Die männerbündlerischen Geister um Kardinal Rainer Maria Woelki

Im Erzbistum Köln gab es ein System des Wegschauens, Vertuschens und Bagatellisierens im Umgang mit zahlreichen Missbrauchsfällen. Dies geht aus einem Rechtsgutachten der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hervor, die sich im Auftrag des Erzbistums mit den Missbrauchsfällen befasst hat. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki entschied allerdings kurzerhand, dieses Gutachten nicht zu veröffentlichen, und gab ein zweites bei anderen Rechtsgelehrten in Auftrag. Das trug den Kölnern und der katholischen Kirche eine Austrittswelle sondergleichen ein. Das Amtsgericht Köln sah sich gezwungen, ab 1. März 500 weitere Online-Termine monatlich für Austrittswillige bereitzustellen. Die 1000 Termine, die ohnehin monatlich dafür zur Verfügung gestellt wurden, haben nicht mehr gereicht.

woelki 2Dicke Luft in Dom und Erzbistum! Während die Mehrheit der deutschen Bischöfe (Erzbischöfe sind mitgemeint) durchaus die Verständigung suchen und den „Synodalen Weg“ vorsichtiger Reformen der Kirche unterstützen, geben sich die Konservativen unter den Kirchenfürsten gewohnt hartleibig, als wollten sie den Gläubigen wieder und wieder nur bestätigen, dass die Kirche nicht reformierbar ist. Das zeigte sich kürzlich auch in einem anderen Zusammenhang: Die Glaubenskongregation des Vatikan hatte am 15. März festgestellt, dass die Kirche nicht befugt sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Dieses Schreiben wurde mit Zustimmung von Papst Franziskus veröffentlicht. Die Folge war ein breiter Proteststurm innerhalb von Teilen der Kirche in Deutschland, wo solche Segnungen, abhängig von den jeweiligen Führungspersonen in den Bistümern, vielfach längst die Regel sind.

Diese Dinge – Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hier, unterdrückerische Praktiken im Umgang mit Sexualität da – haben nur scheinbar nichts miteinander zu tun. Der Leiter der Glaubenskongregation ist Kardinalpräfekt Luis Ladaria, ein Jesuit, der von Papst Benedict XVI. (man nennt ihn auch Joseph Aloisius Ratzinger) auf den Posten des Sekretärs der Glaubenskongregation gehievt wurde, gewissermaßen also auf das Sprungbrett an die Spitze der Kongregation. Ladaria ist Ratzingers Mann (nicht sexuell gemeint): jovial, scheinbar zugewandt – und erzkonservativ wie Ratzinger selbst, der Ladarias Amt von 1982 bis 2005 innegehabt hatte. Es ist eines der mächtigsten Ämter der katholischen Kirche. Die Glaubenskongregation ging aus der Inquisition hervor. Ladaria, der von Mallorca stammt, stand im Zusammenhang mit Missbrauch in Lyon vor Gericht. Er soll, wie die „Mallorca Zeitung“ berichtete, Kardinal Barbarin nicht angewiesen haben, die Fälle anzuzeigen. Stattdessen habe er einen Brief geschrieben, in dem er Barbarin lediglich empfahl, „angemessene disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen und gleichzeitig einen öffentlichen Skandal zu vermeiden“. Das soll sich im Jahr 2007 zugetragen haben.

Mit anderen Worten: Ladaria steht für dasselbe System Kirche, das unter dem 2017 verstorbenen Kardinal Joachim Meisner auch in Köln grassierte. Offenbar muss man davon ausgehen, dass Ladarias Schreiben an Barbarin so etwas wie eine Standardantwort im Umgang mit solchen Missbrauchsfällen war (ist?): Wegschauen, Vertuschen, Bagatellisieren!

Das WSW-Gutachten hat seinen Fokus auf eben dieses System Kirche gerichtet und kommt zu klaren, aber nicht überraschenden Einsichten. Wagenburgmentalität wird der Kirche da attestiert, Männerbündelei. Die hierarchischen Strukturen der Kirche brächten defizitäre Typen in Leitungsfunktionen und ließen Angst und Konfliktvermeidung zum bestimmenden Handlungsmotiv werden. FR-Autor Joachim Frank dröselt dies alles in seinem Artikel Mit den Augen der Betroffenen sehr nachvollziehbar auf. Er kommt zu dem Schluss: Das umfangreiche zweite Gutachten des Strafrechtlers Björn Gehrcke sei gut dazu geeignet, Personen zu benennen, die sich individuell schuldig gemacht haben. Das System jedoch, in dem es möglich wurde, dass solche Schuld entstehen konnte, bleibt aus dieser Perspektive außen vor. Ein bisschen platter formuliert: Man führt uns Sündenböcke vor, aber die Frage bleibt ungeklärt, wie es dazu kam, dass diese Herren zu Sündenböcken wurden.

Balken 4Mit diesem Kardinal gibt es keine Erneuerung

Ein äußerst prägnanter Artikel, der mit großer Sachkenntnis die Unterschiede der beiden Gutachten zum Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche gegenüberstellt und die Konsequenzen verdeutlicht.
Nun wird auch klar, was Kardinal Woelki veranlasst, das erste Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl zu diskreditieren. Darin werden die Missbrauchsfälle nämlich nicht als bedauerliche Einzelfälle betrachtet, sondern als systemisches Versagen bewertet. Mit dieser Perspektive ließe sich nicht mit dem Finger auf einzelne (bereits verblichene) Personen deuten, wovor der Limburger Bischof Bätzing gewarnt hat und wie es der narzisstisch zerknirschte Kardinal Woelki an Hand des zweiten Gutachtens nun versucht, man müsste sich dem strukturellen Übel zuwenden. Daran sind aber die männerbündlerischen, fernab des heutigen Lebens stehenden Geister um Woelki nicht interessiert.
Es tut weh, mitanzusehen, wie der Personenkreis um den „Synodalen Weg“ an einer zukunftsfähigen Entwicklung von innen heraus arbeitet, während Ewiggestrige, nicht im Hier und Jetzt angesiedelt und vom Vatikan mit Macht unterfüttert, mit Zähnen und Klauen ihre Pfründe verteidigen. Von Woelki ist jedenfalls nicht zu erwarten, was er in die Mikrofone spricht. Mit ihm und seinesgleichen wird es keine grundlegende, den Betroffenen gerecht werdende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle geben; und erst recht keine Erneuerung.

Detlef Klöckner, Frankfurt

fr-debatteLassen wir uns wirklich hinter die Laterne führen?

Die frisch zu erwartenden Kommentierungen in der FR zu „Kölnwoelki, Neues aus dem „Bisstum“ machen mich neugierig und es drängt mich sofort, Kardinal Woelki „herzerfrischend“ zu kontern. ( von „geisteserfrischend“ traue ich mich aus respektablen Gründen zu Andersdenkenden nicht zu schreiben )
Ich bin sicher, dass seine Botschaft aus „Kölle am Rhin“ sich für die unausweichlich nachkarnevalistische Erbfolge einschunkeln wird. Zitat von R.M. Woelki: „Die Probleme würden auch nach meinem Rücktritt bleiben.“ Und was jetzt? R.M. Woelki denkt sich das schön. Er habe Anspruch auf Freispruch, bleibe juristisch unbescholten und: Wir bleiben im Amt! Alles halb so schlimm, der Dom bleibt stehen, der Vatikan will es auch so sehen.
Man ist versucht, diese peinliche „Selbstdemontage“ gut zu finden, aber wie geht es nach dieser Vorstellung seiner Glaubensgemeinschaft, die sich einem fundamentalen Widerspruch zwischen Moralempfinden und Rechtsempfinden ausgesetzt sieht? Hat der Hirte seine Herde verlassen? Das darf er nur, wenn die Schafe zu Wölfen würden!
Kann es sein , dass wir uns so elementar hinter die Laterne führen lassen? Diese Selbststilisierung zum unersetzlichen „Kirchenfürsten“ ist nur noch peinlich. Da helfen auch keine pflichtgemäß nachgeschobenen Mitleidsbekundungen an die Opfer! Man muss nur die diesbezüglichen Redeanteile an den gesamten Ein- und Auslassungen in den Blick nehmen, dann erkennt man sofort, dass sein Augenmerk sich selber gilt.
Wir alle brauchen allen Mut zum adäquaten Handeln, diese Art von Weihrauch benebelt, aber macht es uns zufriedener, etwas glücklicher? Wir stellen doch ständig Fragen an unsere Zukunft. Nur, sie hat uns noch nie geantwortet, die Antworten müssen wir uns schon selber geben, erarbeiten.

Heinz-A. Hetschold, Witten

fr-debatteGute Gründe, der Kirche treu zu bleiben

Kirchenaustritte nehmen in den westlichen Industrieländern zu. Dies erfolgt gerade dort, wo der materielle Wohlstand am größten ist. Die Missbrauchsskandale der Vergangenheit, deren strukturelle Vertuschung, der Zölibat, die Stellung der Frau, unwissenschaftliche Erzählungen über die historische Rolle der Kirche und die Kirchensteuer werden oft als Begründung angeführt. Läufen die Mitglieder den Kirchen bald in Scharen davon? Gute Gründe sprechen dafür, diese Gemeinschaft nicht zu verlassen. Einer ist dieser:
Die 1,2 Milliarden Menschen umfassende und weltweit wachsende Katholische Kirche ist von ihrem Wesenskern antirassistisch und menschenfreundlich. Sie ist damit etwas Einzigartiges in der Welt. Jeder Mensch kann teilnehmen. Die Kirche weist uns darauf hin, dass jedes Leben zählt und niemand Sklave sein soll. Die Deutschen sollten auch wegen ihrer verunglückten Historie sich besonders angesprochen fühlen. 1940, als sie es zuließen, dass hier das kirchenferne NS-Regime menschenverachtenden Terror ausübte, schrieb Albert Einstein im times magazine: „Nur die Katholische Kirche protestierte gegen den Angriff Hitlers auf die Freiheit und Menschenrechte. Ich hatte nie ein besonderes Interesse an der Kirche, jetzt aber fühle ich eine große Liebe und Bewunderung für sie.“
Materialismus und Geschichtsvergessenheit sind die Hauptursache der Kirchenaustritte. Die Sklaven von einst sind die Klügeren von heute. In ihren Ländern steigen die Mitgliederzahlen. Gründe auf sie mit Überheblichkeit zu schauen, wie es in der Vergangenheit üblich war, gibt es nicht. Die Weisheit und Herzensgüte von Albert Einstein können die Austretenden in den reichen Industriestaaten nicht für sich in Anspruch nehmen. Es gibt weiter gute Gründe, der Kirche treu zu bleiben und die Liebe zu ihr mit Albert Einstein und vielen Katholiken weltweit zu teilen.

Lüder Stipulkowski, Dörverden

fr-debatteIst’s eine Komödie? Eher wohl eine Tragödie!

Der Angeklagte ist Herr des Verfahrens. Er, nicht der Richter – wer ist das in diesem Fall eigentlich? – bestimmt den/ die Gutachter, entscheidet (vgl. Helmut Ortner, FR 30/31.01.2021, S. 25), welche Akten die Gutachter zur Verfügung gestellt bekommen und was in diesen Gut-achten wiederum getilgt wird, hält sodann das Gutachten selbst unter Verschluß, wenn es ihm nicht in den Kram paßt, und gibt ein neues Gutachten unter denselben Kautelen an eine ihm mutmaßlich genehmere Kanzlei in Auftrag.
Es erinnert dies an Heinrich von Kleists Komödie „Der zerbrochene Krug“, in dem der „Dorfrichter Adam“ den Prozeß zur Klage einer jungen Frau gegen einen Mann führt, der nachts bei ihr „fenstern“ ging, dabei aber an einem Tisch mit einem Krug stolperte mit der Folge, daß der Krug mit lautem Gepolter zu Boden fiel und zerbrach, was den „Fensterer“ zum Abbruch seines Vorhabens zwang. – Das Ergebnis des Prozesses ist bekannt: der „Fensterer“ war kein anderer als der Dorfrichter Adam höchst persönlich selbst.
Nun gibt es sicher zwei Unterschiede zum Skandal im Erzbistum Köln und, wie wohl anzunehmen ist, nicht nur in diesem: Der Kardinal dieses Bistums ging gewiß nicht „fenstern“, und die Art, wie er das Verfahren – wie lange noch? – in Händen hat und hält, ist keine Komödie, sondern eher eine Tragödie, bestenfalls eine Tragik-Komödie.
Doch woran liegt’s? Haben wir in unserem Grundgesetz nicht eine konsequente Trennung von Staat und Kirche? Ich bin kein Jurist, ich kann es letztlich nicht beurteilen, aber es wird gesagt, es gebe da noch Restbestände des Konkordats, das der seinerzeitige Apostolische Nuntius Eugenio Pacelli, der nachmalige Papst Pius XII., 1933 mit Hitler abschloß und das, so ist also anzunehmen, den Kirchen noch immer eine gewisse Jurisdiktion/ eigenständige Gerichtsbarkeit auch in weltlichen Dingen einräumt.
Ein Beispiel: Eine vom Staat NRW finanziell getragene, aber von der Katholischen Kirche geführte, im Erzbistum Köln gelegene Klinik entläßt ihren Chefchirurgen, weil er sich scheiden ließ und ein zweites Mal heirate, was bekanntlich dem „heiligen Sakrament der Ehe“ zuwider ist. Nun – der Chefchirurg musste bis zum EuGH gehen, um das Erzbistum mit Erfolg auf eine Entschädigung in Millionenhöhe zu verklagen. – Und was den in die Tausende gehenden sexuellen Kindesmissbrauch seitens der Zölibatäre anbelangt: Meines Wissens wurde noch kein einziger Strafprozeß gegen auch nur einen dieser Kleriker geführt. Wie es anders geht und gehen muss, zeigen die Vorkommnisse in Bergisch-Gladbach etc.
Konsequente Trennung von Staat und Kirche? Bereits die „heilige“ (sic!) Maria Theresia, Zeitgenossin Friedrichs des Großen, hat dem Klerus die Gerichtsbarkeit entzogen und ihn der staatlichen/ weltlichen Justiz unterstellt, was in der vormaligen KuK-Monarchie in der Realität sicher nicht vollständig gelang, aber – im 20. und 21. Jahrhundert? in einer westlichen Demokratie! Es wird höchste Zeit für das Zustandekommen der für eine Grundgesetz-Änderung nötigen Zweidrittel-Mehrheit.

Manfred Wetzel, Agathenburg

fr-debatteEine dem Evangelium angemessene Kirche

Wolfgang Thierse geht an die Wurzel des Problems, wenn er fordert, die katholische Kirche müsse „eine dem Evangelium … angemessene Kirche“ werden. Das ursprüngliche Evangelium vom Reich Gottes (Mk 1,15), in dem Barmherzigkeit gelebt wird unter einem barmherzigen Gott (Lk 6,36), wurde bereits in der Zeit der Entstehung des Neuen Testaments überlagert von jesuswidrigen Traditionen. Die Opfertheologie, von Jesus heftig bekämpft (Mk 11, 15-17), machte ausgerechnet Jesus zum Opferlamm für die Sünden aller Welt, das einen zürnenden Gott besänftigen soll (Joh 1,29). Paulus ersetzte die Hoffnung auf das innerweltliche Reich des barmherzigen Gottes (Lk 17,20f) durch die Hoffnung auf eine neue Welt nach Tod und Auferstehung der Gläubigen (1, Kor 15, 12-19). Damit erspart sich Paulus als privilegierter römischer Bürger (Apg 25, 11f) den Konflikt, der zwangsläufig zwischen dem Bau am Reich des barmherzigen Gottes und der römischen Gewaltherrschaft entsteht (Mk 10, 42-44). Im krassen Widerspruch zur Kritik Jesu am Machtmissbrauch führte die paulinische Anpassung zur christlichen Vergottung der Gewaltherrscher (Röm 13, 1-7). Diese wurde auch von Luther übernommen zur Anpassung der Reformation an den Feudalismus seiner Zeit und ermöglichte, dass Hitler konfessionsübergreifend als von Gott gesandter Führer bejubelt wurde. An die Stelle des barmherzigen Vaters (Lk 15,11ff) war die alte Gottesvorstellung vom Despoten getreten, der sein böses Volk klein halten muss (1. Mose 11, 1-9). Bezeichnend erscheint, dass sich katholische Priester bei ihrer Weihe bäuchlings niederwerfen müssen. Dieser scheinbar gute Unterwerfungszwang findet dann eben auch beim Missbrauch statt. Die dominante Funktion von Röm 13 im Luthertum führt dazu, dass dort Missbrauch ebenso vorkommt. Es wird für beide Kirchen ein hartes Stück Arbeit werden, den aufgekommenen jesuswidrigen Traditionen abzusagen, zur Verkündigung und Praxis des Reichs des barmherzigen Gottes zurückzukehren und so endlich anzukommen in der freiheitlichen Demokratie. Dies gilt auch in der Debatte um das Verfassungsgrundrecht auf selbstbestimmtes Sterben für schwerst Leidende.

Friedrich Gehring, Backnang

fr-debatteIst das zu viel verlangt

Wieder kommen aus dem kleinsten Staat in Europa unsägliche, widerwärtige Noten. Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns endlich Taten sehen. Die Kirchenaustritte vieler „Kulturgläubigen“ und Einsichtigen bilden einen guten Anfang, mögen es immer mehr werden. Worte und Gebete? Kein einziges Gebet des aktuellen „Generalsekretärs“ oder seiner Vorgänger hat auch nur einen einzigen Krieg oder eine Pandemie verhindert oder beendet. Deshalb: Wendet Euch ab von Religionen und unterdrückenden sakralen Normen, die das Menschliche vergessen. Fördert Humanität und Wahrheit. Nimmt in Euch auf, was die fünf Sinne offenbaren, und entdeckt Euren persönlichen Geistesumfang. Macht Museen aus den Kirchen, aus Priester/innen gute Sozialarbeiter/innen und –psychologen/innen. Gebt allen Menschen Wasser und Brot, ein Dach über den Kopf und jedem ein Geheimnis, bei dessen Erforschung er große Freude erfahren kann. Stellt den Menschen, alle Farben und Gattungen, in die Mitte Eures Tuns und anerkennt die All/-Übermacht der Natur. Zerstört alle unnötigen Waffen und sonstige Kampfmittel. Nehmt Euch in die Arme und schafft grenzüberschreitend endlich Frieden. Am…!?“ Ende des Briefes. Ist das zu viel verlangt?

Uwe Thoms, Frankfurt

fr-debatteWie verdienen die Kirchen ihre Sonderstellung?

Es gibt in Deutschland politische Parteien mit dem Adjektiv christlich im Namen, deren Vertreter immer wieder dadurch auffallen, dass sie Schwarzgelder annehmen (Kohl, Schäuble), fremdenfeindliche Kampagnen und angebliche jüdische Vermächtnisse erfinden (Dregger, Koch), die sich in Krisenzeiten per Amtsmissbrauch persönlich bereichern (Nüsslein, Löbel usw. ) oder dafür sorgen, dass tausende systemrelevante Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Pflege ihre Arbeit nicht nach angemessenen Tarifen bezahlt werden.
Wenn Fraktionsmitglieder, die einer angeblich christlich orientierten Partei angehören und die als solche zu Vertreterinnen und Vertretern gewählt worden sind, eine Ehrenerklärung abgeben müssen, um zu beweisen, dass sie moralisch unangreifbar sind, muss gefragt werden, wofür „christlich“ überhaupt noch steht.
Solange die Ev. Kirche und die Kath. Kirche in Deutschland, als Vertreterinnen der großen christlichen Glaubensgemeinschaften, hier nicht laut aufschreien und den o.g. Politikerinnen und Politikern den Deckmantel des angeblich christlichen Tuns wegreißen, dulden sie deren Verhalten und tragen mit dazu bei, dass die Anzahl der zahlenden und schlafenden Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaften zu Recht stetig geringer wird.
Aber auch der Umgang mit jeder Art von Missbrauch, den Amtsträger christlicher Kirchen gegenüber den ihnen Anvertrauten verüben, grenzt deutlich an Vertuschung von Straftaten, die ausnahmslos – genauso wie jeder verübte Missbrauch selbst – vor die weltlichen Gerichte gehört.
Wenn die bisherige Praxis durch die Sonderstellung dieser Kirchen durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gedeckt wird, so machen sich daran alle schuldig, die einer entsprechenden Grundgesetz-Änderung im Wege stehen.
Welche politische Partei wird es wagen, eine solche Grundgesetz-Änderung zu beantragen, die endlich eine saubere Trennung von Staat und Kirche besiegelt? Was muss passieren, damit die unter dem Deckmantel des Christentums begangenen Straftaten endlich öffentlich be- und verhandelt werden können?

Wolfgang Dietz, Mörfelden-Walldorf

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