Das Erdbeben vor Japan war eines der stärksten je gemessenen, die ihm folgende Flutwelle – verheerend. Die Kernschmelze in Fukushima birgt noch schlimmere Gefahren. Eine Zäsur für die ganze Welt!

Am 11. März nach 8 Uhr unserer Zeit entlädt sich die Spannung zwischen zwei Kontinentalplatten unter der Tiefsee vor der japanischen Küste in einem der schwersten Seebeben, seit Beben gemessen werden. Die Experten streiten noch, ob dem Beben die fragwürdige Ehre einer Stärke 9 zuerkannt wird; Wikipedia hat das Sendai-Beben schon mal so eingruppiert. Dies Beben war noch in Tokio, etwa 300 Kilometer vom Epizentrum entfernt, so stark, dass die Menschen sich kaum auf den Beinen halten konnten. Erdrutsche und ein Brand in einer Raffinerie waren die direkte Folge – und ein katastrophaler Tsunami.

Diese enorme Flutwelle – der Hafen von Sendai soll von einer zehn Meter hohen Welle getroffen worden sein – verwüstete weite Landstriche im Nordosten Japans. Die Ausmaße dieser Katastrophe sind auch Tage danach noch immer nicht vollständig erkennbar. Ganze Städte haben aufgehört zu existieren, die Verluste an Menschenleben dürften in die Zehntausende gehen. Wer wie ich in den letzten Tagen viel Zeit vor dem Fernseher verbracht hat, hat sicher Eindrücke von der Urgewalt dieser Welle, die so gut wie kein Hindernis akzeptiert hat.

Diese Naturkatastrophe, Beben und Tsunami, ist schon schlimm genug, aber es kommt Fukushima hinzu. Dort liegt direkt am Pazifik ein Atomkraftwerk mit mehreren Reaktorblöcken.

Am 11. März um 12:29 melden die Nachrichtenagenturen, dass der japanische Regierungschef Naoto Kan Atomalarm ausgerufen habe. Zuvor war im AKW Onagawa in einem Turbinengebäude ein Brand ausgebrochen, aber das konnte kaum der Grund für den Atomalarm gewesen sein: Das Turbinengebäude gehört nicht zum Primärkreislauf des AKW. Kurz darauf rückt Fukushima Daiichi in den Fokus. Kein Leck, aber die Kühlung eines Reaktorkerns ausgefallen. Grund: Die Stromversorgung des AKW war infolge des Erdbebens ausgefallen. Denn auch wenn AKWs Strom produzieren, sind sie auf Strom von außen angewiesen. Und die Notstromgeneratoren hatte vermutlich der Tsunami weggespült. Blieben nur die Batterien, die noch für ein paar Stunden für Kühlung des Reaktorkerns sorgen konnten. Offenbar gelang es nicht, darüber hinaus rechtzeitig für Strom zu sorgen. Die Welt wird nicht vergessen, wie eine Explosion am Morgen des 12. März unserer Zeit das Dach und Teile der Mauern des Reaktorblocks Fukushima 1 wegblies. Dabei trat Radioaktivität aus.

Man muss wohl davon ausgehen, dass es in Fukushima 1 eine Kernschmelze gab, die aber nicht an die Außenwelt gelangte, sondern im Reaktor-Druckbehälter, der bei der Explosion anscheinend nicht beschädigt wurde, gefangen ist. Dafür spricht auch, dass dieser Reaktor-Druckbehälter jetzt von außen mit kaltem Meerwasser gekühlt wird. Bei einer Kernschmelze verschmelzen die Brennelemente des Reaktorkerns zu einer hochradioaktiven Masse, die eine Temperatur von 2000 Grad und mehr erreicht und sich möglicherweise auch durch die Wand des Druckbehälters hindurchfressen kann. In weiteren Reaktoren in Fukushima, Onagawa und Tokai gab es Störfälle, in Fukushima könnten sich weitere Kernschmelzen ereignen. Die Kühlung mit Meerwasser ist eine reine Notmaßnahme.

Und dies alles vor den Toren der Multimillionenstadt Tokio. Wer mag sich ausdenken, was passiert, wenn die Druckbehälter in Fukushima trotz Notkühlung nicht dichthalten und einer der geschmolzenen Kerne in Kontakt mit der Außenwelt kommt? Sollte dies ausgerechnet am Dienstag passieren, dem Tag, für den die Wetterdienste Wind aus Nordost angesagt haben, würde der Fallout direkt auf Tokio zutreiben. Eine solch riesige Stadt kann nicht evakuiert werden. Ob dieses Szenario realistisch ist, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, zumal die japanische Regierung lückenhaft und teils widersprüchlich informiert. Es ist aber leider auch nicht unrealistisch. Leider ist nicht auszuschließen, dass weite Landstriche dieser dichtbesiedelten Region über Jahrzehnte, Jahrhunderte unwohnbar werden, wenn aus dem GAU ein Super-GAU wird.

Alle Vergleiche mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hinken. Einmal, weil der Katastrophenreaktor in der Ukraine ein völlig anderer Reaktortyp war (kein Siedewasserreaktor, sondern moderiert mit Graphit), vor allem aber, weil die japanischen AKWs und auch das von Fukushima auf dem höchsten Sicherheitsniveau weltweit sind. Erdbeben und Tsunamis wurden bei der Konstruktion einkalkuliert – wenn auch keine Erdbeben dieser Stärke, sondern „nur“ bis zu einer Stärke von 8,2 bis 8,3. Doch auch diese hohen Sicherheitsvorkehrungen konnten die Kernschmelze unter diesen Umständen nicht verhindern. Der äußerste Fall ist eingetreten: Was sich nach der  Wahrscheinlichkeitsrechnung nur einmal alle zigtausend Jahre sollte ereignen können, hat sich – Tschernobyl nicht mitgerechnet – 57 Jahre nach Start des ersten AKW weltweit (1954 im russisschen Obninsk) bereits jetzt ereignet.

Brauchen wir jetzt also eine neue Debatte über die Kernkraft, wie sie Bundesumweltminister Norbert Röttgen fordert? Nein, diese Mühe können wir uns sparen. Angesichts der Katastrophe in Japan haben sich alle Debatten erledigt. Der Minister selbst sprach von einer Zäsur, die Fukushima für die Welt bedeute, und er hat recht. In Fukushima hat sich, wenn auch unter extremen Bedingungen, gezeigt, dass die Kernkraft nicht beherrschbar ist. Bei einer Technologie, die im Falle eines Super-GAUs derart zerstörerische, lebensvernichtende Wirkungen hat, wie sie in Tschernobyl zu besichtigen waren und zu besichtigen sind und wie sie Japan hoffentlich erspart bleiben, brauchen wir hundertprozentige Sicherheit. Eine Sicherheit, die garantiert, dass es nie zu einem solchen Super-GAU kommt, und keine wahrscheinliche Sicherheit, selbst wenn diese bei 99,9 Prozent liegt. Wie sich in Fukushima zeigt, gibt es diese hundertprozentige Sicherheit nicht. Fukushima muss das Ende der Kernkraft bedeuten. Und zwar so schnell wie möglich.

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Die Quellen folgender Updates sind die Agenturmeldungen, die auf FR-online.de im Japan-Liveticker laufen, außerdem tagesschau.de und die japanische Nachrichtenagentur Kyodo.

Update 14.3. 11 Uhr: Das Reaktorgebäude Fukushima 3 ist explodiert. Der Kühlkreislauf in Fukushima 2 versagt. Der Reaktorkern von Fukushima 1 scheint – vermutlich nach der Kernschmelze – aus dem kritischen Temperaturbereich zu kommen. Unterdessen wird die Stromversorgung in ganz Japan kontingentiert: Weil Japan sehr von den AKWs abhängig ist, diese aber wegen des Erdbebens und der Nachbeben heruntergefahren sind, wenn sie nicht gar kollabieren, ist der Strom knapp.

Update 14.3. 14 Uhr: Die Nachrichtenagentur Kyodo meldet, dass im Reaktor 2 in Fukushima laut Angaben der Betreiberfirma Tepco möglicherweise eine partielle Kernschmelze in Gang gekommen ist. Die Notkühlung mit Meerwasser hatte nicht funktioniert. Derweil haben 2,6 Millionen Menschen im Katastrophengebiet keinen Strom, Lebensmittel und Wasser werden knapp.

Update 14.3. 18:30 Uhr: Es gibt offenbar keine Chancen mehr, die Kernschmelzen in drei Reaktorblöcken von Fukushima 1 einzudämmen. Im Block 2 liegen die Brennstäbe völlig trocken, in Block 3 ist der Stand des Kühlwassers weiter gesunken. „Es bestehen aus technischer Sicht kaum Möglichkeiten, den Unfallablauf noch irgendwie zu beeinflussen“, sagte der ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, Lothar Hahn. Jetzt muss sich zeigen, ob die stählernen Druckbehälter den enormen Temperaturen der schmelzenden oder geschmolzenen Reaktorkerne standhalten.

Die Bundesregierung verhängte ein Moratorium und kündigte die Abschaltung alter Reaktoren in Deutschland an. Es gilt jetzt wieder die rot-grüne Ausstiegsregelung. Als erstes wird wohl Neckarwestheim 1 vom Netz gehen.

Update 14.3., 23 Uhr MEZ: Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo meldet, dass nach Berichten der Betreiberfirma Tepco am 15.3. um 1:10 Uhr Ortszeit damit begonnen worden sei, Meerwasser in den Reaktorkern („pressure container“) zu pumpen, nachdem man die Ventile endlich lösen konnte. Um 3 Uhr Ortszeit wurden diese Versuche eingestellt, nachdem der Druck im Reaktorkern fiel. Ein Anstieg des Wasserspiegels im Reaktorkern konnte laut Tepco nicht bestätigt werden. Hat der Reaktorkern ein Leck?

Update 15.3., 0:40 Uhr MEZ: Im Reaktorblock 2 von Fukushima 1 hat es eine Explosion gegeben. Laut Regierungssprecher Edano wurde dabei die Schutzhülle des Reaktors beschädigt. Die Betreiberfirma Tepco evakuiert die Arbeiter, die vor Ort sind. Die bisherigen Explosionen in den Blöcken 1 und 3 waren offenbar Knallgasexplosionen. Dabei vermischte sich Wasserstoff, der im Reaktorblock entstand und durch Druckentlastungsmaßnahmen, so meine Vermutung, in das Reaktorgebäude gelangte, mit Sauerstoff. Eine geringe Energiezufuhr, ein kleiner Zündfunke kann genügen, ein solches Gemisch zur Explosion zu bringen. Am Block 2 soll aber, so der Regierungssprecher, die Schutzhülle des Reaktors beschädigt worden sein – also der Druckbehälter? Und zwar im unteren Bereich der Hülle, in Höhe des Kondensationskühlwasserbeckens.

Update 15.3., 1:30 Uhr MEZ: Dampf steigt anscheinend aus Reaktorblock 2 auf. Südlich von Fukushima 1 wird erhöhte Radioaktivität gemessen, laut Kyodo mehr als 8000 Millisievert pro Stunde. Zum Vergleich: Laut der deutschen Strahlenschutzverordnung von 2001 liegt der Dosisgrenzwert für die Bevölkerung bei ein Millisievert im Kalenderjahr. Laut Wettervorhersage dreht der Wind auf Nord. Damit läge Tokio in Zugrichtung einer eventuellen radioaktiven Wolke. Gebe Gott, Allah, J’hwe, dass dies nicht geschieht!

Update 15.3., 2:45 Uhr MEZ: Ich kann nicht schlafen. 2:35 heute-Sendung: Eine große Explosion in Reaktorblock 2 wird durch Tepco in einer Pressekonferenz bestätigt. Sie sei stärker gewesen als die vorigen Knallgasexplosionen. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEO bestätigt die Beschädigung der Schutzhülle nicht.

Update 16.3., 10 Uhr: Weitere Explosionen in Fukushima 1. Auch im abgeschalteten Kraftwerksblock 4 gab es eine Explosion. Gebrauchte Brennstäbe brennen, es entweicht Radioaktivität. Die Kühlung droht zu versagen. Im Umkreis des Kraftwerks bis hin nach Tokio wurde Radioaktivität gemessen. Es gibt immer noch keine offizielle Bestätigung bzw. Erklärung des Vorfalls, aber allein die Anwesenheit von Radioaktivität in der Größenordnung von 400 mS/h dürfte für ein reaktorleck sprechen. In den Gebieten rund um das Kraftwerk wird die Komplettevakuierung vorbereitet. Die Japaner tätigen Hamsterkäufe.

Update 15.4., 11:45 Uhr: Pressekonferenz in Berlin. Kanzlerin Merkel verkündet, dass alle deutschen AKWs, die vor 1980 in Betrieb genommen wurden, für die Dauer des gestern verkündeten Moratoriums vom Netz gehen werden, um einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen zu werden. Außerdem will sie die Energiewende beschleunigen. Sie begrüßte, dass auch auf europäischer Ebene jetzt über Sicherheit der AKWs gesprochen werde. Zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy will sie eine Initiative starten. Zum Problem dürfte dabei werden, dass Frankreich wie kein anderes Land der Erde von Atomkraft abhängig ist.

Update 15.3., 13 Uhr MEZ: Es hat ein Nachbeben der Stärke 6,3 gegeben. Weitere Beben sind möglich. Nach einer Explosion wurde das Gebäude des Reaktors 4 beschädigt, in dem die Kühlung auszufallen drohte. Die Lufthansa fliegt Tokio mittlerweile nicht mehr an. Die Katastrophe von Fukushima wurde in der Internationalen Bewertungsskala von 4 auf 6 hochgestuft, die zweithöchste Stufe. Die Katastrophe von Tschernobyl wurde mit 7 eingestuft.

Update 15.3., 14 Uhr MEZ: Die Strahlung im Kraftwerk steigt. Die gemessenen Werte seien so hoch, dass das Personal nicht weiter in den Kontrollräumen verbleiben könne, meldete Kyodo. Nur 50 von 850 Mitarbeitern bleiben im Kraftwerk. Was können sie noch tun? Wird Fukushima 1 aufgegeben? Aus dem GAU scheint ein Super-GAU zu werden, ohne dass noch jemand etwas dagegen tun könnte.

Update 15.3., 15:30 Uhr: Ein weiteres Erdbeben der Stärke 6 erschütterte den Nordosten Japans. Österreich verlegt seine Botschaft von Tokio nach Osaka, wohin sich auch bereits viele Journalisten zurückgezogen haben. Derweil wird erhöhte Radioaktivität bereits südlich von Tokio gemessen. Das Wasser im Abklingbecken in Fukushima 4 kann nicht aufgefüllt werden. Eine weitere Eskalation droht auch hier. – Inland: Der baden-württembergische Ministerpräsident Mappus lässt Neckarwestheim 1 abschalten – endgültig.

Update 16.3., 1 Uhr: Der Wind weht inzwischen nicht mehr Richtung Tokio – eine klitzekleine positive Nachricht in dieser unermesslichen Katastrophe. Am Abend (unserer Zeit) gab es im Reaktorblock 4 mehrere Explosionen, ein Teil des Dachs ist eingestürzt. Erneut brach in diesem Block ein Feuer aus, das aber, sagt die japanische Regierung laut afp, wieder unter Kontrolle gebracht wurde. Es wurde erwogen, das freiliegende Abklingbecken aus der Luft durch Hubschrauber mit Wasser aufzufüllen, diese Idee wurde wieder verworfen. Jetzt ist davon die Rede, Löschzüge zu schicken. US-Spezialisten  EU-Energiekommissar sollen vor Ort sein. Oettinger sprach von einer „Apokalypse“.

Update 16.3., 10 Uhr: Weißer Rauch über Reaktor 3, Feuer in Reaktor 4. Versuche, das Abklingbecken in Nr. 4 aus der Luft mit Wasser aufzufüllen, wurden abgebrochen – gerade direkt über den Reaktoren herrscht anscheinend starke Radioaktivität. Die Temperaturen in den Reaktorblöcken 5 und 6 steigen. Beide waren abgeschaltet, aber auch die inaktiven Kernbrennstäbe müssen gekühlt werden, und das ist derzeit nicht gegeben. Sämtliche Arbeiter in Fukushima wurden abgezogen. Der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz ging in der Tagesschau davon aus, dass im Krisenkraftwerk drei Kernschmelzen liefen. Die Lage ist offenbar völlig außer Kontrolle.

Update 16.3., 13:30 Uhr MEZ: Jetzt soll versucht werden, das Abklingbecken in Block 4 mit Hilfe von Wasserwerfern zu kühlen. Derweil behauptet die japanische Regierung laut Kyodo, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Reaktorhülle von Block 3 schwere Schäden habe.

Update, 16.3., 19 Uhr MEZ: Deutschland und die USA empfehlen ihren in Japan lebenden Bürgern, den Großraum Tokio zu verlassen. Von US-Kriegsschiffen wurden Hochdruckpumpen auf die Luftwaffenbasis Yokota gebracht, um in Fukushima eingesetzt zu werden. Die USA wollen an ihrem Atomprogramm festhalten. China hingegen legt alle Atomprojekte erstmal auf Eis, um die Sicherheitsparameter zu überprüfen. Inzwischen weht der Wind den radioaktiven Dampf, der vor allem aus Reaktorblock 3 zu entweichen scheint, aufs Meer hinaus. Irgendwann in nächster Zeit wird diese Wolke die US-amerikanische Küste von Oregon und Kalifornien erreichen.

Update 16.3., 21:45 Uhr: Auf tagesschau.de fand ich diesen Link zur Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Auf der Seite ist die Strahlungskurve in unmittelbarer Nähe zum Kraftwerk Fukushima zu sehen. Die US-Atomenergiebehörde NRC bewertet die Strahlenbelastung als gefährlich. Derweil gehen die Wasserwerfer in Stellung, um das trockengefallene Abklingbecken von Block 4 zu füllen. Die verbrauchten Kernbrennstäbe, die dort lagern, dürften längst geschmolzen sein; es handelt sich um eine Verzweiflungsmaßnahme.

Update 17.3. 3 Uhr MEZ: Die Temperatur in den Abklingbecken von Block 4 hat dramatisch hohe Werte erreicht. Die abgebrannten Brennstäbe, die dort lagern, werden für die hohen Radioaktivitätswerte rund um das Kraftwerk verantwortlich gemacht. Ansonsten ist nicht viel zu hören aus Fukushima, und das ist vielleicht eine gute Nachricht. Die nächsten 48 Stunden sind entscheidend.

Update 17.3., 19 Uhr MEZ: Die Lage in Fukushima 1 wurde heute als eher stabil bewertet, obwohl am Nachmittag weiße Wolken über Reaktorblock 2 gemeldet wurden. Offenbar ist es gelungen, ein externes Stromkabel an diesen Reaktorblock zu legen. Hier könnte es möglicherweise gelingen, die Kühlpumpen wieder zum Laufen zu bringen. Die größte Gefahr ging allerdings weiterhin vom Block 4 aus, wo abgebrannte Brennstäbe trocken lagen und hohe Radioaktivität emittierten. Block 3, in dem MOX-Brennelemente mit hochgiftigem Plutonium im Einsatz waren, wurde mit Wasserwerfern gekühlt. Die deutsche Botschaft wurde nach Osaka verlegt. Die japanische Hauptstadt Tokio war von einem massiven Stromausfall bedroht, der jedoch abgewendet werden konnte. Unterdessen zeigen sich die ersten Folgen für die japanische Wirtschaft: Japanische Investoren ziehen ihr Geld aus anderen Teilen der Welt ab, um es in den Wiederaufbau im eigenen Land zu stecken. Das bewirkte heute einen Höhenflug des Yen im Vergleich zum Dollar, was Exporte verteuert.

Update 18.3., 10 Uhr MEZ: Es gibt einen schwachen Silberstreif am Horizont: Die Versuche, Reaktorblock 3 vom Boden aus mit Wasserfontänen zu kühlen, scheinen nach Einschätzung der japanischen Regierung zu helfen. Und nachdem es gelungen ist, Strom an Block 2 zu bringen, soll auch Block 1 bald wieder Strom haben. Aber niemand weiß, ob die Pumpen, mit denen sich die Reaktorkerne möglicherweise noch kühlen ließen, überhaupt noch funktionieren. In Block 1, dem ersten, in dem sich im Lauf der Katastrophe eine Explosion ereignete, ist der Wasserstand im Reaktorkern inzwischen anscheinend so niedrig gefallen, dass er nicht mehr eindeutig erfasst werden kann. Die Arbeiter am Kraftwerk dürften dem Tod geweiht sein. – Um 6:46 MEZ hielt ganz Japan für eine Schweigeminute inne, genau eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben.

Update 18.3., 11:30 Uhr MEZ: Die Kühlung in den abgeschalteten Blöcken 5 und 6 funktioniert wieder. In beiden Blöcken war die Temperatur angestiegen; jetzt sorgt ein Dieselgenerator für Wasserzufuhr. Das meldete die IAEO unter Berufung auf japanische Behörden. In Reaktorblock 4 droht dagegen eine neue Knallgasexplosion, nachdem sich über dem Abklingbecken offenbar Wasserstoff gebildet hat.

Update 19.3., 2 Uhr MEZ: Es gibt erneut weißen Rauch über Fukushima-Block 3. Diesmal könnte es bedeuten, dass die Kühlungsaktionen erfolgreich waren.

Update 19.3., 13 Uhr MEZ: Die Kühlungsaktion – mit Hochdruckpumpen und Wasserwerfern auf den Reaktorkern – an Block 3, in dem Mischoxid-Brennstäbe mit Plutonium im Einsatz waren, scheint zu wirken. Reaktor 2 soll am Sonntagmorgen Ortszeit wieder ans Strom gehen, nach unserer Zeit also etwa um Mitternacht auf den 20.3. Die Betreiberfirma Tepco hat Löcher in die Dächer von Block 5 und 6 bohren lassen, um eventuell entstehenden Wasserstoff entweichen zu lassen und so einer Knallgasexplosion wie in Block 1 und 3 vorzubeugen. Beide Reaktoren haben wieder Notstrom durch Dieselgeneratoren. Etwa 300 Männer der Feuerwehr von Tokio sind jetzt rund um Fukushiam 1 bemüht, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Es gibt weitere heftige Nachbeben. Schwache Radioaktivität, die auf Fukushima zurückgeführt wird, wurde erstmals in Kalifornien gemessen. In der Umgebung von Fukushima 1 wurde Spinat verstrahlt. Zurzeit scheint sich die Situation zu stabilisieren. Kann der Super-GAU abgewendet werden?

Update 20.3., 15 Uhr: Neun Tage nach dem großen Beben scheint sich die Lage in Fukushima zu stabilisieren. Strom wurde an die meisten Reaktorblöcke gebracht, ausgenommen 3 und 4. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob die Kühlungspumpen in den Reaktorblöcken nach all den Explosionen noch funktionieren. Dann könnte wieder ordentlich gekühlt werden, und das Schlimmste wäre überstanden, ohne dass es zum Super-GAU gekommen wäre. Das Abklingbecken in Reaktor 4 konnte anscheinend wieder halbwegs gefüllt werden, so dass die dort lagernden alten Kernbrennstäbe gekühlt werden.

Update 21.3., 11 Uhr MEZ: Nach einer Phase, in der es fast ruhig zu werden schien um Fukushima, gibt es heute, am zehnten Tag nach dem Erdbeben, wieder schlechte Nachrichten. Reaktorblock 3 macht Sorgen. Der Druck darin war angestiegen, und weißer Rauch war aufgestiegen. Woher dieser Rauch? Handelt es sich um Gas aus dem Reaktorinneren, das über Notventile abgelassen wird? Die Strahlenwerte rund um den Reaktor erhöhten sich nicht, aber es wurden alle Arbeiter aus der Nähe des Reaktors abgezogen. Gegen die Kernschmelze wurden erneut Wasserwerfer eingesetzt.

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35 Kommentare zu “Die Atom-Zäsur

  1. Danke, Bronski, Ihre klaren Worte sprechen mir aus der Seele. Wir brauchen keine neue Diskussion und wir brauchen auch keine weiteren Beschwichtigungslügen von PolitikerInnen. Wir brauchen nur noch den kontrollierten Ausstieg und der muss jetzt beginnen. Sofort!! Das Land soll erschallen von dem Ruf: Abschalten!

    Heute Abend um 18.00 Uhr sind bundesweit Mahnwachen und Demonstrationen angekündigt und angemeldet. Jede und jeder kann dort hingehen. Unter http://www.ausgestrahlt.de/mitmachen/fukushima.html kann frau/man alle Termine in der eigenen Umgehung erfahren und so aktiv mitmachen. Lasst uns mit unseren Füßen abstimmen und lasst uns die abwählen, die weiter unsere Gesundheit und die unserer Kinder und Kindeskinder gefährden!

  2. Mich wundert an der Berichterstattung zum Thema, dass drei eher offensichtliche Fragen nicht gestellt werden:
    1) Wenn die eigentliche Reaktorummantelung beim zunächst explodierten Reaktorblock noch intakt ist, wie ist dann eigentlich der Wasserstoff in den Bereich zwischen den vermeintlich intakten Reaktor und die äußere Hülle gelangt? Wasserstoffbildung setzt den Kontakt des Wassers/Wasserdampfes mit den extrem heißen Brennelementen (bzw. deren Ummantelung) voraus, aber wie gelangte das Gas „eine Stufe“ weiter nach außen?
    2) Es wird berichtet, dass derzeit der „intakte“ Reaktor von außen mit Meerwasser und Borsäure gekühlt werde. Borsäure zum Kühlen? Bor ist als „Neutronengift“ bekannt und könnte vielleicht (ich bin Chemiker, nicht Nukleartechniker) in der unmittelbaren Umgebung der Brennelemente eingesetzt werden, um eine Kettenreaktion (!) zu verhindern bzw. etwaig noch laufende Spaltprozesse schneller abklingen zu lassen, aber als Kühlmittel erscheint mir Borsäure eine recht seltsame Wahl.
    3) Ganz banal: Wenn der Reaktormantel von außen mit Meerwasser gekühlt wird, sollte man aufgrund der hohen Temperatur eine von dort ausgehende Dampfwolke erwarten (vgl. Kühltürme von Kraftwerken). Wind und Wetter mögen hier auch noch eine Rolle spielen, aber insgesamt verstärkt nicht nur die mangelnde Informationspolitik, sondern auch diese echten oder vermeintlichen Ungereimtheiten den Eindruck, dass hier mal wieder das Blaue vom Himmel gelogen wird, solange es irgend geht.

  3. @ Thomas Brinkmann

    Der Versuch einer Antwort (ausreichende Informationen liegen nicht vor) auf Ihre Fragen:

    1. Nach Berichten wurde zur Druckentlastung aus dem Reaktorgefäß Dampf abgelassen, wobei auch Wasserstoff entwichen sein kann.
    2. Wie Sie richtig schreiben, absorbiert Bohrsäure Neutronen. Sie ist ein „Bremsmittel“ für die nukleare Reaktion und kein Kühlmittel zur Abfuhr der Nachzerfallswärme. So wie ich es verstanden habe, wurde die Bohrsäure in den Kern gepumpt, während mit Meerwasser das Reaktorgefäß gekühlt wird.
    3. Bei einer Direktkühlung entsteht kein sichtbarer Dampf, so lange das Kühlmittel selber durch schnellen Umlauf nicht die Verdampfungstemperatur erreicht. Bei Kühltürmen ist auch kein „Dampf“ sichtbar, sondern Nebel. Durch den im Kühlturm erzeugten thermischen Auftrieb wird wassergesättigte Luft in die Höhe getragen. Nach Abkühlung dieses Luftstroms kondensiert die Feuchtigkeit in Form von Wassertropfen. Eine Auftriebsthermik fehlt bei dem Reaktor.

    Die Berichte sind also physikalisch nicht unplausibel. Ob sie auch wahr sind, kann ich nicht beurteilen und will daher Ihrem Eindruck, dass „das Blaue vom Himmel gelogen wird“, nicht widersprechen.

  4. Soweit bekannt gibts auch eine Überdrucksicherung in den Wandungen des cores. Wann genau diese ansprechen (sollen)weiß ich leider auch nicht.

    An der Wärmekapazität der Borsäure kanns nicht liegen, wohl eher an deren Löslichkeit. Soll vermutlich als zusätzlicher Moderator dienen.

    Je nach Wärmefluss sollte sich doch etwas Gasphase & Tröpfchen bilden. Hat schon einer von Ihnen ein zugängliches Thermalbild von der Anlage gefunden?

    MfG Karl Müller

  5. @Abraham und Karl Müller:
    Erst einmal Danke für die Antworten.

    Die Antworten zum Druckausgleich kann ich nachvollziehen, schließe daraus aber auch, dass dabei zwangsläufig auch Radionuklide aus dem Reaktorinneren mit Wasserdampf und Wasserstoff nach außen geangt sein müssen.
    Die Löslichkeit der Borsäure ist allerdings nicht so, dass man davon große Effekte erwarten kann: Laut Riedel, Anorganische Chemie, 2. Auflage, S. 530 ist Borsäure „relativ schwer in Wasser löslich (40g/l bei 20°C)“. Bleibt also nur die Rolle als Moderator im Inneren des Reaktor (nur – wenn Zugang besteht, sollte man dann nicht Wasser hinein pumpen?).
    Richtig ist natürlich, dass eher Nebel als Dampf sichtbar werden könnte. Wenn ich die Berichterstattung am Wochenende richtig verstanden habe, herrschte Hochdruckwetter mit kalten Nachttemperaturen (ca. 0°C). Die Verdampfungstemperatur (bei Meerwasser also etwas mehr als 100°C) muss aber nicht erreicht werden, da schon weit darunter ein gewisser Dampfdruck vorhanden ist. Gerade die Nebelbildung sollte also möglich sein. Inwiefern ein solcher Nebel auf den TV-Aufnahmane aus relativ großer Entfernung sichtbar sein müsste, ist eine andere Frage.

  6. Moin,

    das Bor dient, wie Abraham schon erwähnte, nur als Neutronenmoderator.

    Noch ein wort zur Nebelbildung. Das ist immer die logische Folge, wenn temperaturbedingt das Sättigungsdefizit der Luft > 100% wird. daraus resultieren die Tröpfchen.

    Beim Kontakt mit dem recht warmen Reaktorbehälter wird sich ein Phasengemisch bilden das als „Brüden“ bezeichnet wird.
    In der Folge sollte allerdings bei genügender Wassermenge eine entsprechend streunende Fahne sichtbar werden.

    MfG Karl Müller

  7. Wie heißt es so schön in der Einleitung: Brauchen wir jetzt also eine neue Debatte über die Kernkraft, wie sie Bundesumweltminister Norbert Röttgen fordert? Und die richtige Antwort erfolgt auf dem Fuße: Nein, diese Mühe können wir uns sparen. In der Tat, eigentlich könnten „wir“ sie uns sparen, die neue Debatte, aber „wir“ tun es nicht, denn schließlich sieht der parteiübergreifende Politikbetrieb mal wieder eine Chance, sich in Szene zu setzen, koste es auch was es wolle. Doch der Reihe nach: Bei den ersten beunruhigenden Meldungen aus Japan, wurden von der schwarz-gelben Trümmertruppe die üblichen Beruhigungs- und Verblödungspillen verteilt, nach dem Motto: „Wir“ sind nicht Japan, sondern „wir“ sind „wir“, und bleiben natürlich auf (Atom)Kurs. Nachdem die Katastrophe in Japan jedoch immer dramatischere Formen annahm, scheint es wohl hinter den schwarz-gelben Mauern so richtig gescheppert zu haben. „Wir“ müssen was tun, wird Mutti Merkel in die Runde gehaucht haben. Zunächst musste erst einmal, nach dem unterschiedlichem Geschnattere und Gezwitschere, eine möglichst einheitliche Sprachregelung gefunden werden, bis nach Bayern. Außerdem hat Mutti Merkel die Rollenbesetzungen intern bestimmt, wer also was, wie, wann zu sagen hat. Und so geschah es dann auch. Merkel schickte ihren Norbert an alle medialen Fronten und der zeigte sich, passend zur neuen Brille, einsichtig, ja, fast schon demütig. „Die Welt hat sich verändert“, rief er aus, „es ist etwas geschehen, von dem gesagt wurde, es kann nicht geschehen.“ Donnerwetter, was ist denn nun los mit den superschlauen Sprücheklopfern und -klopferinnen, aus der schwarz-gelben Chaostruppe? Oder sind es doch wieder die hinlänglich bekannten Phrasendreschereien, weil da ein paar Wahlen vor der Tür stehen? Denn verändert, Herr Röttgen, hat sich im Prinzip nix, es ist nur das, was einerseits immer, besonders von der Politik und der Atomwirtschaft, als undenkbar bis unmöglich verkauft wurde, vor dem andererseits jedoch kritische Menschen, die als Spinner, Idioten und Schlimmeres verteufelt wurden, seit Jahrzehnten gewarnt haben, nun eingetreten. Die übliche Verblödungspille der letzten Jahrzehnte, wonach die „Anderen“ im Vergleich zu „uns“ ja nur ganz veralterte Atom-Sicherheitstechnik haben, zieht im Hinblick auf das Hochtechnologieland Japan nicht, also kann auch die Beruhigungs- bzw. Verblödungspille nicht mehr ihre gewohnte Wirkung entfalten. „Mit der drohenden Kernschmelze in Japan sei eine Zäsur eingetreten“, so Muttis Bester weiter, und dann haut er noch so richtig einen raus: „Eine fundamental ethische Diskussion um Grundfragen müsse nun geführt werden“. Schön wäre es, wenn so etwas wie eine ethische Grundsatz-Diskussion stattfinden würde, aber daran vermag ich nicht zu glauben, denn dann müsste das gesamte System auf den Prüfstand. Die Frage nach der Beherrschbarkeit der Atomenergie würde sich neu stellen, hat der Herr Röttgen auch noch gesagt. Gar nix stellt sich neu, Herr Röttgen, die Beherrschbarkeit wurde immer nur behauptet, war, ist und wird auch zukünftig nie wirklich gegeben sein. Und dann holt Muttis Klassenbester zu seinem letzten Schlag aus: „Das sogenannte Restrisiko habe sich realisiert“. So, so, das Restrisiko hat sich also erst jetzt realisiert? Die anderen „Restrisiko“-Katastrophen (Harrisburg, Tschernobyl) und „Restrisiko“-Störfälle hat es alle nicht gegeben? Schließlich hat Mutti Merkel selbst, in ihrer Paradedisziplin, der „Kunst“ des unverbindlichen Nixsagens, mal wieder den Vogel abgeschossen, in dem sie die kürzlich beschlossene Laufzeitverlängerung ausgesetzt hat … für drei Monate. Einfach Wahnsinn. Drei Monate, in denen, wie Herrn Mappus „uns“ allen „riet“, ergebnisoffen innegehalten werden soll. … Es hat sich wirklich nix geändert, außer dass die Sprechblasen bzw. Phrasen aktualisiert wurden … für drei Monate. Danach wird Mutti, zumal die Wahlergebnisse dann bekannt sein werden, ihren Norbert wieder in den medialen Verblödungszirkus schicken. Entsprechend wird es eine neue Sprachregelung geben, und das alte Spiel beginnt aufs Neue. …

    In diesen Tagen muss ich auch an den Oberschwätzer Steinbrück denken, der zu Zeiten der weltweiten so genannten Finanzkrise, in der die Mammutverbrechen gewissenloser Banker, ihrer Helfer und Helfershelfer aufgekippt sind, immer so „cool“ von der Gefahr einer Kernschmelze geschwatzt hatte. Der blanke Zynismus, wie sich in diesen Tagen deutlich herausstellt. Letztlich, so befürchte ich, wird sich substanziell nichts ändern, obwohl die unvorstellbar tragischen Ereignisse in Japan mehr als genug Anlass zu einem radikalen Umdenken geben. Die verschwindend kleine Clique der Mächtigen, wird das mit Hilfe ihrer politischen Mittäter zu verhindern wissen. Die morsche Bude Kapitalismus, deren Fäulnisprozess unaufhaltsam weiter geht, droht mal wieder zusammenzubrechen. Es wird aber nicht an Haupt und Gliedern sarniert, sondern wieder nur, wenn überhaupt, ein paar Türen und Fenster neu gestrichen und weiter geht`s, auf den Weg ins Verderben.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  8. das problem ist doch die kurzlebigkeit solcher themen und die damit verbundenen einstellungen. auf nachhaltigkeit und ernsthaftigkeit wird doch geschissen. ich habe so langsam das gefühl, und ich will jetzt wirklich nicht paranoid wirken, die meinung von mindestens 95% der bevölkerung ist massiv medial gesteuert. vorgestern waren wir gegen ölplattformen, gestern gegen dikatorische regime und heute halt gegen atomkraft. unsere meinung hat nix mehr mit einer inneren überzeugung oder logischem menschenvertand zu tun, sondern hauptsächlich mit den titelseiten der zeitungen und den hauptthemen in den nachrichten. wir verdummen regelrecht. heute noch n „atomkraft, nein danke“ button im profil und morgen sind es dann halt mal wieder die robbenbabys oder die in massen gehaltenen tiere um die ich mich „kümmere“. so ändern wir mal überhaupt nix und lassen den dingen ihren lauf, wird ja schon werden… jedes dieser themen ist absolut wichtig und man muss was dagegen tun, aber niemandem ist damit gehofen jetzt mal für 1-2 wochen via sozialem netzwerk seine solidarität dem japanischen volk auszudrücken, wenn japan und die hochgefährliche atomkraft einem spätestens zum nächsten „highlight“ wieder egal ist.
    bis zur unendlichkeit und noch viel weiter… Buzz

  9. Wie hoch ist ein anzunehmender Schaden, tendierend gegen unendlich, multipliziert mit einem sehr geringen „Restrisiko“, nehmen wir einmal an, von 1 : 1 Million? – Nach meinen bescheidenen mathematischen Kenntnissen immer noch tendierend gegen unendlich.
    Jede Versicherung wird bei jedem zu versichernden Sturmschaden die Höhe des zu erwartenden Schadens in Rechnung stellen und eine Schadensobergrenze festlegen, oberhalb derer das Risiko untragbar scheint und sie die Versicherung ablehnt.
    Ausgerechnet in einer Frage, bei der – emphatisch gesprochen – das Überleben, wenn nicht „der“ Menschheit, so doch Hunderttausender von Menschen auf dem Spiel steht, meint eine Regierung, sich Deals mit einer skrupellosen Atomlobby leisten zu können, welche in zynischer Weise die kaum mehr messbaren gesellschaftlichen Folgekosten aus ihrer Kosten-Nutzen-Rechnung einfach heraus rechnet und der tumben Bevölkerung dann diese Milchmädchenrechnung als „Lösung“ aller Umwelt- und Finanzprobleme präsentiert!
    Und wie hoch ist das „Restrisiko“ einer Regierung – multipliziert mit den von ihr zu erwartenden gesellschaftlichen Schäden – , welche erst der Horrorbilder eines Infernos bedarf, um über Warnungen nachzudenken, die sie eben noch als „Horrorszenario“ diskreditiert und mit unerträglicher Chuzpe zurückgewiesen hat?
    Ich überlasse es dem geneigten Leser, diese Rechnung aufzumachen – bitte ohne erhöhte Verdrängungsleistung und Taschenspielertricks!

  10. Wieso fragt hier denn niemand, ob nicht die Castoren undicht werden können? Die stehen in Gorleben in einer Kartoffelhalle und warten dass sie in der nebenan stehenden Pilotkonditionierungsanlage für abgebrannte Kernbrennstoffe geöffnet und in Glas gegossen werden. Nur, was ist, wenn einer dieser Castoren unvorhergesehen undicht wird? Der muss dann ohne Verzögerung in die Pilotkonditionierungsanlage gebracht werden, damit der Atommüll, der ja nicht mehr derselbe ist wie bei der Verpackung, und dort umgepackt zu werden. Die bauern in Gorleben und Umgebung werden dann wahrscheinlich ihre Felder nicht mehr bestellen brauchen. Schüne neue Welt mit dem Atommüll

  11. Bei diesem Thema kann ich den Ausführungen von Jutta Rydzewski im Beitrag 8 nur zustimmen. Es ist fast unerträglich da zu zuhören wenn von Schwarz/Gelb über neue Erkenntnisse geschwafelt wird. Das Ganze hat dadurch das das Deutsche Atomgesetz genau so geschrieben ist wie es sein muss das den AKW Betreibern möglichst nichts passiert wenn es zu einem GAU kommt keinerlei Glaubwürdigkeit. Wenn das Umdenken ernst gemeint wäre würde man das als erstes ändern. Dann würde aber sehr schnell kein AKW mehr in Deutschland laufen. Allerdings kann man an der Tatsache erkennen das es Leute gibt die den GAU nicht nur als theoretische Größe gesehen haben sondern ganz konkrete Vorbereitungen für den Fall getroffen haben. Derzeit kann man das nur dem Volk, das sich auch nie wirklich dafür intressiert hat, nicht verkaufen.

  12. Ich bin kein Freund von Atomkraft, und fordere als direkter Nachbar von Biblis den Ausstieg. Ich hab aber beruflich (Berufsfeuerwehr) mit dem Thema mehr oder weniger zu tun, und muss sagen, dass ich zu den Castoren Vertrauen hab. Ich hab die Videos gesehen, wie die getestet wurden, und muss wirklich sagen, da kann man relativ beruhigt sein.

  13. Wir beweinen die Toten in Japan, wir trauern mit den Angehörigen, leiden mit den Überlebenden. Und wir müssen uns fragen: Sind wir fähig, aus der atomaren Katastrophe zu lernen?

    In Deutschland steht die „friedliche Nutzung“ der Atomkraft seit mehr als 40 Jahren in der Kritik. Uns fallen Namen ein: Kalkar, Wackersdorf, Hamm-Uentrop… Orte, an denen zumeist junge Frauen und Männer auch aus dem Kreis Recklinghausen gegen eine Technologie, deren Gewalt- und Zerstörungspotential alles Bisherige übertrifft, protestiert haben. Hamm-Uentrop wurde nach 5 Jahren wieder stillgelegt, Kalkar ging nie in Betrieb, Wackersdorf wurde gar nicht erst gebaut.

    Schon in den 60er, 70er, 80er Jahren wurde vor der Unbeherrschbarkeit und den Gefahren der militärischen und zivilen Nutzung der Kernenergie gewarnt und die Entwicklung alternativer, ökologischer Energien ebenso gefordert wie ein sparsamer und schonender Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen. In Recklinghausen wurde 1988 eine Ökologische Verbraucherinitiative gegründet. Sie hat den Bau der ersten Windkraftanlage im Kreis finanziell unterstützt. Die kleine Anlage auf „Theos Farm“, einem Biolandhof“, arbeitet heute noch.

    „Die Ökos“ aber wurden geprügelt, ausgelacht, als „Spinner“ abgetan. Sie wollten eine andere Technik und wurden zu „Technikfeinden“ abgestempelt. Zeitungen, allen voran die Boulevard-Presse, haben damals nicht ohne Erfolg versucht, die schlecht informierte Bevölkerung gegen uns aufzubringen.

    1986 flog Tschernobyl in die Luft und schickte „die Wolke“ bis nach Deutschland. Das hat man bald wieder vergessen und ins Unbewusste verdrängt. Man baute weiterhin Atomkraftwerke und hatte sogar die irre Idee, in den Rieselfeldern bei Datteln/Waltrop Kohle nuklear zu verflüssigen. Man vergeudete Milliarden zur Subventionierung von Kohle und Kernkraft. Und setzt immer noch auf entgrenztes, naturschädliches Wirtschafts“wachstum“, auf Konsum und Verschwendung. Samstag sah ich ein T-Shirt mit der Aufschrift „born to shop“!?

    Vierzig Jahre falscher Industriepolitik. In dieser Zeit hätte unsere gesamte Wirtschafts- und Lebensweise ohne soziale Verwerfungen ökologisch umgestaltet werden können. Jetzt tut Eile Not.

  14. Sehr geehrter Herr Stahlbaum,

    aufgrund langer Erfahrung mit Umweltforschung bin ich durchaus der Meinung das es nicht schaden kann auch „Ökos“ pysisch und psychisch durchzuprügeln!

    Aber zurück zum Thema:

    Dieses Bild

    http://www.spiegel.de/images/image-193170-galleryV9-njkp.jpg

    legt das Wirkungsbild einer Knallgasumsetzung nahe. Thermische Effekte sind ganz untergordnet; im Gegensatz zu Reaktor 3:

    http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-65845-3.html

    Hier war zusätzlich zur Knallgasumsetzung der darauf folgende Wärmefluss relativ viel gößer als im Reaktor 1.

    Die Orts-Dosisleistungen sind auch ganz ordentlich:

    http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-65845-12.html

    MfG Karl Müller

  15. Nach dem Super-GAU von Tschernobyl 1986 wurden bis zu einer Million junger Soldaten und Studenten zwangsweise dazu verpflichtet, den Reaktor mit einer Sarkophag-Schutzhülle von der Umwelt abzuschirmen. Diese Menschen wurden dabei verstrahlt, viele erkrankten an Krebs und starben schließlich an den Folgen der Verstrahlung. Deshalb schlage ich hiermit vor, nach der Atomkatastrophe von Fukushima für den Bau einer Schutzhülle um die zerstörten Reaktorblöcke alle Politiker und Atombefürworter dieser Welt, die bisher behaupteten, die Atomkraft sei sicher und weiterhin uneinsichtig AKW betreiben und sogar neue AKW bauen wollen, ebenfalls für diese tödliche Mission in Japan zwangsweise zu verpflichten. Mission impossible? Nein, denn die wirklich Schuldigen werden sich wohl kaum freiwillig für diesen Einsatz zur Verfügung stellen. Wetten, dass es dann endlich eine sichere und AKW-freie Welt ohne Atomkraft gibt?

  16. Von Beginn der Katastrophe am 11.3. sind falsche Prioritäten und gravierende Fehler, die Kühlsysteme im AKW Fukushima wieder in Gang zu bringen, gemacht worden.
    1.)Mit der Verlegung einer neuer Stromleitung wurde erst nach 4 Tagen begonnen.
    2.)Die Hoffnung, die Pumpen hätten das Erdbeben schadlos überstanden, kann sich als naives Wunschdenken herausstellen.
    3.) Die Beschaffung von Hochdruckpumpen und Notstromdiesel innerhalb von 6 Tagen dürfte für ein Industrieland kein Problem sein. Stattdessen dilletantische Versuche, wie in einem Filmszenario, mit Helikoptern und Feuerwehr zu kühlen. Mindestens 90 Tonnen Wasser ist zur Kühlunng der eingelagerten Brennstäbe im Abklingbecken 4 erfoderlich.
    Hoffentlich springen jetzt die Aggretate an! Die 50 tapferen Aufrechten, die die Kühlung wieder in Gang bringen sollen, sind Helden. Wie immer auch die Katastrophe endet.

  17. Zur Info:

    Laut Angaben die mir ein Kollege aus Japan geschickt hat, sind für einen Msespunkt auf dem Werksgelände vom 16.03 als Peak-Belastung ca. 12 Sv/h, abklingend auf 2,4 Sv/h bestimmt worden.
    ( tatsächlich weder my- noch mili-, sondern Sv!

    MfG Karl Müller

  18. @ Karl Müller

    Das wäre das Doppelte der Höchstwerte von Tschernobyl, wo meines Wissens in der Spitze bis zu 6 Sv gemessen wurden. Können Sie mir das Schreiben Ihres Kollegen vielleicht zugänglich machen?

    Gruß, Bronski

  19. Seit einer Woche schauen wir wie gebannt auf Japan. Erdbeben – Flutwelle – Kälte – Verstrahlung. Menschen trauern um Angehörige, viele sind verletzt, Millionen obdachlos, sie frieren, sie hungern. Es mangelt an medizinischer Versorgung, an Decken, an provisorischen Unterkünften, an Nahrung, ja an Trinkwasser. Sie haben Angst. Leben meine Kinder noch? Meine Eltern, Großeltern? Wie geht es meinen Nachbarn und Freunden? Erreichen mich radioaktive Strahlen? Niemand überblickt die Situation. Niemand weiß, wie es weiter geht.
    Die Arbeiter an den Reaktoren opfern ihr Leben, sie wissen das.
    Wer sorgt für ihre erstklassige Gesundheitsversorgung? Wer hilft Ihren Familien? Wer unterstützt sie in der schmerzhaften Leidenszeit bis zum Tod?
    Die Welt bietet Hilfe an. Sie entsendet Spezialkräfte. Diese werden zurück gezogen, da sie nicht helfen können. Auch deren Gesundheit ist gefährdet.
    Wir schauen zu. Wir können nichts machen. Wir sind gebannt von den täglichen Nachrichten, der ständigen Eskalation. Wir sind erschrocken über die Hilflosigkeit der japanischen Behörden, der Betreiberfirma. Wir verstehen nicht, warum es so schwer ist, eine Wasserkühlung zu ersetzen.
    Doch, wir können helfen! Oder ist Globalisierung nur ein Wort für Waren, die um die Welt reisen?
    Einzelne Familien von uns, Gemeinden, z.B. Wolfratshausen in Bayern, machen es vor: Sie nehmen evakuierte Japaner auf, vorübergehend, länger oder kürzer befristet, aber sofort! ganze Familien, Mütter mit Kindern, oder nur Kinder, so wie es die japanischen Familien aus der Not heraus wollen. Wir haben große Häuser, vielfach gibt es Gästezimmer, freie Betten. Jede Schulklasse hat noch Platz für ein paar weitere Kinder. Wir könnten gut 20 Mio Menschen aufnehmen. Niemand müsste deswegen auf etwas verzichten, wir produzieren genug. Unsere Unternehmen würden sich innerhalb kürzester Zeit auf den veränderten Bedarf einstellen.
    Wer macht mit? Hilfsorganisationen, Bürgerinitiativen, Kirchen, Rathäuser, Verwaltungen. Wer sieht sich in der Lage zu koordinieren? Ein Einsatzstab der Bundesregierung? Es geht um die bittere Existenz der Menschen!
    Manche Japaner können einen Teil selbst finanzieren. Andere benötigen finanzielle Hilfe. Hier sind wir als Gesamtheit, als Land mit unserer Regierung gefragt, die Transportmöglichkeiten und die Verteilung auf die Gemeinden zu organisieren, diese wiederum organisieren die Verteilung vor Ort auf die Familien. Den vorübergehenden Aufenthalt bei uns können wir Bürger im Wesentlichen selber tragen. Alles auf freiwilliger Basis!
    Oder können wir nur den Banken helfen? Den Menschen aber nicht?
    Aus dem Nordosten Japans haben insbesondere Mütter mit Kindern Hilfsbedarf, bis die kalte Jahreszeit vorüber geht und Notunterkünfte errichtet sind.
    Aus dem weiteren Umkreis der Reaktoren (bis Tokyo) brauchen die Menschen eine Bleibe, bis die akute Gefahr der direkten Strahlung gebannt ist. Aus dem näheren Umkreis (bis ca. 100 km) müssen die Menschen für viele Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte, abwandern. Sie brauchen eine längere Perspektive, bis sie ihr Leben neu begründen.
    Es wäre ein Beitrag zur Globalisierung: gegenseitige Hilfe, für einander einstehen. Diese unterschiedlichen Kulturen könnten sich intensiv kennen lernen, die japanische und die deutsche. Auch wir würden dadurch profitieren. Wir bekämen einen neuen Blick auf das Wesentliche. Wir könnten stolz sein, zu welcher Leistung wir fähig sind. Ja, einige liebgewonnene Gewohnheiten würden sich für eine gewisse Zeit ändern. Doch dazu wären sind wir bereit, da dies aus der Not der anderen geschähe. Welch eine Erfahrung für unsere Kinder!
    Natürlich, diese Hilfsaktion ist eine Aufgabe für die ganze Welt, wenigstens der hochentwickelten, wie Europa. Doch wollen wir auf die anderen warten? Das Leid der Menschen in Japan steigt rasant an. Wir haben bereits eine Woche vertan. Die anderen Länder folgen nach, wenn Sie sehen, was möglich ist.
    Ja, viele Fragen müssen geklärt werden wie z.B. medizinische und psychologische Hilfe. Wenn wir es wollen, finden wir auch befriedigende Antworten.
    Stellen wir uns vor: wir wären in ähnlicher Weise auf die Hilfe der Welt angewiesen.
    Also: Packen wir’s an! Jetzt! Jeder Tag zählt.

  20. Moin Bronski,

    werde versuchen an ein verifizierbares Messprotokoll zu kommen, kann aber nicht verspreche das mir das gelingt.

    Solche Peakwerte kommen wahrscheinlich durch schwebfähige Nuklidpartikel zustande; aber das ist spekulativ. Ohne die zugehörigen Spektren sollte man Überinterpretationen vermeiden.

    MfG Karl Müller

  21. @Karl Müller,

    ich hielte 12 Sv/h für eher wenig, wenn der Meßpunkt über oder ganz nah am Abklingbecken von Reaktor 4 mit seinen freiliegenden Brennstäben läge.

    Ansonsten wird in der Berichterstattung (wenn die sich überhaupt mal auf ein so relativ konkretes Niveau aufschwingt) Dosis (Einheit Sv) und Dosisleistung (Einheit Sv/h) gern mal durcheinandergebracht… man sieht das ja auch an Bronskis Äußerung über eine Dosis in Tschernobyl als Entgegnung auf ihre Nennung einer Dosisleistung.

    Eine Dosis von 12 Sv wird man nur dann haben, wenn die Dosisleistung von 12 Sv/h eine Stunde lang besteht. Besteht die Dosisleistung von 12 Sv/h für 5 Minuten, und für den Rest der Stunde gibt es keine nennenswerte Strahlung (etwa, weil man (bzw. der Meßpunkt) diese 5 Minuten in einer vorüberziehenden Dampfwolke, die aus dem Reaktor entwich, stand), so ist die empfangene Dosis 1 Sv… und nicht 12 Sv. Daß der Normalbürger so etwas u.U. falsch versteht ist normal, Journalisten allerdings muß man dringend bitten, sich über diese Dinge zu informieren und sie halbwegs zu verstehen, bevor man darüber etwas schreibt.

    Die an verschiedenen Punkten der Anlage gemessenen Dosen (und auch Dosisleistungen) fluktuieren sehr stark, wie man an den veröffentlichten Werten sehen kann. Wen diese interessieren, dem ist die Webseite der Gesellschaft für Reaktorsicherheit zu empfehlen, auf der diese Meßwerte regelmäßig aktualisiert werden, und die daneben noch die offiziellen Zustandsberichte des Betreibers enthält (die „grün/gelb/rot-Tabellen“), sowie weitere Informationen:

    http://www.grs.de/informationen-zur-lage-den-japanischen-kernkraftwerken-fukushima-onagawa-und-tokai

    @Nikolaus Tscheschner, #17

    Ich kann Ihren Beitrag nur unterstreichen. Obwohl man relativ wenig über das Geschehen weiß, genügt dieses wenige schon, sich die Haare zu raufen. Ihren Anmerkungen könnte ich noch einiges hinzufügen:

    a) Das Trockendampfen des Abklingbeckens in Reaktor 4, daß jetzt eine Hauptquelle der Radioaktivität ist und dessen Behebung jetzt höchste Priorität hat, fand zu einem Zeitpunkt statt, als zwar die Lage in den Reaktoren 1-3 schon höchst kritisch war, aber Radioaktivität noch nicht in dem Maße das Gelände unpassierbar machte, daß man sich nicht darum hätte kümmern können. Es ist aber ziemlich klar, was da passierte: Ausgehend von der Tatsache, daß unmittelbar nach Erdbeben/Tsunami die Lage in diesen Becken auch bei ausgefallener Kühlung/Umwälzung/Wasserersatz auf eine gewisse Zeit unkritisch sein würde (bei einer Wassertemperatur von anfangs ca. 30 Grad mit nur allmählicher Verdunstung und anfangs eher langsam ansteigender Erwärmung), „verdrängte“ man dieses Problem offensichtlich bzw. priorisierte man es als so gering, daß man offensichtlich über lange Zeit keinen Handlungsbedarf sah. Die jetzige hochkritische Situation dort war aber absehbar im Sinne: Wenn wir nichts tun, wird sie garantiert eintreten. Zu dem Zeitpunkt waren immerhin noch über 800 Personen in der Anlage, die zur Verhinderung dieses Problems NICHTS getan haben, aber durchaus etwas hätten tun können (die Reaktoren wurden ständig mit Meerwasser vollgepumpt… keiner kann mir einreden, dasselbe hätte man nicht mit den Abklingbecken tun können… Pumpen waren vorhanden, Meerwasser war vorhanden, Bor war vorhanden, und im Gegensatz zu den Reaktoren hat man im Abklingbecken noch den ganz großen Vorteil, daß man nicht gegen einen Innendruck ankämpfen muß wie in den Reaktoren, da die Abklingbecken unter Normalatmosphärendruck stehen… die Schwierigkeit des Vorgangs ist in etwa so hoch, wie ein Schwimmbecken zu befüllen).

    b) Japan wird gemeinhin und mit einigem Recht als Land der Robotertechnik gesehen. Ich hätte hier erwartet, daß gerade für solche Szenarien, in denen eine menschliche Anwesenheit aus Gründen von Hitze, Radioaktivität oder sonstigen Widrigkeiten nicht möglich ist, man entsprechende Maschinen entwickelt hätte, die sich in solchen Umgebungen bewegen können und einigermaßen einfache Tätigkeiten wie Aufklärung, Schläuche verlegen usw. ausführen können, gar nicht mal autonom, sondern ferngesteuert… sowie daß solche Maschinen dann auch vor Ort vorhanden sind bzw. zeitnah herangeschafft werden können. Stattdessen aber wird z.B. Aufklärung dort jetzt so betrieben, daß man von den Amerikanern eine Drohne ausgeliehen bekommt, oder das Leben eines Menschen riskiert wird, der in einem Hubschrauber das Areal überfliegt und mit wackeligen, zitternden Händen eine Kamera hält (mir wird jedesmal schlecht, wenn ich diese Aufnahmen sehe). Hat man dort immer nur Roboter entwickelt, die ein Haustierersatz für alte Menschen sind, oder die (ziemlich vergeblich) versuchen, Fußball zu spielen? In anderen Teilen der Welt sind schon seit mehr als 10 Jahren hochkomplizierte Herzoperationen mithilfe ferngesteuerter Roboterarme möglich, aber hier ist man noch nicht einmal in der Lage, einen unbemannten Hubschrauber so fernzusteuern, daß er einen Wasserbehälter aus niedriger Höhe und einigermaßen zielgenau über einem Reaktor entleeren kann… stattdessen fliegt man bemannt und deshalb 60 Meter höher, d.h. ziemlich wirkungslos.

    Aus Pietäts-Gründen vermeidet man es derzeit verbreitet in den Medien, Kritik an den Japanern zu üben. Was die Vorgänge jenseits der Atom-Anlage angeht, SAR-Aktionen in den Tsunamigebieten o.ä., mag das auch völlig richtig sein. Was Fukushima angeht, hielte ich das jedoch für falsch, Ansatzpunkte für Kritik an der Behandlung der dortigen Vorgänge gibt es schon jetzt m.E. reichlich. Was die Japaner durchmachen müssen, ist wirklich schlimm. In Sachen Fukushima aber werden sie sich Kritik trotzdem gefallen lassen müssen, wenn sie verdient ist. Die Frage scheint nur zu sein, wann der erste in der öffentlichen Diskussion, in den Medien den Mut fasst, es zu tun.

  22. Hallo Herr Wedell,

    darum erwähnte ich ja auch Ort und Dosisleistung über die Zeit.

    Beste Grüße Karl Müller

  23. @ ARGUS
    Wie lange die Castoren dicht sind, weiß niemand. Sollte jedoch auch nur einer defekt werden, wird dieser geöffnet und die abgebrannten Brennstäbe müssen dann entnommen werden und entweder umgepackt oder neu verpackt werden. Dies geschieht in der Pilotkonditionierungsanlage. Sollte eine Verpackung in einem anderen Castorbehälter nicht möglich sein, müssen die Brennstäbe zersägt und der Atommüll in Glas gegossen werden. Der dabei frei werdende gasförmige Atommüll in Form von Krypton 85 wird über den Schornstein abgeblasen. Das Tritium jedoch wird in die Elbe geleitet. Menschen kommen in diesem Konzept als mögliche Geschädigte nicht vor.

    Ich hoffe für Sie, dass sie nie in den Einsatz bei einem Brand im Atomkraftwerk Biblis eingesetzt werden.

  24. zu @ Nikolaus Tscheschner
    die Pumpen sind nicht wegen eines Erdbebens nicht in Betrieb gegangen sondern wegen fehlendem Strom. Vor ich glaube 5 Jahren hat in Schweden auch der Strom gefehlt und da war kein Erdbeben aber die letzte Seite des Sicherheitshandbuches auch schon abgearbeitet.
    Das man heute sagen kann man hätte sich im einen oder anderen Fall anders verhalten sollen hat etwas damit zu tun das es Menschen sind die da entscheiden und bei menschlichen Entscheidungen ist das normal das man anschließend klüger ist, deshalb gehören die Dinger auch abgeschaltet.

  25. zu @ ARGUS
    Ich bin zwar nicht bei der BF aber seit Jahren bei einer FFW. Zu einem Einsatz im AKW Biblis würde ich nur fahren wenn der gesammte Vorstand von RWE mit auf dem Auto sitzt und dann würde ich auch versuchen ein Auto später zu fahren. Die Kameraden aus Japan tun mir leid weil sie nicht für Japan, sondern für Entschuldigung für die Ausdrucksweise, geldgeile Oberschicht verheitzt werden.

  26. Was macht man mit jemandem, der mit offensichtlich gefährlichen Mitteln eine unabsehbare Zahl anderer Menschen mit dem Tod bzw. schweren Verletzungen und Gesundheitsgefährdungen bedroht, vernünftigen und leicht einsichtigen Argumenten nicht zugänglich ist und das eigene Verhalten auch noch in höchst absurder Weise zu rechtfertigen versucht?

    Man entwaffnet ihn, setzt ihn fest und stellt ihn unter dauerhafte polizeiliche, d.h. staatliche Kontrolle.

    Jetzt kommt der logische Schluss:

    Die in Deutschland operierenden Stromkonzerne sind sofort zu verstaatlichen, die Kernkraftwerke so schnell wie auch nur irgend möglich abzuschalten, die Vorstände und Aufsichtsräte jener Konzerne aber so lange festzusetzen, bis sie die Entsorgung des radioaktiven Abfalls und den ungefährlichen Rückbau aller Kernkraftwerke sichergestellt haben; sie haften dafür mit ihrem persönlichen Vermögen.

    Denken macht schlau!!!

    Gruß
    Stephan Steinhoff

  27. Ich danke den meisten der Herren, daß sie mich so umfassend über die Wirkungen und Gegenwirkungen der Gesetze der Atomphysik in den Abläufen nach dem Erdbeben und dem daraus resultierenden Tsunami aufgeklärt haben. Leider vermisse ich immer noch Aufklärung darüber, warum diese Gesetze der Atomphysik nicht mit menschlicher Dummheit, Ignoranz und Hybris korrelieren. Es scheint doch so zu sein, daß das Erdbeben keine Rücksicht auf die Annahme – stärker als 8,2 auf der Scala (und dem daraus resultierenden Tsunami) wird es nicht werden – genommen hat und sämtlichen Wissenschaftlern, Technikern und Vorständen quasi den Stinkefinger gezeigt hat. Auch mit den ganzen Wahrscheinlichkeitsrechnungen bezüglich dem prima „Restrisiko“, daß bei 10.000 Jahren Laufzeit durchschnittlich ein großer Störfall auftritt, kann es meiner Milchmädchenrechnung nach nicht allzuweit her sein, weil bei der Addition aller weltweit betriebenen AKWs und 3 (bekannten) großen Störfällen in Harrisburg, Tschernobyl und jetzt Fukushima seit 1979 irgendwie die Rechnung nicht aufgeht.

    Selbst wenn es den bis dahin hoch verstrahlten – eben die alte Samurai-Mentalität – Feuerwehrleuten und Technikern noch gelänge, den Super-Gau zu verhindern, wären trotzdem die bis jetzt bereits eingetretenen Hinterlassenschaften dieses GRÖSSTEN ANZUNEHMENDEN UNSINNS noch nicht absehbar, außer das vielleicht in Sushi-Lokalen die Fischlein demnächst von selbst leuchten.

    Doch zurück nach Old Germany. Wir haben leider nur Paragraphen gegen Volksverhetzung in unserer Strafgesetzgebung, nicht jedoch gegen Volksverarschung oder Volksverdummung. Eine solche hat ja kürzlich – und sie dauert noch an – durch die Schwarz-Gelben (die Farben der Atomkraft) stattgefunden, oder wie ist die Jonglage mit dem Sicherheitsbegriff durch Mutti Merkel, Sohn Röttgen und Pfälzer Weinkönig Brüderle anders zu erklären? Bin ja mal gespannt, wie lange die Restlaufzeit unserer Volksverblödung – von außen gesteuert aber auch selbst gemacht – noch anhält.

    Übrigens finde ich die Vorschläge, jetzt japanischen Familien hier bei uns ein Zuhause zu bieten, zwar äußerlich human, doch zumindest reichlich naiv, wenn nicht sogar verlogen. Warum bieten wir nicht Menschen aus Haiti (über 200.000 Erdbeben-Opfer), aus der Elfenbeinküste (Bürgerkrieg), oder aus Bangladesh (Menschen vegetieren auf Müllkippen) das Gleiche an? Falsche Hautfarbe? Über Hilfe schwafeln wie unserere Regenten, aber dann die Entwicklungshilfe kürzen und weiterhin innerhalb der EU für Exportsubventionen von Überschüssen plädieren, die dann die Märkte der sog. 3. Welt ruinieren – gäbe es ein „summa cum laude“ für Heuchlertum, da müßte es hierfür verliehen werden.

    Um noch etwas Positives zu schreiben: Wenn wir von Brückentechnologie reden, dann könnten dies Gaskraftwerke sein, regional mit Biogas und überregional als Großkraftwerke. Allerdings soweit irgend möglich gekoppelt mit Wärmeerzeugung, also die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung. Die Brücke mit der Atomkraft führt jedenfalls nicht zu den erneuerbaren Energien, sondern ins Nirvana (wenn nicht die Brückenpfeiler schon verher einstürzen). Lt. einer – selbstverständlich von den Atom-Freaks bestrittenen – Greenpeace Studie, hier der Link: http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/atomkraft/Atomsubventionsstudie_Update_2010_01.pdf
    wird Atomstrom mit 4,3 ct. pro KWh subventioniert, erneuerbare Energien aber nur mit rund 2,0 ct. Würden wir also umschalten, wäre langfristig noch Geld einzusparen, mittelfristig wäre es wohl aufgrund von Investitionen in Netze und Speicher eher eine Pari-Situation.

    Ich verstehe nicht, warum wir (gut, nicht alle, aber immer noch zu viele) um das Goldene Kalb Atomkraft herumtanzen, und nach wie vor Visionen und Phantasien sich z.B. auf die Kernfusion richten. Ich schaue gerade auf den größten Fusionsreaktor, den ich kenne, auf unsere Sonne. In einem Land, in dem kluge Köpfe in den letzen 100 Jahren viele kluge Sachen entwickelt haben (wovon die meisten dann im Ausland gebaut wurden) müßte es doch möglich sein, die Brücke ins Windkraft- und Solarzeitalter recht kurz zu halten.

  28. Zwei Anmerkungen:

    1. Es scheint manchmal so, als sei es auf der Welt nur 2x zu größeren Problemen beim Betrieb von AKW und/oder Aufbereitungsanlagen gekommen. Schließlich fallen meistens nur die Namen Harrisburg (Three Mile Island) und Tschernobyl. Erinnert sich keiner der älteren Blogger an Sellafield (Windscale)? [1]

    2. Die engagierte Pro-Kernkraft-Mitbloggerin Katja Wolf [2] ist auffällig verstummt. Mich würde (ernsthaft) interessieren, ob die jüngsten Ereignisse bei ihr einen Umdenkungsprozess ausgelöst haben.

    [1] Die Benutzung einer handelsüblichen Internet-Suchmaschine hilft weiter.
    [2] Z.B. in den Threads:
    Störfall Atomenergie (2) 15. August 2008
    Wir müssen Schluss machen mit der Plutoniumwirtschaft 3. September 2009
    Die CDU als grüne Partei? 12. Februar 2010
    Der Vertrag ist längst gekündigt 25. Juni 2010
    Kreativität ist gefragt 21. Oktober 2010

  29. Im Umfeld von Sellafield war eine signifikante Erhöhung von Krebserkrankten Kindern festzustellen. Wurde aber immer vom Betreiber geleugnet. In Amerika kam es auch schon zu einem ernsthaften Störfall, dort wurde (meiner Erinnerung nach) eine begonnene KEttenreaktion wieder in den Griff bekommen.

    Es wird auch immer erzählt, die deutschen AKW seien sicher. Ich möchte mal das Szenario in den Raum werfen, was wohl wäre, wenn ein vollgetankter Airbus A380, der über Biblis hinweg startet, in das AKW stürzen würde ?

    Zu der Zeit, zu der Biblis geplant wurde, hatte das schwerste Verkehrsflugzeug der damaligen Zeit gerade mal 65% des Gewichtes eines A380, und nur 35% des mitgeführten Kerosins.

    Wer will mir hier erzählen, das Szenario sei eingeplant ?

  30. Gegenwärtig wird erneut und sehr zu Recht an die vielen tausend Tschernobyl-Opfer gedacht. Fünf Jahre nach dem dortigen GAU sagte der Kernphysiker Hans Wolfgang Levy im Januar 1991 vor dem Deutschen Atomforum wörtlich: „Es sei daran erinnert, dass in keinem Einzelfall festgestellt werden kann, ob eine bösartige Erkrankung auf die Strahlenexposition zurückzuführen ist oder auf eine der zahllosen anderen möglichen Ursachen.“ Levy, von 1976 bis 1981 Vorsitzender der Kerntechnischen Gesellschaft, hat diese Aussage auf meine Anfrage hin viele Jahre später bestätigt. Er war davon immer noch überzeugt.

  31. Wenn die Atomkraft-Staatssekretärin feststellt: „Bisher war es so, dass man das Unwahrscheinliche nicht für wahrscheinlich erklärt hat. Wir haben aber gelernt, dass das Unwahrscheinliche doch wahrscheinlich ist“, dann hat sie wohl in Mathematik nicht aufgepasst. Wenn etwas z.B. in 1:1000 Jahren passiert, dann passiert es eben 1 Mal während und nicht erst in 1000 Jahren; also heute, morgen oder im Jahre 2111. Vielleicht sollte A. Schavan künftig vor (!) der Kabinettsitzung in Berlin Nachhilfe-Stunden geben.

  32. Sehr geehrter Herr Dr. Rolof,

    nach dem strengen Maßstab der naturwiss. Kausalitätsprüfung ist diese Feststellung allgemein richtig.

    Das hat weniger mit „Überzeugung“ zu tun,als mit der Schwierigkeit im Einzelfall den, oder die auslösenden Faktoren hinreichend genau nachweisen zu können.

    MfG Karl Müller

  33. Wo bleiben die AKW – Betreiber?
    Tagelang immer schlimmere Nachrichten über Fukushima. Fast jeder „öffentliche“ Mensch Amt äussert sich. Nur von den Vorständen und Aufsichtsräten der AKW in unserem Land kein eiziges Wort. Weil ich selbiges vermisste, fagte ich bei Zeitungens- und Fernsehredaktionen an. Gleichlautende Antwort der AKW-Betreiben an fragende Redaktionen (sinngemäss): „Wir sagen nichts. Fragen Sie bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) nach“. Also fast zwei Wochen nichts als Schweigen von Menschen, die ein unermessliches Risiko verwalten. Plötzlich melden jene sich doch:, aber nicht zu den Sorgen der Menschen im Land, sondern weil sie um ihre Profite fürchten: „Wir lassen prüfen, wie wir Ersatzansprüche für die Meilerabschaltungen durchsetzen können?“
    Solchen Menschen mit solchen Sorgen sollen wir das Atomrisiko überlassen? Mich graust es bei solchen Aussichten.

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