Der Antisemitismus in Deutschland wachse, beklagte kürzlich der Deutschland-Direktor von Human Rights Watch, Wenzel Michalski. Es ist also an der Zeit, dass wir mal wieder drüber reden und unseren Kompass vielleicht ein wenig eichen. Offenbar können nämlich gerade viele Menschen, insbesondere junge Menschen, mit dem Begriff Antisemitismus nicht viel oder nichts anfangen, wie Meron Mendel von der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank im FR-Interview feststellte. Der Anstieg beim Antisemitismus dürfte allerdings wohl zu gewissen Teilen auch den muslimischen Asylbewerbern / Geflüchteten anzulasten sein, die zu uns gekommen sind und die ihre Einstellungen aus dem Nahen Osten mitbringen.
Aber es gibt einen aktuellen Fall, der hilfreich sein kann, unsere Antisemitismus-Antennen wieder besser zu justieren: Roger Waters von Pink Floyd. Sonderbarerweise fiel erst jetzt so richtig auf, dass der Musiker schon seit Jahren mit einer antisemitischen Aussage um die Welt tourt. Als ich im Jahr 2013 bei seinem Konzert im ehemaligen Frankfurter Waldstadion war und mir „The Wall“ gegönnt habe, da habe ich nicht schlecht gestaunt über die Judensau, die er da durchs Stadion treiben ließ. Das Konzert war großartig. Das Bild nicht.
Judensau?
Ins Rollen kam die Sache durch die Petition einer Kölnerin an den WDR-Intendanten Tom Buhrow. Daraufhin hat man sich beim WDR die Show wohl etwas genauer angeschaut und kam zu dem Schluss, sie nicht weiter zu promoten. Die Fans wird es nicht stören. Für sie ist das Heißluftschwein, das da durchs Stadion schwebt, ein großer Spaß, denn sie dürfen es am Ende zerstören. Und damit auch all die Symbole, die im Lauf der Show darauf projiziert werden. Um diese Symbole geht es. Darunter sind Firmenlogos und andere Zeichen, die in der künstlerischen Aussage, die Roger Waters damit trifft, für Unterdrückung, Krieg und Militarismus stehen, etwa das christliche Kreuz und der islamische Halbmond. Man darf nicht vergessen: Die Botschaft des Roger Waters ist ein Plädoyer für Frieden und Freiheit. Dass er es damit ernst meint, darf man ihm ohne weiteres abnehmen. Wer das nicht will, der überzeuge sich am besten selbst, indem er sich die Show ansieht. Die Botschaft ist glasklar.
Leider transportiert sie unterschwellige Subtexte. Das Problem ist die grobschlächtige Ikonografie. Der Pranger ist uneindeutig. Unter den Symbolen, die auf das Schwein projiziert werden, sind auch Davidstern und Dollarzeichen. Diese beiden zusammen auf der Sau – da sollten eigentlich überall die Alarmglocken klingeln. Schon mal gehört: internationales Finanzjudentum? Dazu die Symbole der Konzerne – waren die Juden nicht schon immer als die gewieftesten Klüngler bekannt, die ihre Interessen immer durchzusetzen wussten?
Waters Botschaft hat zwei Ebenen. Die an der Oberfläche: Er kritisiert die Unterdrückungspolitik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern. Diese Ebene ist legal und legitim: Selbstverständlich darf und muss der heutige Staat Israel und seine Politik kritisiert werden dürfen. Doch unter dieser Ebene lagert eine zweite, der sich Waters möglicherweise nicht bewusst war und/oder ist, und die ist eindeutig antisemitisch. Daran kann es nicht den geringsten Zweifel geben. Das fängt schon mit der Sau an. Ich will nicht ins Detail gehen; es gibt einen lesenswerten Wikipedia-Artikel zur Judensau. Da mag ein/-e jede/-r selbst etwas für die politische Bildung tun.
Dieses Problem entsteht dadurch, dass Waters alles in einen riesigen Topf wirft und dann mit monströsen Hammerschlägen und harten Rhythmen alles durchrührt. Das darf er. Das ist zweifellos Kunst. (Hierzu ein lesenswerter Artikel der Stuttgarter Nachrichten.) Kunst provoziert. Das ist bestens gelungen. Leider auf dem Rücken eines Volkes, das durch seine gesamte Geschichte hindurch immer wieder Opfer war. Nicht nur im Nazi-Reich mit seiner Judenvernichtung am Fließband. Es hat durch die Jahrhunderte hindurch etliche Pogrome und Vertreibungen gegeben, Verbrechen an Unschuldigen. Dass heutige Juden ihrerseits Verbrechen an Unschuldigen (?) begehen, ändert am historischen Erbe nichts; es sagt im Grunde eigentlich nichts anderes als: Auch Juden sind nur Menschen. Und das ist nun wirklich eine Binsenweisheit.
So ist die künstlerische Aussage des Roger Waters entwertet: Unter den Symbolen, die aus seiner Sicht für Unterdrückung stehen, findet sich ein Symbol für Unterdrückte. Der Davidstern eignet sich nicht für diese Art von Botschaft. Roger Waters muss sich daher gefallen lassen, als Antisemit bezeichnet zu werden.
Leserbriefe
Christoph Lanzendörfer aus Bassum meint hingegen:
„Um Gottes Willen, Harry Nutt! (Artikel online nicht erhältlich, pdf wird nachgeliefert.) „Der Antisemitismus von Roger Waters“ beginnt der Untertitel zu seinem Artikel. Die Begründung folgt: „Niemand hat sich derart eindeutig gegen die israelische Palästina-Politik positioniert wie er.“ Ist es wirklich so weit gekommen, dass Kritik an Israels Palästina- und Siedlungspolitik jetzt bereits Antisemitismus, sprich: Rassismus ist? Ist Harry Nutt wirklich der Meinung, man sollte mit der wuchtigen Keule „Antisemitismus“ jede Kritik an Boden- und Wasserraub in einem besetzten Gebiet totschlagen? Wie darf ich für Menschenrechte in Palästina eintreten, wenn ich mich damit zum Antisemiten mache? Oder – sollte man das alles besser verschweigen, um nicht als Antisemit zu gelten?“
In einem historischen Dokument, dem von führenden jüdischen Gelehrten Deutschlands verfassten Philo-Lexikon (Handbuch des jüdischen Wissens), 3. Auflage Berlin 1936, heißt es: „Antisemitismus (als Ausdruck von Wilhelm Marr um 1879 zuerst gebraucht): judengegnerische Bewegung mit dem Ziel der Zurückdrängung jüdischen Einflusses, tritt als religiöser, rassischer, wirtschaftlicher, kultureller, gesellschaftlicher Antisemitismus auf. Religiöser A. vorwiegend im Mittelalter Ausdruck der Glaubensfeindschaft, führt zu Ghetto, J-Abzeichen, Zwangstaufen, Verfolgungen. In neuerer Zeit stützt sich A. vorwiegend auf den Rassegedanken durch Betonung der Fremdartigkeit des jüdischen Stammes. Wirtschaftlicher A. ist Folgeerscheinung der genannten Formen und fordert Zurückdrängung jüdischen Einflusses in der Wirtschaft, häufig verknüpft mit Mittelstandsbestrebungen gegen Warenhaus, Zwischenhandel, überhaupt gegen gewisse kapitalistische Erscheinungen. Kultureller Antisemitismus wendet sich gegen Beschäftigung von Juden mit nichtjüdischem Kultur- und Gedankengut. Gesellschaftlicher A. fordert gesellschaftliche Absonderung.“
Das Philo-Lexikon, das 1934 in erster Auflage erschien (und seit 1982 wieder als Reprint erhältlich ist), war eine Reaktion auf den staatlichen Antisemitismus des Dritten Reichs. Es sollte den vielfach säkularisierten jüdischen Bürgern ihre Wurzeln in Erinnerung rufen und sie damit zu einer klaren Haltung gegenüber dem immer deutlicher werdenden Judenhass des NS-Regimes bewegen. Den Staat Israel gab es damals noch nicht, aber die Balfour-Deklaration vom 2.11.1917. Dazu wird Folgendes angemerkt: „Erklärung des Außenministers Arthur J. Balfour zugunsten des jüdischen Nationalheims in Palästina, wurde in das Palästina-Mandat aufgenommen und dadurch völkerrechtlich anerkannt.“
Wenn man sich an diesen kurzen lexikalischen Beschreibungen orientiert, die zu den letzten offiziellen, aber unauslöschlichen Stimmen der ermordeten Juden zählen, waren die Wesensmerkmale des Antisemitismus in den 30er Jahren (und davor) ähnlich denen im Jahr 2017. Nämlich die Verächtlichmachung von Menschen wegen deren Abstammung und religiösen Zugehörigkeit mit entsprechenden Folgen für ihre gesamten gesellschaftlichen Rechte einschließlich der wirtschaftlichen Diskriminierung.
Ein solcher Antisemitismus artikuliert sich auch in der Übernahme von NS-Rhetorik, die in euphemistischer Weise die Völkervernichtung sprachlich salonfähig machte, indem sie geläufigen technischen Begriffen sowie bestehenden Vorurteilen gegen Minderheiten zugeordnet wurde.
Noch bis auf den heutigen Tag sind Ausdrücke wie „bis zur Vergasung“ zu hören. Ein Finanzvermittler aus Limburg an der Lahn rief sogar im Sommer dieses Jahres zum „kleinen Holocaust“ gegen „Schwarze Blocks“ und andere Randalierer am Rande des G20-Gipfels auf, was jedoch weder von der Staatsanwaltschaft Limburg noch von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt als strafbare Verharmlosung des NS-Staats aufgefasst wurde (siehe HR-Hessenschau vom 7.12.17: „Wunsch nach kleinem Holocaust keine strafbare Hetze“).
Während der latente Antisemitismus entweder geleugnet oder unwidersprochen kultiviert wird, findet parallel dazu seine Gleichsetzung politischer Kritik am Staat Israel statt. Dieser Kritik fehlen jedoch zumeist die typischen Merkmale, die das Philo-Lexikon auflistet (eine Ausnahme sind die Vorurteile mancher Flüchtlinge aus dem arabischen Raum, die auch nicht zu tolerieren sind). Wer die Deklassierung der Palästinenser verurteilt und sich dabei keiner rassistischen und religiösen Schmähungen bedient, ist kein Antisemit. Die vom Staat Israel betriebene gesellschaftliche Absonderung hingegen ist ein typisches Merkmal des in Deutschland, Europa und den USA offen oder versteckt proklamierten Antisemitismus.
Symbole stehen für etwas. Beim Davidstern stehen sie für jüdische Menschen. Für wen steht das Kreuz oder der Halbmond? Für wen stehen die Firmenlogos? Stehen sie nicht auch für Menschen?
Menschen werden in Zusammenhang mit einem Schwein gebracht. Das halte ich nicht nur bei Juden für unakzeptabel.
@ Klaus Philipp Mertens
„Die vom Staat Israel betriebene gesellschaftliche Absonderung hingegen ist ein typisches Merkmal des in Deutschland, Europa und den USA offen oder versteckt proklamierten Antisemitismus.“
Das müssten Sie näher erklären. Wenn laut dem von Ihnen zitierten Lexikon Antisemitismus als eine judenfeindliche Einstellung oder Handlung definiert wird, wäre die von Ihnen erwähnte gesellschaftliche Absonderung (des jüdischen Bevölkerungsteils gegen den palästinensischen oder die Ausgrenzung der Pälastinenser) innerhalb des Staates Israel eine judenfeindliche Handlung. Das hieße, Israel selbst handelt judenfeindlich.
Diese Logik erschließt sich mir nicht.
@ Brigitte Ernst:
Es bedeutet, dass der Staat Israel sich eines Instruments bedient, das gemäß der Definition des Philo-Lexikons (aber auch lt. Meier/Schäfer, Kleines Lexikon des Judentums) zu den typischen judenfeindlichen gehört. Damit handelt Israel nicht vordergründig antijüdisch, aber es entkräftet einige der Argumente gegen Antisemitismus. Und stellt seine eigene moralische Position, nämlich Heimstätte der Verfolgten zu sein, bedauerlicherweise infrage.
Prof. Moshe Zimmerman, emeritierter Historiker der Hebräischen Universität Jerusalem und früher häufige als Gastdozent in Deutschland, sieht das Problem ähnlich. Er vertritt allerdings den liberalen politischen Flügel in Israel.
@ Klaus Philipp Mertens
Warum sagt man dann nicht: „Bestimmte politische Kreise in Israel – leider derzeit an der Regierung – handeln Minderheiten in ihrem Land bzw. in den von ihnen besetzten Gebieten gegenüber ähnlich fremdenfeindlich, wie Juden in vielen anderen Ländern behandelt werden.“?
Damit vermeidet man den Begriff „Antisemitismus“, der sich ja nur auf die Diskriminierung von Juden bezieht.
Statt sich wie Klaus Philipp Mertens auf den (ehrwürdigen, aber durch die Entwicklung seit der 19030-er Jahre im Vielen überholten) Philo-Lexikons zu beziehen, empfehle ich den Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, der dem Bundestag am 7.4.2017 vorgelegt wurde (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811970.pdf), zu lesen. Dort wird auf die im Frühjahr 2016 von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), der 31 Staaten angehören, angenommene „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ verwiesen:
„Der Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“ Diese Definition wird durch eine Reihe von Beispielen erörtert.
In dem Bericht wird zu israelbezogenen Antisemitismus weiter ausgeführt: „Die Übergänge zwischen »Israelkritik« und Antisemitismus lassen sich auf einer theoretischen Ebene zwar durchaus definieren. Ein Vorschlag hierfür ist z. B. der »3D-Test« des ehemaligen israelischen Ministers Natan Sharansky. Sharansky geht davon aus, dass Antisemitismus unter dem Deckmantel der Kritik an Israel immer dann vorliegt, wenn eine Dämonisierung des Staates Israel angestrebt, ein Doppelstandard angelegt und/oder eine Delegitimierung Israels betrieben wird.“
Ein weiteres Merkmal des israelbezogenen Antisemitismus ist die Verwendung von antijüdischen Stereotypen in Wort und Bild sowie Nazi-Vergleiche.
Der Übergang von Kritik an Israel zum israelbezogenen Antisemitismus mag fließend sein, aber es ist ziemlich deutlich feststellbar, wann die Grenze – absichtlich oder unbewusst – überschritten wird.
Was Roger Walters betrifft, ist es nicht nur seine Bühnenshow, die ihn in den Verdacht des Antisemitismus bringt. Bekanntlich ist er ein aktiver Unterstützer der BDS-Bewegung, die einen umfassenden wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Boykott Israels und seiner (jüdischen) Bürger (egal ob sie die Regierungspolitik tragen oder ablehnen) fordert, also einen kollektiven Ausschluss aus der Weltgemeinschaft. Walters hat mehrfach Kampagnen gegen Künstlerkollegen geführt, um sie vor Auftritten in Israel abzuhalten.
@ Klaus Philipp Mertens
Mit Ihrem Satz: „Wer die Deklassierung der Palästinenser verurteilt und sich dabei keiner rassistischen und religiösen Schmähungen bedient, ist kein Antisemit.“ Machen Sie es sich zu einfach. Aus Meinungsäußerungen allein lässt sich nicht beurteilen, ob jemand ein Antisemit ist, weil man dazu die Person und ihr Gesamtverhalten kennen müsste. Dass man sich eindeutig antisemitisch äußern kann, ohne sich rassistischer oder religiöser Schmähungen zu bedienen, zeigen etliche beim „Flügel“ der AfD.
Wer „Deklassierung der Palästinenser“ durch Israels Politik verurteilt, mag die komplexen Realität in Israel und Palästina arg vereinfachen, wird sich aber kaum mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert sehen. Wenn Sie „vom Staat Israel betriebenen gesellschaftlichen Absonderung“ die Merkmale des europäischen Antisemitismus bescheinigen, wählen Sie aber einen gefährlich bedenklichen Vergleich, der nahe an die Gleichsetzung Israel = Nazideutschland reicht und der in der politischen Auseinandersetzung außerdem überhaupt nichts klärt. Einen solchen Vergleich würden Sie vermutlich betzüglich der Kurdenpolitik der Türkei oder der Tibetpolitik von China nicht verwenden.
Im Übrigen halte ich die Behauptung, Israel würde eine gesellschaftliche „Absonderung“ (von wem auch immer) betreiben, durch Fakten nicht gedeckt. Mir ist auch keine Äußerung von Moshe Zimmermann bekannt, auf die Sie sich als Beleg für diese Behauptung stützen können.
Ich gebe Klaus Philipp Mertens recht mit dem oben zitierten Satz: Wer die Deklassierung der P …“.
Ob das mit einer „Fliegenbeinzählerei“ viel weiter hilft, gebe ich zu bedenken.
Außerdem kann man sowieso nicht in jeden Menschen reingucken, ob er, das, was er sagt, auch tut. Bestehende „Flügel“ der AfD sind sind auch nicht sehr aufklärend.
Israel darf man kritisieren, ohne die Existenzberechtigung in Frage zu stellen.
Das fällt offenbar Israel selber gegenüber den Palästinensern (das be- und zersiedelte Westjordanland ist ‚bestes‘ Beispiel) nicht nur schwer, sondern da handelt es seit Jahrzehnten völkerechtswidrig.
Man erinnere sich an den Israel-Besuch des damaligen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel (2013?)und der palästinensische Stadt Hebron, als er spontan das Wort „Apartheid“ aussprach, nachdem er durch den Teil der fast ausgestorbenen Altstadt von der jüdischen Seite und der moslemischen Seite (das Bild einer Geisterbahn)gegangen war. Was Gabriel sich anhören musste!
Selbst Hannah Arendt wurde nach ihren Berichten zum Eichmann-Prozess in Israel der Judenfeindlichkeit bezichtigt und zur Staatsfeindin erklärt.
Will sagen, dass man schnell in eine Schublade gesteckt wird, beim Antisemitismus-Vorwurf überschnell.
Mir ist es dieses Jahr bei einer Veranstaltung in Frankfurt („Ökohaus“) so passiert.
Die Antisemitismus-Definition der IHRA ist nach meiner Lesart nun auch nicht viel stringenter als die des Philo-Lexikons: „…Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, […]Ziel solcher Angriffe sein.“ Kann, kann, …
@ Brigitte Ernst:
Im Grundsatz stimme Ihnen zu. Dennoch möchte ich noch einen Schritt weitergehen, weil es bei der Diskussion um Antisemitismus auch um die Frage geht, ob sich ein bedrohtes Volk jener Instrumente bedienen darf, die seine Peiniger nutzen. Im Strafrecht ist dies lediglich im Ausnahmefall der Notwehr zur unmittelbaren Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben gestattet.
@JaM:
Die jüdische Rechtsgeschichte brachte jenen Jus Talionis (Auge um Auge, Zahn um Zahn, Blut um Blut) hervor, der auf Schadensausgleich setzt und den bis dahin vorherrschenden Rachegedanken verwarf. In der zivil- und strafrechtlichen Auseinandersetzung mit (wegen des Siedlungsbaus) enteigneten Palästinensern hält man sich jedoch nur selten an diese zivilisatorischen Grundsätze. Diese Missachtung der Rechte anderer ist ein Nährboden für den israelbezogenen Antisemitismus, der im Bericht der Expertenkommission an den Bundestag explizit erwähnt wird.
Ansonsten rate ich dringend, die logischen Ebenen nicht zu verwechseln. Denn ein Begriff wie Antisemitismus darf nicht der Beliebigkeit unterliegen. Die AfD ist dafür ein typisches Bespiel, weil sie sich nominell zu einer Pro-Israel-Haltung bekennt, aber auf der anderen Seite längst jener Neuauflage der „konservativen Revolution“ Tür und Tor geöffnet hat, die den Antisemitismus der 20er Jahre zurechtformte für den Gebrauch im NS-Staat.
Ich habe mich ein halbes Berufsleben lang mit Veröffentlichungen zum Alten Testament bzw. zur Hebräischen Bibel sowie zum christlichen Antijudaismus und politischen Antisemitismus beschäftigt (als Herausgeber, Lektor und Autor) und zwangsläufig, um wissenschaftlich seriös zu bleiben, eine Position zwischen den Stühlen einnehmen müssen. Damit habe ich mir den Hass vieler Recht(s)gläubiger aus allen Konfessionen zugezogen. In jüdischen Kreisen wurde mir übelgenommen, dass ich mich für die Positionen von „Schalom Achschaw“ (also der israelischen Friedensbewegung) einsetze. In den Skripten dieser Gruppe finden sich diverse Beispiele für die Politik der Absonderung.
@ JaM
„Der Übergang von Kritik an Israel zum israelbezogenen Antisemitismus mag fliessend sein, aber es ist ziemlich deutlich feststellbar, wann die Grenze – absichtlich oder unbewusst -überschritten wird.“
Das ist ein Widerspruch in sich. Wenn der Übergang fliessend ist, kann man die Grenze eben NICHT eindeutig festlegen.
Ich selbst halte mich an einen anderen Maßstab. Wenn meine eigene kritische Position auch bei jüdischen Israelis zu finden ist, gehe ich davon aus, dass diese Ansicht nicht antisemitisch ist.
@Brigitte Ernst
„Wenn der Übergang fliessend ist, kann man die Grenze eben NICHT eindeutig festlegen.“
Bravo, der Argumentationsstil gefällt mir.
@ Brigitte Ernst
Der Übergang der Vegetationszonen im Gebirge ist fließend. Trotzdem bin ich mir bei dem Aufstieg auf den Berg irgendwann sicher, dass ich die Baumgrenze überschritten habe. Wahrscheinlich geht es Henning Flessner mit seiner Schweizer Erfahrung ähnlich.
Ihr Maßstab, eine kritische Position gegenüber Israel sein nicht antisemitisch, wenn sie von einem jüdischen Israeli geteilt wird, erscheint mir wenig belastbar. Sie finden, auch bei dem „klassischen“ Antisemitismus, kaum eine antisemitische Position, für die nicht ein Jude als „Kronzeuge“ genannt werden könnte.
@ Klaus Philipp Mertens
Ihre Aussage, dass es „bei der Diskussion um Antisemitismus auch um die Frage geht, ob sich ein bedrohtes Volk jener Instrumente bedienen darf, die seine Peiniger nutzen“, halte ich für höchst problematisch. Zum einen enthält der Satz eine kollektive Zuschreibung von Eigenschaften und Verhaltensweisen, die laut der Antisemitismusforschung eine Quelle des Antisemitismus ist. Zum anderen wird darin die Diskussionsebene verschoben, denn das Argument, Israel dürfe Palästinenser unterdrücken, weil das jüdische Volk bedroht wurde oder bedroht sei, kommt in der realen politischen Auseinandersetzung um Israels Politik nicht vor. Hingegen ist die Täter-Opfer-Umkehr („Israel benutzt Nazi-Methoden“) ein beliebtes Argumentationsmuster der „Israelkritiker“.
Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, Israel zu kritisieren, ohne in den Verdacht des Antisemitismus zu geraten: Man benennt konkret die falsche Politik, die Diskriminierungen und die Menschenrechtsverletzung, ohne schiefe Vergleiche und Verallgemeinerungen.
Wenn es konkret wird, weichen Sie aber einer argumentativen Diskussion aus: Für die von Israel angeblich betriebene „Politik der Absonderung“ (was verdächtigt nach Apartheid klingt) hatten Sie sich zunächst auf Moshe Zimmermann berufen, aber offensichtlich die von mir geforderten Belege nicht liefern können. Nun verweisen Sie auf „Skripte“ der israelischen Friedensbewegung. Ich habe in Deutschland und in Israel mehrfach Aktivisten der diversen Gruppen der israelischen Friedensbewegung getroffen (die in den jüdischen Kreisen, in den ich mich bewege, viele Sympathisanten und Unterstützer – im Gegensatz zur Netanjahu Regierung – hat). Unter anderem habe ich mit den Rabbis for Human Rights die Mauer in Jerusalem und abgerissene „illegale“ Häuser in Ost-Jerusalem besichtigt. Sie alle kritisieren scharf Israels Besatzungspolitik und auch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Diskriminierung der arabischen Minderheit in Israel. Dass es in Israel eine rechtliche oder politische „ Absonderung“ ethnischer oder religiöser Gruppen bzw. anderer Minderheiten oder eine irgendwie geartete „Apartheid“ gäbe, kann ich deren Aussagen nicht entnehmen. Und entspricht auch nicht der komplexen Realität in Israel.
@ Klaus Philipp Mertens, 8. Dezember 2017 um 11:55
„Die vom Staat Israel betriebene gesellschaftliche Absonderung hingegen ist ein typisches Merkmal des in Deutschland, Europa und den USA offen oder versteckt proklamierten Antisemitismus.“
Der Satz ist sicher in seiner Verallgemeinerung problematisch und in der Verkürzung auch missverständlich. Das scheinbare Paradox verweist aber durchaus richtig auf die zweispältige Verwendung des Begriffs „Antisemitismus“, der zu beobachtende Versuche der Instrumentalisierung befördert.
Problematisch ist schon die Tatsache, dass dieser Begriff eine innere Haltung bezeichnet, die erst anhand konkreter Verhaltensweisen bzw. sprachlicher Bilder überhaupt nachweisbar ist.
Der historische Antisemitismus ist nachzuweisen an erkennbarer sozialer Absonderung einer Gruppe nach einem religiösen Kriterium, das aber andere, vor allem soziale Triebkäfte (Sozialneid, Intellektuellenhass u.a.) überlagerte. Belege finden sich auch an offensichtlichen Widersprüchen, so etwa der Weigerung Friedrich II., den von ihm geschätzten Philosophen Moses Mendessohn in die Preußische Akademie aufzunehmen.
Mit Aufkommen des Zionismus, mehr noch mit der Staatsgründung Israels, ergibt sich aber eine neue Situation, die nicht mehr mit dem bis dahin zutreffenden „Antisemitismus“-Begriff zu erfassen ist. Religiöse und politische Ebene sind von da an kaum noch zu trennen.
Noch grundlegender die Ungeheuerlichkeit des Holocausts, welcher der Selbst- und Fremdeinschätzung der Gründerväter des Staates Israel einen dauerhaften Opferstatus hinzufügte und damit fest verband. Für die erste nachfolgende Generation durchaus nachvollziehbar, war diese doch von Überlebenswillen und Zwang zu Selbstbehauptung geprägt. Erst jahrzehntelange Besatzungspolitik, die nachweislichen palästinensischen Opfern israelischer Politik eben diesen Status verwehrt, den sie für sich selbst in Anspruch nimmt, bringt aber den Widerspruch, der in der weiteren Verwendung dieses Begriffs enthalten ist, voll zur Geltung.
Es ist das Verdienst einer Hannah Arendt, schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt den Mythos aufgedeckt zu haben, dass von Nazis industriell betriebene Massenvernichtung vorwiegend in Antisemitismus begründet sei. Indem sie am Beispiel Eichmann nachwies, dass man zu dessen Erklärung dieses Begriffes gar nicht bedurfte, entzog sie auch dem Verlangen nach einem „Opfer“-Monopol den Boden und sich selbst damit den unbändigen Hass gerade Ihresgleichen zu.
Sich selbst das Monopol auf Opferstatus zuzubilligen und zugleich eine aggressive nationalistische Politik voranzutreiben bzw. ein Besatzungsregime zu stabilisieren ist die gemeinsame Komponente der Politik eines Trump und eines Netanjahu. Sie stützt sich zugleich auf gesellschaftliche „Analysen“, die nicht nur fast alles auf „Antisemitismus“ zu reduzieren suchen, sondern diesen Vorwurf auch zum Totschlag-Argument verschärfen.
Das Machwerk zum „Antisemitismus in Europa“, das mit selektiver Geschichtsbetrachtung, extrem verkürzenden Linien zum historischen Antisemitismus operiert und zahlreiche honorige Persönlichkeiten bzw. Organisationen mit dem „Antisemitismus“-Vorwurf moralisch zu diskreditieren sucht, ist dazu ein Beispiel.
Die Behauptung, Kritik an derzeitiger israelischer Besatzungspolitik sei ja durchaus möglich, ohne Derartiges befürchten zu müssen, entbehrt sowohl der Belege wie der Glaubwürdigkeit. Nicht jeder fühlt sich der zynischen Aggressivität etwa eines Herrn Wolfssohn gewachsen, wie dieser sie in der denkwürdigen Maischberger-Sendung gegenüber WDR-Intendant Schönenborn vorexerzierte, und hält deshalb lieber den Mund.
Das von Klaus-Philipp Mertens angesprochene Paradox erscheint als stark verkürzte Fassung oben – auch nur verkürzt – beschriebener Zusammenhänge.
Das Fazit daraus müsste wohl sein, dass der „Antisemitismus“-Begriff ungeeignet erscheint, die meisten der gegenwärtigen Tendenzen gesellschaftlicher Veränderungen, insbesondere nationalistischer und rechtsradikaler Umtriebe, auch nur annähernd angemessen zu erfassen.
Die von Bronski einleitend an „Pink Floyd“ beschriebenen Anlehnungen an überlieferten antisemitischen Sprachgebrauch sind zweifellos verwerflich. Zur Charakterisierung des gegenwärtigen Zustands unserer Zivilgesellschaft taugen sie aber nicht.
Ähnliches ist an Versuchen von AfD-Kreisen zu beobachten, „völkischen“ Sprachgebrauch wieder hoffähig zu machen, ohne dass von einer umfassenden Renazifizierung der deutschen Zivilgesellschaft gesprochen werden könnte.
@ Werner Engelmann
Es fehlt mir sehr schwer, entsprechen der Blog-Regeln freundlich zu bleiben, denn es ist mir unerklärlich, dass jemand, der zu anderen Themen durchdachte, gut begründete Analysen verfasst, so ein Konglomerat absurder Behauptungen schreiben kann, das mit dem Fazit enden, „dass der ‚Antisemitismus‘-Begriff ungeeignet erscheint, die meisten der gegenwärtigen Tendenzen gesellschaftlicher Veränderungen, insbesondere nationalistischer und rechtsradikaler Umtriebe, auch nur annähernd angemessen zu erfassen“. Sie verleugnen schlicht die Realität, die z.B. in dem von mir verlinkte Bericht der Expertenkommission zum Antisemitismus ausführlich beschrieben wird.
Sie scheinen auch keines der neueren Werke der Holocaust-Forschung zur Kenntnis zu nehmen, in denen die zentrale Rolle von Antisemitismus bei dem Judenmord der Nazis und ihrer Helfershelfer belegt wird. So widersprechen auch viele Historiker der These von Hanna Arendt, Adolf Eichmann habe nicht aus antisemitischer Überzeugung, sondern als technokratische Verkörperung der „Banalität des Bösen“ bei der Organisation des Judenmordes mitgewirkt. Die eindeutig antisemitische Haltung Eichmanns, die er bei dem Jerusalemer Prozess geleugnet hat, ist durch die inzwischen vollständig veröffentlichten Sassen-Interviews belegt.
Dass man in Deutschland Israels Besatzungspolitik kritisieren kann, ohne sich dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen, kann sich jeder überzeugen, der die Medien verfolgt. Bei der angeblich „zynischen Aggressivität etwa eines Herrn Wolfssohn …, wie dieser sie in der denkwürdigen Maischberger-Sendung gegenüber WDR-Intendant Schönenborn vorexerzierte“, ging es überhaupt nicht darum, ob und wie Israel kritisiert werden kann, sondern darum, warum eine Dokumentation zum (israelbezogenen) Antisemitismus den Zuschauern vorenthalten wurde.
@JaM
Bin immer noch dabei mich durch die Drucksache 18/11970 zu arbeiten.
Lese bei Herrn Engelmann aber keine Leugnung. Was ich lese ist der Versuch ein breiteres Verständnis der momentanen gesellschaftlichen Situation einzubringen. Es erklärt sich nicht alles mit Antisemitismus. Was ich diesem Bericht bisher entnommen habe ist, dass die Zahlen in diesem Bereich steigen. Was ich die letzten beiden Jahre wahrgenommen habe, sind brennende Asylunterkünfte, taetlicher Übergriffe und Fremdenfeindlichkeit. Ich habe steigende Zahlen von Kinderarmut und eine Zunahme der Armut bei Rentnern wahrgenommen. Ich sehe die steigende Zahl von Obdachlosen und die Wohnungsnot. Die steigenden Zahlen derer, die von einem Job nicht mehr leben können. Hinzu kommt ein irrlichternder amerikanischer Präsident, ein auch nicht gesunder Staatsmann in Nordkorea, die Bedrohung durch den IS und so weiter.
Alles Themen, die den Menschen auf den Nägeln brennen.
Ich verstehe ja was Sie sagen wollen!
Verstehen Sie auch was sonst noch „schräg“ läuft?
Ich sehe das Thema Antisemitismus in den Printmedien vertreten und ich befasse mich auch damit.
@JaM
Habe die Maischbergersendung nicht gesehen. Mit welcher Begründung würde die Dokumentation nicht ausgestrahlt und wird das nachgeholt?
@ Anna Hartl
Antisemitismus ist, neben anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenverachtung (zu denen u.a. Antiziganismus, Rassismus, Homophobie, Islamhass, Hass auf Flüchtlinge, Fremden- und Frauenfeindlichkeit zählen), eines der Probleme unserer Gesellschaft. Es ist kein marginales Problem: Allein in Bayern sind in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 109 antisemitisch eingestufte Straftaten registriert worden (1 Körperverletzung, 15 Propagandadelikte, 18 Sachbeschädigungen, 67 Volksverhetzungen und 8 andere Straftaten). In Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es sogar 146 Straftaten (1 versuchter Tötungsdelikt, 2 Körperverletzungen, 6 Nötigungen/Bedrohung, 16 Propagandadelikte, 100 Volksverhetzungen und 14 andere Straftaten). Dabei ist die Dunkelziffer sehr hoch, weil viele Vorfälle nicht angezeigt und auch nicht öffentlich bekannt werden.
Wer sich gegen Antisemitismus wendet, ignoriert die anderen von Ihnen angesprochenen Probleme nicht. Ich kenne auch niemanden, der versuchen würde, die „momentanen gesellschaftlichen Situation“ allein durch Antisemitismus zu erklären. Im Gegensatz: Viele, die gegen Antisemitismus kämpfen, engagieren sich auch in anderen gesellschaftlichen und sozialen Bereichen.
In der Maischbergersendung (http://www.ardmediathek.de/tv/WDR/Umstrittene-TV-Doku-Diskussion-%C3%BCber-An/WDR-Fernsehen/Video?bcastId=18198186&documentId=43731020) ging es um die vom WDR für Arte produzierte Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ (https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/video-auserwaehlt-und-ausgegrenzt—der-hass-auf-juden-in-europa-100.html).
Sicherlich muss man darüber streiten dürfen, ob der Antisemitismusvorwurf zu schnell erhoben wird. Wenn aber generell bestritten wird, dass es einen israelbezogenen Antisemitismus gibt, weil jede Kritik an Israel ohnehin gerechtfertigt sei, ist keine rationelle Diskussion mehr möglich. Auch die emotionalen Überreaktionen wie die von Werner Engelmann machen die notwendige Auseinandersetzung nicht einfacher.
Hier wird etwas übersehen. Aus Opfern sind Täter geworden. Das ist neu in der Geschichte des israelischen Volkes. Es ist jetzt selbst in der Lage, Machtpolitik auszuüben und tut dies auch, indem es mehrheitlich Parteien wählt, die keine echte Verständigung mit den Palästinensern wollen. Wir haben die gleiche Debatte auch immer wieder in Deutschland gehabt. Wer ist zum Beispiel für die Austeritätspolitik gegenüber Griechenland verantwortlich? Nur Merkel und ihre Regierung, oder auch alle Wähler, die die Regierungsparteien gewählt haben? Das Volk ist der Souverän. Das ist Demokratie. Man muss also das israelische Volk dafür verantwortlich machen, dass seine Regierung in seinem Namen antisemitische Politik machen darf. Die Palästinenser sind schließlich auch ein semitisches Volk, also passt der Begriff Antisemitismus für die Politik des Staates Israel. Es ist wirklich pikant, dass derselbe Staat, der antisemitische Gewalt verübt, Kritik an sich mit dem Argument abzuwehren versucht, dass sie antisemitisch ist. Es ist nicht nur pikant, sondern lächerlich. Dahinter steckt Methode. Ich empfehle das Buch „Die Antisemitenmacher – Wie die neue Rechte Kritik an der Politik Israels verhindert“.
Ich halte es nicht für besonders zielführend, sich derart an dem Begriff „Antisemitismus“ festzubeißen. Wenn in Deutschland hier angesiedelte jüdische Personen oder Einrichtungen beschimpft oder angegriffen werden, kann man doch davon ausgehen, dass diese Aktionen antisemitisch, also judenfeindlich sind und sich weder gegen den Staat Israel im Allgemeinen noch gegen die derzeitige Politik Israels richten.
Ich dagegen kaue immer noch an Klaus Philipp Mertens‘ Satz: „Die vom Staat Israel betriebene gesellschaftliche Absonderung hingegen ist ein typisches Merkmal des in Deutschland, Europa oder den USA offen oder versteckt proklamierten Antisemitismus.“
Auch Stefan Briems Statement „Aus Opfern sind Täter geworden“ macht mir Kopfzerbrechen.
Diese Gleichsetzung der Behandlung, die Juden seit Jahrhunderten in Europa erfuhren, mit dem Konflikt, der seit der Gründung Israels zwischen Israelis und Arabern schwelt, halte ich für unangemessen.
Die Juden, die sich in Europa angesiedelt hatten, wurden ausgegrenzt, weil sie eine andere, der Mehrheit der Bewohner fremde Religion und Kultur pflegten und deshalb bestens als Sündenböcke für die verschiedensten Probleme, die in den verschiedenen Staaten auftraten, benutzt werden konnten. Sie waren den Einwohnern der Länder, in denen sie lebten, friedlich gesonnen, nicht wehrhaft und bedeuteten deshalb keine reale Gefahr. Dennoch wurden sie ausgegrenzt, verfolgt, getötet.
Nach der Eskalation dieser Verfolgung, der millionenfachen durchorganisierten Ermordung von Juden durch das deutsche Naziregime, wurde der Staat Israel gegründet, und zwar weniger als Heimstätte für Verfolgte im Allgemeinen, sondern für jüdische Verfolgte, weshalb dieser Staat auch seine spezifisch jüdische Ausprägung erhielt.
Das Problem war nur, dass diese Staatsgründung auf einem Territorium erfolgte, auf dem auch Araber siedelten, die infolge der neuen Staatsgründung freiwillig ihre Gebiete verließen, vertrieben wurden oder sich widerstrebend in den neuen jüdisch geprägten Staat eingliederen mussten. Der Verlust von Heimat und Identität führte zu Hass und Rachegefühlen sowohl bei den Vertriebenen als auch in den benachbarten arabischen Staaten. Das bedeutet, dass Israelis und Araber zu Feinden wurden, die sich bekriegten.
Der langen Rede kurzer Sinn: Israel hatte für sein Misstrauen Arabern gegenüber reale Gründe, denn auch die in ihrem Staat verbliebenen Araber identifizieren sich eher mit den Staatsfeinden, während der Antisemitismus in Europa nicht auf realen Gefährdungen für die Mehrheitsgesellschaften beruhte. Das heißt, dass, bezogen auf Europa, Täter und Opfer eindeutig zu identifizieren sind, während im Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern/Arabern beide zugleich Opfer und Täter sind und beide berechtigte Gründe haben, sich von den anderen abzugrenzen und sie zu bekämpfen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Diskriminierung von arabischen Israelis grundsätzlich gerechtfertigt wäre, aber angesichts der Tatsache, dass sie sich eher den Feinden Israels zugehörig fühlen, ist für mich verständlich, dass sie von den jüdischen Israelis mit Misstrauen beobachtet werden. Eine solche reale Gefahr bildete die jüdische Minderheit in Europa nie.
@JaM
Danke für die Informationen.
Ich wollte meine Wahrnehmung der vergangenen beiden Jahre auch nicht als Gegenüberstellung zum zweifellos wachsenden Antisemitismus verstanden wissen.
Vielleicht ist es besser ausgedrückt zu sagen, dass so einiges schmerzhaft ist in dieser Gesellschaft und so vieles nicht wirklich angegangen wird, oder unter Missachtung der Ursachen.
Manches beschämt mich auch zutiefst. Dazu gehört zuallererst der Umgang miteinander und das in vielen Bereichen.
Mit Umgang meine ich Hass, Ausgrenzung, Missachtung und Gleichgültigkeit, die sehr viele Menschen trifft. Welche Nation oder religiöse Zugehörigkeit auch immer.
@ Brigitte Ernst
Das Verhältnis der arabischen und der jüdischen Israelis ist weit komplexer und voller Widersprüche, was z.B. der „Israel Demokratie Index 2016“ zeigt (siehe https://www.israelnetz.com/gesellschaft-kultur/gesellschaft/2016/12/20/haelfte-der-israelischen-araber-sind-stolze-israelis/): Mehr als 55 Prozent der in Israel lebenden Araber bezeichnen sich als „stolze Israelis“. Ihre persönliche Lebenssituation sehen 61 Prozent der israelischen Araber als „gut oder sehr gut“ an, heißt es dort. Rund 86 Prozent der jüdischen Israelis sahen sich selbst als „stolze Staatsbürger“ und etwa 78 Prozent waren mit ihrer persönlichen Lebenssituation zufrieden. 76 Prozent der Araber gaben an, Israel habe nicht das Recht, sich als „jüdischen“ Staat zu definieren. Bei den jüdischen Israelis vertraten mehr als 52 Prozent die Meinung, wer Israel als Nationalstaat für das jüdische Volk ablehne, sollte sein Wahlrecht verlieren. Die klare Mehrheit der jüdischen Israelis (72 Prozent) ist dafür, dass Sicherheitsangelegenheiten und Belange des Friedens allein von der jüdischen Bevölkerung entschieden werden sollten. Ebenfalls mehr als die Hälfte (56 Prozent) sieht in der arabischen Bevölkerung des Landes kein Sicherheitsrisiko. 46 Prozent der Juden halten die arabische Bevölkerung für ein solches Risiko für den Staat. Rund 53 Prozent der Juden stimmten der Aussage zu, Araber würden, verglichen mir ihren jüdischen Mitbürgern, diskriminiert. Einen jüdischen Ehepartner kann sich nur etwa jeder fünfte Araber vorstellen. Bei den Juden ist es ebenfalls nur jeder fünfte, der einen arabischen Ehepartner akzeptieren würde. Anderen Beziehungen stehen beide Seiten offener gegenüber. So können sich 88 Prozent der Araber vorstellen, mit einem Juden befreundet zu sein. Umgekehrt haben 67 der Juden nichts gegen eine Freundschaft mit einem Araber. 82 Prozent der Juden können sich arabische Arbeitskollegen vorstellen, umgekehrt sind 96 Prozent der Araber für die Zusammenarbeit mit jüdischen Kollegen. 86 Prozent der Araber können sich Juden als Nachbarn vorstellen und 67 Prozent der Juden haben nichts gegen arabische Nachbarn.
Soviel zu der von Klaus Philipp Mertens behaupteten „Absonderung“.
Ein aktuelles Beispiel, wann Kritik an Israel zu Antisemitismus wird:
Die jüngsten Ausfälle des Türkischen Staatspräsidenten gegen Israel („Terrorstaat“, „Kindermörder“) sind sicher skandalös, an sich aber noch nicht antisemitisch. Sie fügen sich allerdings in eine eindeutig antisemitische Kampagne einiger türkischer Medien, die Erdogan billigt oder zumindest duldet. Darin werden jüdische Israelis mit „klassischen“ antisemitischen Stereotypen dargestellt und Bezüge auf antisemitische Pamphlete wie die „Protokolle der Weisen von Zion“ verwendet. Eines dieser Machwerke wird in dem von mir verlinkten Bericht der Expertenkommission Antisemitismus ausführlich behandelt.
Im Beitrag vom 9. Dezember 2017, 15:30 habe ich mich bemüht, auf methodischer und praktischer Ebene dem von Klaus Philipp Mertens (8. Dezember 2017, 19:36) formulierten Paradox, eines „versteckt proklamierten Antisemitismus“ an der „vom Staat Israel betriebenen“ politischen Praxis nachzugehen. Mir geht es dabei, wie Anna Hartl richtig feststellt, um „ein breiteres Verständnis der momentanen gesellschaftlichen Situation“ (10. Dezember 2017 um 9:27).
Abgesehen von Stefan Briems sehr allgemeiner Aussage „Aus Opfern sind Täter geworden“ sind hier darüber hinaus keine Aufschlüsse erfolgt.
Hier also einige notwendige Präzisierungen.
Im historisch-methodischen Teil verweise ich darauf, dass der „klassische“ Antisemitismus-Begriff durch tiefgreifende Ereignisse wie Holocaust und Gründung des Staates Israel eine deutliche Veränderung erfahren hat.
Der Bericht des Expertenkreises Antisemitismus des Bundestags (Drucksache 18/11970) trägt dem Rechnung, indem er diesem einen „israelbezogenen Antisemitismus“ gegenüberstellt. Ebenso mit dem Hinweis: „Eine allgemein gültige Definition von »Antisemitismus« existiert nicht.“ (S.23)
Auch wird die von mir geäußerte Vermutung bestätigt, dass die Verengung auf den Antisemitismus-Begriff (im Sinne von „Judenfeindschaft“) nicht zur Erfassung der komplexen Motivlagen ausreicht. So etwa, wenn gegenüber Muslimen bei 21% Abneigungen festgestellt werden, gegenüber Asylbewerbern sogar bei 29%, gegenüber Juden aber lediglich bei 5% (S.69).
Bezogen etwa auf muslimische Migranten wird dies auch inhaltlich deutlich: Beschimpfungen von Deutschen als „Nazis“ und Bespitzelung von Erdogan-Kritikern durch AKP-Anhänger sind mit Sicherheit nicht primär auf „Antisemitismus“ zurückzuführen, auch wenn solche Hassgefühle durch antisemitische Symbolik (im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung dreimal höher) zusätzlich erhärtet werden (in der Untersuchung der Expertengruppe eindeutig bestätigt, S.79-84). Ebenso wenig bedarf es angesichts täglicher Erfahrungen primärer antisemitischer Einstellungen zur Erklärung von Hassgefühlen von Palästinensern gegen Juden.
Aufschlussreich ist auch der Nachweis der Studie, dass sowohl „klassischer“ als auch „israelbezogener Antisemitismus“ bei AfD-Wählern (also bei Menschen mit nationalistischer bzw. autoritärer gesellschaftlicher Präferenz à la Trump) mit deutlichem Abstand am höchsten ist (S.77).
Ein methodisches Problem ergibt sich zusätzlich daraus, dass der Begriff „Antisemitismus“ eine Form der Gesinnung beschreibt, die nicht unmittelbar erfassbar ist, sondern erst aus Äußerungen in Wort oder Tat erschlossen werden muss. Eindeutig ist eine Interpretation also nur dann, wenn diese objektiv nachweisbar sind und zudem andere Deutungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden können.
Möglichkeiten des Missbrauchs und der Instrumentalisierung ergeben sich also bei fahrlässig oder auch gezielt schludrigem Umgang mit diesem abstrakten Begriff, etwa um Kritik an der Besatzungspolitik der israelischen Regierung zu verhindern.
Zum Problem des Missbrauchs („Antisemitismus“-Vorwurf):
Unbefriedigend bei dieser Studie bleibt, dass die Möglichkeit des Missbrauchs (Moshe Zuckermann: „Antisemit!“ Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument) ebenso wenig in den Blick kommt wie die Vergiftung der gesellschaftlichen Atmosphäre bei der Bezichtigung von Menschen, denen es vor allem um humanitäres Engagement geht.
Als Beispiel dafür habe ich auf die „Dokumentation“ „Auserwählt und ausgegrenzt“ verwiesen, in der dies besonders deutlich wird.
JaM behauptet (mit erkennbarer Absicht, „nachzuweisen“, ich „verleugne schlicht die Realität“, 9. Dezember 2017 um 22:52), in der Sendung bei Maischberger dazu „ging es überhaupt nicht darum, ob und wie Israel kritisiert werden kann“. In klarem Widerspruch dazu ist der Hauptvorwurf von WDR und ARTE gerade, dass unter dem Dach der Untersuchung von „Antisemitismus in Europa“ (dem eigentlichen Auftrag) unter dessen Missachtung Aktivitäten verschiedenster humanitärer Organisationen betr. Israel, Palästina oder Gaza (dem weitaus größten Teil der „Dokumentation“) oft unbewiesen unter diesen Vorwurf subsumiert werden. Darüber hinaus weist der Faktencheck von WDR und ARTE 29 teils massive Verletzungen journalistischer Grundregeln nach. (http://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/doku-faktencheck/doku-faktencheck-gesamt-100.html):
Hieraus einige der zahlreichen Fakten:
– Schon zu Beginn wird zum „Beweis“ ungebrochener antisemitischer Kontinuität der Bogen von „Voltaire, Hegel, Kant, Rousseau, Diderot, Moliere, Shakespeare, Heidegger“ bis „Goethe“ geschlagen.
Dazu WDR: „Die angerissene historische Entwicklung des Antisemitismus im Neuen Testament, in Schriften von Martin Luther, Molière, Richard Wagner und anderen lässt den jeweiligen historischen Kontext völlig außer Acht.“
– Behauptung: „Auf dem evangelischen Kirchentag widmen sich Dutzende NGOs notorisch dem Wohl der Palästinenser. Diese Nichtregierungsorganisationen sind getragen von Kirchen, Spenden – und vor allem von Ihrem Steuergeld. So zum Beispiel EAPPI, Pax Christi, Amnesty International, Oxfam, Medico, Fidh, World Vision und viele mehr.“
WDR: „Den angesprochenen Organisationen wurde von den Autoren keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese wurden erst durch den WDR eingeholt oder als Reaktion auf die Veröffentlichung auf Bild.de publiziert.“
– Erklärung von Pax Christi in einer Stellungnahme gegenüber dem WDR:
„In der Dokumentation (…) werden Aussagen zum Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) getroffen, die unwahr sind.“ („finanzielle Unterstützung von NGOs“)
– „Brot für die Welt“ und deren Förderung von „B’Tselem“, (nach Behauptung der Autoren) „eine israelische NGO, die Israel Apartheid und Nazi-Methoden vorwirft“:
Brot für die Welt: „Für Brot für die Welt endet jede Förderung, wenn das Existenzrecht Israels nicht anerkannt wird, zum Boykott von Waren aus Israel aufgerufen oder Antisemitismus geäußert wird. (…) B’Tselem protestiert darüber hinaus auch gegen Menschenrechtsverletzungen der Hamas.“
– Behauptung über Frankreich: „Seit 2008 wurden die jüdischen Inhaber massiv bedroht. 2011 entging das Bataclan nur knapp einem geplanten Anschlag.“
WDR: “ Es gibt keinerlei Belege dafür, dass der Anschlag auf das Bataclan im November 2015, zu dem sich der IS bekannt hat, antisemitisch motiviert war.“
Kommentar JaM: “ Dass man in Deutschland Israels Besatzungspolitik kritisieren kann, ohne sich dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen, kann sich jeder überzeugen, der die Medien verfolgt.“
In der Tat: Mit der „Leugnung der Realität“ ist es so eine Sache. Vor allem, wenn man sich nicht vorstellen kann oder will, was die Bezichtigung des „Antisemitismus“ für humanitäres Engagement bewirken kann. Wo doch offenbar so viele von der Engelmannschen Krankheit der „emotionalen Überreaktionen“ ergiffen sind. (10. Dezember 2017 um 12:58)
@ Werner Engelmann
Auch nach mehrmaligen Lesen kann ich aus Ihren „historisch-methodischen“ Ausführungen nur das Fazit ziehen, dass Sie Antisemitismus nicht als Antisemitismus wahrnehmen wollen. In Ihren Worten heißt es, dass „die Verengung auf den Antisemitismus-Begriff (im Sinne von ‚Judenfeindschaft‘) nicht zur Erfassung der komplexen Motivlagen ausreicht“. Damit leugnen Sie die Fakten, die in dem Bericht der unabhängigen Expertenkommission sehr differenziert dargestellt werden (nur darauf bezieht sich mein Satz, den Sie in Ihrer Replik im völlig anderen Zusammenhang bringen). Dass es keine allgemein gültige Definition von Antisemitismus gibt, widerlegt genauso wenig das soziale Phänomen des Antisemitismus, wie das Phänomen der Frauenfeindschaft dadurch in Frage gestellt wird, weil es auch hierfür keine allgemein gültige Definition gibt. Dass „der Begriff ‚Antisemitismus’ eine Form der Gesinnung beschreibt, die nicht unmittelbar erfassbar ist, sondern erst aus Äußerungen in Wort oder Tat erschlossen werden muss“, trifft genauso auf andere Formen der gruppenbezogenen Menschenverachtung. Wenn bei Anti-Israel-Demos „Tod den Juden“ gerufen wird oder Brandsätze gegen Synagogen geworfen werden, ist das aber klar als ein Ausdruck von Antisemitismus erkennbar.
Erkennbar gilt die ganze Gedankenakrobatik der Entlastung: Wenn der Begriff Antisemitismus schon fragwürdig ist, so muss auch jede Vorhaltung unberechtigt sein, Kritik an Israel könne die Grenze zum Antisemitismus überschreiten.
Auf der anderen Seite scheint Ihnen der Begriff des Antisemitismus klar genug zu sein, um Klaus Philipp Mertens dabei zu sekundieren, der „vom Staat Israel betriebenen“ politischen Praxis „versteckt proklamierten Antisemitismus“ zu attestieren. Ihre dafür aufgeführten „Argumente“ stimmen allerdings nicht. Keineswegs beanspruchten nach der Schoa die „Gründerväter des Staates Israel einen dauerhaften Opferstatus“, sondern handelten vielmehr nach der Maxime, „nie wieder wehrloses Opfer“ zu sein. Eine Weigerung, den Palästinensern den Opferstatus zuzugestehen, kann ich in der israelischen Politik, an der aus meiner Sicht vieles zu kritisieren ist, nicht erkennen. Vielmehr halten einige palästinensische Kritiker ihrer Führung vor, unproduktiv in der Opferrolle zu verharren. Die komplexe Konfliktsituation erklärt die These vom „versteckt proklamierten Antisemitismus“ überhaupt nicht – auch sie ist ein durchsichtiger Entlastungsversuch, sich einer ernsthaften Diskussion über den real existierenden israelbezogenen Antisemitismus zu entziehen, wie ihn meiner Meinung nach Roger Walters durchaus repräsentiert.
Noch einige Anmerkungen zu den Ausführungen von Werner Engelmann über die Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt“ und die Maischberger-Debatte dazu (der richtige Link zu der Debatte ist http://www.daserste.de/information/talk/maischberger/videos/israelhetze-und-judenhass-video-100.html). Ich habe mir die ersten 20 Minuten der Sendung, in denen der Historiker Michael Wolffsohn mit WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn spricht, gerade nochmals angesehen. Für die von Engelmann behauptete „zynischen Aggressivität etwa eines Herrn Wolfssohn, wie dieser sie in der denkwürdigen Maischberger-Sendung gegenüber WDR-Intendant Schönenborn vorexerzierte“, finde ich keinen Beleg. Zutreffend ist aber, was ich bereits früher geschrieben habe und Engelmann bestreitet: In dem Disput zwischen Schönenborn und Wolffsohn ging es überhaupt nicht darum, ob und wie Israel kritisiert werden kann, sondern darum, warum die Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt“ den Zuschauern vorenthalten wurde.
Über diese Dokumentation, die sich unter anderem mit israelbezogenen Antisemitismus beschäftigt, und die darin enthaltene Bewertungen kann man sicher streiten. Sie spitzt zu, verkürzt manche Zusammenhänge und ist von einem ironisch-polemischen Kommentar begleitet, was mich an die Machart der viel gelobten Dokumentationen von Michael Moore erinnert. Solche journalistische Parteinahme muss man nicht mögen, sie ist aber legitim. Die journalistischen Mängel, die die Dokumentation enthält, hätten sich sicher in klärenden Gesprächen zwischen Redaktion und den Produzenten beheben lassen. Dass dies aber unterblieben ist und die für Arte produzierte Dokumentation erst auf öffentlichen Druck vom WDR (und dann auch Arte) in einer „kommentierten“ Fassung gesendet wurde, halte ich nach wie vor für eine Fehlleistung.
Auch den „Faktencheck“ des WDR, auf den sich Engelmann bezieht, halte ich teilweise für zweifelhaft. Der vom WDR-Rechercheteam beanstandete Verweis auf Antisemitismus von „Voltaire, Hegel, Kant, Rousseau, Diderot, Moliere, Shakespeare, Heidegger“ ist durch Fakten belegt und auch ohne eine Einordnung in den „jeweiligen historischen Kontext“ zutreffend. Wenn in der Dokumentation in Bezug auf den IS-Anschlag auf das Bataclan im November 2015 erwähnt wird, dass „seit 2008 die jüdischen Inhaber massiv bedroht“ wurden und „2011 das Bataclan nur knapp einem geplanten Anschlag“ entging, dann sind es keine falschen Fakten, sondern die Autoren können sich durchaus auf Diskussion in französischen und internationalen Medien beziehen. Da liegen schon eher die WDR-Rechercheure daneben, wenn sie „keine Belege“ des IS für „antisemitische Motive“ bei der Auswahl ihrer Anschlagsziele sehen, obwohl in Paris nur wenige Monate davor ein jüdischer Supermarkt von einem IS-Terroristen überfallen wurde.
Ob die in der Dokumentation gegen einige NGO erhobene Vorwürfe einer einseitiger oder gar antisemitischen Kritik an Israel berechtigt sind, wäre einer Diskussion wert. Die Faktenchecker des WDR haben sich aber nicht der Mühe unterworfen, jeden Einzelfall zu recherchieren. Stattdessen bringt der Faktencheck ungeprüft die Stellungnahmen der Organisationen. So beklagt beispielsweise Ingrid Rumpf, Vorsitzende des Vereins „Flüchtlingskinder im Libanon“, die von ihr und dem Verein 2008 konzipierte Nakba-Ausstellung werde dem „diffamierenden Vorwurf des Antisemitismus“ ausgesetzt, ohne auf die Kritik an den gravierenden Fehler und Auslassungen der Ausstellung einzugehen. Beispielsweise wird über den palästinensischen Aufstand des Jahres 1927 berichtet, ohne in diesem Zusammenhang begangene Massaker von Hebron, die Ermordung von 67 Juden durch Teile der arabischen Bevölkerung und die Vertreibung der etwa 800 jüdischen Einwohner aus der Stadt, zu erwähnen.
Ich hatte bereits vor längerer Zeit in einem Leserbrief hingewiesen, dass eine Kritik an der Politik des Staates Israel nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden darf.
So hat z.B. auch der bekannte Diplomat Stéphane Hessel, der von jüdischer Abstammung ist, in seinem Werk „Empört Euch!“ das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen kritisiert und geschrieben: „Dass Juden Kriegsverbrechen begehen können, ist unerträglich.“
@ Peter Boettel
Die Äußerung von Stéphane Hessel: „Dass Juden Kriegsverbrechen begehen können, ist unerträglich“, halte ich für mehr als weltfremd. Geht Hessel davon aus, dass Juden bessere Menschen seien als andere? Unsere Spezies ist grundsätzlich zu allem fähig, vor allem, wenn sie die Macht dazu besitzt. Juden leben doch über die ganze Welt verstreut und sind z.B. seit Langem auch an maßgeblicher Stelle in die US-amerikanische Politik involviert. Da sind die entsprechenden Personen dann für die Kriegsverbrechen, die ihre Regierungen verüben, natürlich mit verantwortlich.
Obwohl der Artikel Abdel-Hakim Ourghis vom 15.12.2017 auf Seite 24 der FR schon einige Tage zurückliegt, findet er hier erstaunlicherweise keinen Eingang in die Diskussion (noch nicht?).
Dabei war dieser Artikel überfällig. Der Antisemitismus innerhalb der deutschen Gesellschaft ist latent und auch offen anzutreffen, ohne Zweifel. Über Qualität und Quantität setzt uns Frau Kahanne ja in ihren Kolumnen hinreichend in Kenntnis.
Die Diskussion hier dreht sich jetzt großenteils darum, zu definieren, was ist Israelkritik und was schon Antisemitismus. Durch die Existenz des Staates Israel ist eine auch politisch handelnde Macht entstanden, deren Handeln natürlich Kritik unterworfen sein darf.
Also liegt das „Problem“ auch in der Existenz des Staates Israel.
Entstanden durch Beschluss der UN-Vollversammlung, wurde das Land sofort nach seiner „Geburt“ von den arabischen Nachbarn mit einem Krieg überzogen, den diese nicht gewannen. Sie akzeptierten schon damals nicht die von den UN angedachten Zweistaatenlösung für Israel und Palästina.
Nun könnte man sogar argumentieren, dieser UN-Beschluss war falsch.
Bekanntermaßen unternahmen die arabischen Staaten 2 weitere Versuche, sich auf kriegerischem Wege des Problems Israel (ihr Problem) zu entledigen, mit bekannten Ergebnissen….
Nebenbei rufe ich das 1993 in Oslo ausgehandelte Abkommen zwischen Begin und Arafat in’s Gedächtnis zurück, das Arafat nach der Rückkehr nach Palästina auf Druck der Hamas wieder aufkündigen musste.
Nun muss ich etwas abschweifen und an das Gespräch erinnern, das Sigmar Gabriel jüngst in Berlin mit arabischen Jugendlichen führte – ebenfalls nachzulesen in der FR. Bedeutsam für mich ist die sinngemäße Äußerung Gabriels, dass seine Großmutter einst im Osten Deutschland lebte, in einer Stadt, die heute Kaliningrad heißt.
Es ist nicht schwer herauszulesen, was er mit diesem Satz auszudrücken gedachte..
Zurückkommend auf Abdel-Hakim Ourghi, steht wohl außer Frage, dass Deutschland durch die jüngste starke Zuwanderung von Muslimen ein gewaltiges Potential an kulturell bedingtem Antisemitismus hinzugewonnen hat, von dem die demokratischen Romantiker sich nichts haben träumen lassen (offensichtlich).
Was sind „demokratische Romantiker“, Herr Schmidt? Die Werte unserer Demokratie sind hart erkämpft. Viele Menschen sind in den Kämpfen gegen den Feudalismus gestorben, um diese Demokratie zu gewinnen. Es ist alles andere als „romantisch“, für den Satz einzustehen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. DES Menschen! Verstehen Sie das? Was soll „romantisch“ daran sein, zum Prinzip der Humanität zu stehen und Notleidenden zu helfen?
Lieber Herr Briem,
genau als solchen bezeichnete sich Stefan Hebel, einer der journalistischen Leuchttürme der FR in der jüngsten ARD-Sendung Presseclub.
Sein Engagement zu uneingeschränkter (von ihm humanitär begründeter) Zuwanderung ist wohl bekannt.
Auf Grund der inzwischen eingetretenen Risiken und Nebenwirkungen (eben auch aufgezeigt durch den Artikel des Insiders Ourghi), stehe ich dieser Politik sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber. Denn da bin ich der Meinung, man hätte das wohl voraussehen, zumindest einkalkulieren müssen.
Im Übrigen hätten Aussagen Ourghis – formuliert von einem „Biodeutschen“ – vor noch nicht allzulanger Zeit diesem den Vorwurf eingebracht, eine Gruppe pauschal zu verurteilen bzw. zu verunglimpfen, bis hin zum Vorwurf Rassist zu sein. Und glauben Sie mir, es wäre mir lieber, die AfD wäre nicht in den Bundestag eingezogen, bzw so gar nicht erst entstanden. Dies nur, um zu vermeiden in die Nähe dieser Partei gerückt zu werden….
@ Peter Boettel
Vielen Dank für Ihren Hinweis, „dass eine Kritik an der Politik des Staates Israel nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden darf“. Zwar bezweifelt niemand diese Aussage, sie steht so oder ähnlich in jeder Veröffentlichung zum israelbezogenen Antisemitismus und auch ich habe es schon mehrfach in diesem Blog geschrieben, aber gerne wiederhole ich es für Sie:
NICHT JEDE KRITIK AN DER POLITIK DES STAATES ISRAEL IST ANTISEMITISCH.
Genauso richtig ist aber, dass eine Aussage, die als Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert wird, antisemitisch sein kann. In der „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ der EUMC (European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) wird dazu ausgeführt:
„Beispiele von Antisemitismus im Zusammenhang mit dem Staat Israel und unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes können folgende Verhaltensformen einschließen, ohne auf diese beschränkt zu sein:
– Das Abstreiten des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
– Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird.
– Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
– Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik des Nationalsozialismus.
– Das Bestreben, alle Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen.
Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden.“
Trotz dieser Differenzierung wird vermutlich auch künftig von jeder inhaltlichen Auseinandersetzung mit israelbezogenen Antisemitismus, der zum Beispiel in der von Roger Walters unterstützten BDS-Bewegung zum Ausdruck kommt (der Anlass dieses Treads), mit der Frage „Darf man denn Israel nicht mehr kritisieren?“ torpediert (siehe Treadtitel). Die richtige Frage lautet inzwischen, ob man israelbezogenen Antisemitismus nicht mehr als solchen benennen darf.
Lieber Herr Briem,
da es auch ein Leben außerhalb des Blogs gibt, nahm ich zunächst nur einmal zu einem Teil Ihres Kommentars Stellung.
Ich frage mich, warum Sie sich genötigt sahen, mir eine Lektion in Sachen Demokratie, Würde des des Menschen, Humanität und Hilfe für Notleidende erteilen zu müssen.
Das war komplett unnötig.
Wenn wir uns über das Hinwegsetzen der Anerkennung der Würde des Menschen thematisch auseinandersetzen wollten, müssten wir uns auf ein anderes Diskussionsfeld begeben und uns aber gleichzeitig von der thematischen Überschrift dieses Threads entfernen. Denn die Würde des Menschen wird allzuhäufig in ganz anderen Bereichen missachtet, wenn nicht mit Füßen getreten.
@ Manfred Schmidt
Zuerst möchte ich auf die von Ihnen angesprochene Diskussion Sigmar Gabriels in Kreuzberg eingehen.
Dort äußerte er die Meinung, es sei nicht sinnvoll, in der Geschichte immer weiter zurückzugehen, um daraus irgendwelche Gebietsansprüche zu entwickeln. Und wörtliche ergänzte er: „Es hat auch jemand einmal entschieden, dass die Heimatstadt meiner Mutter nicht mehr Königsberg, sondern Kaliningrad heißt.“
Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Gebiet um Königsberg mit den Folgen der Staatsgründung Israels für die dort angesiedelten Palästinenser auf eine Stufe zu stellen, halte ich für unzulässig. Immerhin hatte die Mehrheit der deutschen Bevölkerung einen Expansions- und Vernichtungskrieg begonnen und somit die Neuordnung Osteuropas in erheblichem Maße mit verschuldet. Gabriels Mutter musste sich folglich nicht bei der UNO, sondern bei Gabriels Nazi-Vater und seinen Kumpanen für ihre Vertreibung aus Königsberg bedanken. Zudem wurde diese, so schrecklich die Flucht selbst auch war, abgefedert durch reichliche Ausgleichszahlungen an die Flüchtlinge und deren Integration in ein Land, das von den Westalliierten trotz dessen Alleinschuld an Krieg und Vernichtung von Zigmillionen von Menschen durch einen großzügigen Schuldenerlass und den Marshallplan unterstützt wurde.
Erhielt die palästinensische Bevölkerung, die schuldlos vom Territorium des neu gegründeten Staates Israel vertrieben wurde, eine ähnliche Unterstützung seitens ihrer Nachbarländer und der internationalen Staatengemeinschaft? Wohl kaum. Im Gegenteil: der palästinensischen Bevölkerung in den von Israel besetzten Gebieten wird bis heute ihre Lebensgrundlage durch neue jüdische Siedlungen zunehmend entzogen. Gabriels Vergleich hinkt also gewaltig.
Mit der Ansicht, man könne aus der Geschichte nicht unbegrenzte Gebietsansprüche ableiten, hat er natürlich recht, diese Weisheit richtet sich aber genauso an die orthodoxen Israelis, die aus der Bibel herleiten wollen, dass die besetzten Gebiete entgegen dem Beschluss der UNO rechtmäßiger Besitz Israels sei und dass die gesamte Stadt Jerusalem dessen Hauptstadt werden müsse.
Der im nahen Osten verbreitete Antisemitismus ebenso wie der Hass auf den Staat Israel wird nur dann zurückgehen wenn den Palästinensern mithilfe der internationalen Staatengemeinschaft eine zufriedenstellende Lebensperspektive geboten wird. Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind – und die USA und Israel selbst dazu keinen angemessenen Beitrag leisten – wird auch der Antisemitismus in den Arabischen Bevölkerungen nicht enden. Menschen neigen leider zu Verallgemeinerungen. Und ebenso wie Deutsche, die nach 1945 geboren wurden, noch heute als „Nazis“ beschimpft werden, wird der Zorn auf eine menschenfeindliche israelische Politik schwer von Antisemitismus zu trennen sein.
Zum Antisemitismus zugewanderter Muslime:
Es ist richtig, dass sich in Deutschland zu Beginn der muslimischen Arbeitsmigration niemand Gedanken darüber gemacht hat, ob und inwieweit die unter den Zuwanderern praktizierten Strömungen des Islam mit unserer Verfassung und unserem Rechtsstaat kollidierten. Unter den Türken überwogen ja damals auch die eher religiös aufgeklärten Kemalisten, während heute überall in der muslimischen Welt eine Rückbesinnung auf eher konservative religiöse Strömungen zu beobachten ist. Mittlerweile haben Zwangsehen, Ehrenmorde, Parallelgsellschaften und eben auch der zunehmende Antisemitismus in dieser Migrantengruppe und vor allem bei den neu zugezogenen Kriegs- und Armutsflüchtlingen auch bei den überzeugten Multikulti-Anhängern zu der Einsicht geführt, dass unserem Rechtsstaat von dieser Seite Gefahr droht und dass Handlungsbedarf besteht.
Die Frage ist nur, wie man reagieren kann, ohne nit dieser Reaktion wiederum den Rechtsstaat zu gefährden. Einfach keine Muslime mehr ins Land zu lassen, so wie es die Visegradstaaten praktizieren, widerspricht den Menschenrechten. Eine Gesinnungsprüfung vor dem Grenzübertritt wäre ebenfalls rechtlich fragwürdig und würde zu unklaren Ergebnissen führen. Aber wie der Islamwissenschaftler Ourghi darauf zu hoffen, dass sich der Islam von innen reformiert, erscheint angesichts der Anfeindungen, denen die Gründer*innen der Berliner Ibn-Rusd-Goethe-Moschee ausgesetzt ist, blauäugig.
Wir befinden uns da in einem kaum aufzulösenden Dilemma, und wer da glaubt, Patentrezepte zu haben, ist für mich unglaubwürdig.
Das kann ich Ihnen ganz einfach beantworten, Herr Schmidt: Weil es mich empört, dass Sie demokratische Ideale zu diskreditieren versucht haben, indem Sie diejenigen, die sie vertreten, als „Romantiker“ bezeichnen. Sagen Sie doch gleich „Gutmenschen“, denn das ist es doch, was Sie meinen.
Es gab schlicht keine andere Möglichkeit, als diese Flüchtlinge aufzunehmen. Das war das humanitäre Gebot der Stunde. Darüber ist auch hier viel geredet worden. Das Fazit daraus war für mich im Kern, dass die deutsche Demokratie in dieser schwierigen Lage das Richtige getan hat, dass aber anschließend vieles verpennt worden ist, weil die Kanzlerin ihrem „Wir schaffen das“ keine Taten folgen ließ. Das Versagen in der Flüchtlingspolitik sollten Sie also nicht „demokratischen Romantikern“ anlasten und damit alle meinen, die im Sinne der Humanität überzeugt davon waren, dass das Richtige getan wird, sondern Politikern, die nicht gehandelt haben.
So, und nun haben wir einen Haufen Leute aufgenommen, die mit manifestem Antisemitismus aufgewachsen sind. Das wird keine leichte Aufgabe, denen klar zu machen, dass Hass zu nichts führt. Aber das müssen wir nun stemmen. Ich glaube, dass es diesem verschnarchten Land gut tun wird, wenn die Menschen sich positionieren und für ihre Werte einstehen müssen. Ihre Klage, Herr Schmidt, ist mir daher allzu billig.
Ich achte Stephan Hebel sehr, aber wenn er wirklich einen solchen Mist gesagt hat wie das vom „demokratischen Romantiker“, dann zeigt das nur wieder mal, dass auch kluge Leute nicht sicher davor sind, Müll zu reden.
Was immer Sie zur Rechtfertigung der Aufnahme all dieser Menschen anführen, überzeugt mich nicht, Herr Briem.
Zur Ehrenrettung von Herrn Hebel (er hat’s bestimmt nicht nötig), möchte ich aber erklären, dass er diese „Selbsttypisierung“ bezogen auf die zukünftig zu bildende Regierungskoalition getroffen hat und sie hatte in diesem Falle Charme. Ich konnte es mir nicht verkneifen, diesen Begriff auch auf seine Einstellung zur Flüchtlingspolitik heranzuziehen. Ich denke auch nicht, dass man dieses als „Mist gesagt“ bezeichnen sollte, es würde mir jedenfalls nicht einfallen.
Unsere Regierungen haben nicht genügend getan nach dieser enormen Zuwanderungswelle, sagen Sie. Ich bezweifle dass man genügend tun kann, wenn nicht der Wille von beiden Seiten zur Integration vorhanden ist. Es gibt bestimmt auch positive Beispiele dafür, das weiß ich.
Aber wie kann es sein, dass, wie 2 Mal vergangene Woche in der FR über 2 Strafprozesse berichtet wurde, bei denen die mutmaßlichen Täter in beiden Fällen aus muslimischen Ländern kamen. Den strafrechtlichen Aspekt lasse ich außer Acht, auch Deutsche werden straffällig….
Was ich jedoch nur mit Kopfschütteln hinnehme ist die Tatsache, dass die Beteiligten jeweils seit Jahren in Deutschland leben, sich aber in keiner Weise auf Deutsch artikulieren können. In einem der beiden Fälle lebte der Angeklagte mit seiner Frau seit 1993 in Deutschland. Und darin liegen die Probleme, die detailliert aufzuzeigen ich mir verkneife. Und wenn diese nun hinzugekommenen Flüchtlinge/Migranten sich in ähnlicher Quantität der gleichen Gleichgültigkeit befleißigen, kann eine Regierung -bzw können Institutionen- Angebote zur Integration vorlegen so viel sie wollen, es wird misslingen, es sei denn, man schritte zu so etwas wie Zwangsverpflichtung.
Aber wie ist das dann mit der Würde des Menschen………?
…..aber ich verlasse wie gesagt das Thema und mehr wird von mir dazu nicht mehr zu sagen sein.
Ich werde niemals versuchen, Sie zu überzeugen, Herr Schmidt. Islamophobe Menschen kann man nicht überzeugen. Islamophobie ist gar nicht gar nicht groß was anderes als Antisemitismus, und dass man an die hiesigen Antisemiten nicht richtig rankommt, hat Bronski ja schon in seiner Einleitung geschrieben. Ich weiß schon, wann sich die Mühe nicht mehr lohnt. Habe genug Diskussionen dieser Art geführt. Manche Menschn wollen eben von dieser Mischung aus Angst und Hass, mit der sie sich gemütlich eingerichtet haben, nicht mehr lassen.
@Frau Ernst,
nun also doch noch mal…
Sie haben Gabriels Zitat wörtlich, ich führte nur seine sinngemäße Äußerung an.
Ich vergleiche nicht die Vertreibung der Deutschen Ostflüchtlinge mit der Staatsgründung Israels, dass Sie das so interpretieren erstaunt mich.
Ich stelle lediglich den Krieg, den Deutschland begann und verlor der Tatsache gegenüber, dass Israel, entstanden und legitimiert durch die UN ebenfalls Kriege, letztendlich 3, zu führen hatte und alle 3 nicht begann.
Die Minimierung des ehemals deutschen Staatsgebiets aufgrund des begonnenen Krieges ist inzwischen auch in Deutschland seit vielen vielen Jahren akzeptiert und der außergewöhnlichen Leistung der sozialliberalen Regierung Brandt zuzuschreiben – man verzichtete auf eine Poltik des Alles oder Nichts, aller Anfeindungen u.a. seitens der Union zum Trotz.
Diese 2 geschichtliche Faktoren stellte ich nebeneinander und schloss aus dem Zitat von Gabriel, dass er damit in ähnliche Richtung denkt.
Vor Allem, dass es wie gesagt schon 1993 ein ursprünglich akzeptables und sogar akzeptiertes Übereinkommen zu einer Zweistaatenlösung gab. Dass es nicht umgesetzt wurde, ist eben dieser Einstellung des Alles oder Nichts zu verdanken.
Und nur in diesen Zusammenhang stelle ich das, was Gabriel m.E. mit seiner Aussage in Berlin-Kreuzberg zum Ausdruck bringen wollte.
@Stefan Briem,
also nun hier doch noch ein letztes Wort:
Ich habe keine Angst vor dem Islam!
Ich finde aber verschiedene seiner Erscheinungsformen nicht mit westlichen Gesellschaften kompatibel.
Die Muslime, die das zu verstehen und zu akzeptieren imstande sind, sind mir willkommen.
Ich hasse keine Muslime.
„Und Islamophobie ist gar nicht so groß was anderes wie Antisemitismus“ ist genau so richtig wie „ein Rechteck ist gar nicht so groß was anderes wie ein Kreis“
Mein Fazit, wenn nichts mehr hilft ist immer noch das eine oder andere Totschlagsargument zu etwas nütze.
@ Stefan Briem
Sie sollten vorsichtig sein mit der Islamophobie-Keule. Wenn sich selbst aufgeklärte Muslime bzw. aus diesem Kulturkreis stammende Menschen (Necla Kelek, Hamed Abdel-Samad, Abdel-Hakim Ourghi etc.) kritisch zum heute in Deutschland verbreiteten Islam äußern, sollte man das nicht so einfach abtun. Wie Sie gemerkt haben, bewege ich mich durchaus auf dem Boden des Grundgesetzes, trotzdem bereitet es mir Bauchschmerzen, dass doch eine Menge der neuen Zuwanderer eine tiefe Ablehnung gegen unsere demokratischen Grundsätze mitbringen. Da geht es nicht allein um Antisemitismus, sondern auch um die Negierung von Frauenrechten, die sich meine Generation mühsam erkämpft hat. Freuen kann ich mich nicht über solche Zuwanderer, und ich stehe ihnen durchaus misstrauisch gegenüber. Trotzdem – oder gerade deswegen – bin ich für die Einhaltung unserer Menschenrechte – die allerdings auch von den Zuwanderern respektiert werden müssen.
Was haben Sie übrigens gegen die Romantik? Ich kenne sie als Literaturepoche, die durchaus kluge und kritische Köpfe hervorgebracht hat.
Es geht hier doch um Rassismus in Gestalt von Antisemitismus. Habe ich das richtig verstanden? Also. Rassismus ist immer Scheiße, weil ganzen Völkern Etiketten angeklebt werden, ohne die einzelnen Menschen zu sehen. Genau das haben Sie, Herr Schmidt, mit den Muslimen gemacht, als Sie geschrieben haben:
„Dabei war dieser Artikel überfällig.“
Ich füge hier mal den Link ein:
http://www.fr.de/kultur/antisemitismus-muslime-werden-dazu-erzogen-juden-zu-hassen-a-1408164
Dieser Artikel war ganz großer Mist, um das mal ganz offen zu sagen. Es gibt verschiedene Koranpassagen (3, 113-114 oder 5:69, um nur zwei zu nennen), die Ourghi aber nicht anführt, vermutlich weil sie nicht in seine Argumentation passen. Der Artikel ist sehr einseitig. Das einzige, was daran vielleicht gut ist, ist in meinen Augen, dass er vielleicht innerhalb des Islam eine Diskussion über Antisemitismus anstoßen kann. Das glaube ich aber nicht, weil die Leute, die das betrifft, ihn ganz sicher nicht lesen. Aber Ihnen hat’s gefallen, Herr Schmidt, und zwar weil der Artikel das bestätigt hat, was Sie schon über den Islam zu wissen glauben. Und das ist mindestens eine rassistische Haltung, wenn nicht islamophob. Und damit gibt es mindestens eine Verwandtschaft in der Geisteshaltung mit dem Antisemitismus, ob Sie das nun quadratisch oder rund nennen wollen.
An Frau Ernst:
Wir reden hier über verschiedene Dinge. Sie sollten nicht alles zusammenwerfen. Ich hänge mich an Herrn Schmidts klar erkennbarer Anti-Haltung auf und Sie sich an verschiedenen Problemen, die die Flüchtlinge mit sich selbst nach Deutschland exportiert haben. Diese Probleme sind real. Wenn wir genug darüber geklagt haben, dass diese Menschen eine andere Geschichte haben als wir, fangen wir vielleicht irgendwann mal damit an, ihnen unsere Geschichte zu erzählen, damit Sie anfangen nachzudenken und sich selbst zu hinterfragen. Und wir uns vielleicht auch ein bisschen in unserer Selbstzufriedenheit.
@ Stefan Briem
Den Artikel von Abdel-Hakim Ourghi empfinde ich keineswegs als „Mist“. Er beschreibt (dem Umfang des Beitrags entsprechend komprimiert) die Realität, mit der sich meiner Erfahrung nach immer mehr (auch durchaus „traditionelle“) Muslime kritisch auseinandersetzen. Argumente gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen aus muslimischen Ländern finde ich darin nicht, aber durchaus Anregungen, worauf bei deren Integration geachtet werden muss. Respekt vor der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die nicht mit Frauen-, Schwulen- und Judenverachtung vereinbar ist, müssen wir einfordern, und zwar nicht nur von den Flüchtlingen, sondern auch von den früher Zugewanderten und ihren schon in Deutschland geborenen Nachkommen. Hier gibt es einigen Nachholbedarf.
Nun Herr Briem, da Sie jetzt wissen was Rassismus ist, Scheiße und auch großer Mist, wer den Völkern Etiketten anklebt und was mir gefällt, wie man beim Bezug von Rechteck und Kreis die Kurve zu quadratisch rund hinbekommt, kann ich Sie ab nun sicherlich alleine lassen.
Hallo Frau Ernst,
ich möchte zu Ihrem Kommentar von 19/12/2017, 17.00h etwas anmerken.
Ich stimme Ihnen zu, die Siedlungspolitik Israels im Westjordanland ist sehr kritisch zu sehen. Aber die Besetzung dieses Gebiets wie auch die der Golanhöhen sind das Ergebnis von Kriegen, die Israel nicht begonnen hat.
Deshalb stellte ich den Bezug von Königsberg/Kaliningrad/Sigmar Gabriels Ausspruch her. Denn deutsche Politik ermöglichte rund 25 Jahre nach dem Ende des Krieges auf Grund des Verzichts auf eine Alles oder Nichts – Haltung eine europäische Neuordnung in Frieden.
Aufgrund der Situation im Nahen Osten, bedingt durch die Existenz des Staates Israel, halte ich es deshalb auch für möglich, die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der UN Vollversammlung zu stellen, Sie können es in meinem Kommentar lesen. Natürlich tut das niemand, die UN sind sakrosankt und somit ist das Existenzrecht Israels zementiert.
Um die dann entstandene Plästinafrage zu lösen, wurde viele Jahre gerungen und 1993 -ich erwähne es halt nochmals- kam das Oslo-Abkommen zustande. Ergebnis bekannt.
Nun zu dem Fehlen eines „Marshall-Plans“ das Sie beklagen:
UN-Organisationen und die EU pumpen seit langer langer Zeit Milliarden Dollars und Euros in die Gebiete Westjordanland und Gaza, -die Stichwörter dazu eingeben und Google liefert Ihnen jede Information-. Dort wird Ihnen aber auch vor Augen geführt, dass dieses Geld größtenteils in dunklen Kanälen versickert, aber nahezu nie dazu dient, die Situation der dort Lebenden zu verbessern. Der EU-Rechnungshof klagte diese Tatsache schon mehrfach an. Auch dass von den Empfängern nahezu immer abgelehnt wird, einen Bericht über die Verwendung des Geldes zu liefern.
@ Brigitte Ernst (19. Dezember 2017 um 17:00)
„Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Gebiet um Königsberg mit den Folgen der Staatsgründung Israels für die dort angesiedelten Palästinenser auf eine Stufe zu stellen, halte ich für unzulässig.“
Zu vergleichen bedeutet nicht „auf eine Stufe“ zu stellen. Trotz aller Unterschiede gibt es durchaus Vergleichbares, denn auch die Flucht und Vertreibung der Palästinenser sind die Folge eines Angriffskrieges, den die arabischen Staaten und die palästinensischen Milizen gegen den gerade gegründeten Staat Israel vom Zaun gebrochen haben. Weder die Balfour-Deklaration von 1817 noch der Teilungsbeschluss der UNO von 1947 stellten die Rechte der Palästinenser (auch wenn es diesen Begriff damals noch nicht gab) in der „jüdischen Heimstätte“ in Frage. Die beiden Staaten im geteilten Palästina (von denen nur der jüdische gegründet wurde) sollten die Rechte der jeweils anderen Minderheit wahren. In der Unabhängigkeitserklärung Israels vom 14. Mai 1948 heißt es:
„Der Staat Israel wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil offenstehen. Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben. (…) Wir wenden uns – selbst inmitten mörderischer Angriffe, denen wir seit Monaten ausgesetzt sind – an die in Israel lebenden Araber mit dem Aufrufe, den Frieden zu wahren und sich aufgrund voller bürgerlicher Gleichberechtigung und entsprechender Vertretung in allen provisorischen und permanenten Organen des Staates an seinem Aufbau zu beteiligen.“
Der der Staatsgründung folgende Krieg, innerhalb dessen es auch zu Massakern jüdischer Terrorgruppen an arabischer Bevölkerung und zu Vertreibungen durch Israels Armee (deren Umfang und systematischer Charakter in der historischen Forschung umstritten sind), führte zur Flucht von ca. 750.000 Menschen, darunter auch aller Juden aus den von Jordanien und Ägypten besetzten Gebieten (einschließlich der Altstadt von Jerusalem), wobei eine arabische Minderheit in Israel verblieb, die heute (ohne die besetzten Gebiete) rund 20 % der Staatsbürger Israels ausmacht. Vergessen wird aber eine weitere Folge: die nachfolgende Flucht und Vertreibung von etwa 800.000 Juden aus arabischen und muslimischen Ländern.
Worauf Manfred Schmidt in seinem Vergleich abzielt, sind die Unterschiede in der Behandlung der Flüchtlinge: Während die deutschen Flüchtlinge (in einem durchaus schmerzhaften Prozess) in Deutschland letztlich erfolgreich integriert wurden, wurden den palästinensischen Flüchtlingen in den arabischen Ländern und auch in den von Jordanien (Jerusalem und Westjordanland) und Ägypten (Gaza) annektierten Gebieten Bürgerrechte und Staatsbürgerschaft verwehrt; sie wurden weitgehend in Flüchtlingslager eingesperrt, für deren Verwaltung und Versorgung bis heute eine UN-Flüchtlingsorganisation sorgt. So wird das „Flüchtlingsproblem“ aufrecht erhalten und als Waffe gegen Israel eingesetzt.
Die generalisierende Aussage, dass „der palästinensischen Bevölkerung in den von Israel besetzten Gebieten bis heute ihre Lebensgrundlage durch neue jüdische Siedlungen zunehmend entzogen“ wird, entspricht nicht der deutlich differenzierteren Realität. Diese Palästinenser sind keine Flüchtlinge mehr, sondern Bürger eines unter Autonomieverwaltung stehenden staatrechtlichen Gebildes, das man auch als „Staat im Wartestand“ nennen könnte. Sie leiden sicher unter der israelischen Besatzung und der Siedlungspolitik, genauso wie unter der Ineffizienz und Korruption der Autonomieverwaltung (und in Gaza noch unter der Religionsdiktatur der Hamas). Trotzdem verfügen sie über ein seit 1967 deutlich ausgebautes Bildungs- und Gesundheitssystem, was statistische Zahlen (wie z.B. die Zahl von Bildungsabschlüssen oder von verfügbaren Studienplätzen an Universitäten, die Lebenserwartung, die Säuglingssterblichkeit oder auch die Menge an pro Kopf verfügbarem Wasser) belegen, die über den entsprechenden Kennzahlen in den meisten arabischen Ländern liegen – womit ich die bestehenden Mängel nicht gering reden will. Auch die wirtschaftliche Situation der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland hat sich (trotz der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit) in den letzten Jahren deutlich verbessert (was eines der Gründe ist, warum die Jerusalem-Entscheidung von Trump keine neue Intifada ausgelöst hat).
Hallo JaM,
das sind sehr aufschlussreiche Details die sie in Ihrem Kommentar zusammen- und vorgestellt haben. Diese sollten doch so manchen Standpunkt im Verhältnis der Israelis und Palästinenser, was Schuldzuweisungen betrifft, relativieren.
Auch eine abnehmende Bereitschaft der Palästinenser, eine weitere Intifada vom Zaun zu brechen, ist zu registrieren.
Vielen von ihnen scheint inzwischen klar geworden zu sein, dass sie von den sie Regierenden -allen voran die Hamas- nur instrumentalisiert worden sind.
Ebenfalls klingt in entsprechenden Interviews verstärkt an, dass die Menschen Kanntnis über die Dimensionen des Geldes haben, mit dem palästinensische Verwaltungsorgane ausgestattet wurden.
Und dass es nicht investiert wurde um ihr Leben zu verbessern, wird Ihnen ebenfalls immer klarer.
Zu ergänzen wäre noch, dass es vor allem Palästinenser aus dem dicht besiedelten Gazastreifen sind, die sich in diesem Sinne bereits äußerten.
@ JaM
Sie schreiben: „Die Palästinenser sind keine Flüchtlinge mehr, sondern Bürger eines unter Autonomieverwaltung stehenden Gebildes, das man als „Staat im Wartestand“ bezeichnen könnte. Sie leiden sicherlich unter der Besatzung und Siedlungspolitik, …“
Das haben sie sehr großzügig im Sinne einer anscheinend passablen Lebenssituation der Palästineneser beschrieben, die summa summarum (inkl. Versorgung, Bildung und Wirtschaft) als eine der Gründe für eine nicht zu erwartende 3. Intifada sei – nach Trumps Jerusalem-Verkündigung.
Die Deutungen sind wohl nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man mal für Momente versucht, die Zukunft zu lesen.
Aber ich sehe vor allem, dass die Palästinenser (insbesondere die jungen)inzwischen auch den Mut und den Glauben verloren haben an einen eigenen Staat und es hat sich auch eine gewisse Resignation breit gemacht. Die Akteure des Widerstandes glauben wohl nicht mehr an die Führungskraft der Fatah. Da scheint eine Orientierung und Zukunftsvision verloren zu gehen.
Zum Flickenteppich der Westbank ist alles gesagt. Aber wie sieht es inzwischen im Gaza-Streifen aus? Im Osten Jerusalem wachsen weiter die israelichen Siedlungen.
Die Ankündigung von US-Präsident Trump birgt weiterhin großen Zündstoff. Eine wirkliche Lösung für die alten und neuen Konflikte sehe ich nicht. Schon mal gar nicht unter Netanjahus Führerschaft (Mission impossilbe): Da ist kein Staat im Wartestand!
Aktuell: „Heute Tag des Zorns“, ausgerufen von Palästinserpräsident Abbas. Unruhen u.a. in Westjordanland und Bethlehem!
Wir sehen, es gibt keinen Grund nicht an weitere Eskalationen zu denken.
@ Manfred Schmidt, 20. Dezember 2017 um 11:00
„UN-Organisationen und die EU pumpen seit langer langer Zeit Milliarden Dollars und Euros in die Gebiete Westjordanland und Gaza (…) Dort wird Ihnen aber auch vor Augen geführt, dass dieses Geld größtenteils in dunklen Kanälen versickert.“
Das wundert mich nun doch sehr. Von der EU wird die Verwendung von Geldern sorgfältig kontrolliert. Ich kenne persönlich zwei Inspektoren der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg, die zu diesem Zweck regelmäßig unterwegs waren, einer in ehemals osteuropäischen Ländern, einer in Afrika. Davon, dass in Palästina oder Gaza eine etwa im Vergleich zu Afrika deutlich höhere Zweckentfremdung der Gelder stattfinden würde, war bei unseren Gesprächen nie die Rede. Mir scheint da doch auch eine ideologisch gefärbte Deutung mit zu schwingen.
Ähnliches wäre auf Ihren Hinweis auf zwei Strafprozesse anzumerken, „bei denen die mutmaßlichen Täter in beiden Fällen aus muslimischen Ländern kamen“, als „Beleg“ für die Behauptung, dass bei „Zuwanderern“ „nicht der Wille (…) zur Integration vorhanden“ sei. (19. Dezember 2017 um 17:54) –
Kann man denn noch extremer verallgemeinern?
@ JaM
Sie verfügen mit Sicherheit über ein größeres Wissen über die Entsteheung und die Ursachen des israelisch-palästinensischen Konflikts.
Dennoch fällt mir auf, dass Sie bei Ihrer Darstellung vom 20. Dezember, 11:09, nicht erwähnen, dass es im Vorfeld der Gründung Israels bereits kriegerische Aktivitäten zwischen eingewanderten Zionisten und auf palästinensischem Gebiet seit Jahrhunderten siedelnden Arabern gab. Denn nicht nur die Juden, sondern auch die Araber wollten dort einen eigenen Staat gründen. Nur erfuhr die Partei des zukünftigen Israel mehr internationale Hilfe und Solidarität, war militärisch überlegen und verfolgte ihre Ziele sogar mithilfe terroristischer Anschläge. Dass die unterlegenen Palästinenser die Einwanderung der Juden als Landnahme und die Staatsgründung als Unrecht empfanden, kann man deshalb nachempfinden. Die Kriege gegen Insrael nach der Staatsgründung waren eine Reaktion auf das subjektiv erlittene Unrecht
Man muss die Problematik eben von zwei Seiten betrachten.
Hallo Herr Engelmann,
natürlich weiß ich, dass man nur eine eingeschränkte Befürwortung meinerseits zu muslimischer Zuwanderung aus meinen Stellungnahmen herauslesen kann. Ich versichere Ihnen aber, ich bin für die offene Gesellschaft, lebe selbst in einer internationalen community, fürchte aber, dass sie so wie sich viele Muslime durch ihre Eigenarten präsentieren -wie diese auch immer begründet werden können-, in den europäischen Gesellschaften nicht zu realisieren ist.
Der Grund ist meiner Meinung nach u.a. sozialisierungsbedingt und liegt auch in der Tatsache begründet, dass Europa weitgehend aus säkularisierten Nationen besteht, Muslime in ihrer (bedingungslosen) Buchgläubigkeit eben aus darin liegenden Gründen eine Lebensweise und auch Ansichten präsentieren, die mit den europäischen in mannigfaltiger Weise kollidieren. Eine Annahme, zu der ich mich ich aus diversen Gründen veranlasst sehe.
Ausnahmen gibt es natürlich und ich kritisierte Menschen nicht per sé, nur weil sie Muslime sind.
Befremdent ist für mich aber nun mal, dass Karl Westergaard noch immer einen 24/7 – Personenschutz braucht, die Fetwa für Salman Rushdy weiter besteht, 27 % der im Vereinigten Königreich lebenden Muslime bei einer Befragung die Charly Hebdo Attentate befürworteten bzw. Verständnis dafür aufbrachten (das soll mal reichen).
Nun zu Ihren Punkten die Sie an meiner Argumentation kritisch beurteilen:
Wenn in dem entsprechenden FR-Artikel von einem 1993 aus Bangladesh immigrierten Ehepaar berichtet wird, das sich nicht in Deutsch artikulieren kann, dann stelle ich dessen Integrationsbereitschaft in Frage. Das Gleiche gilt für den zweiten Fall, wobei die Zeit die diese Menschen in Deutschland leben allerdings geringer ist. Meines Erachtens aber lange genug, um entsprechende Sprachkenntnisse zu erwerben.
Warum ich dies kritisiere, liegt auch in der Tatsache begründet, dass ich selbst in meinem Leben 3 Fremdsprachen gelernt habe, die letzte noch im Ruhestandsalter. Dies wäre nicht unbedingt erforderlich gewesen, mein Englisch hätte ausgereicht. Aber der Respekt vor den Menschen in deren Land ich lebe, gebot es mir, deren Sprache zu erlernen.
Nun zum Punkt der Finanzhilfen für die Palästinenser, hier gebe ich Ihnen eine vorläufige Stellungnahme. Meine Aussage diesen Punkt betreffend, begründe ich mit entsprechenden Internetseiten, wo genau dies so formuliert wurde.
Ich stelle Ihnen gerne die Links zur Verfügung, ich kümmere mich darum.
Hallo Herr Engelmann,
hier wie angekündigt der Link aus dem Internet über die Palästina-Finanzhilfen.
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/14/teure-illusion-eu-versenkt-milliarden-in-gaza-und-im-westjordanland/
Ich nehme den Bericht so, wie darin berichtet wird.
Vielleicht gibt es jemand, der diesen als unseriös erkennt und dessen Tendenz durch entsprechende Fakten widerlegen kann….
Darüber hinaus gibt es natürlich diesbezüglich jede Menge weitere Informationen im Netz.
Eine komplexe Diskussion wird hier gefűhrt mit interessanten Argumenten. Die Links werde ich mir anschsuen sowie das neue Buch von dem vin mir sehr geschätzten Moshe Zimmermann.
Was sagen eigentlich die Diskutanten zu dem von Aneta Kahane, Thomas de Maiziere geforderten Antisemitismusbeauftragten? Meine Meinung dazu: Es sollte eine*Beauftragte für „gruppenbezogene Menschrnfeindlichkeit “ geben -űbrigens auch mit schsrfem Blick auf Polizei, Behőrdenmitarbeiter und Gerichtsbarkeit ( siehe “ kleiner Holocaust in Limburg.
Außerdem sollte dss Thema politische Bildung sehr weit in den Vordergrund gerűckt werden inkl Stundenkontingenten und fundierter Fortbildung für Lehrer.
@ Brigitte Ernst
Sie halten mir vor, ich habe „nicht erwähnen, dass es im Vorfeld der Gründung Israels bereits kriegerische Aktivitäten zwischen eingewanderten Zionisten und auf palästinensischem Gebiet seit Jahrhunderten siedelnden Arabern gab“. Ich weiß nicht genau, auf was Sie sich dabei beziehen. Auf die z.T. gewalttätigen Auseinandersetzungen (die man allerdings kaum als „kriegerischen Aktivitäten“ bezeichnen kann), vor allem während der „Araberaufstände“ von 1920/21, 1929 und 1937, bei denen vor allem Juden die Opfer waren. So wurden 1937 bei einem Pogrom in Hebron 67 Juden umgebracht und die dort seit Jahrhunderten ansässige jüdische Bevölkerung (ca. 800 Personen) vertrieben. Oder beziehen Sie sich auf die nach dem Teilungsbeschluss begonnenen Angriffe der arabischen Milizen auf die den Juden zugesprochenen Gebiete, die in der von mir zitierten Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel vom 14. Mai 1948 als „mörderische Angriffe, denen wir seit Monaten ausgesetzt sind“ erwähnt werden? Erst im Zuge dieser Auseinandersetzungen vor allem in der Umgebung Jerusalems kam es auch zu Angriffen jüdischer Terrorgruppen auf Araber und zu Vertreibungen auf beiden Seiten. Die Gründung eines weiteren arabischen Staates im britischen Mandatsgebiet Palästinas (das so genannte Transjordanien, das heutige Königreich Jordanien, wurde schon 1923 den Arabern zugesprochen) war im UN-Teilungsplan vorgesehen, den die jüdische Seite anerkannt hat, der aber von den Arabern abgelehnt wurde, weil sie Anspruch auf ganz Palästina (also auch die mehrheitlich von Juden besiedelten Gebiete) erhoben haben.
Aus welcher Quelle stammt Ihre Behauptung „die Partei des zukünftigen Israel erfuhr mehr internationale Hilfe und Solidarität und war militärisch überlegen“? Genau das Gegenteil ist richtig: Die im Untergrund aufgebauten jüdischen Verteidigungskräfte (Hagana) waren zahlenmäßig und von der Bewaffnung her den arabischen Armeen weit unterlegen. Außerdem verhängten die UN nach dem Kriegsausbruch ein Waffenembargo über das künftige Israel. Ohne Waffen aus der Tschechoslowakei (die bereits von Kommunisten regiert wurde, also mit Stalins Billigung) hätte sich Israel nicht behaupten können – unter hohen Opfern (5.700 bis 5.800 Kriegstoten, davon ca. 25 % Zivilisten, insgesamt 1 % der jüdischen Bevölkerung Israels).
Dass Sie die Fakten nicht kennen, überrascht mich nicht. So ist eben die deutsche Diskussion über Israel größtenteils: faktenarm und meinungsstark. Dass Sie aber einen Angriffskrieg rechtfertigen („Die Kriege gegen Israel nach der Staatsgründung waren eine Reaktion auf das subjektiv erlittene Unrecht“), verwundert mich schon.
@ Barbara Eilers
Von einem Beauftragten für Antisemitismus halte ich nicht viel. Das ist wieder so eine typische Reaktion von jmd., der Probleme institutionell auslagern oder Beruhigungsspritzen anbieten will: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis.“
Das Thema „Gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit“ (W. Heitmeyer) hat Hand und Fuß und sollte wirklich Grundstock einer langfristigen Auseindersetzung sein. Mit der Beeinrufung einer/s Beauftragten tue ich mich allerdings schwer. Delegation in allen Ehren.
@ JaM
Wenn ich nachvollziehen kann, dass sich die Araber subjektiv seit Beginn der zionistischen Einwanderung auf ihrem früheren Siedlungsgebiet bedrängt und durch die Gründung Israels übervorteilt fühlten, rechtfertige ich noch lange keinen Angriffskrieg. Ich versuche lediglich klarzumachen, dass sich die Ereignisse, die zur Gründung des States Israel führten, aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten lassen. Wollen Sie denn ernsthaft behaupten, dass während der Auseinandersetzungen zwischen zionistischen Einwanderern, Arabern und britischen Mandatsträgern erstere reine Friedensengel waren? Leugnen Sie denn die kriegerischen und terroristischen Aktionen der jüdischen Milizen und Untergrundorganisationen lange vor der Staatsgründung Israels? Waren Ihrer Meinung nach die zahlreichen terroristischen Anschläge, die die Irgun unter Menachem Begin und andere Untergrundorganisationen verübten, zu rechtfertigen. Oder hat es die gar nicht gegeben?
Auch über die Einschätzung von Flucht und Vertreibung von Paläsinensern aus dem neu gegründeten Israel sind sich die Historiker bis heute nicht einig, es scheint mir aber so, als wüssten Sie genau, dass Israel keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen sei.
@Jűrgen Malyssek: genauso kam mir dieser Vorschlag von Frau Kahane u.a. auch vor: mal wieder eine vordergründige Aktion, wenn man schon nicht -wie sonst gern -ein hektisch durchgeboxtes Gesetz machen kann. Politische Bildung in jeder Form – ob Schule, Medien, Főrderung der Institutionen für politische Bildung, in den Moscheen und Jugendzentren, nah dran an den Bűrgern -dass ist teuer und kostet Zeit. Und die Őffentlichen sollten mal 90% ihrer grässlichen Talkshows streichen -die auch oft der Polarisierung und der sinnfreien Zahlenhuberei dienen -und statt dessen ihrem Auftrag gerecht werden, zuverlässig und vollständig aufzuklären. Ich wűnsche mir das – ist ja bald Weihnachten.
Hier in diesem Blog wűrde ich mir mehr Lősungsorientierung wűnschen anstelle der detaillierten Geschichtsaufarbeitung – denn DIE Wahrheit gibt es nicht. Jede Seite hat ihte eigene Geschichtsschreibung.
@ Barbara Eilers
Lösung wäre eine feine Sache. Es geht, wie so oft, um eine Bewußtseinsveränderung – ein steiniger Weg.
Sie haben natürlich recht am Beispiel der „grässlichen“ Talkshows, die die Themen eher aufheizen denn Wirklichkeitsnähe herstellen.
Ja, und dann diese „Zahlenhuberei“ – furchtbar!
Hannah Arendt hat mich immer beeindruckt:
„Das Höchste, was man erreichen kann, ist zu wissen und auszuhalten, das es so und nicht anders gewesen ist, und zu sehen und abzuwarten, was sich daraus ergibt.“
Was ich sehr begrüßen würde, wäre mehr Zeit und Gewicht für Konflikt- und Gewaltprävention durch die Entwicklung eines gemeinschaftsförderlichen Sozialverhaltens in den Schulen. In den 90er Jahren gab es solche Ansätze, im Frankfurter Raum z.B. wurden Lehrkräfte auf breiter Ebene fortgebildet, um in den Klassen eine kontinuierliche Arbeit auf diesem Gebiet sowohl in den Klassenlehrerstunden als auch auf Projekttagen (z.T. mit Unterstützung von Sozialarbeitern) durchzuführen. In diesem Rahmen konnten Vorfälle von Ausgrenzungen und Beschimpfungen (z.B. „du Jude“) sofort aufgegriffen und bearbeitet werden.
Kaum war das in die Schulprogramme implementiert, kam der Pisaschock. Und danach ging es auf dem Bildungssektor nur noch darum, den Schülern so viel durch Tests überprüfbares Wissen einzutrichtern wie möglich, um beim nächsten internationalen Leistungstest so gut wie möglich abzuschneiden. Dazu kam in den Gymnasien noch die Verkürzung der Schulzeit (G8), wodurch Unterricht fortan nur noch aus einem Parforceritt durch das Lehrbuch bestand und der Aufbau sozialer Kompetenzen endgültig hinten runter fiel. Ich erinnere mich an das Lamento über die Zunahme von Mobbing und Gewalt an deutschen Schulen, das vor ein, zwei Jahren seites der OECD plötzlich erhoben wurde. Späte Einsicht, kann ich da nur sagen. Aber andererseits endlich ein Anstoß, sich wieder mehr der Entwicklung sozialer Kompetenzen zu widmen.
@ Brigitte Ernst
Nichts liegt mir ferner als die Haltung, „dass Israel keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen sei“. Ich teile das Diktum von Amos Oz, dass in dem Konflikt zwischen Israelis und den Palästinensern nicht nur Recht gegen Recht steht, sondern genauso Unrecht gegen Unrecht. Ich möchte auch nicht Terror gegen Terror aufrechnen. Mir geht es darum, die Legende zu korrigieren, die zionistische Einwanderung nach Israel und die Bildung einer „jüdischen Heimstätte“ hätten zwangsläufig zu „Landraub“ und Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung (die zum erheblichen Teil ebenfalls Einwanderer waren, denn von 1800 bis 1948 stieg die Zahl der arabischen Einwohner Palästinas von 268.000 auf ca. 1,3 Millionen) geführt. Bis zu dem Ausbruch des „palästinensischen Bürgerkriegs“ von 1947 und des ersten arabisch-israelischen Kriegs von 1948 hat es durchaus Chance auf eine friedliche oder zumindest geordnete Koexistenz gegeben, die leider nicht wahrgenommen wurden.
@ Barbara Eilers/Jürgen Malyssek
Es gibt starke strukturelle und historische Argumente, warum sich Antisemitismus von anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit unterscheidet, siehe dazu auch den hier bereits mehrfach erwähnten Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zum Antisewmitismus. Deshalb sind gegen Antisemitismus spezifische Strategien nötig (was nicht heißt, dass andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit weniger beachtet werden sollten). Die Einrichtung eines Antisemitismusbeauftragten auf der Bundesebene ist keine neue Idee und keine „vordergründige Aktion“, sondern wird – zum Beispiel von Volker Beck – schon seit Jahren gefordert. Diese(r) Beauftragte(r) soll verhindern, dass die Empfehlungen der Unabhängigen Expertenkommission nicht wieder in den Schubladen verschwinden, wie die der Vorgängerkommission.
@ Manfred Schmidt, 21. Dezember 2017 um 18:21
Danke für den Link.
Zunächst fällt da auf, dass der Artikel schon über 3 Jahre alt ist.
Wichtiger eine andere Ungereimtheit:
Denn Finanzhilfen werden von der EU prinzipiell projektorientiert vergeben. Dazu wird auch eine Eigenbeteiligung von mindestens 10% verlangt. So gab es z.B. Berichte, dass nach der Griechenlandkrise zugesagte EU-Gelder nicht abgerufen wurden, weil auch dieser Eigenanteil nicht aufgebracht werden konnte.
Wenn der Bericht richtig ist, dann ist das ein Hinweis darauf, dass die Vergabe der Hilfen in diesen Fällen zumindest nicht regelgerecht verlaufen ist. Und es stellt sich die Frage, warum der Rechnungshof erst eingriff, als es zu spät war.
@ Manfred Schmidt, 21. Dezember 2017 um 16:13
„Wenn in dem entsprechenden FR-Artikel von einem 1993 aus Bangladesh immigrierten Ehepaar berichtet wird, das sich nicht in Deutsch artikulieren kann, dann stelle ich dessen Integrationsbereitschaft in Frage.“
Hallo, Herr Schmidt,
mein Unbehagen bezieht sich nicht auf (vermutete) Einstellungen Ihrerseits (das habe ich nicht zu beurteilen), sondern auf Ihre Schlussfolgerungen.
Ich hatte in den 70er und 80er Jahren an verschiedenen Schulen in Berlin-Kreuzberg vorwiegend mit türkischen Zuwanderern der 1. und 2. Generation zu tun, gegen Ende auch (sehr vereinzelt) mit Islamisten.
Zu Elterngesprächen kamen immer der Vater oder der ältere Bruder, nie die Mutter. Oft verstand die auch (selbst nach 20 Jahren) nicht ausreichend Deutsch. Das war aber nie ein Thema. Es stand auch einer Integration der Kinder, die in meinen Klassen (bei 50 % Ausländeranteil) so gut wie immer reibungslos verlief, nicht im Wege. Mit einer Ausnahme ist es mir auch immer gelungen, die Beteiligung an Klassenreisen – auch der Mädchen – zu bewirken. Natürlich bedurfte es dazu schon der Kenntnis der familiären Bedingungen und manchmal auch einiger Tricks.
Religiöse Bindungen gab es auch damals durchaus. So brachte z.B. ein Junge, der sonst sehr integriert war, auf Klassenreise seinen eigenen Plastikteller mit, um sicher zu gehen, dass darauf niemals Schweinefleisch gelegen hat. Dem guten Verhältnis in der Klasse tat das keinen Abbruch.
Wer also glaubt, Integrationsbereitschaft alleine auf den Koran zurückführen zu können, ist auf dem Holzweg. Dass inzwischen ein deutlicher Prozess der Fundamentalisierung eingesetzt hat, hat offensichtlich mit anderen, vor allem politischen Bedingungen in der Community zu tun, auch mit Konflikten in diesen selbst, z.B. zwischen der 2., eher angepassten, und der 3., ziemlich fundamentalistischen Generation.
Völlig verfehlt und auch klar widerlegbar ist, von generell fehlender Integrationsbereitschaft von Immigranten zu sprechen.
@ JaM
Danke für Ihre Hinweise zum Antisemitismusbeauftragten. Das hatte ich nicht mehr im Blick. Das müssten dann aber Anete Kahane und Thomas de Maiziere wissen.
Allerdings bleibt meine Skepsis gegenüber der Forderungen nach Experten, Beauftragten und Kommissionen.
Ich will auch nicht alles auf die Studien und Erkenntnisse der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ verlagern. Aber das sind wichtige gesellschaftliche Signale, die viel über die sozialen Verwerfungen in Deutschland aussagen. Auch über unsere geschichtliche Vergangenheit und die Rückkehr alter reaktionärer Denkweisen.
Insofern ein nützliches Instrumentarium, bei der Aufarbeitung anzusetzen.
Ich war 20 Jahre im Ausland (Schweiz). Ich würde gerne wissen, ob ich integriert war. Woran kann ich das erkennen?
Hallo Herr Engelmann,
zu Ihren Kommentaren vom 22/12/17, 23.12h und 23.52:
@23.12h, ja der Bericht ist von 2014. Hat sich von da bis heute etwas geändert? Ich habe keine Informationen darüber.
Wie ich den Report lese, handelt es sich dabei in allen Fällen um Geld, das nicht nur zum Abruf bereit stand und ggf. nicht abgerufen wurde, sondern tatsächlich zur Verfügung gestellt wurde und auch geflossen ist.
@23.52h, Sie dürfen gerne meine Ansichten auf Grund meiner Aussagen beurteilen, ich weiß, dass diese viele nicht teilen. Ebenso weiß ich, dass mir schon zugeschrieben wurde, islamophob und sogar rassistisch zu sein.
Aber den Vorwurf islamophob zu sein, handelte sich auch Günter Wallraff auf Grund von Kritik an dem Teil der in Deutschland lebenden AKP- und Erdoğan affinen Türkdeutschen oder Türken – nach eigener Aussage im Interview vom 21/12/, veröffentlicht in der FR.
Leider gelingt es mir nicht zu vermitteln, dass ich keine Angst „vor dem Islam“ habe, ich bin lediglich mit einigen seiner Erscheinungsformen in Europa und vielen sich ihm zugehörig fühlenden Anhänger überhaupt nicht einverstanden.
Zu Ihrer Schilderung des Jungen Ihrer Klasse mit dem Plastikteller gibt es einen ähnlichen Fall der sich weit dramatischer entwickelte, habe ich in Dänemark selbst erlebt und war dort in den Zeitungen durch Bericht und darauf resultierende Leserbriefe zu verfolgen.
Wir haben das Thema dieses Threads jetzt wohl verlassen, fürchte ich…..
@ Henning Flessner
Die Schweiz mit ihren vier Landessprachen (eigentlich fünf, denn zwischen Hochdeutsch und Schwytzertütsch muss man ja auch unterscheiden) ist natürlich ein Kapitel für sich. Zudem kapseln sich die den einzelnen Sprachgruppen zugehörigen Schweizer gern voneinander ab.
Da Sie, wie ich vermute, in der deutschen Schweiz gelebt haben, hatten Sie zumindest den Vorteil, sich verständigen zu können, aber auch das Schwytzertütsche sollte ein dort lebender Mitbürger verstehen – sprechen besser nicht, das gelingt selten und klingt aufgesetzt.
Ein Gradmesser für Integration ist natürlich auch der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Ein paar gute Bekannte und/oder Freunde sind da schon vonnöten, sonst bewegt man sich in einer Parallelgesellschaft. Allerdings kann man auch erleben, dass die Nachbarn gar kein Interesse an einem solchen Kontakt haben. Da hat man dann Pech gehabt.
Hallo Herr Flessner,
kann es sein, dass Ihre Frage von 15.05h ein bisschen in meine Richtung geht,
da ich ja das Integrationsthema hier aufgetischt habe?
Ich gestehe, alle sprechen von Integration und selten wird gefragt, wie man sie definiert. Gibt’s überhaupt eine eindeutige Definition? Gibt’s vielleicht unterschiedliche Grade von Integration?
Ich sehe an oberster Stelle die Sprache. Schon das Bemühen zum Lernen dieser positioniere ich ganz oben, in eben diesem Bemühen um Integration.
Ein paar Punkte:
Inwieweit kollidiert meine Lebensweise, wenn ich mich in einem anderen Land niederlasse, evtl. mit der der schon immer hier lebenden Menschen?
….möglicherweise mit deren Gesetzen?
Poche ich auf Sonderrechte die in der Hostgesellschaft als Zumutung empfunden werden?
Anmerkung dazu: Natürlich kann, was für den einen oder anderen eine Zumutung ist, von Anderen noch toleriert werden.
Sprachkompetenz ist doch wohl die erste Voraussetzung, um in einem Land meinen Lebensunterhalt zu verdienen, zumindest mir die Möglichkeit dazu zu schaffen.
Ist Integration also Gefühlssache? man kann es annehmen.
Meine Erfahrung ist, dass meine Frau und ich zunächst einmal sofort als Ausländer erkannt werden (äußere Erscheinung).
Häufig erwartet man von uns (von Ausländern generell) keine entsprechenden Sprachkenntnisse und ist überrascht, wenn sie dennoch vorhanden sind. Diese Sprache ist eine echt Herausforderung.
Die Einstellung der Leute verändert sich in diesem Falle sofort um einige Grade in’s Positive, was nicht heißt dass man zunächst eine negative Grundstimmung
erfährt.
Mein Fazit ist, dass Sprachkompetenz das Klima zwischen der „Urbevölkerung“ und denen die zugereist sind, enorm verbessert und Missverständnisse in der Regel gar nicht erst aufkommen lässt, oder -wenn doch- sie aufklären kann.
@Frau Ernst, der Schweiz-Hinweis war gut. Es gibt auch noch das Räto-Romanische das in Graubünden noch gesprochen wird (glaube ich).
Ich kenne hier, wo ich wohne ein Paar, bei dem der Mann aus Genf (er würde sagen Geneve) stammt, also Schweizer ist und so gut wie kein Deutsch spricht.
Seine Frau ist Engländerin und mit ihr klappt glücklicherweise seine Konversation.?
Ansonsten denke ich, aus gegebenem Anlass ist der Ausspruch „Schöne Feiertage“ angebracht, auch wenn die Unterschiede in Meinungen und Beurteilungen nicht ausgeräumt sind…..
@Brigitte Ernst
Wie ich es erwartet hatte, kommt erstmal das Argument der Sprache, wenn es um Integration geht.
Als Student kam ich mal nach Nürnberg. Man hielt mich für schwerhörig, weil ich dauernd nachgefragt habe. Ich habe nicht einmal verstanden, worüber die Leute gesprochen haben.
Wenn ich nach Nürnberg gezogen wäre, wäre ich dann wohl als Deutscher in Deutschland nicht integriert gewesen.
Der Begriff der Integration ist derart schwammig, dass man den Vorwurf nicht integriert zu sein, niemals widerlegen kann. Ein herrliches Argument für jeden Ausländerfeind.
@ Henning Flessner
Ich wette, dass Sie nach einiger Zeit selbst den Nürnberger Dialekt verstanden hätten. ?
Natürlich kann man sich in dem Land, in dem man lebt, völlig abschotten und nur wegen des besseren Arbeitsplatzes dort leben. Damit beraubt man sich aber selbst der Möglichkeit, seinen Horizont zu erweitern und dazuzulernen.
Oder man kann darauf hoffen, dass die Bevölkerung dort die eigene Sprache oder wenigstens Englisch spricht. Sonst wird es schwierig mit den Kontakten. Und ohne Kontakt mit anderen Menschen bzw. als Fremdkörper in einer anderen Gesellschaft kann man doch nicht glücklich werden. Dann darf man sich auch nicht darüber beschweren, wenn man ewig Außenseiter bleibt und nie heimisch wird.
Deshalb ist meiner Ansicht nach der Spracherwerb für einen zufriedenen und erfolgreichen Aufenthalt in einem anderen Land das A und O.
Ich selbst habe drei Jahre lang in Italien gelebt, und das Erlernen dieser wunderschönen Sprache, die Unterhaltungen mit den Nachbarn, die Lektüre von literarischen Werken dieses Sprachraums und das Erschließen der dortigen Kultur hat mein Leben ungemein bereichert.
@Brigitte Ernst
und wenn man die Sprache kann, ist man nicht integriert, weil man keinen Wein trinkt, keinen Saumagen mag, sich nicht für Fussball interessiert, nicht boßelt oder weil man einfach doch nicht von hier ist. Es findet sich schon was.
Frohe Weihnachten!
@ Henning Flessner
Natürlich haben Sie recht. Wenn man jemanden nicht haben will, findet man immer Gründe. Und schon das Wort Integration geht mir mittlerweile gehörig auf die Nerven.
Trotzdem ist der Sprachwerwerb ratsam, schon allein, weil man ohne die Landessprache keinen Arbeitsplatz findet, der über das Niveau von Hilfsarbeiten hinausgeht. Und – auch sehr wichtig – man kann seine Rechte besser vertreten und sich gegen Ausbeutung wehren.
Auch Ihnen frohe Weihnachten!
Beim Streunen durch andere Threads landete ich in dem, der mit „Bronskis tägliche Qual“ überschrieben ist.
Dort fand ich Frau Ernsts Kommentar, in dem Sie sich nahezu begeistert über Goethes Wortschöpfung Knabenmorgen-Blütenträume in seinem Gedicht Prometheus äußert und sie sieht es als Beispiel, was sprachliche Kreativität hervorbringen kann.
Ich bin da ganz auf ihrer Seite und so war es für mich ein Anlass, mir seinen Prometheus noch einmal zu Gemüte zu führen.
Goethe war unbestritten vom Geist der Aufklärung geprägt und dieses Gedicht macht das deutlich. Denn wer erkennt, wofür darin Prometheus und wofür Zeus steht, dem muss sich die Botschaft erschließen.
Warum ich das hier anführe liegt daran, dass Konservative häufig die christlich-jüdische Prägung Deutschlands und Europas reklamieren, dabei aber das was der Geist der Aufklärung bewirkte, unerwähnt lassen. Diesen halte ich für genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, das Entstehen säkularisierter Gesellschaften drückt sich darin aus.
Und nun zum Punkt: Mit der starken muslimischen Zuwanderung wird eben auch Antisemitismus innerhalb einer -ich nenne sie- rückständigen Religion importiert, deren Vertreter „Raum“ und Einfluss in Europa einfordern. Diesen Einfluss möchte ich einer (oder besser dieser) Religion nicht einräumen, wir haben uns inzwischen weitgehend von der Bevormundung der hier schon lange etablierten Kirchen gelöst.
Für mich ist die jüngste Entwicklung ein gesellschaftlicher Rückschritt und sie ist auch der Grund für meine „Bauchschmerzen“.
.
.
Das Tropfentrommeln eines kurzen Wolkenbruchs hat mich geweckt, deshalb kommt dieser Beitrag so früh. Aber hier wird Regen dringend gebraucht.
@ Manfred Schmidt
Sie kritisieren, „dass Konservative häufig die christlich-jüdische Prägung Deutschlands und Europas reklamieren, dabei aber das was der Geist der Aufklärung bewirkte, unerwähnt lassen“. Sicherlich ist die modern gewordene Berufung auf das „christlich-jüdische Erbe“ angesichts der realen Behandlung von Juden im „christlichen“ Europa gänzlich ahistorisch. Ohne die Bedeutung der Aufklärung für die Entwicklung einer säkularen Gesellschaft in Frage stellen zu wollen, darf man aber die dezidiert antijüdische Einstellung eines Kant oder Voltaire nicht übersehen. Es ist das Eigentümliche an der Wandelbarkeit von Antisemitismus, dass er sowohl für Aufklärer als auch für Anti-Aufklärer anschlussfähig ist. Im Übrigen hat der Antisemitismus in der arabischen (bzw. muslimischen) Welt weniger seinen Ursprung im Islam, sondern wurzelt in den antisemitischen (Wahn-)Ideen europäischer Antimodernisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die von den 1928 von Hasan al-Banna gegründeten Muslimbrüdern aufgegriffen und islamisch-religiös verbrämt wurden. Dies erklärt auch die Popularität des Pamphlets „Protokolle der Weisen von Zion“ in der arabischen Welt und in der Türkei. Der von Ihnen beklagte Antisemitismus in Teilen der muslimischen Communities, der nicht erst mit „der starken muslimischen Zuwanderung“ der jüngsten Zeit nach Deutschland kam, ist somit kein Import, sondern ein Re-Import.
@JaM,
im Grunde kann ich Ihnen in allen Punkten zustimmen, sogar Luther schreibt man antijüdische Äußerungen zu. Es geht mir bei „Aufklärung“ um’s Ganze.
Die Geschichte der „Protokolle der Weisen von Zion“ ist mir dahingehend bekannt, dass man keine eindeutige Quelle(n) benennen kann und nur auf Vermutungen angewiesen ist. Dass dieses „Buch“ das am meisten in’s Arabische übersetzte fremdsprachige Werk ist, spricht für sich.
Ob Import oder Re-Import ist für mich nicht relevant, ich beklage die Akzeptanz dieses Pamphlets in der muslimischen Gemeinschaft. Natürlich speist sich auch ein Teil des europäischen Antisemitismus aus dieser Quelle.
@ Manfred Schmidt
Es stimmt nicht ganz, „dass man [zu den „Protokollen der Weisen von Zion“] keine eindeutige Quelle(n) benennen kann“. Durch umfassende historische und sprachwissenschaftliche Forschung ist nachgewiesen, dass es sich bei dieser Schrift um eine Fälschung handelt, die in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts entstand. Es gibt überzeugende Hinweise darauf, dass der Auftraggeber der Paris-Resident des zaristischen Geheimdienstes „Ochrana“ Pjotr Ratschkowski war. Nicht ganz gesicherte Vermutungen gibt es, wer der Autor (oder die Autoren) waren, die den Text aus den (eindeutig identifizierten) fiktionalen Ursprungsquellen fabriziert haben. Erstmals wurden die „Protokolle“ 1903 in Russland veröffentlicht, wo sie sich nach dem Ende der Sowjetunion erneut großer „Beliebtheit“ erfreuen.
Um zurück zum Thema des Thread zurückzukommen: Die Motive der „Protokolle“, die den Juden zugeschriebenen Untaten wie (ritueller) Kindermord, Brunnenvergiftung und geheime Weltherrschaft, greifen auch die heutigen Antisemiten auf und sind auch mehr oder weniger offen in der „Israelkritik“ zu finden. Ach ja, fast hätte ich vergessen zuzufügen: NICHT JEDE KRITIK AN DER POLITIK ISRAELS IST ANTISEMITISCH.
@JaM, ja genau, auch das ist mein Kenntnisstand, man vermutet meiner Meinung nach… Sie sagen, es sei nachgewiesen, nun gut. Dass es Fälschungen sind, ist mir auch klar, Sie haben, so scheint’s mir, die gleiche Informationsquelle?. Wobei, der Name und die Person Pjotr Ratschkowski
waren mir bis heute unbekannt.
Übrigens, in den ganz frühen 50er Jahren, wir waren noch Kinder, erzählten in die Nachbarschaft zugezogene deutsche Flüchtlingskinder aus Wolhynien/Nordukraine genau die Geschichten der Kindermorde die Juden angeblich zu Ostern begehen. Woher sie das hatten, unbekannt, ich könnte nur spekulieren. Aber ich weiß, dass sie solche kruden Ansichten nie mehr unter die Leute brachten, wir sind heute noch gut befreundet.
Den letzten Satz, Israelkritik betreffend, bestätige ich gerne. Ein Teil meiner Familie lebt durch Einheirat in London und davon wiederum ein Teil ist englisch und jüdisch. Auch von da kommen durchaus Kritiken an der derzeitigen israelischen Politik.