht sonderlich attraktiv auf junge Leute, die sich eventuell berufen fühlen. Eines von vielen Beispielen dafür, was in diesem Land schiefläuft, weil am falschen Ende „gespart“ wird. Davon weiß Dominik Stadler, ein junger Vater aus Babenhausen, eine Menge zu berichten. Das Kita-Versprechen im Praxis-Test, so könnte sein Leserbrief auch überschrieben sein. Ich übernehme aber den Überschrift-Vorschlag, mit dem Herr Stadler seine Zuschrift eingereicht hat. Diese Zuschrift konnte im Print-Leserforum nur um etwa die Häfte gekürzt erscheinen. Das Limit sind nun mal die 2500 Zeichen (inklusive Leerzeichen), die einen Zweispalter halbseitig füllen. Im FR-Blog gibt es solche Beschränkungen nicht. Daher kann hier der gesamte Leserbrief erscheinen.

Wenn die Kinderbetreuung zur Glückssache wird

Von Dominik Stadler

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Es ist die dritte Woche angebrochen, in der die morgendliche Fahrt der Kinder in die Kita zum Glücksspiel wird. Auf der Fahrt überlegen die Eltern schon, ob sie auf der Arbeit einen wichtigen Termin haben, ein Meeting oder eine Telefonkonferenz am Nachmittag, die Gefahr läuft auszufallen. Der Moment, wenn man die Kita betritt und schon eine gespenstige Stille wahrnimmt, lässt nichts Gutes erahnen.

Die Leiterin der Kita kommt mir mit den Worten entgegen „der worst case ist eingetreten“.

Drei Erzieherinnen sind krank und das führt dazu, dass die Kita mal wieder zum Teil schließen muss und die Eltern gebeten werden, die Kinder entweder gleich wieder mit zu nehmen oder bis spätestens 13:30 Uhr abzuholen. Wenn es möglich ist, soll man sie aber wieder mitnehmen.

Somit fange ich mal wieder an, meinen Tages- und Wochenplan umzugestalten, wähle die Nummer der Großeltern und die des Babysitters, in der Hoffnung noch ein paar Stunden arbeiten zu können.

Diese Situation ist exemplarisch dafür, wie die Betreuung in der Kita Wichtelwald in Babenhausen mehr und mehr einem morgendlichen Glücksspiel gleicht. Seit drei Wochen wird die Kita zu unterschiedlichen Zeiten offiziell oder auch inoffiziell teilgeschlossen. Immer wieder werden die Eltern gebeten, die Kinder wieder mit nach Hause zu nehmen, da eine Betreuung nicht oder nur bis zu einer bestimmten Zeit gewährleistet ist. Rückfragen in der Kita, die durch den ASB, wie fast alle Kitas in Babenhausen, betrieben wird, werden mit den Worten, „was soll man da machen, die Stadt gibt keine Gelder frei, um mehr Personal einzustellen“, beantwortet.

Als Betroffener Vater frage ich natürlich bei der Stadtverwaltung Babenhausen nach. Hier heißt es in der Telefonvermittlung, dass für Kindergärten und Kitas, einzig und allein der ASB zuständig sei. Nachdem dieser kontaktiert wurde, heißt es in der Vermittlung dort, dass es eine städtische Angelegenheit sei, da es eine kommunale Aufgabe sei.

Gefrustet und schon leicht genervt, frage ich mich bei der Stadt Babenhausen durch und lande im Fachbereich Familie und Soziales. Hier spreche ich nun persönlich vor und schildere unter anderem meine persönliche Situation. Diese wird mit Betroffenheit zur Kenntnis genommen und als Antwort auf die Frage wie die Personalsituation in den Kitas denn nun sei und dass der Zustand, der wiederholt ausfallenden Betreuung, zumindest nicht unproblematisch sei, heißt es, dass die Stadt wisse, dass man den Kitas ein knappes Budget zugesprochen habe. Aber die Personalverantwortung läge im Aufgabenbereich des ASB. Man habe damit also nicht mehr etwas zu tun.

Unbefriedigt spreche ich die Aussagen der Stadt bei der Kitaleitung an. Da stoße ich die Tür der Betroffenheit weit auf. Das Problem mit den Geldern sei ja bekannt. Man könne da aber nichts machen. Betrachte ich mir aber die Personalsituation der letzten Monate stelle ich fest, dass die Abgänge vom Personal da sind, Neueinstellungen aber fehlen. Die Stellen von langzeiterkrankten Mitarbeitern werden für die Dauer der Erkrankung nicht nachbesetzt. Stellenanzeigen, dass Erzieher gesucht werden, lese ich nur selten in den lokalen Zeitungen.

Nachdem nun diese Woche für die Dauer von fünf Tagen, die Kita teilgeschlossen wird und Betreuungszeiten nur noch bis 13:30 Uhr „angeboten“ werden, wird der Ton zwischen Elternbeirat, Stadtverwaltung und ASB rauer. Die Eltern sind gereizt, weil die Vorgesetzten nur noch bedingt Verständnis zeigen. Zudem ist man mit der Gesamtsituation unzufrieden, da die Probleme ja seit längerem bekannt sind und keiner sich für zuständig erklärt. Die Kita Leitung ist lediglich betroffen und gibt den schwarzen Peter weiter. Die Stadtverwaltung unterstellt derweil bei dem engagierten Elternbeirat, dass versucht wird ein Keil zwischen die Stadt und den ASB zu treiben und der ASB schiebt den schwarzen Peter zurück an die Eltern mit den Worten „Man solle sich nicht so haben“.

Die Eltern können also feststellen, dass keiner an der Misere schuld ist. Weder die Kita Leitung, die nicht für ausreichendes Personal gesorgt hat, noch die Stadtverwaltung Babenhausen, die die Kinderbetreuung an den „Subunternehmer“ ASB abgegeben hat und weder über Personalsituation noch sonstige Zahlen, die Kitas betreffend, einen Überblick hat geschweige denn der ASB könne etwas für die Situation. Leidtragend sind die Familien die davon betroffen sind und jeden Morgen die Luft anhalten, ob heute Betreuung stattfindet oder nicht.

Es ist nicht so, dass die Problematik neu sei. Es wurde schon eine Kita AG gegründet und alle politischen Parteien wurden informiert. Die Thematik wurde im Sozialausschuss der Stadt besprochen. Außer dass alle Parteien sagen, dass es so nicht gehe, ist einfach gar nichts passiert. Schuld sind immer nur die anderen und dass sich wirklich was ändern wird, bleibt lediglich eine Hoffnung. Wie die, dass die Betreuung heute stattfindet.

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Ein Kommentar zu “Wenn die Kinderbetreuung zur Glückssache wird

  1. Erst kürzlich haben Erzieher/innen in Berlin um eine 6%ige Lohnerhöhung gestreikt (siehe hier: https://www.morgenpost.de/berlin/article216366177/Erzieherinnen-und-Erzieher-verdienen-eine-faire-Bezahlung.html).
    Aus dem Bekanntenkreis ist mir bekannt, dass nicht nur das Problem der Eigenfinanzierung besteht um überhaupt den Beruf ergreifen zu können, als auch zahlreiche Schwierigkeiten wenn man einmal im Beruf ist. Dazu zählt die schlechte Bezahlung, häufige Krankmeldungen und eine pure Überlastung und oft auch gestresste Atmosphäre aufgrund mangelnden Personals.

    Das Bild wiederholt sich in unseren Krankenhäusern und in sozialen Einrichtungen für unsere Ältesten. Ganz eindeutig muss der Staat seine Finanzen hier besser einplanen.

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