Kürzlich hat Bundespräsident Köhler seine „Berliner Rede“ gehalten, in der er davon sprach, dass Wohlstand in anderen Ländern dazu führen werden, dass der Wohlstand bei uns wachse. Da ist das Zauberwort wieder: Wachstum. Das Credo aller Wirtschaftsweisen und -politiker: Die Wirtschaft muss wachsen. Manchmal hat man den Eindruck: um jeden Preis! Denn nur eine wachsende Wirtschaft produziert nach dieser Diktion Nachfrage und Arbeitsplätze. Die Ansammlung von Reichtum sei eine Triebkraft des Menschen. Es gab verschiedene Versuche, diese egoistischen Antriebe nützlich fürs Gemeinwohl zu machen. In letzter Zeit steht das Gemeinwohl allerdings deutlich hinter dem Eigennutz zurück: In vielen Industrieländern, so auch bei uns, sind in den vergangenen Jahren wenige sehr viel reicher geworden und viele sehr viel ärmer. Das nennt man Umverteilung. Fortschritt, wenn man so will. Und/oder Wachstum.

Doch Wachstum lässt sich nicht zwangsläufig unendlich fortsetzen, es sei denn, man ließe mal Kreativität walten. Die Netz-Detektive haben am Beispiel der Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Öl bereits – in sehr globaler Form – herausgearbeitet, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Ein anderer Faktor setzt dem Wachstum noch ganz andere Grenzen. Dieser Faktor heißt „Wasser“. 

Wasser ist das kostbarste Gut der Erde. Alles Leben beruht auf Wasser. Im Wasser entstand das Leben auf unserem Globus und sorgte durch Photosynthese dafür, dass sich Sauerstoff in der Atmosphäre anreicherte – die Voraussetzung für höheres Leben. Bei uns sprudelt es reichlich aus den Hähnen, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hierzulande der Grundwasserspiegel sinkt – Stichwort Versiegelung der Landschaft; Flüsse sind über Jahrzehnte hinweg zu Rennstrecken für abfließendes Oberflächenwasser  geworden – und dass die Wasserqualität abnimmt. Industrie und Landwirtschaft sind verantwortlich für gesundheitsschädliche Rückstände in unserem Wasser. Selbst tiefe Mineralwasserquellen sind mittlerweile nicht mehr sicher vor einsickernden Stoffen wie beispielsweise Nitrat; und wo Nitrat ist, da ist auch das krebserregende Nitrit. Pestitzide, Schwermetalle – die Liste der schädlichen Stoffe in unserem Wasser ist lang. Auch wenn es bei uns keinen Mangel am Grundstoff selbst gibt, lässt die Qualität vielerorts mittlerweile schwer zu wünschen übrig.

Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was in anderen Teilen der Welt vor sich geht. Nach Informationen des WWF haben weltweit vier Milliarden Menschen nur ungenügenden oder keinen Zugang zu sauberem Wasser. Während die Weltbevölkerung wächst (aktuell gut 6,7 Miliarden), nimmt die landwirtschaftlich nutzbare Fläche permanent ab: Jährlich gehen 12 Millionen Hektar fruchtbarer Boden verloren. Eine Fläche, die einem Drittel der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Das Stichwort lautet „Desertifikation„. Ursache: der Mensch und die Art, wie er Flächen nutzt.

Die Folge: Wasser ist bereits heute vielerorts ein knappes Gut.  Nicht nur auf Mallorca, das Wasser vom spanischen Festland importieren muss, damit die Touristen duschen können und nicht auf ihren von zu Hause gewohnten Umgang mit Wasser verzichten müssen. Diese Luxuserscheinungen treten in den Hintergrund vor der Situation in Ländern wie dem Tschad. Der Tschad-See, 1960 noch eine Fläche umfassend, die NRW gleichkam, erreicht heute in trockenen Jahren nur noch die Größe der Stadt Berlin. Und das bei einer Tiefe von etwa 1,5 Metern. Nur so als Beispiel. Es gäbe noch viel mehr.

Wasser ist ein kostbares Gut – kostbarer als Gold, sagen manche. Wir reden meist vom Öl als Wachstumsfaktor, doch Wasser ist mindestens genauso wichtig. Beide Ressourcen sind begrenzt. Öl ist für unsere Wirtschaft wichtig, Wasser jedoch fürs nackte Überleben. Was ist wohl wichtiger? Da mag Horst Köhler noch so eindringlich vom Wachstum als Quelle der Prosperität sprechen. Höchste Zeit, dieses Credo zu hinterfragen.

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4 Kommentare zu “Wachstum? Knappheit!

  1. Ach, der Herr Bundespräsident! Ist das nicht entlarvend, wenn für ihn die Hauptbedeutung des wachsenden Wohlstands in anderen Ländern ein damit verbundener Rückkopplungseffekt nach Deutschland zu sein scheint? Ein bisschen weniger Eigennutz würde unserem Repräsentanten gut zu Gesicht stehen. Er sollte sich daher auch fragen, was wir ANDEREN Gutes tun können. Es wäre für Herrn Köhler der Mühe Wert und sicher fruchtbarer, sich zu überlegen was die deutsche Politik dazu beitragen kann um den Wohlstand anderer bzw. aller zu mehren, anstatt sich Plattitüden für seine abendfüllenden Reden zu überlegen. Ein kleiner Tipp: Waffenexporte, Kriege um Rohstoffe und die Beibehaltung von Agrarsubventionen zählen nicht dazu.

  2. Definieren wir doch endlich einmal „Wohlstand“! Ist es Wohlstand, 1x jährlich nach Mallorca oder Südspanien zu fliegen, schon beim Flug die Umwelt zu schädigen, und dann den Menschen dort das Wasser wegzunehmen, durch 2x tägliches Duschen usw.? Wenn wir Südfrüchte und Paprika aus Spanien kaufen, welches in Agro-Fabriken unter Plastikplanen angebaut wurde, und mit immensem Wasserverbrauch, um nicht zu sagen, Wasserverschleuderung, zur Reife gebracht wurde
    – gehört dies zu unserem Wohlstand? Wenn Stadtväter in Berlin, Stuttgart, oder auch im Ausland, siehe London, ihre Wasserversorgung privatisieren, um kurzfristig Geld in die Stadtkasse zu spülen, aber langfristig dann zu höheren Preisen eine schlechtere Versorgung zu erhalten – ist dies Wohlstand?
    Wenn wir hemmungslos Felder düngen, spritzen, bewässern, um auf „Teufel komm raus“ unsere Agrarprodukte zu erzeugen, und die Wasserwerker nicht mehr nachkommen mit Klären des Abwassers und Filtern des Grund- und sehr oft auch Oberflächen-Wassers – wird dies alles dem Götzen „Wohlstand“ geopfert?

    Hier möchte ich wieder meine beiden Lieblingsbegriffe „Folgenabschätzung“ und „Nachhaltigkeit“ anbringen, die nicht voneinander getrennt werden können. Wie beim Erdöl, der anderen, auch, aber weniger kostbaren Ressource, ist auch beim Wasser zu fragen: Wieviel davon gibt der Boden her? Wieviel füllt sich auf? Was kann entnommen werden, ohne die Reservoire zu schwächen? Wie verhindere ich, daß Chemie im Abwasser landet, welche ich nicht mehr heraus filtern kann, wie z.B. die mit dem Frauen-Urin ausgeschiedenen Hormone, also hier Östrogen? Dies ist nur ein Stoff unter Tausenden von Medikamenten, deren Reste über die Toiletten „entsorgt“ werden. Auf welche Inhaltsstoffe wird unser Trinkwasser überhaupt kontrolliert und was taugen Grenzwerte oder wie willkürlich werden diese gehandhabt, wie z.B. bei der Nitrat-Belastung in Weinbau-Gemeinden? Was ist mit der Gülle-Belastung in Niedersachsen rund um Oldenburg, wo Millionen von Hühnern und Schweinen Tausende von Hektolitern Gülle produzieren, die irgendwann im Grundwasser landet? Wie fahrlässig wird in deutschen Haushalten mit der Verseuchung von Abwasser umgegangen, wenn auf Firmengeländen Ölpfützen mit dem Hochdruck-Reiniger weggespritzt werden oder in Haushalten Reste aus Öl- und sonstigen Flaschen über den Abfluß entsorgt werden? Üblicherweise kontrollieren unsere Wasserwerke nur auf ca. 1000 chem. Stoffe, inwieweit diese im Trinkwasser – unter Einhaltung der Grenzwerte – erscheinen; und all die Anderen?

    Und wir können uns noch glücklich schätzen, das wir in der Regel das Nass, welches aus unseren Wasserhähnen läuft, auch bedenkenlos trinken können – im Gegensatz zu der trüben Brühe, welche in der 3. Welt aus den Hähnen tropft, wenn überhaupt. Aber dies ist wieder ein anderes Thema.

  3. Während der letzten Dekaden ist in vielen sog. Entwicklungsländern weltweit eine massive Migrationsbewegung vom Land hin zur Stadt zu beobachten. Parallel dazu gibt es in Lateinamerika eine Bevölkerungsbewegung vom Hochland bzw. den Hochtälern in Richtung tropischer Waldgebiete, welche auch durch staatliche Programme gefördert wurden.
    Als Ursache dafür lassen sich der erhöhte Bevölkerungsdruck und die fortschreitende Zerstörung der dortigen Ökosysteme ausmachen, die zu einem dramatischen Rückgang der Bodenfruchtbarkeit und damit verbundenen Ertragsrückgängen und zu einer immer stärker werdenden Wasserknappheit in diesen Gebieten geführte haben. Die Trinkwasserversorgung in der Großstadt Cochabamba im Zentrum Boliviens sowie in Tarija im Süden Boliviens ist bereits stark rationiert. Während der letzten Jahre kam es in Cochabamba bereits zu militanten Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und Regierung mit mehreren Tote und Schwerverletzten, wobei es um die Sicherung von angestammten Wasserrechten ging.
    Wirtschaftswachstum war bisher immer mit der Ausbeutung nicht erneuerbaren Ressourcen verbunden, der Physiker und alternative Nobelpreisträger H.P.Dürr dazu.
    „Es ist, in der Tat, meine feste Überzeugung, daß ohne tiefgreifende Änderungen der Rahmenbedingungen und der Spielregeln der heutigen, auf stetiges Wachstum programmierte Ökonomie, keines der anstehenden brennenden globalen Probleme – wie etwa die Friedenssicherung, die langfristige Tragfähigkeit der Ökosphäre, ein gerechter Ausgleich der extremen wirtschaftlichen und sozialen Nord-Süd-Ungleichgewichte – sich wird lösen lassen. Wir fordern heute als höchstes Ziel unseres Staatswesens, eine ständig wachsende Wirtschaft, wie sie durch ein steigendes Bruttosozialprodukt ausgewiesen werden muß, zur besseren Befriedigung unserer »Bedürfnisse«, was immer wir darunter verstehen mögen. Dies tun wir ohne Rücksicht darauf, was wir eigentlich wirklich »bedürfen« und wer eigentlich an dieser überquellenden Üppigkeit noch teilnehmen kann, und ohne große Gedanken darüber, was durch diese maßlose Entwicklung irreparabel in unserem Umfeld zerstört wird. Es ist in der Tat allerhöchste Zeit, die Ökonomie endlich aus ihrer Naturvergessenheit herauszuführen, ein Kardinalfehler, durch den allein nur die Vision eines ständig wachsenden Wirtschaftsvolumens als Möglichkeit denkbar erscheint“.
    http://www.uni-muenster.de/PeaCon/wuf/wf-92/9231201m.htm

    Es ist wahrhaft beschämend, dass vielen unserer Wissenschaftler und Politiker nichts mehr einfällt als weiterhin Wirtschaftswachstum zu predigen. Ein anschauliches Beispiel ist hierzu auch der „Josephspfennig“
    http://www.deutscher-freiwirtschaftsbund.de/ texte/josephspfennig.pdf

    Uns ist anscheinend immer noch nicht klar, das „Mensch“ integraler Bestandteil der Biosphäre ist. In Lateinamerika wird es noch sehr viel deutlicher, dass zunehmendes Wachstum einhergeht mit der Verarmung großer Bevölkerungsschichten, zunehmenden Probleme mit Müll- und dessen Entsorgung, Wasserknappheit, Energieknappheit, Nahrungssicherung und vieles mehr. Neben dem quantitativem Wachstum könnte man sich ja auch mal Gedanken um ein qualitatives Wachstum machen (hierzu gibt es auch einige interessante Vorträge von H.P.Dürr, F.A. Popp u.A. (empfehlenswert dazu auch „Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise“ von G. Hannich. Noch mal frei nach Einstein: Mit demselben Denken mit dem wir ein Problem verursacht haben, sind wir nicht in der Lage es zu lösen. Ergo – Querdenker vernetzt euch.

  4. Im übrigen ist Wasser nicht nur „nass“ und unabdingbarer Bestandteil allen Lebens sonder auch Informationsspeicher- und Träger, ebenso wie es unsere „Nahrungsmittel“ sind (bzw. sein sollten). Insofern geht es nicht nur um quantitativen Zugang zu Wasser sondern auch um dessen Qualität (siehe hierzu auch „Die Botschaft der Nahrung“ von F.A. Popp)

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